Eine Kirschblüte reist durch die Zeit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: ----------- * Sie, Haruno Sakura, war in der Zeit zurückgereist. Sie hielt sich aktuell im Jahr 1412 auf und hatte Bekanntschaft mit Uchiha Madara gemacht. Uchiha Madara, über den sie eine Präsentation in Rohfassung angefertigt hatte. Uchiha Madara, der später gemeinsam mit dem Clan-Oberhaupt der Senju, Hashirama, das Dorf Konohagakure gründen würde, das in den nächsten Jahrhunderten zu einer blühenden Großstadt wachsen sollte. Wie weggetreten starrte Sakura vor sich hin. Das Feuer war längst erloschen. Sie wusste nicht, wie lange sie hier schon saß und damit beschäftigt war, die Wahrheit zu verdauen. Ihre Finger pochten immer noch, wenn auch leicht, und ihr gesamter linker Arm wies Nagelabdrücke auf. Sie träumte wirklich nicht. Sakura zuckte zusammen, als Madara mit seinem Fuß ausholte und die Überreste des Feuers verscharrte. Sakura sah ihn an. Faszination und Argwohn kämpften um die Vorherrschaft über ihr Gesicht. Uchiha Madara. Clanführer. Krieger. Shinobi. Dieser Mann lebte in ihrer Zeit nicht mehr. Ganz egal, was sie auch tat: Sie durfte den Lauf der Geschichte nicht verändern. Sie durfte Uchiha Madara nicht offenbaren, welches schwere Schicksal ihn erwartete. Sie durfte ihm nicht offenbaren, dass sein Bruder, zu diesem Zeitpunkt das einzige noch lebende Familienmitglied, durch die Hand von Senju Tobirama sterben würde. Es würde schwer werden, den Mund zu halten. Dennoch war Sakura überzeugt davon, dass es besser wäre, wenn sie schwieg. Sie musste schweigen und eine Möglichkeit finden, wieder in ihre Zeit zurückzukehren. Sakura betrachtete ihre malträtierten Fingerkuppen und sah vor ihrem inneren Auge Flammenzungen daran lecken. „Aber warum können die Menschen im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht Feuer speien? Warum können sie keine Jutsus anwenden? Warum wissen sie, wir, nichts davon?“, überlegte sie laut. „Wer oder was könnte so mächtig sein, dass er oder es den Menschen diese Fähigkeiten nimmt? Und wieso?“ Sakura stöhnte. In keinem einzigen Geschichtsbuch, in das sie ihre Nase gesteckt hatte, hatte sie davon gelesen, dass Shinobi und das weibliche Pendant, Kunoichi, über solch übermenschlichen Kräfte verfügten. Nicht einmal Legenden gab es, die von solcherlei kündeten. Jemand musste veranlasst haben, dass nur ein Bruchteil der Informationen über Ninjas in die Geschichtsbücher einging. „Erzähl mir mehr über die Zeit, in der du lebst“, verlangte Madara. Er hatte sie genug verarbeiten lassen. Nun wollte er seine Neugier stillen. „Ninjas gibt es nicht. Was aber wird es in 600 Jahren geben, das es heute nicht gibt? Von Handys und Kameras abgesehen.“ Sakura schaute auf den See, als schwebte dort das Abbild der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen und beheimatet war. „Es gibt Strom, fließendes heißes Wasser, Geräte, mit denen man Essen aufwärmen oder kühlhalten kann. Hervorzuheben wären noch die zahlreichen Fortbewegungsmittel. Wir haben beispielsweise Autos, Züge und Flugzeuge. Damit kommt man schnell von einem Ort zum anderen. In einen Zug und in ein Passagierflugzeug passen mehr Menschen rein als in ein Auto. Züge sind auf Gleise angewiesen, für Autos gibt es extra Straßen. Ein Flugzeug bewegt sich durch die Luft und kann Berge und Ozeane überqueren. Mit Autos oder Zügen geht das nicht.“ „Reisen die meisten mit den von dir genannten Fortbewegungsmitteln? Und wie funktioniert so ein Flugzeug?