Zum Inhalt der Seite

Angelo

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Am Rande des Abgrunds

„Wow, so groß hatte ich es gar nicht mehr in Erinnerung.“

Michael ließ seinen Blick über die weiten Rasenflächen schweifen, auf denen sich trotz der frühen Stunde bereits die ersten Studenten tummelten. Wahrscheinlich tauschten sie hier zwischen sauber angelegten Wegen und üppig grünen Bäumen noch Notizen aus und verglichen Hausarbeiten oder schrieben diese ab, bevor sie in die ersten Vorlesungen und Seminare stürmten, um ihre Köpfe mit Wissen zu füllen. Zumindest konnte er sich lebhaft daran erinnern, dass er das früher oft gemacht hatte.

Unwillkürlich sah er nach rechts, wo sich eines der modernen Universitätsgebäude im Morgensonnenschein von seiner besten Seite präsentierte. Ein Zentrum für Wissenschaft und Bildung wie aus einem Hochglanzkatalog. Michael jedoch sah daran vorbei auf die Umrisse eines anderen Gebäudes, das noch ein ganzes Stück weit dahinter lag. Eigentlich war es weniger ein Gebäude, als ein riesiges Rund mit unzähligen Tribünen, VIP-Lounges, die hoch über dem Erdboden lagen, einer gigantischen Leinwand, die die besten Spielszenen in Slow Motion wiedergab, und mittendrin … der Kessel. Das Herzstück des Stadions, das Spielfeld, der Ort, wo die Action passierte, während drumherum eine brodelnde Masse aus rotgekleideten, feiernden, aus Leibeskräften brüllenden Fans die Spieler anfeuerte. Spieler wie ihn.

Ihm war, als könne er es noch einmal hören. Das Gemurmel der Menge, das sich, je weiter er und die anderen dem Ausgang entgegenstrebten, immer lauter und lauter wurde. Bis der lange, dunkle Gang endete und sich die Mannschaft wie eine Urgewalt auf das Spielfeld ergoss. Krieger, gepanzert und hungrig. Ein Befehle brüllender Captain, der sie alle einschwor auf Sieg, Sieg, Sieg. Das Gefühl, wenn er den Helm aufsetzte, sich auf seine Position begab, in die Hocke ging. Auge in Auge mit dem Gegner. Bereit zu gewinnen. Bereit das Beste zu geben. Bereit alles zu riskieren für den einen Spielzug, den einen taktischen Vorteil, die eine notwendige Sekunde, die sie voranbrachte und alles entschied. Bereit über Leichen zu gehen.

 

„Michael?“ Angelos Stimme ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Forschend sahen ihn diese verdammt blauen Augen an und fast war ihm, als würde dieser Blick tiefer gehen. Als würde er all die Abgründe ausleuchten, die es darunter zu finden gab. Eilig schüttelte Michael den Kopf und bemühte sich um ein Lächeln. „Es ist nichts. Nur ein paar Gespenster von früher. Nichts, was dich beunruhigen müsste.“

Angelo schien nicht ganz überzeugt, beließ es aber bei einem weiteren skeptischen Blick. Irgendwie war Michael gerade froh, dass Gabriella nicht hier war. Sie hätte vermutlich gewusst, was mit ihm los war. Genau wie er heute morgen gemerkt hatte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er erinnerte sich genau an ihre Reaktion, als er sie heute Morgen darauf angesprochen hatte.

 

Gabriella war zunächst ein wenig errötet und hatte sich schnell abgewandt, während sie das Frühstück zubereitete.

„Es ist nichts“, hatte sie ebenso wie er gesagt, doch Michael hatte genau gewusst, dass es eine Lüge gewesen war. Er war hinter sie getreten, hatte die Arme um sie gelegt und schließlich hatte sie ihm gestanden, was ihr durch den Kopf gegangen war.

„Ich komme mir irgendwie verrucht vor“, hatte sie leise gesagt. „Ich … ich habe tatsächlich mit zwei Männern geschlafen. Das hätte ich nie von mir gedacht. Im Nachhinein kommt es mir so verrückt vor.“

Michael war für einen Augenblick verblüfft gewesen und dann hatte er sie nur noch enger an sich gezogen.

„War es denn gut?“, hatte er gefragt und gespürt, dass sie lächelte.

„Sehr.“

„Dann hör auf, dir darüber Gedanken zu machen. Tun wir auch nicht. Und keiner von uns sieht deswegen auf dich herab. Im Gegenteil. Du bist unsere Göttin, unsere Sonne.“

Sie hatte versucht, ihn wegzuschieben. „Hör auf! Das ist albern.“

„Findest du?“ Er hatte seine Lippen an ihren Nacken geschmiegt. „Ich dachte, du magst es, wenn ich versuche poetisch zu sein. Früher hast du gesagt, das sei niedlich.“

„Du bist nun mal kein Dichter und Denker.“

„Stimmt“, hatte er mit einem Grinsen erwidert und sie kurzerhand hochgehoben und durch die Küche gewirbelt. „Aber ich habe andere Qualitäten, die dir viel besser gefallen.“

In dem Moment war Angelo hereingekommen und sie waren auseinandergestoben wie zwei verliebte Teenager, nur um im nächsten Moment in lautes Lachen auszubrechen, in das Angelo schließlich mit eingefallen war. Danach hatten sie sich alle drei zusammengerissen und es tatsächlich geschafft, das Haus so rechtzeitig zu verlassen, dass Gabriella sie noch vor dem Beginn der ersten Vorlesungen an der Universität hatte absetzen können. Sie selbst war anschließend weitergefahren, um den zu heiß gewordenen Mietwagen gegen ein neues Fahrzeug zu tauschen.

