Du bist kein Monster von Feuchen ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Atsushi hatte das Gefühl, als wenn sich sein ganzer Körper zu schwer anfühlte. Was war passiert? Er erinnerte sich daran, dass er einen Jäger getroffen und mit ihm gekämpft hatte, aber irgendwann war alles nur noch ein schwarzes Loch in seinen Erinnerungen. Wo war er hier? Seine Augen öffneten sich und er blinzelte überrascht, als er bemerkte, dass er in einem kleinen Zimmer auf einem Bett lag. Das hier war nichts, was er kannte. Also hatte ihn nicht Chuuya gefunden, oder? Wo war er dann? „Bist du wach, Jinko?“ Er drehte überrascht seinen Kopf zur Seite, als er die Stimme hörte. Die Stimme, die er bereits gehört hatte. Die Stimme dieses Jägers. Mit einem Ruck sprang er aus dem Bett und bewegte sich in Angriffsposition, peitschte mit seinem Schweif in der Luft und starrte den Jäger mit funkelnden Augen an. Er würde nicht so einfach aufgeben, nur weil er scheinbar auf dem Gebiet des Feindes war. Wieso war er eigentlich nicht gefesselt? Wer war der andere? „Beruhige dich, Jinko“, entgegnete der Jäger, ohne sich von dem Stuhl, auf dem er saß, zu erheben. Seine Arme waren weiterhin vor seiner Brust verschränkt. „Was willst du von mir, Jäger? Wo bin ich hier?“, fragte Atsushi nach, schwenkte seinen Schweif umher und verengte seine Augen. War Chuuya auf dem Weg, ihn zu retten? „Wir sind in dem Wohnhaus der Agentur“, antwortete der Jäger ruhig zurück, „du solltest nicht so einfach durch die Gegend springen.“ Die Agentur? Wieso war er hier? Und wieso hatten sie ihm nichts getan, obwohl er ein Monster war? Langsam entspannte er sich, blieb aber an der Stelle stehen, wo er hingesprungen war, um den anderen genauer zu mustern. „Wer bist du? Wieso–?“ „Wir werden dich nicht töten“, sagte der Jäger und zuckte nur knapp mit den Schultern, „... mein Name ist Ryuunosuke Akutagawa.“ Atsushi blinzelte ihn weiterhin verwirrt an. Wieso war ein Jäger so nett zu ihm? Die meisten wollten sie töten oder für Experimente missbrauchen. Chuuya hatte ihm gesagt, dass es eine große Belohnung auf ihn gab, wenn man ihn fand und auslieferte. Er verstand das nicht. „Warum? Bin ich nicht eine Gefahr für euch?“ „Wenn du das denkst, kannst du mich ja angreifen und fliehen, oder?“, entgegnete Akutagawa und sah ihn ruhig an, ohne sich zu bewegen. Atsushi zuckte zusammen und sah ihn mit großen Augen an. Chuuya hatte ihm gesagt, dass er zuschlagen musste, bevor andere zuschlugen. Er musste sie vernichten, bevor sie ihn vernichten konnten. Ein Knurren entwich seiner Kehle und er schlug mit seinem Schweif durch die Luft. Seine Augen verengten sich und leuchteten ein wenig mehr auf. Dennoch spürte er, dass etwas nicht stimmte. Wieso konnte er seine Fähigkeit nicht aktivieren? Warum konnte er seine Tigergestalt nicht annehmen, um von hier wegzukommen? „Was– Akutagawa, was–“, Akutagawa hob einen Arm und deutete in seine Richtung, blickte ihn ruhig an. „Das verhindert, dass du dich in dieses Monster verwandelst.“ „Was?“, erwiderte Atsushi und blickte auf Akutagawas ausgestreckten Arm, fuhr dann zu seinem Hals, als er etwas spürte. Er hatte es vorher nicht wahrgenommen, aber jetzt fühlte er es. Sie hatten ihm ein Halsband angelegt. Etwas, was seine Fähigkeit unterdrückte? „Wir wollen mit dir reden, Tigerjunge“, hörte er eine weitere Stimme, worauf Atsushi seinen Kopf zur Seite drehte und zu einem großgewachsenen Mann sah, der einen braunen, langen Mantel anhatte. „Wer– was habt ihr vor!?