“   „Ja, das tun sie. Zur Arbeit oder um Freunde und Familie zu besuchen.“ Sakura sammelte ihr Wissen über Flugzeuge zusammen. „Wenn der Antrieb des Flugzeugs größer ist als der Luftwiderstand, fliegt das Flugzeug. Der Auftrieb muss größer sein als das Gewicht der Maschine. Dieser Auftrieb entsteht, wenn sich das Flugzeug mit seinen Tragflächen in der Luft bewegt.“ Sakura sah dabei zu Sho, der sich interessiert im Wasser begutachtete. „Stellen Sie sich die Tragflächen wie Vogelflügel vor, nur stabiler. Nicht aus Federn.“ So interessant Sakuras Erklärung auch war: Der Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts klang nach einem faulen und bequemen Geschöpf, das den Luxus und die Einfachheit liebte. „Shinobi reisen in der Regel zu Fuß. Sie sind schneller als Zivilisten. Auch das ist das Werk von Chakra, aber nicht nur.“ Mikrowelle, Kühlschrank, Auto, Zug, Flugzeug… Im Jahr 1412 gab es nichts davon. Dafür gab es Jutsus, mit denen man Herr über die Elemente sein konnte, mit denen man Illusionen erschaffen konnte, um den Gegner psychisch zu quälen. Feuer- und Wassertechniken wurde sowohl im Kampf als auch im Alltag benutzt, aber viel mehr im Kampf, da sie Chakra benötigten. „Es ist einfach alles anders“, äußerte Sakura gedankenverloren, nachdem sie einen oberflächlichen Vergleich zwischen den Jahrhunderten angestellt hatte. „Vor allem im einundzwanzigsten Jahrhundert selbst schreitet der technische Fortschritt unaufhörlich weiter voran. Alles geht teilweise so schnell, dass man die Zwischenprozesse kaum richtig verarbeiten kann.“ „Hast du weitere Abbilder in diesem schwarzen Kasten? Vielleicht von Flugzeugen?“ „Von Flugzeugen? Nein. Aber ich kann Ihnen andere Bilder zeigen, wenn Sie möchten.“ Sie hatte nichts zu verbergen und jetzt, da feststand, dass sie durch die Zeit zurückgereist war, wollte sie, dass man ihr glaubte. Madara trat zu ihr heran und ließ sich einige Bilder zeigen. Es waren teils absolut unspektakuläre Bilder – Bilder von Katzen, von Blumen oder Gebäuden –, aber für Madara waren sie allesamt etwas Besonderes. Sakura wischte das aktuelle Bild fort, das ein Sushi-Restaurant zeigte, und stockte. Sie schaute auf ihre Eltern, die sich nach Feierabend auf der Couch ausruhten. Das verdrängte Heimweh kam wieder hoch. Sie vermisste ihre Eltern. Sie vermisste auch Ino. Ob es ihnen gut ging? Ob man ihr Fehlen bereits bemerkt hatte? Existierte ihr Name überhaupt noch in der Zukunft? „Sind das deine Eltern?“, fragte Madara und beförderte Sakura ins Hier und Jetzt. „Ja“, antwortete sie. „Mehr Bilder habe ich nicht. Das Handy ist recht neu.“ Madara sah hinaus auf den See, in dem sich der Nachmittagshimmel spiegelte. „Es wird bald Abend. Wir sollten ins Dorf zurückkehren.“ „Ist es wirklich sicher für mich, ins Dorf zurückzukehren?“, fragte Sakura skeptisch. „Wir fliegen unmittelbar zum Anwesen des Clanoberhaupts und werden eine Landung im Garten machen. So wird dich zumindest keiner sehen. Auch wenn ich nicht weiß, wann du wieder in deine Zeit zurückkehren kannst, muss ich angemessene Kleidung für dich finden. Zum einen will ich nicht, dass du aus der Reihe tanzt, zum anderen zeigst du schlicht zu viel Bein.“ Sakura sah an sich herunter. Ihr Rock ging bis zu den Knien, aber für das fünfzehnte Jahrhundert war es zu freizügig, da hatte Madara Recht. „Ich persönlich werde des Weiteren dafür sorgen, dass keiner Hand an dich legt.“ „Oh... Danke.