 

Michael seufzte noch einmal und riss sich dann endlich vom Anblick des Parks los, der ebenso wie alles andere mit so vielen Erinnerungen verbunden war. Er sah zu Angelo, der ihn immer noch misstrauisch musterte.

„Es ist wirklich alles in Ordnung“, versicherte er noch einmal und meinte es dieses Mal auch. „Es ist einfach ein bisschen eigenartig, nach all der Zeit wieder hierher zurückzukommen. Das hier war eine Zeit lang mein Zuhause, verstehst du? Ich hatte hier Freunde, fast so etwas wie eine zweite Familie. Mein ganzes Leben drehte sich um diesen Campus und dann … dann war das auf einmal vorbei. Von einem Tag auf den anderen. Ich hatte nicht einmal Zeit, mich wirklich davon zu verabschieden.“

Er schwieg und warf einen Blick auf Angelo, der jetzt gedankenverloren auf den Fußboden starrte. Michael wurde bewusst, dass Angelo vermutlich genau wusste, wovon er sprach. Immerhin hatte auch er seine Heimat für immer verlassen. Freiwillig zwar, aber allem Anschein nach würde er nie wieder zurückkehren können. Der Gedanke ließ Michaels Kehle eng werden und er versuchte, das Gefühl möglichst herunterzuschlucken, um sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Angelos Opfer sollte wenigstens nicht umsonst gewesen sein.

„Na los, suchen wir nach dieser Professorin. Ihr Büro müsste irgendwo im Westflügel sein.“
 

Sie steuerten eines der modernen Gebäude aus Glas und Stahl an, die sich hier mit roten Backsteingebäuden und ehrwürdig alten, säulenverzierten Bauten zu einem einzigartigen Mosaik verbanden. Hinter der gläsernen Tür erwartete sie eine weite Eingangshalle mit einem Springbrunnen und einem Informationstresen, den Michael sogleich ansteuerte.

„Guten Morgen!“, begrüßte er die Frau auf der anderen Seite, die ihn über den Rand ihrer Brille hinweg musterte.

„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“ Der Frau mit der grauen Lockenfrisur war anzumerken, dass sie sich über Michaels Auftritt ein wenig wunderte. Vermutlich versuchte sie gerade herauszufinden, in welcher Beziehung er zu Angelo stand, der zwar jung genug aussah, um hier zu studieren, aber zu alt, um Michaels Sohn zu sein. Daran, dass Michael keiner der Studenten war, die gerade in kleinen Gruppen begonnen hatten, das Gebäude zu bevölkern, konnte zumindest kein Zweifel bestehen.

„Wir sind auf der Suche nach einer gewissen Maomi Yoshizono. Können Sie mir vielleicht sagen, wo wir sie finden können?“

„Haben Sie denn einen Termin?“

„Nein, eigentlich nicht, aber wir hatten gehofft, ihr kurz ein oder zwei Fragen stellen zu können. Eine Privatangelegenheit.“

Die Dame schenkte ihm noch einen weiteren Blick, bevor sie sich ihrem Computer zuwandte und einen Augenblick klackernd darauf herumtippte, bevor sie wieder zu ihm aufsah.

„Professor Yoshizono gibt in einer halben Stunde eine Vorlesung im kleinen Saal. Wenn Sie sich beeilen, könnten Sie sie vorher noch erwischen. Ihr Büro ist im zweiten Stock, Raum 208.“

Michael zwang sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank.“

Er winkte Angelo, der ihm auf dem Fuß folgte. Während sie zu den Aufzügen gingen, murmelte er: „Sieh dich mal unauffällig um. Telefoniert sie?“

Angelo schwenkte den Kopf nach hinten und gab ebenso leise zurück: „Ja, tut sie. Warum?“

„Weil sie Yoshizono vermutlich vorwarnt, dass wir kommen. Wir dürfen uns von ihr nicht abwimmeln lassen.“

Angelo warf noch einen Blick über die Schulter. „Wollten wir nicht eigentlich auf Gabriella warten?“

Michael betrat die Kabine und drückte auf den Knopf für den zweiten Stock. „Wollten wir. Aber wenn wir uns die Gelegenheit jetzt entgehen lassen, kommt die Dame möglicherweise davon. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass sie nicht mit uns sprechen will.“

„Wie kommst du darauf?“

„Keine Ahnung. Als Vertreter bekommt man vermutlich mit der Zeit ein Gespür dafür, wenn man unerwünscht ist.“

 

Als sich die Aufzugtüren wieder öffneten und sie den verglasten Gang betraten, sah Michael, wie am anderen Ende gerade jemand sein Büro verließ. Es war eine zierliche Frau mit dunklen, hochgesteckten Haaren in einem grauen Kostüm. Als sie Angelo und ihn erblickte, drehte sie sich um und begann zielstrebig in die entgegengesetzte Richtung zu laufen.