“, fing Atsushi an und fauchte ihn an. „Deine Fähigkeit ist nicht alles, Tigerjunge“, sagte der Mann ruhig und ließ sich an der Seite auf einem Sessel nieder, schlug ein Bein über das andere, „du bist nicht nur ein Tiger, Kleiner.“ „Woher willst du das wissen?“, fauchte Atsushi ihm entgegen, peitschte seinen Schweif durch die Luft, „ihr seid doch alle gleich. Ihr jagt uns, um uns zu vernichten oder zu benutzen. Ihr seid bestimmt nicht anders! Deswegen haltet ihr mich hier fest!“ Chuuya hatte es ihm gesagt, dass er ihnen niemals trauen durfte. Wo blieb er? „Wenn ich gewollt hätte, dass du stirbst, hätte ich Akutagawa nicht gesagt, dass er dich lebend herbringen soll“, sagte der Mann vor ihm ruhig lächelnd, „sag mir, willst du nicht lieber so leben, wie du willst?“ Atsushi starrte ihn an. Was sollte das hier? Wollte er ihn verwirren, damit er hierblieb? Damit er ihnen keinen Schaden mehr anrichtete? Aber war es nicht auch das, was er sich wünschte? Nicht mehr ständig gejagt zu werden? Er wollte nicht überall nur als Monster gesehen und gejagt werden. Doch Chuuya hatte ihm gesagt, dass er niemanden von den Menschen trauen durfte, weil sie nur mit ihnen spielten, experimentierten und sie irgendwann tot sehen wollten. Er schüttelte den Kopf. Er durfte nicht darüber nachdenken. „Wenn ihr mich hier festhaltet, wird es nicht gut für euch ausgehen“, sagte Atsushi mit ernstem Blick, „ihr habt bestimmt von ‚Arahabaki‘ gehört, oder?“ „Natürlich haben wir das“, erwiderte Akutagawa mit einem Brummen, „er ist praktisch der Gegner, den jeder Jäger fangen will.“ „Oh, sicher, Tigerjunge“, murmelte der andere vor ihm, schmunzelte dabei, „Chuuya Nakahara ist tatsächlich etwas Besonderes.“ Atsushi blinzelte ihn verwundert an. Woher kannte der andere Chuuyas Namen? Die Jäger sollten nicht wissen, wer hinter Arahabaki steckte. „Woher?“ „Akutagawa, lass uns alleine“, fing er an und drehte seinen Kopf zu dem jüngeren Jäger, der kurz schnaubte, allerdings dann das Zimmer verließ. Langsam blickte der Jäger vor ihm ihn wieder an. „Du willst wissen, wieso ich ihn kenne?“ Atsushi nickte still, ohne etwas zu sagen. Er wollte tatsächlich wissen, wieso ein Jäger wusste, wer hinter Arahabaki steckte. „Er ist mein Gegner“, sagte der Jäger und grinste ihn an, „ich werde nicht ruhen, bis ich Arahabaki – nein, Chuuya Nakahara – getötet habe, Tigerjunge.“ Atsushis Augen weiteten sich, als er das hörte. Diese Selbstverständlichkeit in der Stimme. Wieso hatte er so ein Selbstvertrauen, dass er Chuuya töten konnte? Niemand konnte Arahabaki töten. „Wer ... wer bist du?“ „Osamu Dazai“, sagte er ruhig schmunzelnd zurück, „der Anführer der Agentur.“ Atsushi starrte ihn weiterhin an, ballte seine Hände zu Fäusten. Er hatte von ihm gehört. Er hatte davon gehört, dass die Monster ihm aus dem Weg gingen. „Warum willst du dann, dass ich hierbleibe?“, fragte er leise nach. Was sollte er hier? Wenn er seine Fähigkeit nicht nutzen konnte, war er nutzlos. Aber wenn er sich verwandelte, wurde er von einer Zerstörungswut übermannt, die er kaum kontrollieren konnte. Dann lechzte er nach dem Blut von Menschen. „Du bist besser hier aufgehoben, als wenn du als Monster tobst“, entgegnete Dazai ruhig zurück, „meinst du nicht, Tigerjunge? Oh ... wie heißt du eigentlich?