“ Madara schien ihr wohlgesonnen zu sein. Er glaubte ihr, hielt sie nicht für den Feind und wollte ihr dabei helfen, sich zurechtzufinden. Sie brauchte diese Hilfe nämlich, um die Fettnäpfchen zu vermeiden, die es in dieser sonderbaren Welt garantiert zur Genüge gab. Doch während Madara ihr wohlgesonnen zu sein schien, waren es Izuna und etliche weitere Clanmitglieder sicher nicht. Madara ließ Sho beide Flügel ausbreiten, um sie zu begutachten, und dachte an die Funktionsweise des Flugzeugs, die sie ihm erklärt hatte. „Sho wäre startklar.“ Er bestieg den Falken als Erster und bot Sakura dann seine Hand, die sie zaghaft ergriff. Als das Tier mit den Flügeln schlug und die Erde sich immer weiter von ihr entfernte, presste sich Sakura von hinten an Madara und krallte sich in seine Kleidung fest. Erst als sie durch die Luft glitten, traute Sakura sich, nach unten zu schauen. Der Anblick der Bäume, die unter ihnen vorbeirasten, löste in Sakura Schwindel aus. Sie schloss erneut die Augen und drückte sich unbewusst weiter gegen Madaras Rücken. In seinen Augenwinkeln erblickte Madara Sakuras rosa Haar und spürte ihre kleinen Brüste in seinem Rücken. Es war ein seltsames Gefühl. Nicht unangenehm, nur seltsam. „Erzähl mir, was in den Geschichtsbüchern über mich geschrieben steht.“ Sakura hatte gehofft, dass er ihr diese Frage nicht stellen würde. „Nichts“, log sie ihn an. „Ich sagte ja bereits, dass in unseren Geschichtsbüchern nichts über Jutsus steht. Genauso wenig steht etwas über Uchiha Madara geschrieben.“ „Was ist mit Senju Hashirama?“ Verdammt. „Nichts“, log Sakura abermals und hatte dabei ein schlechtes Gewissen. Glücklicherweise stellte Madara keine weiteren Fragen zu sich selbst oder anderen historischen Persönlichkeiten, die aus seiner Zeit stammten. Niemand durfte an ihre Präsentation herankommen, sonst käme es womöglich zu großer Unruhe. „Was wirst du tun, wenn wir gelandet sind?“ „Was meinen Sie?“ „Wie willst du einen Weg zurück in deine Zeit finden?“ „Ich weiß es nicht.“ Sakura dachte zurück, dachte daran, wie sie sich in dem Raum mit den behelfsmäßig zusammengebundenen gelblichen Papierbögen und Schriftrollen wiedergefunden hatte. „Vielleicht finde ich in der Bibliothek irgendwelche Hinweise.“ „Hm. Das ist keine schlechte Überlegung. Aber sollten wir bereits heute rausfinden, wie du in deine Zeit zurückkommen kannst, werde ich dich nicht eher gehen lassen, bis wir einige andere Sachen geklärt haben.“ Auch Sakura wollte Antworten, auch sie beschäftigte es, weshalb in den Büchern nicht die Wahrheit über Shinobi stand. Doch wenn sie die Wahl zwischen Heimkehr und dem Lüften von Geheimnissen treffen müsste, würde sie sofort die Heimkehr wählen. Sie gehörte nicht hierher und hatte das heute bereits genug zu spüren bekommen. „Mal sehen, ob wir überhaupt auf irgendwelche Hinweise stoßen.“ Der Himmel bereitete sich für den baldigen Sonnenuntergang vor und rollte auf blassblauen Grund lilafarbene Wolken aus, die die Sonne bei ihrem majestätischen Abgang in Zwei teilte. Im Dorf wurden überall Laternen entzündet. Lediglich das Anwesen des Clanoberhaupts, in welchem überwiegend Besprechungen stattfanden und Beschlüsse gefasst, seltener Gäste aus verbündeten Clans untergebracht wurden, war in komplette Dunkelheit gehüllt. Madara hatte das Anwesen nie als seinen Wohnort favorisiert. Es war ausschließlich ein Ort der Arbeit und der Geschäfte. Sho landete sanft vor einer Brücke, die sich über einen kleinen Teich spannte, und nachdem Madara und Sakura von ihm gestiegen waren, verschwand er in einer Rauchwolke. „Er ist fort! Wie ist das geschehen?