„Professor Yoshizono?“, rief Michael und beschleunigte seine Schritte. „Bitte warten Sie! Wir möchten Sie nur kurz etwas fragen.“

Die Frau war jetzt stehengeblieben und drehte sich langsam zu ihnen herum. Sie sah jünger aus, als Michael erwartet hatte, und war ohne Zweifel asiatischer Abstammung. Als er bei ihr ankam, schenkte er ihr ein warmes Lächeln.

„Professor Maomi Yoshizono?“, fragte er noch einmal und sie nickte.

„Ja, das bin ich. Ich fürchte jedoch, dass ich im Moment keine Zeit habe. Ich muss zu einer Vorlesung.“

„Das wissen wir. In einer halben Stunde. Wir haben auch nur ein paar kurze Fragen an Sie. Es geht ganz schnell.“

Der Blick der Frau glitt zu Angelo und für einen Augenblick huschte etwas über ihre ebenmäßigen Züge, das Michael nicht so recht zu deuten wusste. Er kam jedoch nicht umhin zu bemerken, dass ihr Lächeln danach ein klein bisschen weniger geschäftsmäßig wirkte.

„Nun gut“, sagte sie und wies mit einer einladenden Geste auf ihre Bürotür. „Einen kleinen Augenblick meiner Zeit werde ich Ihnen wohl opfern können. Wenn Sie mir folgen wollen?“

 

Der Raum, in den sie sie führte, war penibel aufgeräumt. Es lag nichts herum, keine Unterlagen, keine losen Blätter. Es gab kein Buch, das nicht in Reih und Glied in den Regalen stand. Selbst das einsame Dekoobjekt auf dem niedrigen Aktenschrank, das sich zwischen all den zweckmäßigen Dingen wie ein Fremdkörper ausnahm, wirkte seltsam steril. Alles hier war tadellos ebenso wie das Äußere der Frau, die jetzt an ihrem Schreibtisch Platz nahm und sie aus schräg stehenden Augen aufmerksam musterte.

„Also? Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Mister …?“

„Thompson“, beeilte sich Michael zu erwidern. „Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit und dass wir Sie so ganz ohne Termin überfallen. Sie sind sicherlich sehr beschäftigt.“

„In der Tat“, gab sie zurück und lächelte glatt, während ihre Augen für einen winzigen Augenblick zu Angelo huschten. Michael entging nicht, dass sich ihr Brustkorb dabei auffällig hob und senkte. Nicht, dass er hingesehen hätte, aber in diesem Moment traf ein Sonnenstrahl direkt auf den Anhänger, der an einer Kette um ihren Hals hing. Das Schmuckstück bestand aus einem großen, farblosen Kristall mit kleinen schwarzen Einschlüssen in einer goldenen Fassung. Die dazugehörige Kette bestand aus einfachen, fast schon grob zu nennenden Kettengliedern. Sie war im Aufschlag der weißen Bluse fast nicht zu sehen und passte irgendwie nicht so ganz ins Bild, das er bisher von der Frau erhalten hatte. Bevor er sich jedoch noch weiter Gedanken darum machen konnte, merkte er, dass sie ihn auffordernd ansah. Anscheinend hatte sie ihm eine Frage gestellt, die er verpasst hatte. Er lächelte entschuldigend.

„Verzeihen Sie, was hatten Sie gerade gesagt?“

Ihre roten Lippen wurden ein wenig schmal. „Ich hatte Sie nach dem Grund Ihres Besuchs gefragt. Ich nehme doch an, dass es um Ihren jungen Begleiter geht?“

Wieder sah sie zu Angelo und endlich machte es 'Klick' in Michaels Kopf. Das, was er vorhin bemerkt hatte, war sehr gut verstecktes Begehren. Sie hatte ein Auge auf Angelo geworfen. Blitzschnell beschloss er, den Plan zu ändern. Er wandte sich an Angelo und warf ihm einen beschwörenden Blick zu, bevor er sich wieder an die Professorin wandte.

„Ja“, sagte er überschwänglich. „Mein Neffe hier möchte diesen Sommer gerne ein Auslandssemester hier absolvieren. Er kommt aus Europa, wissen Sie? Wir suchen daher noch jemanden, der sich seiner ein wenig annehmen kann, da meine Frau und ich eigentlich eine längere Reise geplant hatten.“

Ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung. „Sie meinen als eine Art Tutor. Ich bin mir sicher, dass sich dafür ein Student aus den höheren Semestern finden würde, der das gern übernimmt.“

Michael ahnte, dass sie das sagen musste, aber er wusste auch, was er gesehen hatte. Wenn er den Köder richtig auswarf und die Angel langsam einholte, würde er sie vielleicht an den Haken bekommen.

„Sicherlich“, stimmte er lächelnd zu. „Aber die jungen Leute würden meinem Neffen bestimmt nicht so gut in seinen akademischen Leistungen unterstützen. Er ist immerhin hier, um etwas zu lernen. Nicht wahr, Angelo, du möchtest später mal Biotechnologie studieren. Vielleicht sogar hier an der Universität. Sie hat einen sehr guten Ruf.“

„Wie alt ist ihr Neffe denn?“

„19.“ Michael war sich nicht ganz sicher, wie sich das europäische Schulsystem gestaltete, aber etwa in dem Alter hatte er seinen Highschool-Abschluss gemacht, also würde das wohl nicht ganz verkehrt sein.