“ Verwirrt blickte Atsushi den anderen an. Er war zu etwas nutze, wenn er kein Monster war? Aber was? Und waren nicht alle hinter ihm her, so wie Chuuya es ihm gesagt hatte? War nicht eine große Belohnung auf ihn angesetzt? Er sah zu dem anderen auf, der ihn immer noch ruhig anlächelte. Ein Leben ohne dieses Monsterdasein? Ging das wirklich? „Atsushi ... Nakajima.“ Er wusste nicht einmal, wieso er ihm gesagt hatte, wie er hieß, es war mehr einfach über ihn gekommen. „Freut mich, Atsushi-kun“, entgegnete Dazai schmunzelnd, „du hast Besseres verdient.“ Atsushi sah ihn ruhig an. Er war sich nicht ganz sicher, was er wirklich verdient hatte. „Akutagawa wird dich die nächsten Tage in unsere Missionen einarbeiten“, sagte Dazai ruhig daraufhin und erhob sich dann. Missionen. „Aber ihr jagt uns“, erwiderte Atsushi und blickte ihn still an. „Niemand von uns tötet Monster oder verkauft sie an jemanden, der mit euch experimentiert“, entgegnete Dazai daraufhin und drehte sich noch einmal zu ihm, „oh, Akutagawas Fähigkeit ist gewisserweise ebenfalls ein Monster. Inzwischen sind sie ein Team.“ Atsushi sah ihn verwirrt an. Hatte er nicht davon geredet, dass er Arahabaki töten wollte? „Du willst Chuuya-san töten.“ Dazai sah ihn einen Moment länger mit verengten Augen an, strich sich seine Haare zurück und drehte sich dann zur Zimmertür um. „Arahabaki ist zu gefährlich, um ihn am Leben zu lassen und ich bin der Einzige, der ihn aufhalten kann. Chuuya Nakahara muss sterben.“ Atsushi blickte ihm hinterher, konnte aber nicht einmal mehr zu einer Erwiderung ansetzen, da Dazai kurz darauf bereits das Zimmer verlassen hatte. Langsam drehte er sich um und sah aus dem Fenster nach draußen. War Chuuya so sehr anders, als er?   –*–   Geräuschlos lehnte er neben dem Fenster, welches zu einem der Zimmer der Agentur gehörte, in dem er Atsushi aufgespürt hatte. Eigentlich hatte Chuuya vorgehabt, ihn dort rauszuholen, aber er hatte gestoppt, als er das Ende des Gesprächs belauscht hatte. Vermutlich hatte er recht, wenn er meinte, dass Atsushi nicht nur ein Monster war. Auch, wenn seine Fähigkeit anders war, als die von vielen anderen Menschen. Er ließ seine langen Arme nach vorne gleiten und lächelte bitter. Atsushi verdiente es, normal zu leben, wenn er es konnte. Vielleicht würde dieser Kerl es schaffen, dass Atsushi seine Tigerfähigkeit kontrollieren konnte? Er schloss für einige Sekunden seine Augen und versenkte seine Hände wieder in den Taschen seines Mantels. Langsam öffnete er seine Augen wieder und blickte überrascht vor sich, als er geradewegs in das Gesicht eines Mädchens sah. „Hey. Gehörst du zu ihnen, Kleine?“ „Du bist Arahabaki“, erwiderte sie mit einem so gleichgültigen Ton, dass Chuuya ein wenig erschrocken zurücksah. Wenn er sie richtig einschätzte, war sie nicht älter als sechzehn, eher noch jünger. Warum schien sie absolut keine Angst vor ihm zu haben, obwohl sie wusste, wer er war? Es dauerte allerdings nicht lange, bis er wieder ruhiger zu ihr schmunzelte. „Du weißt, wer ich bin? Hast du keine Angst, dass ich dir etwas antue?