“   „Ich habe ihn durch das Kuchiyose no Jutsu beschworen. Wenn man vorher einen Vertrag mit dem Tier seiner Wahl abschließt, kann man das Tier jederzeit beschwören, um seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Nach getaner Arbeit verschwindet er.“ Sakura blieb nicht die Zeit, um über das Kuchiyose no Jutsu zu staunen, da in diesem Augenblick Izuna auf den Engawa trat. In der Hand hielt er eine Laterne. „Du bist zurück, Bruder“, konstatierte er und stieg herunter. Sakura versteckte sich hinter Madara, um Izunas grimmigem Blick auszuweichen. „Was hast du vor?“, richtete Izuna das Wort an Madara. „Dein Versteck ist übrigens jämmerlich gewählt, Frau. Ich kann dich sehen.“ „Möglicherweise findet Haruno in der Bibliothek den Hinweis, wie sie in ihre Zeit zurückreisen kann.“ Mit diesen Worten nahm Madara Izuna die Laterne ab und setzte seine Füße in Bewegung. Sakura folgte ihm verlegen und Izuna bildete das Schlusslicht in der Kette, die sich durch das Anwesen bewegte. „Hier ist die Bibliothek.“ Madara schob die Shoji zurück. Er trat ein und zündete zwei weitere Laternen an. Während Madara und Sakura die Bibliothek gründlich absuchten, lehnte Izuna, die Arme vor der Brust verschränkt, gegen den hölzernen Rahmen der Shoji und beobachtete sie stumm. Vor allem galt seine Aufmerksamkeit Sakura, die sogar auf alle Viere gegangen war und unter jedes Möbelstück und Regal schaute. „Nichts“, hauchte Sakura geschafft und sackte auf dem Boden zusammen. Madara, heimlich erfreut darüber, dass Sakura sich nicht sofort aus dem Staub machen konnte, wandte sich an Izuna. „Haruno braucht angemessene, zivile Frauenkleidung. Würdest du ihr bitte welche besorgen?“ Izunas Mund wurde zu einem schmalen Strich. „Kann ich dich kurz draußen sprechen?“ Die Männer traten hinaus in den Flur und Madara ließ die Shoji einen Spaltweit offen. „Fass die Schriftrollen nicht an, Haruno.“ „Madara, ist das dein Ernst?“, beschwerte sich Izuna mit gesenkter Stimme. „Was hat sie mit dir angestellt?“ „Sie hat nichts mit mir angestellt. Ihr Auftauchen hat Fragen aufgeworfen. Große Fragen. Sie ist in der Zeit zurückgereist, Izuna, so unglaublich das auch klingt. Sie hat Beweise geliefert, die dafür sprechen. Bei Gelegenheit werde ich sie dir zeigen. Dann wirst auch du ihr glauben.“ Izuna ließ von seinem Bruder ab. „Ich bin aktuell wirklich nicht überzeugt“, stellte er finster klar. „In ihrer Zeit existieren wir nicht. Keine Shinobi, keine Jutsus. Ich will wissen, weshalb das so sein wird. Sakura hat keine Antworten parat. Noch nicht. Ich glaube nämlich nicht, dass sie rein zufällig bei uns gelandet ist. Vielleicht werden wir sie in unserer Gegenwart gut gebrauchen können, wer weiß?“ Izuna schwieg lange. „Wenn du, als mein Bruder und das Oberhaupt der Uchiha, dieser Person vertraust, dann muss ich das hinnehmen. Ich bin dir gegenüber aber ehrlich: Sollte sie sich nicht fügen, sollte sie unseren Clan in Gefahr bringen, werde ich sie auf der Stelle töten, ohne Rücksicht auf deine Meinung zu nehmen.“ Madara lächelte gelassen. „Einverstanden. Ich kann dir aber versichern, Bruder, dass es dazu nicht kommen wird. Solange ich im Dorf bin, steht diese Frau unter meiner Aufsicht. Wenn wir fort sind, werde ich sie von fähigen Shinobi bewachen lassen. Ich hoffe, das stellt dich einigermaßen zufrieden.“ „Einigermaßen.“ Izuna seufzte ergeben. „Du wirst schon wissen, was du tust. Mir jedenfalls ist und bleibt sie ein Dorn im Auge. Ich werde Kleidung für sie besorgen.