„Ich werde diesen Sommer 20, Onkel!“ Angelo war offenbar auf das Spiel eingestiegen und sah Michael jetzt vorwurfsvoll an. Der schenkte ihm einen nachsichtigen Blick.

„Teenager! Wollen immer, dass man sie für älter hält, als sie eigentlich sind.“ Er lachte und sie erwiderte das höflich. Anscheinend hatte er sie immer noch nicht ganz überzeugt. Statt sich auf Angelo zu konzentrieren, hatte sie jetzt angefangen, ihn zu mustern. Ihre schmalen Augenbrauen zogen sich leicht zusammen.

„Ich weiß nicht, Mr. Thompson, ob ich wirklich die Richtige dafür bin. Wie Sie bereits bemerkten, bin ich sehr beschäftigt. Darf ich fragen, wie Sie darauf kamen, ausgerechnet mich danach zu fragen?“

Dünnes Eis, zischte eine warnende Stimme in seinem Kopf und Michael rettete sich mit einem Räuspern über die nächsten Sekunden. Seine Hand tastete nach dem Foto, das sich in seiner Jacketttasche befand. Würde er doch noch mit seiner Beziehung zu Jeff herausrücken müssen?

„Ich … ich war selbst mal Student hier an der Uni und …“

Ihr Blick wurde intensiver und Michael glaubte förmlich zu spüren, wie unsichtbare Finger an ihm entlangtasteten. Es war ein unangenehmes Gefühl und er unterdrückte mit Mühe ein Schaudern, während er versuchte, ihren Blick möglichst ruhig zu erwidern.

„Mhm“, machte sie. „Es könnte sein, dass ich mich an Sie erinnere. Aber das ist sehr lange her nicht wahr?“

„Es war noch vor dem großen Brand“, warf er in der Hoffnung ein, das Thema irgendwie in die richtige Richtung lenken zu können, ohne allzu auffällig zu sein.

Komischerweise schien sie der Gedanke zu erheitern.

„Ach ja, das Feuer“, sagte sie mit einem feinen Lächeln. „Was für ein furchtbares Unglück. Der ganze Flügel hier wurde dabei zerstört. Auch mein Büro, alle meine Laborräume, einfach verbrannt. Es ist nichts übriggeblieben außer einem Haufen Asche. Waren Sie auch von den Einschränkungen danach betroffen?“

„Ich … ähm … nein. Ich hatte mein Studium zu dem Zeitpunkt bereits abgebrochen.“

„So?“ Sie schob eine ihrer schmalen Augenbrauen ein Stück weit nach oben. „Wie kam es dazu?“

Sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf hatten angefangen zu schrillen, während ihn der hypnotische Blick der dunklen Mandelaugen in seinen Bann zog. Er wollte nicht antworten, aber die Worte schlüpften wie von selbst aus seinem Mund. „Ich hatte damals einen Unfall. Mein Bester Freund und ich … wir waren im Auto unterwegs und …“

„Hatte ihr Freund auch einen Namen?“

„Jeff. Sein Name war Jeff Fleming. Er war in einem Ihrer Kurse.“

„Michael?“ Angelos Stimme schien von irgendwo weit her in sein Gehirn zu dringen, während ihn diese wunderschöne Frau einfach nur ansah. Michael lächelte. Sie war wirklich sehr hübsch. Er fragte sich, ob sie wohl verheiratet war.

„Michael!“ Jemand berührte ihn am Arm und brach damit den Bann, unter dem er sich gerade noch befunden hatte. Mühsam schüttelte er den Kopf und sah in Angelos besorgtes Gesicht.

„Ich, äh … ja. Ich bin da.“

Der Professorin war nichts anzumerken. Sie sah ihn einfach nur freundlich an. „Ist alles in Ordnung, Mr. Thompson?“

„Ja, ich denke schon. Mir war nur für einen Augenblick etwas schwindlig.“

„Das muss die Luft hier sein. Vielleicht sollten Sie jetzt gehen. Ich muss ohnehin zu meiner Vorlesung.“

Sie erhoben sich und bevor Michael wusste, wie ihm geschah, fand er sich schon vor der Bürotür wieder. Die Hand der Professorin lag klein und kühl in seiner.

„Es hat mich gefreut, Sie zu treffen, Mr. Thompson. Vielleicht sollten wir noch einmal die Einzelheiten des Sommerstudiums Ihres Neffen besprechen. Ich bin mir sicher, dass ich ihm behilflich sein kann. Wie wäre es heute Abend? So gegen acht Uhr?“

„Ja, sicher.“ Michael wusste nicht, wie es zu dieser Verabredung gekommen war, aber er beschloss, sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen.

„Und bringen Sie doch Ihre Frau und Ihren Neffen ebenfalls mit. Vielleicht zeige ich Ihnen dann mal die neuen Laborräume. Momentan sind sie für den Publikumsverkehr gesperrt, weil dort gearbeitet wird, aber wenn man den Generalschlüssel hat …“

Sie klimperte vielsagend mit einem großen Schlüsselbund und lächelte.

Irgendwie gelang es Michael, zustimmend zu nicken. „Es wäre uns eine große Freude.“

„Dann sehen wir uns um acht.“ Sie neigte noch einmal den Kopf in seine Richtung und bedachte auch Angelo mit einem freundlichen Blick, bevor sie sich umdrehte und den Gang entlang zu den Aufzügen ging. Michael sah ihr nach und kam sich vor wie ein dummer Schuljunge, der gerade versucht hatte, seine Lehrerin mit einem blank polierten Apfel zu beeindrucken. Er spürte förmlich, wie sie ihm nachsichtig übers Haar strich, bevor sie ihn stehen ließ.