“ Auch, wenn er sich geschworen hatte, dass er keine Kinder verletzte. Zumindest, wenn sie ihm nichts tun wollten. Es war seltsam, dass jemand, der seine wahre Identität kannte, nicht zurückwich. Selbst die meisten Mitglieder der Agentur hatten einen gehörigen Respekt vor ihm. „Ich kann mich verteidigen“, sagte sie ruhig zurück. Chuuya sah sie still an und musste zugeben, dass sie ihn beeindruckte. Wer war dieses Mädchen, dass sie so ruhig und abgeklärt blieb? „Kyouka, kannst du dich um etwas kümmern?“ Überrascht hob Chuuya seinen Kopf, als er die Stimme gehört hatte, bemerkte wie hinter dem Mädchen jemand auf sie zutrat und ihr kurz eine Hand auf die Schulter legte. Er erkannte ihn als die einzige Person, die ihm gefährlich werden konnte. Zumindest wenn er nicht aufpasste. „Dazai-san …“, murmelte das Mädchen, Kyouka?, leise, nickte und drehte sich dann einfach ab und in Richtung des Agenturgebäudes. Chuuyas Aufmerksamkeit lag dennoch die komplette Zeit fast ausschließlich auf Dazai, während dieser ihn ebenfalls direkt ansah. „Bist du wegen Atsushi hier?“, fragte Dazai schließlich nach und lächelte ihn an, wenn auch mit einem Ausdruck in den Augen, der etwas Verschmitztes zeigte. „Was hast du mit ihm vor?“, stellte Chuuya die Gegenfrage. Es war vermutlich eh nur rein rhetorisch, immerhin konnte sich Dazai denken, dass es nur diesen Grund gab, dass er hier war. „Er will normal leben und du kannst ihm das nicht geben … Arahabaki“, sagte er mit einem nun dunklen Ton. Chuuya verengte seine Augen und bewegte seine Arme und Flügel ein wenig mehr zur Seite. „Denkst du, dass weiß ich nicht?“ „Natürlich~“, sagte Dazai und grinste ihn an, „Atsushi will dich dennoch noch einmal sehen.“ Verwundert hob Chuuya eine Augenbraue, legte den Kopf zur Seite. „Und?“ Er hatte nicht das Gefühl, dass Dazai ihn so einfach mit Atsushi reden ließ. „Ich denke nicht, dass er noch einmal mit dir Kontakt haben sollte, Chuuya~“, entgegnete er ruhig zurück, „aber ich könnte dich natürlich nicht aufhalten, wenn du es dennoch machst, nicht?“ Einen Moment starrte er ihn einfach nur an, zuckte etwas mit den Schultern. Er wusste, dass er ihn aufhalten konnte, wenn er es wollte. Manchmal wusste er absolut nicht, wie er den anderen deuten sollte. Wenn er es tat, würde er sich dann angreifbar machen? War es das, worauf Dazai abzielte, indem er ihm so etwas sagte? „Du glaubst also, ich falle darauf rein?“, erwiderte Chuuya und verengte seine Augen, „Dass du Atsushi nutzt, um mich in einem Moment der Unaufmerksamkeit zu erwischen?“ „Ah~ so misstrauisch, Chuuya~“, erwiderte Dazai in einem erheiternden Ton, „glaubst du echt, dass ich so hinterhältig bin?“ „Ich glaube, dass du alles tun würdest, um Arahabaki zu töten“, sagte Chuuya und verengte seine Augen, „in einem normalen Kampf neutralisieren wir uns und ich bin immerhin eine Bedrohung für diese Stadt.“ Er bemerkte, wie sich die Gesichtszüge des anderen verhärteten. „Da könntest du recht haben.“ „Sorry, wir müssen diesen Kampf verschieben, Dazai“, sagte Chuuya daraufhin, bewegte seine Flügel etwas und war mit einer schnellen Bewegung in die Luft und die entgegengesetzte Richtung gesprungen, „wir sehen uns.“ Er hoffte nur, dass Atsushi so wirklich glücklicher werden konnte. Aber wenn er seine Fähigkeit kontrollieren lernte, wäre er nicht mehr nur ein einfaches Monster. ‚Nur wenn du bei ihnen bleibst, dann denk daran, dass wir ab jetzt Feinde sind, Atsushi ...‘, auch, wenn er keine Lust hatte, gegen ihn zu kämpfen, so war es besser so.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)