“ „Gut.“ Er musste seinem Bruder nicht sagen, dass er kein Wort an andere richten durfte. Susumo, Takao und Hikaku würden ebenfalls Stillschweigen bewahren, solange Madara nichts anderes veranlasste. Er musste sich auszudenken, was er den anderen erzählen würde, wenn sie Wind von Sakura bekämen. Madara wollte nicht, dass Sakuras Reise durch die Zeit die große Runde machte. Izuna verschwand und Madara trat in die Bibliothek. „Nichts?“ Sakura, die nochmals alleine nach Hinweisen gesucht hatte, sah betrübt über ihre Schulter. „Nichts“, antwortete sie frustriert. „Zwei Räume weiter befindet sich ein leeres Zimmer. Du wirst heute Nacht dort schlafen. Es müssten nur Futon und Kissen organisiert werden.“ Etwa zwanzig Minuten später war das spärlich möblierte Zimmer für Sakura hergerichtet und die Kleider für den morgigen Tag gebracht. „Sieh nach, ob der Haruno-Clan irgendwo Erwähnung findet, selbst wenn es nur eine bloße Erwähnung ist. Wir sprechen morgen“, flüsterte Madara Izuna zu. Izuna strafte Sakura mit einem missbilligenden Blick, ehe er sich in die Bibliothek aufmachte. Madara blieb zurück und sobald Sakura sich unter die Decke verkrochen hatte, setzte er sich neben die Laterne auf die Tatamimatten. „Haben Sie etwa vor, die Nacht mit mir in diesem Zimmer zu verbringen?“, fragte Sakura nach einer Weile. „Ich werde dich für die Zeit deiner Anwesenheit nicht aus dem Auge lassen. Du verstehst doch, dass das nötig ist?“ Sakura antwortete nicht. Man glaubte ihr, aber man glaubte ihr nicht vollends. Wenigstens hatte sie kein Wurfmesser an der Kehle. „Du stehst unter meiner Aufsicht, du stehst aber auch unter meinem Schutz. Dieser Schutz geht verloren, wenn du den Clan in Gefahr bringen solltest.“ „Okay. Ich habe es nicht vor. Mein Leben ist mir ganz lieb. Denke ich.“ Sakura drehte Madara den Rücken zu und zog die Decke bis zu ihrem Kinn hoch. Es verging etwa eine Stunde und Madara sagte: „Du kannst beruhigt schlafen. Du hast vor mir nichts zu befürchten, solange du keine Dummheiten machst.“ „Ich kann nicht schlafen“, sagte Sakura leise und richtete sich auf. „Das Licht stört. Außerdem beschäftigen mich zu viele Dinge. Was, wenn ich hier feststecke? Was, wenn ich meine Familie und Freunde nie wieder zur Gesicht bekomme?“ Sakuras Augen begannen zu schmerzen. Nein, Sakura. Das darfst du nicht denken. Das darfst du einfach nicht denken. Wenn es einen Weg gab, in die Vergangenheit zu reisen, dann konnte man auch in die Zukunft gelangen. Es gab in ihrer Zeit so unglaublich viele Bücher und Filme über Zeitreisen und in den meisten davon gelangten die Menschen wieder dahin, wo sie hingehörten. Sakura lenkte ihre Gedanken gewaltsam, um zu verhindern, dass sich plötzlich wieder düstere Überlegungen bildeten, auf die Tatsache, dass sie mit einem der Gründerväter im selben Raum war. Es gab Menschen, die bekamen die Chance, Schauspieler und Sänger persönlich kennen zu lernen. Sakura könnte sich nun damit brüsten, dass sie Uchiha Madara begegnet war. Und damit das Risiko eingehen, in die Geschlossene eingewiesen zu werden, wenn sie das mit jemandem aus ihrer Zeit teilte. „Wenn du in der Zeit zurückreisen konntest, dann kannst du auch wieder in die Zukunft gelangen.“ Madaras pechschwarze Augen hafteten an der Decke. Er wirkte konzentriert, beinahe, als würde er lesen. Er bemerkte, dass Sakura ihn ansah, und richtete seinen Blick auf sie. Eine Empfindung durchfuhr sie wie ein leichter Stromschlag. Madara hatte sie am See gefragt, ob sie sich kennen würden. Sie hatte verneint, was eigentlich auch der Richtigkeit entsprach. Aber jetzt fühlte sie eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen, die sie sich nicht erklären konnte. Ein einziger Tag mit ihm konnte unmöglich dafür gesorgt haben, dass sie ihm so sehr vertraute. Warum fühlte sie so? Sakura nahm ihren Mut zusammen und sagte: „Ich habe Ihnen schon viel von mir und meiner Zeit erzählt. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie mir mehr über sich und Ihre Zeit erzählen?“ „Was willst du wissen?“ Sakura zuckte die Schulter hoch. „Was Sie erzählen mögen.“ „Aus meiner Familie sind nur noch ich und mein Bruder Izuna am Leben. Zu der Zeit, als ich noch ein Kind war, mussten auch Kinder in den Kampf ziehen. Seit ich Clan-Oberhaupt bin, habe ich ein Mindestalter festgelegt. Unter vierzehn wird sich niemand mehr aufs Schlachtfeld verirren.“ Vierzehnjährige waren für Sakura immer noch Kinder und es war grausam, Kinder kämpfen zu lassen. Krieg an sich war schon grausam genug. Für diese Zeit musste der Beschluss, Kinder unter vierzehn nicht in den Krieg ziehen zu lassen, aber revolutionär sein. Hashirama war Madaras Beispiel gefolgt – oder war es Madara, der Hashiramas Beispiel gefolgt war? – und hatte als Oberhaupt der Senju die gleiche Reformation in die Wege geleitet. „Gibt es bei den Clans einzelne Besonderheiten?“ „Nicht bei allen, aber die gibt es. Bei den Besonderheiten handelt es sich manchmal um Kekkei Genkai. Das Kekkei Genkai der Uchiha ist das Sharingan. Auch davon hast du bestimmt nie etwas gehört.“ „Nein.“ „Es ist eine Augentechnik, mit der man seine Gegner beispielsweise in realistische Illusionen einfangen kann.“ Er hatte nicht vor, sie in die Geheimnisse des Sharingan einzuweihen, und erzählte nur das, was auch allen anderen bekannt war. Von Neugier erfüllt fragte Sakura: „Sharingan? Wie kann ich mir das vorstellen? Ihre Augen sehen, na ja, gewöhnlich aus.“ „Nachdem Izuna dich gefesselt hat, habe ich das Sharingan benutzt, um dich zu durchschauen. Durch deinen Körper fließt kein bisschen Chakra. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dir glaube. Vielleicht kommt der Tag, an dem du das Sharingan in Aktion sehen wirst.“ Es machte ihm Sorgen, dass das Sharingan in Sakuras Zeit nicht existent war. „Es muss etwas Großes, wirklich Großes passiert sein, dass es solche Dinge nicht mehr gibt“, spekulierte Sakura. „Ja.“ „Haben alle Uchiha von Anfang an das Sharingan?“ „Nein. Es muss erweckt werden.“ „Wann haben Sie Ihr Sharingan erweckt?“, wollte Sakura wissen. Madara antwortete ihr lediglich in Gedanken. Sein Sharingan erwachte, nachdem er sich dafür entschieden hatte, an der Seite seiner verbliebenen Familie und seines Clans gegen die Senju zu kämpfen. An diesem Tag hatte Madara Hashirama die Freundschaft gekündigt. Fürs Erste hatte er, fand Madara, Sakura genug verraten. „Wir werden morgen früh nochmal in die Bibliothek gehen“, beschloss er und löschte das Licht. Ein klares Signal, dass das Gespräch für Madara beendet war. Sakura legte sich hin und deckte sich zu. Madara verhielt sich so still, als wäre er ein toter Mann. Das ist also ein wahrer Shinobi, dachte Sakura. Sie blieb lange wach, wälzte sich hin und her und ließ den Tag mehrmals Revue passieren. Madaras Präsenz geriet in Vergessenheit. Erst als das geschah, wenige Stunden vor Sonnenaufgang, fand Sakura endlich Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)