 

Neben ihm ließ Angelo geräuschvoll die Luft entweichen.

„Ich mag sie nicht“, stellte er fest, als sich die Aufzugtüren hinter der Professorin geschlossen hatten. „Sie ist so … klebrig.“

„Klebrig?“ Michael lachte auf. „Also das Wort wäre mir jetzt irgendwie nicht eingefallen. Hast du ihre Beine gesehen? Und den Hintern?“

„Ja, habe ich.“ Angelo schenkte ihm einen bösen Blick. „Und vor allem habe ich gesehen, wie du sie angestarrt hast.“

„Bist du etwa eifersüchtig?“

„Nein!“ Angelo schnaubte und seine Augen blitzten wütend auf. „Aber im Gegensatz zu dir habe ich mich von ihr nicht so einwickeln lassen. Ist dir aufgefallen, dass sie von Jeff in der Vergangenheit gesprochen hat? Sie wusste bereits, wer du bist. Sie hat dich wiedererkannt.“

„Aber … ich bin Jeffs Professorin vorher noch nie begegnet.“

„Eben.“

Michael sah Angelo für einen Augenblick verdutzt an, bevor ihm aufging, dass er Recht hatte.

„Du meinst also, dass sie tatsächlich etwas mit dem Unfall zu tun hatte?“

„Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich.“

„Und wie soll sie das angestellt haben?“

Angelo zuckte mit den Schultern und sagte nichts. Michael sah hingegen genau, dass ihm etwas auf der Zunge lag.

„Was? Na los spuck’s schon aus. Was hast du gemacht?“ Er schüttelte den Kopf, als er sich die Antwort selber gab. „Hatten wir nicht gesagt, dass das zu gefährlich ist? Das letzte Mal haben uns deine Engelskräfte in Teufels Küche gebracht.“

Er lachte halbherzig über sein eigenes Wortspiel. Angelo hingegen sah zunächst ertappt aus, bevor sich sein Gesicht zu einer vorwurfsvollen Grimasse verzog.

„Du hast den Plan auch einfach geändert, ohne dich mit mir abzusprechen. Außerdem war ich mir sicher, dass sie ein Dämon ist, nachdem du so komisch reagiert hast. Es war, als hätte sie dich vollkommen in der Hand. Wie ein Puppenspieler eine Marionette. Sie brauchte nur die richtigen Fäden zu ziehen und schon hast du angefangen zu tanzen.“

Michael musterte Angelo, der ihn mit leicht vorgeschobener Unterlippe ansah. Irgendwie war er sich nicht ganz sicher, ob da nicht doch ein wenig Eifersucht mit hineinspielte, weil die Dame ihre Aufmerksamkeit so plötzlich auf ihn konzentriert hatte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn Gabriella bei dem Gespräch dabei gewesen wäre. Dabei hatte er sich vorhin noch darauf gefreut, ein wenig Zeit mit Angelo allein zu verbringen, auch wenn es nur war, um Jeffs ehemalige Professorin zu besuchen. Er unterdrückte ein Seufzen.

„Und? Hast du denn etwas finden können.“

„Nein“, gab Angelo widerwillig zu. „Ich hatte zumindest keinen Geistesblitz, um was für einen Dämon es sich handeln könnte. Aber irgendetwas an ihr ist trotzdem komisch. Wir sollten sehr vorsichtig sein, wenn wir uns heute Abend mit ihr treffen.“

 

Michael sah noch einmal in Richtung der Aufzüge. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie möglicherweise sehenden Auges in eine Falle liefen. Andererseits blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, wenn sie in der Sache weiterkommen wollten. Er seufzte und legte den Arm um Angelos Schultern.

„Na komm. Lass uns Gabriella suchen und ihr von unserem Treffen berichten. Dieses Mal hab ich mich wohl erfolgreich in die Nesseln gesetzt.“ Er warf einen Seitenblick auf Angelo, der bei diesem Geständnis für seinen Geschmack ein kleines bisschen zu selbstzufrieden aussah. „Und hör auf, so zu gucken, sonst lege ich dich übers Knie und versohle dir den Hintern.“

„Das würdest du nicht wagen!“

„Warum nicht? Immerhin müssen wir uns bis heute Abend die Zeit vertreiben. Und da wir nicht draußen rumlaufen können …“

Angelo lachte auf und sein Lachen war so ansteckend, das Michael irgendwann mit einfiel. Es reichte jedoch nicht ganz, um das beklemmende Gefühl in seiner Brust zurückzudrängen, das sich bei dem Gedanken an den heutigen darin breitgemacht hatte. Das Ganze musste einfach einen Haken haben und ihm graute jetzt schon vor dem Augenblick, in dem sie herausfanden welchen.

 

 

 

Das Erste, was Marcus wahrnahm, war harter, rauer Fels an seiner Wange. Das Nächste war ein rasender Schmerz. Sein Kopf schien explodieren zu wollen, als er ihn bewegte. Ein Stöhnen bahnte sich seinen Weg durch Marcus’ Kehle nach draußen. Reglos blieb er liegen und wartete, dass das peinigende Pulsieren verebbte und die Übelkeit, die mit ihm einherging, auf ein erträgliches Maß herabsank. Erst dann öffnete er vorsichtig seine Augen. Im nächsten Augenblick wünschte er, er hätte es nicht getan.

„Wieder wach?“, ätzte das hämische Gesicht, das irgendwo über ihm im Dunkeln schwebte. „Ich wusste doch, dass du zäh bist.“

„Du …“ Er versuchte, die Energie zusammenzubekommen, um sich zu bewegen. Es gelang ihm nur teilweise. Seine Finger kratzten über den steinernen Boden. Er spürte, wie sich Dreck unter seinen Fingernägeln sammelte. Schimmelgeruch drang in seine Nase und er schmeckte Blut auf seiner Zunge. Angeekelt wollte er ausspucken, aber sein Mund war trocken, als hätte er Sand gekaut. Gleichzeitig begannen auch seine restlichen Körperteile diverse Beschwerden anzumelden. Schürfwunden, blaue Flecken, Schwellungen. Jeder Zentimeter an ihm schien gleichzeitig aufzuschreien, als hätte er nur darauf gewartet, dass er wieder zu Bewusstsein kam.

„Wenn ich du wäre, würde ich liegen bleiben. Könnte sein, dass du mir vorhin mal die Treppen runtergefallen bist. Rein zufällig natürlich.“

„Wichser!“, zischte Marcus und kämpfte sich trotz der Schmerzen und dem Bestreben seines Magens, sich seines Inhalts zu entledigen, nach oben. Er kam immerhin in eine sitzende Position, bevor ihn ein warnendes Knurren seines Gegenübers aufblicken ließ. Langsam begann auch seine Umgebung wieder klarere Formen anzunehmen. Wobei es da nicht viel zu sehen gab außer dunklem, feuchten Stein und einer schwarzen, mit Metallnieten versehenen Tür. Wenn er hätte raten müssen – nicht, dass er sich momentan dazu in der Lage fühlte, irgendwelche Ratespielchen zu spielen – hätte er vermutet, dass das hier eine Art Gefängniszelle war. Eine mittelalterliche, vermoderte und von lauter Ungeziefer bewohnte Gefängniszelle. Fehlte eigentlich nur noch …

Er stöhnte, als er die Kette sah, die um sein Fußgelenk gewickelt war. Das hier musste ein ganz scheußlicher Scherz sein.

„Wo …?“, versuchte er eine neue Frage zu formulieren. Sein Gehirn fühlte sich immer noch an, als wäre es in schlecht gewordenem Sirup eingelegt. Der Schlag auf den Kopf musste dort oben einiges in Unordnung gebracht haben. Moment … Schlag auf den Kopf? Schwammig und unsicher kamen die Erinnerungen wieder herbeigewankt. Seine Wohnung, der Einbrecher, der Kampf und dann … Fuck!

Der Mann, der sich über ihn gebeugt hatte, grinste breit. Sein Goldzahn blitzte im Licht der Fackel, die an der Wand hing.

„Entspann dich. Wirst ne Weile hierbleiben. Wenn du Glück hast, fressen dich die Kakerlaken nicht auf, bevor ich dich hier wieder rauslasse.“

„Warum …?“ Würde er je wieder mehr als Ein-Wort-Sätze von sich geben können? Oder würde er es vorher schaffen, dem Cadejo seinen dürren Hals umzudrehen. Der hielt immer noch die Eisenstange in der Hand, mit der er ihn niedergeschlagen hatte. Jedem anderen hätte er damit vermutlich den Schädel zertrümmert, aber Marcus war, wie es aussah, mit einer Gehirnerschütterung davon gekommen. Er konnte förmlich spüren, wie sich sein Kopf zunehmend erholte. Noch ein paar Stunden und er würde nichts mehr davon merken. Das änderte jedoch nichts daran, dass er hier gefangen war. Wo immer auch hier war. Die Gedanken begannen, ihn zu ermüden. Und er hatte immer noch keine Antwort von dem Cadejo bekommen.

Der grinste ihn jetzt von oben herab an. „Wo du bist, hat dich nicht zu interessieren. Du kommst hier sowieso nicht raus. Und warum du hier bist, wirst du schon noch früh genug erfahren. Also halt die Klappe und mach keinen Ärger, dann lebst du länger.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und wollte gehen, aber Marcus griff blitzschnell nach seinem Bein und hielt ihn fest. Im nächsten Moment schrie Marcus auf, als die Eisenstange gegen seinen Arm prallte und ihn bis zum Schultergelenk betäubte.

„Flossen weg!“, fauchte der Cadejo. „Sonst prügel ich dich mit dem Ding windelweich.“

Bunte Punkte begannen vor Marcus Augen zu tanzen. Er fühlte, wie sein Körper erneut drohte schlappzumachen. Eine Ohnmacht war nun wirklich das Letzte, was er gebrauchen konnte. Diese Blöße würde er sich nicht geben.

„Was willst du von mir?“ Wow, ein ganzer Satz. Er wurde besser. Die Wut hielt ihn aufrecht.

„Die Antwort würde dir sowieso nicht gefallen. Also mach’s dir gemütlich und denk an was Schönes, während ich weg bin. Kann dauern. Hab noch was zu erledigen.“

Das war das Letzte, das der Cadejo zu ihm sagte, bevor er mitsamt der Fackel durch die Tür verschwand, die sich mit einem Quietschen hinter ihm schloss. In dem Moment, als sich der Schlüssel im Schloss herumdrehte, wich alle Spannung aus Marcus’ Körper und er konnte gerade noch verhindern, dass sein Kopf auf den Boden schlug, als er wieder in sich zusammensank. Ergeben schloss er die Augen und konzentrierte sich darauf, ein- und auszuatmen, damit er sich nicht übergab. Sein Gefängnis würde dadurch zwar kaum dreckiger werden, aber der Geruch konnte sich durchaus noch verschlimmern. Gleichzeitig versuchte er einen Sinn in seine mehr als dürftige Lage zu bringen.

 

Der Cadejo hatte ihn offensichtlich entführt. Entweder hatte er ihn also in irgendeinen Unterschlupf in Vegas gebracht oder – und das hielt Marcus selbst in seinem Zustand noch für wahrscheinlicher – er hatte ihn mit in sein Hauptquartier genommen. Der Barkeeper hatte gesagt, dass Alejandro und seine Bande kamen und gingen, wie es ihnen gefiel. Das sprach dafür, dass sie irgendwo ein Versteck hatten, das sie auf magischem Weg betraten und verließen. In diesem Fall würde es für Marcus wirklich schwierig werden, zu entkommen, denn er konnte sich quasi überall befinden. Was, wenn er sich nach draußen kämpfte und auf einmal mitten in der Antarktis stand? Nicht, dass er das für wahrscheinlich hielt, aber es lag im Bereich des Möglichen.

Die zweite Frage, die ihn quälte, war die nach dem Grund seines Hierseins. Wenn es dem Cadejo nur um Rache gegangen wäre, hätte er ihn einfach zusammenschlagen oder sogar töten können. Eine Entführung war zu aufwendig, wenn er sich nicht etwas davon versprach. Aber was?

Mit leichtem Schauern dachte Marcus an eines ihrer ersten Gespräche. Er hatte etwas von einem Haustier gefaselt und das, darauf hätte Marcus einen Monatslohn verwettet, war mit Sicherheit kein angenehmer Posten. Vor allem nicht, wenn er an das dachte, was der Barkeeper angedeutet hatte. Der Gedanke, von dem Cadejo an die Leine gelegt und auf allen Vieren herumgeführt zu werden, ließ Marcus’ Magensäure erneut hochkochen. Seine Fantasie ergänzte das Ganze noch um ein paar pikante Details, die ihn sich beinahe gepeinigt zusammenrollen ließen. Bevor er das zuließ, ließ er sich lieber umbringen. Egal wie lange es dauerte.

Da hast du dir ja ordentlich was eingebrockt, dachte er an sich selbst gerichtet. Erst bist du zu dumm, um den Cadejo zu erspüren, und dann lässt du dich auch noch von ihm übertölpeln. War wohl doch ein bisschen zu viel Alkohol. Du bist doch sonst nicht so dämlich.

Er wollte gerade gegen die gehässige, kleine Stimme in seinem Kopf protestieren, als ihm ein kleines Detail auffiel, das ihm bisher entgangen war. Er atmete noch einmal gegen die erneut aufwallende Übelkeit an, ignorierte seinen schmerzenden Körper und versuchte dann seine Gedanken soweit zusammenzukratzen, dass sie ihm ermöglichten, die Sache noch einmal logisch zu betrachten. Da war nämlich ein Detail, das einfach nicht passen wollte.

Warum habe ich nicht gemerkt, dass ein Dämon in meiner Wohnung ist?

Diese Frage schien ihm, so unbedeutend sie auf den ersten Blick wirkte, die einzig wichtige und wirklich entscheidende zu sein. Als die Cadejos ihn beim ersten Mal heimgesucht hatten, hatte er sie deutlich riechen können. Ihr Gestank war so penetrant gewesen, dass er sogar noch eine ganze Weile an denjenigen haften blieb, die mit ihnen zu tun gehabt hatten. Warum also hatte er Alejandros Geruch gestern nicht wahrgenommen, als er in seine Wohnung zurückgekommen war?

Weil er zu dem Zeitpunkt kein Dämon war.

Die Erkenntnis traf Marcus so plötzlich, dass er beinahe aufstöhnte. Jetzt, da er sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen ließ, war es absolut logisch. Und es passte zu den anderen Beobachtungen, die er gemacht hatte. Alejandro war in seiner menschlichen Form nicht an die Beschränkungen gebunden, denen Dämonen normalerweise unterlagen. Er konnte Salzbarrieren überwinden und hatte offenbar auch kein Problem mit Eisen, wie die Stange, mit der er Marcus niedergeknüppelt hatte, eindrucksvoll bewiesen hatte. Er hatte keine dämonische Aura und er roch eben auch nicht wie einer von ihnen. Wenn er in seine menschliche Form verwandelt war, war er wirklich und wahrhaftig ein Mensch. Ohne Wenn und Aber mit dem kleinen, unwesentlichen Zusatz, dass er sich binnen Sekunden in eine blutrünstige Bestie verwandeln konnte, die dann auch wieder den typischen Höllengestank verbreitete.

Das erklärt auch, warum er beim ersten Mal auf der Polizeiwache noch danach gerochen hat. Vermutlich hatte er sich da gerade erst zurückverwandelt und die Spur war deswegen noch zu frisch. Wenn er jedoch eine Weile lang als Mensch unterwegs ist, merkt man davon nichts mehr.

 

Marcus hätte diesen Gedanken gerne noch ein wenig weiter verfolgt, aber während er so dalag, vernahm er auf einmal Geräusche, die langsam lauter wurden. Irgendjemand kam den Gang entlang und es war ziemlich offensichtlich, dass es nicht Alejandro war. Der konnte sich, wie Marcus inzwischen wusste, nahezu lautlos bewegen.

Der perfekte Spion, schoss es ihm noch durch den Kopf, bevor die Geräusche vor der Tür anhielten, hinter der er lag. Marcus lauschte mit angehaltenem Atem. War derjenige wegen ihm hergekommen? Wollten sie ihn holen? Gedanken an Halsband und Lendenschurz gaukelten durch seinen Geist und ließen ihn erneut würgen. Alles nur das nicht.

„Ist diese Zelle leer?“

Die Stimme, die Marcus hörte, war angenehm und klang so gar nicht nach einem Dämon. Die, die ihm antwortete, schon eher.

„Klar“, kratzte sie in Marcus’ empfindlichen Ohren. „Hier unten kommt nie jemand her.“

„Gut, dann sperr sie hier ein. Ich werde mich später um sie kümmern.“

„Alles klar.“

 

Ein Schlüssel wurde in der Tür herumgedreht und im nächsten Moment schwang diese nach innen auf. Etwas schabte über den Stein und ein schwerer Gegenstand plumpste auf den Boden. Marcus wagte nicht zu atmen oder auch nur zu blinzeln. Was immer dort zur Tür hereingekommen war, war den Geräuschen nach ziemlich groß und vermutlich voller Muskeln und Zähne. Zumindest stellte er sich einen dämonischen Gefängniswärter so vor. Zu seinem Glück erfüllte er jedoch auch das Klischee, ziemlich dämlich zu sein, und so verließ er die Zelle wieder, ohne sich noch weiter umzusehen und Marcus zu bemerken. Als sich die Tür hinter ihm schloss, ließ Marcus die Luft aus seinen Lungen entweichen, nur um im nächsten Moment den Atem wieder anzuhalten.

 

Irgendwo dort im Dunkeln konnte er eine Bewegung wahrnehmen. Was immer der Wärter zu ihm hereingeschafft hatte, war offenbar lebendig. Er hörte ein leises Stöhnen und unwilliges Knurren. Ein Laut wie von scharfen Krallen, die über den steinernen Boden kratzten, bestätigte Marcus’ Vermutung, dass es sich um einen weiteren Dämon handeln musste. Verdammt, er musste hier raus. Am besten noch bevor sein Mitinsasse wieder vollkommen zu Bewusstsein gekommen war.

Ganz vorsichtig richtete Marcus sich auf und vermied dabei jedes noch so kleine Geräusch. Wie es aussah, war auch der Dämon in einem ziemlich desolaten Zustand. Das verschaffte ihm vielleicht etwas Zeit. Wenn er …

Ein Klirren unterbrach seine Gedanken. Er hatte die Kette an seinem Fuß vergessen. Sofort verstummten die Geräusche ihm gegenüber und machten lauernder Stille breit.

„Hey“, sagte Marcus in Ermangelung einer besseren Idee. „Ich … ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt.“

Er hörte, wie sich etwas im Dunkeln bewegte. Es fauchte und knurrte. Seine Fantasie begann Überstunden zu machen, während er sich vorstellte, was genau sich dort gerade zum Sprung bereit machte. Schon jetzt glaubte er heißen Atem auf seiner Haut zu spüren. Reißzähne, die sich in sein verwundbares Fleisch bohrten. Krallen, die nach seinen Augäpfeln stachen, um sie ihm auszureißen und das weiche Innere herauszuschlürfen. Er musste sich wehren. Sich verteidigen. Schützen.

Wieder knurrte der Dämon in der Dunkelheit und Marcus glaubte zu spüren, wie er sich spannte, die Hinterläufe in den Fels bohrte und schließlich sprang. In blinder Panik riss Marcus den Arm nach oben, um sein Gesicht abzuschirmen. Im nächsten Moment wurde er hart gegen den Boden gepresst, als der schwere Körper des Dämons auf ihm landete.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey ihr Lieben!

Heute mal ein kleiner Cliff (der ist aber ja nun wirklich nur minimal, oder?) und eine völlig sinnlose Zusatzinfo von mir. Zu der Stelle ganz am Anfang des Kapitels, wo Michael von seiner Football-Vergangenheit träumt, habe ich mir ein paar Videos für die richtige Stimmung angesehen. Ich weiß ja nicht, ob ihr mal bei einem Football-Spiel dabei wart. Ich durfte das Ganze mal in Hamburg live bewundern und muss sagen: Ist schon ne ganz schöne Show, die in den USA ja noch um ein ganzes Stück größer aufgezogen wird. Und College-Football regiert da für einige gefühlsmäßig sogar noch deutlich über der NFL. Von daher zum Schluss heute einfach mal ein kleines Video. Am besten mit Kopfhörern und schön laut, damit der Bass auch bis in den Magen dröhnt. ^_~

https://www.youtube.com/watch?v=Gm4MbTfbzfI&t=137s
Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück