Paper Umbrella Moon von YoungMasterWei ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Da wäre ich also wieder. Wie ich schon angekündigt hatte, handelt es sich hier um einen Modern Day AU. Wei Ying ist in die Zwanzig und Lan Zhan ein paar Jahre älter, sollte das jemand interessieren. Es ist keine zu tiefgründige Story, auch wenn es einen Anteil „Angst“ geben wird. Allerdings bin ich auch der Typ für Happy Ends, also keine Sorge ; ) Einen festen Plan zum Hochladen wird es nicht geben. Es könnte schneller gehen, wenn sich merkliches Interesse zeigt, aber ansonsten wird es eher nach Laune passieren. Zudem habe ich wieder einige chin. Anredetitel mit eingebracht, um es authentischer zu machen. Erklärungen dazu gibt es am Ende der Kapitel. Oder wäre es euch lieber die Übersetzung gleich dahinter in Klammern zu sehen? Lasst es mich wissen, und ich richte mich beim nächsten Mal danach. ***   Er hatte verschlafen und demnach war Wei Ying auch reichlich außer Puste, als er seinen Arbeitsplatz erreichte und sich rasch zur Hintertür der Tierhandlung hineinstahl.   Er hatte bis in die Nacht noch gelernt.   Eine Abendschule zu besuchen schien zu Beginn eine recht gute Idee, als er den Entschluss gefasst hatte seinen Abschluss der Sekundarstufe nachzuholen. Somit hatte er tagsüber noch die Gelegenheit seinem Job nachzugehen.   Zudem war es im Zeitalter der modernen Technik ein Vorteil, das, wenn er es doch einmal nicht zum Unterricht schaffte, er die Stunden via Internet nachholen konnte und somit nichts verpasste.   Geld war leider immer etwas knapp, aber er würde nicht jammern, kam er dadurch auch nicht einfacher voran.   Dass er sich heute etwas mitgenommener fühlte als sonst, mochte auch mit am Wechsel der Jahreszeit liegen.   Die Aussichten auf einen zu heißen Sommer, ließen ihn jetzt schon leidlich Stöhnen.   Er war seit einigen Jahren recht wetterfühlig, etwas das er früher nur mit alten Leuten in Verbindung gebracht hätte. Und nun?   Wei Ying schüttelte leicht seinen Kopf über diesen Gedanken und verstaute seine Tasche samt Jacke in seinem Fach im Pausenraum. Eilig band er sich die graue Schürze mit dem Logo ihres Ladens um und hatte schon angenommen, dass man seine Verspätung nicht weiter mitbekommen hatte, als ihn Song lǎo bǎn mit einem zurechtweisenden Ton zu sich ins Büro bat.   Song lǎo bǎn wirkte stets etwas genervt, aber so hatte er ihn schon kennengelernt und über die Monate mitbekommen, dass dieser trotz seiner streng erscheinenden Miene, im Großen und Ganzen ein umgänglicher Mensch war.   Wei Ying erklärte ihm somit den Grund für sein spätes Erscheinen und es schien, dass sein Chef auch Verständnis dafür aufbringen konnte.   Zumindest machte es solange den Anschein, bis dieser ihm folglich auftrug die großen Fensterfronten zu putzen und die darauf angebrachten, alten Werbeaufkleber zu entfernen.   Es war Wei Ying nicht möglich zu deuten, ob dieser ihm diese Aufgabe eh zugeteilt hätte, selbst wenn er nicht zu spät aufgetaucht wäre oder ob es doch eine kleine Lektion beinhaltete.   So oder so machte er sich mit einem Raunen daran sämtliche Utensilien zusammen zu suchen und sich damit schließlich vor das Geschäft zu begeben.   Mit einem Stöhnen schaute er sich das erste riesige Fenster an und stellte die Leiter davor auf.   Es war eine nervige Arbeit die alten Aktionsslogans abzukratzen und noch nerviger die klebrigen Reste weg zu schrubben. Außerdem wurden seine Beine langsam steif vom auf der Leiter stehen und seine Balance damit zu halten.   Er hatte gerade angesetzt diese wieder hinabsteigen zu wollen, um sie zu verrücken, als er ein erschrockenes „Oh Shit!“ vernahm und darauf auch schon etwas gegen die Leiter donnerte, dass er noch als einen Radfahrer erkennen konnte. Dann hatte er den Halt auch schon verloren und machte sich auf eine unangenehme Landung gefasst. Sein Aufkommen gestaltete sich allerdings unerwartet sanft und Wei Ying öffnete seine Augen etwas unsicher, die er über den Fall kurzum geschlossen hatte. Nicht einmal die Leiter war auf ihm gelandet.   Schließlich schaute er in die besorgten, bernsteinfarbenen Augen eines Mannes.   „Alles in Ordnung?“, fragte dieser und Wei Ying konnte nicht anders als ein breites Grinsen zu zeigen.   „Yù xiān sheng (Mister Jade). Was für ein Glück das sie zur Stelle waren.“ Dieser schaute über seine Worte weiter ungerührt, doch konnte er den leichten Rotton an dessen Ohren ausmachen.   Und erst jetzt fiel ihm auch auf, das er diesem quasi in den Armen lag, etwas das ihn womöglich in Verlegenheit bringen sollte, doch in diesem Fall ließ es einfach nur wieder den Schelm in ihm durchkommen.   „Wer hätte gedacht das unter all dem biederen Schick so viel Muskelmasse steckt.“, meinte er keck und streifte diesem prüfend über einen Oberarm.   Mr. Jade räusperte sich leicht und setzte ihn schließlich wieder ab.   Wei Ying fand es beinahe etwas schade, doch wurde er sich der Blicke die man ihnen zuwarf bewusst und sah davon ab, seinen Retter in noch größere Verlegenheit zu bringen, indem er albern mit diesem flirtete.   Etwas das er über die letzten Wochen aufgegriffen hatte, waren die Reaktionen des anderen etwas das ihn mit einem kindlichen Eifer versah, ihn aus dieser eisartigen Hülle brechen zu wollen.   Er konnte sich in dieser Hinsicht einfach nicht helfen. Denn Mr. Jade, wie er ihn ob seiner makellosen und unfair attraktiven Erscheinung für sich getauft hatte, wirkte stets irgendwie fehl am Platze, wenn er ihr Geschäft besuchen kam, wo er einem stets sofort ins Auge fiel.   Zuerst hatte Wei Ying angenommen, dass dieser womöglich nur nach dem Weg fragen wollte oder irgendetwas in dieser Art, als er ihn zum ersten Mal hier gesehen hatte. Doch dann ging dieser dazu über sich umzusehen, um schließlich vor dem kleinen Stall mit den Hasen zu verharren.   Es war spät genug gewesen, das kaum andere Kunden im Geschäft waren und dieser sich womöglich unbeobachtet gefühlt hatte, als er sich diese ansah. Er hatte somit angenommen, dass jener womöglich einen kaufen wollte.   Vielleicht als ein Geschenk.   Er war darauf an ihn herangetreten, mit der Frage, ob er ihm behilflich sein könnte.   Es war ein kurzer Moment, als sich ihre Blicke trafen und dieser etwas überrascht zu wirken schien. Dann hatte Mr. Jade schlicht mit dem Kopf geschüttelt und ein „Nein, danke.“ von sich gegeben, das Wei Ying nichts anderes übrig blieb, als sich wieder zurück zu ziehen, wollte er nicht aufdringlich erscheinen.   Letztendlich hatte Mr. Jade einen Beutel Katzenfutter an die Kasse gebracht und Wei Ying erneut versucht ihm ein paar Worte zu entlocken, indem er ihm zu angenommener Katze befragte.   „Ich besitze keine Katze.“ Somit hatte man ihm auch da wieder den Wind aus den Segeln genommen und er dessen Besuch in ihrem Geschäft tatsächlich nur als ein einmaliges Ereignis abgetan.   Dann allerdings tauchte dieser wenigstens einmal die Woche wieder hier auf.   Stets mit derselben Routine.   Erst schaute er sich um, dann ging er zu den Hasen und schließlich kaufte er etwas.   Es war nicht abzustreiten, dass dieser überaus attraktiv war, noch mehr in seinen maßgeschneiderten Anzügen auf welchen er nie auch nur ein Tierhaar hatte ausmachen können.   Dessen Einkäufe waren auch recht durchwachsen, dass er auch bis heute nicht hatte herausfinden können, ob dieser nun tatsächlich ein eigenes Haustier hatte oder die Dinge die er kaufte für jemand anderen waren.   Was er allerding nicht gänzlich unterlassen konnte war, diesen zu beobachten, wenn er die Gelegenheit dazu bekam.   Natürlich unauffällig.   Heute war es das erste Mal, das er diesen so nahe gekommen war und den feinen Geruch von Sandelholz an diesem wahrnehmen konnte. Wei Ying empfand es augenblicklich als einen äußerst angenehmen Geruch, der gut zu dem Mann vor ihm passte.   „Uhm…danke. Ich bin ihnen was schuldig.“, ließ er Mr. Jade noch wissen und zwinkerte ihm verschmitzt zu, auf das dieser etwas ungelenk zur Seite weg schaute.   „Das ist nicht notwendig.“ Dieser trat nun auch einen guten Schritt zurück, um einen angemessenen Abstand zwischen sie zu bringen.   Wei Ying war danach diesen sagen zu wollen, dass er schon nicht beiße, als ihm auffiel das dessen Schuhe, die sicherlich einige seiner Monatsgehälter kosteten, vollkommen durchgeweicht waren. Genau wie der Ansatz von dessen Hose.   Und das ausgerechnet von dem Schmutzwasser aus seinem Putzeimer, dass es ihn leidlich das Gesicht verziehen ließ.   Hoffentlich waren die Schuhe nicht ruiniert. Die Reinigung der Hose könnte er wohl noch bezahlen, aber Designerschuhe ersetzen?   Aber er war auch niemand der einfach eine Schuld auf sich sitzen ließ.   „Dann lassen sie mich für den Schaden aufkommen.“ Er deutete auf dessen Schuhe und Hose.   „Ich kann mir vorstellen, dass beides nicht gerade billig war.“ Wei Ying lächelte etwas schief.   Seinen neuen Laptop konnte er dann wohl wieder vergessen, den er sich seit Monaten schon versuchte mühselig zusammen zu sparen.   Mr. Jade schaute auf seine nassen Füße, schien er das Ganze wohl gar nicht recht bemerkt zu haben.   „Nicht notwendig.“, wiederholte dieser simpel und nach einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr verabschiedete er sich schlicht, dass Wei Ying ihm nur schuldbewusst nachschauen konnte.       ***   Die nächsten Tage verbrachte Wei Ying damit für Tests zu lernen und wenn er dies nicht tat, entweder zu schlafen oder zu arbeiten.   Mr. Jade war noch nicht wieder in ihrem Geschäft aufgetaucht, aber da es auch nicht in seinem sonstigen Rhythmus lag, dachte er sich nichts dabei.   Dann verging allerdings eine weitere Woche, ohne dass dieser vorbeigeschaut hätte und Wei Ying machte sich nun doch etwas Gedanken. Natürlich konnte es dutzende Gründe und mehr geben. Immerhin waren sie kein Supermarkt, den man regelmäßig besuchte. Dennoch wich es nicht gänzlich aus seinen Gedanken, auch weil er sich noch einmal hatte bedanken wollen. Aber womöglich hatte er diesen mit seiner ungenierten Art nun doch vergrault? Jiang Cheng meinte oft genug, dass er des Öfteren zu schamlos rüberkam, selbst wenn es ihm meist nur der Erheiterung diente.   Es erinnerte ihn daran seinen Bruder endlich zurückzurufen, wie er es schon seit zwei Tagen hätte tun sollen.   Wei Ying verzog etwas reumütig das Gesicht, dachte er an seine Rettung zurück.   Mr. Jade war definitiv jemand mit gehobener Etikette und solch ein unmögliches Verhalten sicherlich nicht wirklich gewöhnt oder etwas das er gut hieß.   Doch er hatte ebenso mitbekommen, dass dieser trotz seiner unnahbar wirkenden Erscheinung eine zuvorkommende Person war.   Nicht gezwungen höflich.   Sondern hilfsbereit und umsichtig.   Er hatte der Katzenvernarrten Wang shǒu jié ohne Umschweife dabei geholfen ihre Einkäufe zum Wagen zu bringen, die aus nicht weniger als drei Stiegen Dosenfutter bestanden. Wang shǒu jié mochte in die Siebzig sein, doch hatte es sie nicht davon abgebracht einen tief entzückten Blick über die Hilfe eines solch ansehnlichen Herren zu zeigen.   Es gab auch eine kleine Gruppe Hausfrauen, die sich über die letzten Wochen zusammengetan hatte und deren hauptsächlicher Grund für einen Besuch hier war, Mr. Jade dazu zu bringen einer von ihnen etwas von einem oberen Regal herunter zu reichen oder etwas Schweres in ihren Einkaufswagen zu heben und ihn darauf versonnen anzuhimmeln.   Dieser zeigte nie eine emotionale Regung in diesen Situationen, doch schien das niemanden zu entmutigen.   Zudem half es auch ihrem Umsatz.   Es war eine dieser Damen, die sich nun zu ihm an die Kasse begeben hatte und etwas mit ihren Worten zu hadern schien, bevor sie ihn ansprach.   „Hallo. Ich bin auf der Suche nach jemandem.“, meinte diese. Wei Ying nickte freundlich und schmunzelte wissend.   „Er…er ist recht groß und…“ Sie verlor sich ein wenig in ihrer Beschreibung, das sich Wei Ying schon etwas zurückhalten musste nicht zu lachen.   „Ich weiß wen sie meinen. Er ist wirklich was fürs Auge, nicht.“, erwiderte er und sie gab ein schmachtendes Seufzen von sich über seine Zustimmung. „Er ist einfach nur umwerfend.“, raunte sie zugetan.   „Auch wenn sich unser eins keine Hoffnung machen braucht, aber wann bekommt man schon mal die Gelegenheit so jemanden außerhalb von Film und Fernsehen zu begegnen?“ Sie kicherte etwas verlegen.   „Noch mal jung sein müsste man.“ Wei Ying lächelte verstehend.   „Ich habe ihn leider noch nicht wieder gesehen. Vielleicht hat er genug von der einfachen Welt und ist zurück in seine Überirdische-Residenz gekehrt.“, meinte er mit etwas gespieltem Wehmut in der Stimme, auf das sie synchron aufseufzten und schließlich albern darüber lächelten.     ***   Es war Mittwochabend und Wei Ying gerade dabei das Hasengehege zu säubern, während er diverse Formeln für seinen nächsten Test vor sich hinmurmelte, als ihm plötzlich ein angenehmer Geruch die Nase kitzelte der ihm bekannt vorkam.   Mr. Jade schaute etwas ertappt, als er sich diesem ohne weiteres zuwandte, doch schulte dieser seine Gesichtszüge so schnell wieder, als hätte es sich Wei Ying nur eingebildet.   „Hey. Sie waren ja lange nicht mehr hier.“, fing er ein Gespräch an und hoffte, dass er nicht so übermäßig erfreut klang, wie es sich in seinen Ohren angehört hatte.   „Mn. Es gab viel zu tun.“ Sie schwiegen einen Moment in welchem sich Wei Ying überlegte was er noch sagen könnte, als ihm einfiel das er sich noch einmal hatte bedanken wollen.   Doch anstatt es in Worte zu fassen, schaute er sich kurz prüfend um, ob sie auch keiner stören würde, bevor er noch einmal in die Knie ging und einen der Hasen aufgriff.   Mit einem Grinsen wandte er sich dann Mr. Jade wieder zu und stellte sich näher an ihn heran.   „Traun sie sich ruhig und streicheln sie ihn. Die tun nichts, solange man sie gut behandelt.“ Erneut schaute man ihn an. „Oder sind sie allergisch auf Tierhaare?“, kam es ihm in den Sinn und er zog seinen Arm, auf welchem er das Tier hielt, etwas zurück.   Mr. Jade schüttelte leicht den Kopf.   „Nicht allergisch.“ Dann streckte er seine Hand vorsichtig nach vorn und Wei Ying rückte wieder etwas näher.   Er hatte es schon ein paar Mal an der Kasse festgestellt. Mr. Jade hatte wirklich schöne, schlanke Hände. Behutsam strich er dem Hasen über den Kopf und über den Rücken und zu Wei Yings Erstaunen zeigte er so etwas wie ein seichtes Lächeln dabei, als er ihn ansah.   Dann trafen sich ihre Blicke.   „Sie haben wirklich eine faszinierende Augenfarbe.“, rutschte es Wei Ying unbewusst hervor, als er sich dem auch schon gewahr wurde und mit einem leichten Räuspern dann wieder auf den Hasen schaute.   Dann schob er diesen etwas mehr zu Mr. Jade.   „Sie können ihn auch halten, wenn sie möchten.“, bot er diesem an auch wenn es ihn nicht wundern würde, wenn dieser ablehnte, eben um sein kostspieliges Jackett nicht zu beschmutzen.   Doch nahm dieser ihm den kleinen Hasen tatsächlich ab, wenn auch etwas unbeholfen.   „Hier, halten sie ihn so.“ Wei Ying rückte dessen Arm so, dass dieser angewinkelt an dessen Oberkörper anlag und er den Hasen in dessen Beuge setzte, wo er ihm noch einmal über die flauschigen Ohren strich.   Das Bild das er nun vor sich hatte verleitete ihn beinahe dazu sein Smartphone zu ziehen, um ein Foto machen zu wollen. Es war ein ungewöhnlicher Mix aus liebenswert und attraktiv, wie der andere das Tier so behutsam an sich hielt und beinahe hingerissen wirkte. Etwas das er dessen starrer Mimik nicht so recht zugetraut hatte.   „Wei WuXian? Wenn du fertig bist mit dem Gehege sortiere die heutige Lieferung im Lager.“, vernahm er die beschäftigt wirkende Stimme von Song lǎo bǎn, bevor dieser auch schon um die Regale herumtrat und sich die Szene kurz aber mit einem leichten Schnaufen betrachtete.   „Lass mich den Mädels davon erzählen und warten wir ab was sie mit dir anstellen.“ Es war eine subtile Drohung, die Wei Ying allerdings sehr wohl zu deuten wusste.   Würden seine Kolleginnen davon hören, was er hier so ungeniert mit ihrem Schwarm tat, würden sie ihn nicht mehr in Frieden lassen mit ihrem Geschnatter und den Sticheleien, weil er diesem zu nahe gerückt wäre.   „Verstanden Chef. Ich werde mich ranhalten.“ Damit salutierte er Song lǎo bǎn noch, bevor dieser mit einem ergebenen Kopfschütteln wieder verschwand.   „Es tut mir leid, wenn ich Ärger bereitet habe.“ Mr. Jades Worte klangen in der Tat entschuldigend, auf das Wei Ying mit einem Grinsen abwinkte. „Kein Grund sich zu entschuldigen. Es war immerhin ein Kundenservice.“   Mr. Jade gab darauf zwar nur ein „Mn.“ von sich, aber irgendwie klang es matt und er wirkte wieder so kühl wie immer als er ihn ansah.   „Danke.“, meinte jener und reichte ihm den Hasen wieder zurück. Wei Ying ließ ihn sachte zu Boden, wo dieser gleich zu seinen Kameraden hoppelte.   „Dann möchte ich nicht weiter stören.“ Mr. Jade verbeugte sich leicht und verabschiedete sich von ihm. Allerdings verließ er nicht sofort das Geschäft, sondern kaufte erneut etwas, bevor er dann wieder seines Weges ging.   Wei Ying gab ein leicht frustriertes Schnalzen von sich, fühlte es sich irgendwie so an, als habe er abermals etwas Falsches getan oder gesagt.   Dann trieb man ihn auch schon zu seiner Aufgabe an und er konnte nichts weiter tun, als sich den restlichen Abend zu fragen, was dieser womögliche Fehltritt gewesen sein könnte. *** Erklärung Anrede; lǎo bǎn – Chef/Boss xiān sheng – Herr/Mister shǒu jié – Witwe (welche nicht erneut heiraten möchte) Ich werde in der Erzählung hauptsächlich bei der Anrede Mr. Jade bleiben. In gesprochenen Abschnitten kann es wechseln.   Kapitel 2: ----------- WangJi sah seinem Bruder die deutliche Verwunderung an, als dieser sein Apartment betrat und er die Kisten im Eingangsbereich vorfand, die voll mit Tiernahrung und Spielzeug waren.   „Möchtest du dir ein Haustier zulegen?“, fragte dieser nach und WangJi schüttelte den Kopf.   „Fürs Tierheim.“, erklärte er XiChen, der darauf nicht weniger verwundert aussah als zuvor.   „Eine wunderbare Geste. Was hat dich auf den Gedanken gebracht?“ XiChen folgte ihm darauf ins Wohnzimmer.   „Spontan.“, ließ ihn WangJi lediglich wissen und mied den fragenden Blick seines Bruders bewusst.   Es war nicht gelogen. Es hatte noch nie einen triftigen Grund gegeben seinen großen Bruder anlügen zu müssen und in diesem Fall hielt er sich einfach nur mit dem Grund seiner spontanen Einkäufe zurück.   Stattdessen bot er ihm einen Tee an, den dieser gern annahm.   Es war Samstag und er hatte XiChen versprochen ihm zu helfen ein paar Dinge in das Kinder- und Jugendzentrum zu bringen, dem dieser seit einigen Monaten regelmäßig eine helfende Hand reichte.   Solch eine Unterstützung anzubieten, obwohl dieser selbst schon einen ausgefüllten Tagesablauf zu meistern hatte, war etwas wofür ihn WangJi erneut bewunderte, wurde dieser es nie müde dort zu helfen, wo es notwendig erschien.   Das Zentrum befand sich nicht in der besten Gegend und genau deswegen war es wichtig diese Einrichtung zu unterstützen, hielt sich diese hauptsächlich durch Spenden.   Sein Bruder war schon immer ein Mensch gewesen der sich nicht zu schade war anderen zu helfen.   Er war ebenso der Typ Mensch der recht schnell Kontakte knüpfen konnte und auch so problemlos mit anderen zurechtkam.   Etwas das ihm nie so recht gelegen hatte.   Er tat seinen Job als Dozent an einer Privatschule gern. Er mochte es Kunst und klassische Literatur zu lehren, gab ihm das Eintauchen in diese Winkel der Vergangenheit stets ein Gefühl des nachhause Kommens.   Seine Studenten hatten Respekt vor ihm und seine Kollegen bewunderten die Hingabe für seinen Unterricht.   Er gab sich stets Mühe diesen nicht zu trocken und fade werden zu lassen wusste er, dass er damit das Interesse seiner Schüler ebenso ersticken konnte. Er hatte sich in kürzester Zeit eine Reputation aufgebaut an der niemand zu rütteln versuchte.   XiChen hatte ihm vor ein paar Wochen angehalten, ob er nicht bereit wäre sein Wissen mit den Kids im Zentrum teilen zu wollen. Es war ein Event geplant, das diesen ihre Geschichte und Traditionen wieder etwas näher bringen sollte und das mit allem Drum und Dran.   Es war einiges an Arbeit Wissenswertes kindergerecht umzusetzen, damit diesen auch nicht der Spaß an dieser Gelegenheit verlorengehen würde.   Zudem hatte man ihn gefragt, ob er nicht auch etwas auf der Guqin vortragen könnte, als man durch XiChen davon erfuhr, dass er dieses Instrument seit seiner Kindertage schon spielte.   Und auch wenn er nicht die geselligste Person war, so war er dennoch gern bereit etwas Gutes zu tun, wenn man ihn darum bat.       Der Weg zum Zentrum zog sich, dank des Verkehrs, länger hin als es normalerweise der Fall gewesen wäre, das man sie schon vor dem Eingang erwartete, um ihnen beim Ausladen behilflich zu sein.   Sein Bruder hatte schon einiges organisieren können, besaß er ausreichend Kontakte die gern bereit waren sie zu unterstützen in ihrem Vorhaben.   Und da es Wochenende war ging es auch recht lebhaft zu, als sie das Gebäude betraten.   Es richteten sich einige Blicke auf sie und WangJi war sich wiederholt bewusst, dass er zwischen all den leger gekleideten Personen hier, recht bieder und fehlplatziert erscheinen musste.   Im Gegenzug zu XiChen, der simpel in einer dunkelblauen Jeans und einem weißen Shirt hier erschienen war, war das lockerste Outfit das er in seinem Schrank finden konnte eine hellgraue Bundfaltenhose und ein hellblaues Business Hemd das er seit Jahren nicht mehr getragen hatte.   Womöglich hätte er die Krawatte weglassen sollen?   Nur fühlte es sich dann irgendwie nicht korrekt an, so vor die Tür zu gehen.   Plötzlich kam er sich wieder so unbeholfen vor manche Dinge nicht einfach etwas lockerer zu nehmen, was ihn seinen Bruder wieder beneiden ließ.   Sie schlängelten sich an den schwatzenden Gruppen von Erwachsenen vorbei und wischen gekonnt den herumrennenden Kindern aus, bis sie das Büro von Xiao xiān sheng erreicht hatten, der sie mit einem freundlichen Lächeln empfing.   „Wir sind wirklich dankbar für die Hilfe.“, meinte dieser nach einer formellen Begrüßung, worauf energisches Streiten zu ihnen herandrang und Xiao xiān sheng darüber ein ahnendes Seufzen über die Lippen kam.   Man brauchte nur aus der Tür zu seiner Rechten schauen, um die drei zankenden Kids ausmachen zu können.   „A-Qing.” Xiao xiān sheng klang ergeben über diese Szene.   „Was?!“, kam es von einem Mädchen mit wildem Haarschopf und zorniger Miene zurück. Ihre Augen zeigten keine Pupillen, was für einen Moment überraschte.   Sie war demnach also blind.   Allerdings zeigte sich dieses Handicap nicht als etwas das sie zu stören schien, hielt sie einen Jungen am Kragen gepackt, der ein hilfesuchendes Gesicht zog.   „Lass A-Shan wieder los. Wollten wir nicht auf solche Handgreiflichkeiten verzichten?“   A-Qing gab ein missmutiges Schnaufen von sich.   „Nicht, wenn er es verdient hat eine drauf zu bekommen. Wenn er nicht aufhören kann A-Chen an den Haaren zu ziehen, dann höre ich nicht auf ihn davon abzubringen.“ Und um ihren Entschluss auch noch einmal deutlich zu machen, gab sie dem Jungen vor sich eine Kopfnuss, das dieser leidlich jammerte.   Dann brach abermals Gezeter los auf das Xiao xiān sheng zu den Streithähnen aufschloss, um sie zu beschwichtigen.   Das Smartphone seines Bruders machte auf sich aufmerksam, doch bevor dieser das Gespräch annahm, meinte er noch, dass er sich ruhig auch etwas umsehen könne, wenn er wolle.   WangJi nickte kurz und begab sich auf eine kleine Erkundungstour.   Es wäre nicht verkehrt die Räumlichkeiten schon etwas zu kennen, bevor er für das Event wieder her kommen würde.   Zu erkennen war, dass man viel Wert darauf legte den Kindern und Jugendlichen etwas zu bieten, das ihnen ein Ausgleich zum Rest ihres Alltags sein konnte.   Es gab einen Raum zum Malen und Zeichnen, wie er an der dazugehörigen Tür des Zimmers lesen konnte.   Eine kleine Bibliothek mit bunten und individuellen Sitzmöglichkeiten. Einen Speisesaal, an den sich eine Küche anschloss. Zwei Räume die an Klassenzimmer erinnerten. Und überall an den Wänden waren gemalte Bilder oder Fotos aufgehängt, was diesem Ort eine familiäre Atmosphäre verschaffte.   Er hatte seine Aufmerksamkeit gerade auf eine Aquarellzeichnung fixiert, als ihn etwas mit Wucht gegen die Beine stieß und er daraufhin in die großen, runden Augen eines Kindes blicken konnte. Dieses schaute zu ihm hinauf, als habe es einen Geist gesehen. Bei weiterer Betrachtung konnte WangJi erkennen, dass dessen Hände vollkommen mit Farbe versehen waren, welche sich nun auch an seiner Hose wiederfand.   Der Junge schien nun auch zu erkennen, was ihm hier passiert war und WangJi konnte genau verfolgen wie diesem die Augen feucht wurden und dessen Mundwinkel sich nach unten zogen.   Ah, er war wirklich nicht gut mit Kindern in solch einem Alter und je länger er dieses einfach nur stumm anblickte, umso unruhiger wurde es.   Es erfüllte ihn mit einer leichten inneren Panik, als dieses dann auch anfing lautstark los zu weinen und er immer noch nicht wusste was er nun tun sollte.   „A-Yuan!“, rief jemand etwas außer Atem und kam neben dem Jungen, dessen farbenfrohe Hände an seiner Hose festhielten, zum Stehen und begab sich sogleich zu ihm in die Hocke.   „Tut mir wirklich leid.“, hörte er den jungen Mann sagen, der nun ebenso endschuldigend zu ihm aufblickte.   Dann fror der Moment kurz ein, als sie einander erkannten.   „Mr. Jade?“ Wei WuXian schaute merklich konfus über sein Hiersein, fing sich aber dann auch schon wieder, als der Junge neben ihm ein verweintes „Wei gē ge“ hervorbrachte und er diesem liebevoll über den Kopf strich.   „A-Yuan, ich sagte dir das du nicht weglaufen sollst und nun hast du dem gē ge hier seine Hosen schmutzig gemacht.“ Der Junge gab ein Schniefen von sich. „Was sagt man, wenn so etwas passiert?“ Tränennasse Kinderaugen schauten zu Wei WuXian und mit wackeliger Stimme gab man ihm ein „Es tut mir leid.“ als Antwort.   Wei WuXian lächelte liebevoll. „So ist es. Aber du sollst es nicht mir sagen sondern dem gē ge.“ Der Junge wirkte unsicher, auf ein leichtes Nicken von Wei WuXian hin, nahm er seinen Mut jedoch zusammen und schaute hinauf zu WangJi.   „Es tut mir leid gē ge.“ WangJi nickte ihm zu. „Es ist schon in Ordnung.“, ließ er ihn wissen. Allerdings wirkte der Junge immer noch so verschreckt, als glaube er nicht, dass er ihm tatsächlich verziehen habe.   „Na komm, lass erst einmal wieder los.“ A-Yuan tat wie ihn geheißen und zu WangJis leichten Entsetzen säuberte Wei WuXian dessen kleine Hände, indem er diese mit seinem Shirt so gut es ging abwischte.   Dann nahm er diesen auf den Arm, doch versteckte A-Yuan sein Gesicht sofort in dessen Halsbeuge.   Es war keine untypische Reaktion auf ihn, wusste WangJi das er auf die meisten zu ernst und kühl wirkte.   Wei WuXian zeigte ein verlegenes Lächeln und WangJi erwischte sich dabei, dass er diesen etwas zu lange unangebracht anschaute.   „Uhm, es ist nur Fingerfarbe, die sollte ohne Probleme wieder raus zu waschen sein. Trotzdem, sorry für die Sauerei. Ich hatte ihn nur einen Moment aus den Augen gelassen und weg war er.   Jedenfalls wenn…wenn Flecken bleiben sollten ersetze ich ihnen den Schaden.“ Wei WuXian strich sich darauf über den Hinterkopf und grinste schief. „Wenn das so weiter geht muss ich mir wohl einen anderen Job suchen, um sie zurückzahlen zu können. Hab gehört als Stripper soll man gutes Geld machen. Was meinen sie? Hätte ich das Potenzial dazu?“ Wei WuXian begab sich in eine selbstdarstellende Pose und zwinkerte ihm zu.   WangJi spürte die Wärme in seine Ohren steigen, doch noch bevor er ein „Schamlos.“ vorbringen konnte, hörten sie das schläfrige Nuscheln von A-Yuan, mit der Frage was den ein Stripper sei und es sie beide recht wortlos zurückließ.   Es war Wei WuXian der leicht aber umsichtig auflachte, um das eingeschlafene Kind nicht wieder munter zu machen.   „Ich hoffe er vergisst diese Frage wieder. Wenn Wen Qing davon Wind bekommt bin ich geliefert.“, meinte er mit so etwas wie tatsächlicher Sorge in seiner Stimme, was WangJi annehmen ließ das, wer immer auch Wen Qing sein mochte, sie ebenso etwas mit A-Yuan verband.   Vielleicht dessen Mutter? Aber er war niemand der seine Nase in Angelegenheiten steckte die ihn nicht betrafen und somit hakte er auch nicht nach.   Allerdings war die Option das Wei WuXian schon Vater war, etwas das er bis jetzt nicht in Betracht gezogen hatte und es brachte ein merklich beklemmendes Gefühl mit sich, musste er davon ausgehen, dass dieser ebenso eine Freundin, wenn nicht gar eine Frau hatte.   „Also was hat sie hier her geführt? Ich möchte nicht vorlaut sein, aber ich nehme nicht an, das eines der Kids hier zu ihnen gehört, oder?“ WangJi konnte nicht anders als leicht eine Augenbraue zu heben über diese Frage.   „Keine Kinder.“, meinte er knapp, was Wei WuXian kurz nicken ließ. „Verstehe. Es spricht ja auch nichts dagegen damit abzuwarten. Mir reicht es vorerst auch zu, diesen Wildfang hier ab und zu für eine Freundin zu babysitten.“ Er strahlte ihn nach einem weiteren Blick auf A-Yuan aufgeweckt an.   „Aber geplant habe ich mindestens vier. Je größer die Familie desto besser.“ WangJi fühlte sich über diese Worte plötzlich etwas unbeholfen, war das Konzept einer eigenen Familie stets etwas, das sich als etwas Kompliziertes für ihn abzeichnete.   Aber vier Kinder?   Es brachte eine Realisierung mit sich, die ihn sich ein wenig als Außenseiter fühlen ließ.   „Ich hoffe es wird sich für sie ergeben.“ Wei WuXian schaute ihn auf seine Worte mit einem nachdenklichen Ausdruck an.   „Danke.“ War schließlich alles was er dazu sagte.   „Mn.“   „WangJi.“ Er war in diesem Moment recht froh die Stimme seines Bruders zu hören, der nun zu ihnen aufgeschlossen war und einen leicht fragenden Blick zwischen ihm und Wei WuXian schweifen ließ.   „Bruder.“   Wei WuXian verbeugte sich darauf leicht und XiChen tat es diesem gleich.   „Wie ich sehe hast du schon Bekanntschaften geschlossen?“ WangJi kam nicht dazu etwas zu erklären, kam ihm Wei WuXian damit zuvor.   „Mr. Jade ist ein regelmäßiger Kunde in unserer bescheidenen Tierhandlung.“, grinste dieser und WangJi spürte den interessierten Blick den sein Bruder auf ihn gerichtet hielt genau.   „Ist dem so?“   „Ja, ich hätte ihn auch nie für einen Hasenliebhaber gehalten. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich ihn eher als den Goldfisch Typ eingeschätzt.“ Wei WuXian grinste schelmisch über diesen Hinweis.   „Oh, ich bin unhöflich. Lassen sie mich, mich vorstellen. Mein Name ist Wei WuXian, und das hier...“, er wippte A-Yuan leicht in seinem Arm. „...ist A-Yuan.“   XiChen lächelte freundlich. „Lan XiChen.“ Wei WuXian setzte eine überlegende Miene auf.   „Lan? Wo hab ich den Namen schon mal gehört?“ Sie sagten beide nichts dazu und Wei WuXian schien es auch schon wieder aufgegeben zu haben darüber nachzugrübeln.   A-Yuan gab ein paar schläfrige Laute von sich und Wei WuXian streichelte diesem über den Rücken. „Ich werde ihn mal zurück bringen. Hat mich gefreut sie kennen zu lernen.“, meinte er dann an XiChen gerichtet, bevor er sich ihm noch einmal zuwandte.   „Bis die Tage.“ WangJi spürte die Verlegenheit erneut in sich aufsteigen, antwortete aber mit einem „Mn.“ auf das Wei WuXian ihm ein Lächeln schenkte und sich gänzlich von ihnen verabschiedete.   XiChen schmunzelte in dessen Richtung und WangJi wusste, dass diesem die eine oder andere Frage auf der Zunge lag.   „Er scheint ein netter, aufgeweckter junger Mann zu sein.“, stellte dieser fest, und WangJi´s nächstes „Mn.“ klang selbst ihm etwas zu zugetan in seinen Ohren.   „Haben die Kisten in deinem Apartment womöglich etwas mit ihm zu tun?“ WangJi seufzte innerlich über den Scharfsinn seines Bruders. Aber dieser war auch nicht umsonst der Nachfolger ihres Familienkonzerns.   Er war auch stets umsichtig genug, ihn nicht zu etwas zu drängen, worauf dieser ihm einfach nur eine Hand auf die Schulter legte und diese leicht drückte.   WangJi fühlte sich selbst etwas lächerlich, aber irgendwie kam er von Wei WuXian nicht mehr so recht los, seit sie sich vor all den Monaten das erste Mal begegnet waren.   *** xiān sheng – Herr/Mister gē ge – großer Bruder (familiär; nicht notwendigerweise verwandt) Kapitel 3: ----------- Fünf Monate zuvor     WangJi hatte seinem Bruder versprochen ihn abzuholen, um gemeinsam zum Dinner mit ihrem Onkel zu fahren, weswegen er sich nun in einem Viertel der Stadt befand, das ihm vollkommen unbekannt war.   Es war eine einfache Gegend, ohne schicke Apartmentgebäude oder große Einkaufspassagen. Schlichte Häuser und schmale Gassen, die es ihm etwas erschwerten, die gesuchte Adresse ausfindig machen zu können. Erneut schaute er auf sein Smartphone und die Straßenkarte die er dort aufgerufen hatte. Er hatte seinen Wagen auf einem Parkplatz abgestellt den ihn sein Bruder zuvor vorgeschlagen hatte, um den Bauarbeiten an den Straßen nicht zum Opfer zu fallen, konnte es gut sein das man dadurch ungemein lange zu warten hatte, bis es wieder voranging.   Eigentlich müsste es hier irgendwo sein.   Er schob seinen Schirm etwas nach hinten, um sich besser umsehen zu können. Der Winterregen, der sich über den Tag hinweg schon in den Wolken gehalten hatte, hatte sich nun losgelöst und ließ verwaiste Fußwege zurück, auf das er auch niemanden hätte nach dem Weg fragen können.   Er raunte etwas missbilligend, als ihm ein paar Tropfen auf seinen Brillengläsern landeten. Er sollte womöglich doch auf Kontaktlinsen umsteigen, wie es ihm sein Bruder empfohlen hatte.   WangJi zog sich den Kragen seines Mantels etwas enger und durchquerte eine weitere schmale Gasse, als ihm das Geräusch von mehreren Schritten auf nassem Asphalt auffiel, die sich ihm näherten.   „Hey Mister. Sie scheinen sich verlaufen zu haben, huh?“ WangJi wandte sich der Stimme zu und erkannte eine Gruppe aus vier Jugendlichen. Sie trugen ihre Kapuzen des Wetters oder des Images wegen tiefer ins Gesicht gezogen.   Einer der jungen Männer schenkte ihm ein überheblich wirkendes Grinsen und es war klar, dass diese nicht darauf aus waren tatsächlich nur eine gute Tat vollbringen zu wollen, indem sie ihm die Richtung wiesen.   Man schloss etwas näher zu ihm auf und beäugte ihn sich abmessend.   „Einer wie sie hat doch sicher ein paar Yuan für uns arme Straßenkids übrig, oder?“ Es war eine abschätzig klingende Frage, begleitet von einem Ausdruck der von bereitwilliger Aggression sprach.   „Also wie sieht es aus?“ Es war eine Situation die ihn zwar nicht in Panik versetzte, aber er auch keinen Wert darauf legte in einen unangenehmen Konflikt zu geraten. WangJi rückte sich seine Brille in einer unbewussten Gewohnheit etwas zurecht.   Womöglich wäre es wirklich das einfachste ihnen Geld zu geben, in der Hoffnung, dass sie dann wieder abziehen würden.   „ZiXun! Hast du dich mal wieder im Revier geirrt, oder was verschafft uns die Ehre dich und deine Mitläufer hier anzutreffen?“   Es war eine weitere Stimme, die aus der anderen Richtung der Gasse kam und dessen Besitzer ebenso ein junger Mann war. Seine langen Haare trug er zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, doch waren die Seiten etwas herunterrasiert. Dieser war mit einer schwarzen Lederjacke und ebenso schwarzen Jeans bekleidet, die in Bikerstiefeln steckten. Das rote Sweatshirt das er unter der offenen Jacke trug zierte die Aufschrift „Demon Lord“.   Aber all diese Details waren nicht von Belang als der Neuankömmling plötzlich seinen Arm umklammerte und ihm ein freudiges „Ich hab schon auf dich gewartet.“ an ihn richtete. Doch dem nicht genug, drehte sich dieser nun leicht zu ihm herum, und kam seinem Gesicht unverschämt näher, ohne auch nur das kleinste Bisschen Verlegenheit zu zeigen.   Dessen warmer Atem kitzelte die kühle Haut die er streifte.   „Wenn sie wollen, dass die Sache ohne großes Aufsehen von Statten gehen soll, dann spielen sie mit.“, wisperte er diesem ins Ohr, das es von vorn aussehen musste, als hätte er ihn auf die Wange geküsst.   Dann wandte sich der Fremde wieder der Gruppe vor ihnen zu, ohne von ihm abzulassen.   „Also? Oder denkst du nur weil Xue Yang den Platz geräumt hat, das ihr eure billigen Einschüchterungen nun auch hier abziehen könnt?“   „Wei WuXian, du Bastard! Du hast uns gar nichts zu sagen, klar!“ Angesprochener zeigte ein scharfkantiges Lächeln über die Worte.   „Tu nicht so, als hättest du den Mumm dich mit mir anzulegen.“ WangJi konnte verfolgen wie dieser ZiXun ein nervöses Schlucken zeigte.   „Aber wenn du es darauf ankommen lassen willst?“   ZiXun spannte den Unterkiefer an über diese Herausforderung und gab ein missmutiges Grollen von sich.   „Irgendwann wirst du deine Arroganz bereuen.“ Dieser deutete aufgebracht mit dem Zeigefinger auf Wei Wu Xian, der darauf nur ein breites Grinsen zeigte, das ausreichte um zu verdeutlichen das er über dieser Drohung stand.   „Verdammte Hure.“, zischte ZiXun. „Du glaubst doch nicht ernsthaft etwas Besseres zu sein, wenn du dein Geld damit verdienst dich an irgendwelche reichen, notgeilen Schnösel zu verkaufen?!“   „A-Xun, kann es sein das du einfach nur neidisch bist?“ Wei WuXian umfasste seinen Arm nun mehr und schob sich zudem noch etwas näher an ihn heran, das er einen weichen angenehmen Geruch von diesem einfangen konnte.   „Sorry, aber er hier gehört mir. Also wenn es euch nichts ausmacht, wir haben heute Abend noch was vor.“   Zweideutigkeit schwang in Wei WuXians letztem Satz mit und es ließ ZiXun angewidert das Gesicht verziehen, bevor er noch eine weitere Drohung aussprach, dann aber mit seinem Trupp schließlich abzog, als sich noch ein paar andere Passanten ihren Weg durch die Gasse zu suchen gedachten.   Er hörte den jungen Mann neben sich langgezogen Seufzen, auf das dieser ihn auch wieder losließ und WangJi sofort wieder die Kälte bewusst wurde die in der Luft hing.   „Sorry, für die Show Mister. Diese Jungs sind nur taff, wenn sie jemanden allein schikanieren können.“ WangJi fühlte sich noch immer reichlich überfahren von diesem Ereignis doch schaute er sich den jungen Mann trotz allem nun etwas genauer an.   Dessen Lippen zierte ein endschuldigendes Lächeln. Das einen deutlichen Kontrast zu dessen eher rebellisch wirkenden Erscheinung darstellte.   Dieser schaute nun auf sein Smartphone und zog ein leicht unglückliches Gesicht.   „Ich muss weiter. Passen sie in Zukunft lieber etwas auf, wenn sie in so ner Gegend unterwegs sind.“ Damit zwinkerte man ihm noch einmal zu und joggte dann eilig weiter.       Es gab danach keinen Grund sich weiter über diese Sache Gedanken zu machen. Das Einzige was WangJi etwas ärgerte war, das er sich bei Wei WuXian damals nicht bedankt hatte. Egal wie ungewöhnlich seine Art der Hilfe auch gewesen sein mochte. Nur hatte er keine Ahnung wie er diesen wieder ausfindig machen sollte.   Es waren vielleicht drei Wochen darauf, als er in seiner favorisierten Teestube saß und sein Blick sich von dem neben ihm befindlichen Fenster auf die gegenüberliegende Straßenseite richtete. Zuerst dachte er es wäre nur Einbildung, doch dann schaute der junge Mann in seine Richtung. Nicht das dieser ihn tatsächlich bemerkt hatte. Seine Aufmerksamkeit war auf etwas gerichtet auf das die Person neben ihm zeigte.   WangJi hatte über dieses unerwartete Wiedersehen glatt seinen Tee vergessen, und auch wenn es sich nicht schickte, die Szene weiter beobachtet.   Schließlich gingen Wei WuXian und die andere Person in das Geschäft vor dem sie gestanden hatten, bei welchem es sich um eine Tierhandlung handelte.   WangJi hatte nie einen Grund gehabt diese zu besuchen, weswegen er ihr nie wirklich Aufmerksamkeit hatte zukommen lassen.   Und auch die folgenden zwei Wochen darauf, hatte er nichts weiter getan als die Teestube weiterhin zu seinen angesetzten Zeiten zu besuchen und aus dem Fenster zu sehen. Manchmal hatte er Glück und konnte einen Blick auf Wei WuXian erhaschen, wenn dieser gerade half eine Lieferung mit auszuladen, oder vor dem Geschäft sauber machte.   So gesehen sollte es ein Leichtes sein, zu diesem hinzugehen und sich zu bedanken.   Nur kam er sich irgendwie seltsam unsicher vor, ein Gefühl das er so nicht gewöhnt war.   Und weil es ihn irritierte, beschloss er eines Tages besagte Tierhandlung zu betreten, nachdem er die Teestube verlassen hatte.   Zuerst schaute er sich einfach nur um, in dem Vorhaben das, sollte er Wei WuXian nicht zufällig zu Gesicht bekommen, er es ein anderes Mal noch einmal versuchen würde. Nach ihm fragen würde er nicht, womöglich wäre diesem das nur unangenehm.   Dann allerdings kam er zum Hasengehege und der Anblick der kleinen, plüschigen Gesellen ließ ein kindliches Gefühl der Begeisterung in ihm aufkommen, das ihn selbst etwas überraschte.   Er hatte nie ein eigenes Haustier besessen und eigentlich auch nie den Wunsch danach verspürt.   Doch machten ihm diese Tierchen das Herz warm und er verbrachte eine unbestimmte Zeit damit sie einfach nur zu beobachten.   Erst die Stimme von Wei WuXian brachte ihn wieder zu seinem eigentlichen Anliegen zurück, stand dieser plötzlich neben ihm und fragte ob er behilflich sein könnte. Und da sich WangJi etwas überrumpelt fühlte, brachte er ihm einzig ein „Nein, danke.“ entgegen, auf das der andere sich wieder zurückzog.   Dieser schien ihn nicht wiedererkannt zu haben. Was wahrscheinlich daran lag das er seine Haare hatte schneiden lassen und diese nun wesentlich kürzer waren als zuvor. Es war eine Entscheidung aus praktischen Gründen gewesen. Nun bereute er es fast ein wenig. Zudem trug er nun auch keine Brille mehr.   WangJi hatte schließlich das erstbeste Produkt ergriffen, und war folglich damit zu Kasse gegangen, an der Wei WuXian nun stand.   Dass es sich um einen Beutel Katzentrockenfutter handelte wurde ihm auch erst bewusst, als Wei WuXian ihn darauf ansprach, ob er eine Katze besitzen würde.   Dieser schaute ihn abwartend an und WangJi durfte feststellen das Wei WuXian ihn tatsächlich nicht wieder zu erkennen schien. Es war merkwürdig enttäuschend, doch brachte er dennoch eine knappe Antwort hervor.   Man mochte es ausgelegt haben, das er nicht an unnötigem Smal Talk interessiert war und nannte ihm schließlich nur den Preis.   WangJi hätte durchaus klarstellen können, wer er war und die Worte sagen, weswegen er das Geschäft in erster Linie betreten hatte, doch war alles was er tat das Futter zu bezahlen und den Laden wieder zu verlassen.   ´Dann würde er wohl noch einmal her kommen müssen. `   Es wurde zu einer erbärmlichen Ausrede, kam er auch die folgenden Wochen immer wieder einmal vorbei, ohne tatsächlich mit Wei WuXian zu reden. Dieser hatte sich ab einem bestimmten Punkt bereits an seinen Besuch gewöhnt und fing von sich aus an ihn anzusprechen, wenn es sich irgendwie ergab.   Es war nie etwas von Belang. Meist nur ein, zwei Sätze auf welche er auch nie eine wirkliche Antwort zu erwarten schien, bevor es auch schon wieder vorbei war.   Als dieser ihn dann zum ersten Mal mit diesem Spitznamen angesprochen hatte, hatte sich ein vorwitziges Kribbeln in ihm ausgebreitet, auch wenn Wei WuXian ihn darauf etwas ertappt angesehen und sich dafür bei ihm entschuldigt hatte.   WangJi wusste selbst nicht woher es kam, doch gab er ihm ein „Schon in Ordnung.“ zurück, das Wei WuXian zuerst recht perplex, dann aber mit einem Grinsen aufgenommen hatte.   Seitdem nannte er ihn „Mr. Jade“ wann immer sie sich sahen und er schätzte dieses kleine Stück Vertrautheit mehr als es angebracht war.       ***   Ich habe hier einfach „ZiXun“ als Namen verwendet, da ich ihn in dieser Story nicht mit Jin ZiXuan oder dessen Familie in Verbindung bringen wollte.  Da sich sein Charakter allerdings für meinen Plot anbot, hab ich ihn mit eingebracht. Kapitel 4: ----------- Wei Ying wurde etwas ungeduldig, je mehr Zeit verstrich und je länger es bedurfte das man Mr. Jade endlich wieder freigab. Jemand hatte sich heute besonders mutig gezeigt und diesen angesprochen und zu Wei Yings kompletter Überraschung schien Mr. Jade sich tatsächlich mit der Dame zu unterhalten.   Womöglich kannten sie einander?   Wei Ying schaute sie sich etwas genauer an, nun wo er näher herangerückt war, in seiner Arbeit einige Produkte in diversen Regalen aufzustocken.   „Wir sind ihnen wirklich dankbar. A-Yang hat seine Noten deutlich verbessern können und scheint nun auch weit mehr Motivation zum Lernen zu haben. Er spricht wirklich in den höchsten Tönen von ihnen.“, hörte er sie sagen und verfolgte wie jene Mr. Jade eines dieser Lächeln schenkte, was ihn ein wenig die Augen verengen ließ.   Diese Frauen waren wirklich wenig subtil, wenn es darum ging mit diesem zu flirten. Dabei konnte er deutlich einen Ehering an ihrer Hand ausmachen.   Wei Ying rückte noch etwas weiter zu ihnen auf.   Die Dame redete nun weiter auf Mr. Jade ein, der nicht den Eindruck erweckte als lege er Wert darauf, was man ihm hier erzählte. Zumindest war es das, was Wei Ying sich einzubilden glaubte.   Besagte Dame streckte nun eine Hand aus. Womöglich sollte es aussehen, als wäre diese Geste aus dem Affekt heraus, doch kam sie nicht soweit auch nur einen schamlosen Finger an Mr. Jade zu legen, war Wei Ying mit seiner nächsten Aktion schneller, als er darüber nachgedacht hatte.   „Lan xiān sheng.“, machte er etwas zu offensichtlich auf sich aufmerksam.   Man schaute ihn darauf fragend an, auf das er die Dame höflich grüßte.   Er war schließlich immer noch ein Angestellter hier, und wollte ihre Kundschaft nicht offensichtlich vergruseln.   „Endschuldigen sie die Unterbrechung, aber ihre Bestellung ist heute eingetroffen und ich würde sie bitten sie zu kontrollieren, ob auch alles zu ihrer Zufriedenheit ist.“ Mr. Jade schaute ungerührt, nickte dann aber und wandte sich der Dame wieder zu. „Wenn sie mich entschuldigen würden.“ Dieser verbeugte sich höflich und trat dann an ihn heran, auf das Wei Ying kurz etwas aus seinem Schauspiel rutschte über dessen Nähe, bevor er ihm mit einem „Wenn sie mir folgen würden.“ aus dem Gang und etwas abseits führte, wo ein paar ungeöffnete Kisten mit Wahre standen.   Dann wirbelte er zu ihm herum und grinste etwas albern.   „Die Tatsache das sie auf meine Finte eingegangen sind, lässt mich annehmen das ich die Situation richtig gedeutet habe, oder?“ Mr. Jade sagte zuerst nichts aber atmete etwas tiefer durch.   „Es war das richtige Timing. Danke.“, meinte dieser darauf jedoch und Wei Ying wurde zum ersten Mal bewusst, dass es für diesen wohl nicht selten war das jemand versuchte ihm auf diese Art zu Leibe zu rücken.   „So ein attraktives Gesicht, kann schon ein Fluch sein, hm?“ Und da war es wieder, das leichte Rotwerden von dessen Ohren, das Wei Ying immer wieder drollig fand.   „Aber um ehrlich zu sein, ich habe tatsächlich etwas für sie.“ Wei Ying schaute auf seine Armbanduhr. „Meine Schicht geht noch drei Stunden.“ Darauf schaute er den anderen unsicher an.   Hätten sie vielleicht heute Abend noch Zeit?“ Er wusste das es etwas dreist war so etwas zu fragen, konnte er sich vorstellen, das der andere sicherlich besseres zu tun hatte, als sich mit ihm zu treffen.   „Es wird sich einrichten lassen.“ Wei Ying grinste dankbar über dessen Zustimmung und zog einen kleinen Notizblock mit Stift aus seiner Schürze.   „Hier. Wenn sie da auf mich warten würden? Es ist das beste Lokal am Platz. Ohne Übertreibung“ Er schob ihm den Zettel mit der Adresse und einer Uhrzeit zu.   Mr. Jade schaute darauf und nickte folglich. Dann kam Wei Ying noch ein Gedanke.   „Warten sie.“ Damit zog er ihm den Zettel wieder aus den Fingern und schrieb abermals etwas darauf.   „Sollte irgendetwas dazwischen kommen, schreiben sie mir eine Nachricht oder so.“   „Wei WuXian!“, hörte man die etwas genervt klingende Stimme einer seiner Kollegen und er lächelte Mr. Jade noch einmal zu, bevor er sich mit einem „Bis später.“ von ihm verabschiedete.   *   WangJi saß in seinem Wagen und schaute auf die Frontfassade des Lokals zu dem ihm Wei Ying gebeten hatte.   „Lotus Cove“ stand in eleganten Zeichen über dem Eingang.   Es schien gut besucht, ging er von den Leuten aus die es betraten.   Hoffentlich würden sie auch einen Platz bekommen.   Es waren noch gut zwanzig Minuten bis zur abgemachten Zeit, doch hatte er zu Hause eh nichts mehr mit sich anfangen können und war schließlich schon hergefahren.   Er war aufgeregt.   Wie immer, wenn es etwas mit Wei WuXian zu tun hatte und er hoffte ebenso, dass er sich nicht irgendwie blamieren würde.   Dass er nicht der geselligste Typ war, wusste er nur zu gut und die Befürchtung, dass er diesen schneller langweilen würde als gewollt, trug zu seiner Aufregung nur noch mehr bei.   Er hatte versucht es mit etwas Meditation zu dämpfen aber hielt der Erfolg nur kurzfristig an.   WangJi schloss dennoch seine Augen und suchte nach innerer Ruhe.   Er hatte ein wenig davon finden können, als er sie wieder öffnete und somit auch etwas Zeit überbrückt hatte, das er nun aus seinem Wagen ausstieg und auf das Lokal zuhielt.   Es mochten vielleicht zwei, drei Minuten verstrichen sein, die er noch gewartet hatte als Wei WuXian den Gehweg entlanggehastet und vor ihm zum stehen kam. Er war reichlich außer Puste und stützte sich somit erst einmal mit seinen Händen auf den Oberschenkeln ab.   Dessen Stirn zierte ein leichter Schimmer, doch strahlte dieser dennoch ungeniert, als er sich wieder aufrichtete.   Wei WuXian richtete seine Sachen und zupfte sich ein paar seiner Haarsträhnen wieder zurecht, die Wangen immer noch rosig vom Rennen.   „Hey. Freut mich, dass sie es einrichten konnten. Und sorry, wenn ich ihnen irgendwelche anderen Pläne durchkreuzt haben sollte.“   WangJi schüttelte leicht den Kopf. „Es ist kein Umstand.“   „Da bin ich ja froh. Dann folgen sie mir mal.“ Damit strebte Wei WuXian auf den Eingang zu und führte ihn in das Lokal hinein.   Wie er es sich schon gedacht hatte war es recht voll, doch schien sich Wei WuXian nicht davon entmutigt zu sehen, steuerte er zielstrebig in eine etwas ruhigere Ecke und auf einen freien Tisch zu.   Sie setzten sich und Wei WuXian schaute darauf über die anderen Gäste, als würde er nach etwas bestimmten Ausschau halten.   Dann winkte er jemandem zu und der zugetane Ausdruck den er dabei zeigte, ließ etwas unruhiges in WangJi aufsteigen, das er dessen Aufmerksamkeit folgte, die sich auf eine zierliche Frau, die eine der Serviererinnen war, gerichtet hielt und die ein ebenso warmes Lächeln in Wei WuXians Richtung schickte.   Sie machte eine Geste die anzeigte, dass er etwas warten müsse und dieser nickte verstehend.   Währenddessen hatte eine andere Bedienung ihnen zwei Schalen und eine kleine Kanne mit heißen Wasser an den Tisch gebracht, das sie ihnen einschenkte und mit einer leichten Verbeugung wieder verschwand.   Dann schaute Wei WuXian wieder zu ihm.   „Ich kann ihnen hier wirklich alles empfehlen, aber nichts kommt an die Lotuswurzelsuppe mit Schweinerippchen (ling ngau tong) ran.“, ließ er ihn wissen und es war schon der erste Schritt diesem etwas von seiner Begeisterung nehmen zu müssen.   „Ich esse kein Fleisch.“, weihte er Wei WuXian ein, der ihn darauf etwas verwundert ansah, sein munterer Ausdruck aber nicht deswegen abebbte.   „Ok, kein Problem. Es gibt hier auch vegetarische Gerichte. Mögen sie Luo Han Guo? Ich kann…“ Wei WuXian kam nicht weiter in seiner Ausführung, trat nun die Bedienung von vorhin an ihren Tisch und Wei WuXian erhob sich prompt, um diese in eine herzliche Umarmung zu ziehen.   „Jiě jie. Wie geht es dir?“   „ Mir geht es gut.“, erwiderte diese und schaute sich den jungen Mann vor sich nun etwas eingehender an.   „A-Xian, warum hast du nicht gesagt das du vorbei kommst?“ Sie strich ihm in einer schwesterlichen Geste über die Wange, ihr Blick prüfend.“   „Du bist schmaler im Gesicht geworden.“, stellte sie dann auch schon fest und Wei WuXian schaute tatsächlich etwas ertappt darüber.   „Es war etwas stressig in letzter Zeit. Aber mir geht es gut, versprochen.“ Sie gab ein leichtes Seufzen von sich, als wäre die Sorge, dass dieser nicht richtig aß nichts Neues.   „Jiě jie lass mich dir jemanden vorstellen.“ WangJi nahm an das dieser Wechsel auch dazu diente von sich abzulenken, worauf sich dessen ältere Schwester ihm zuwandte und freundlich lächelte. WangJi erhob sich der Etikette wegen ebenso und verbeugte sich leicht vor ihr.   „Das ist Mr. Ja…Mr. Lan. Mr. Lan das ist meine Jiějiě. Ihr gehört das Lokal.“ Es war deutlich, dass Wei WuXian stolz auf seine Schwester war. „Mr. Lan, es freut mich sie kennenzulernen.“, erwiderte sie höflich. „Ich führe das Lokal gemeinsam mit meinem Mann. Ich hoffe das sie mit unseren Speisen zufrieden sein werden.“ Wei WuXian gab ein mürrisches Raunen von sich. „Jin ZuXian wäre ohne dich doch kaum zu etwas vernünftigen im Stande. Er ist und bleibt ein arroganter…“   „A-Xian.“ Dieser hielt auf diese Zurechtweisung, welche man dennoch in einem sanften Ton ausgesprochen hatte inne, schaute allerdings noch einen Moment trotzig, bevor er ein „Ich sag ja schon nichts mehr.“ von sich gab.   Schließlich reichte man ihnen zwei Karten, auf das WangJi nach einem Oolong Tee verlangte und Wei WuXian sich etwas Alkoholisches gönnte   Darauf ließ man sie vorerst wieder für sich.   WangJi nahm einen Schluck von seinem Wasser, wusste er noch immer nicht, was genau Wei WuXian vor hatte ihm zu geben und dieser schien auch nicht darauf aus das Geheimnis lüften zu wollen, brütete er über der Menükarte und ließ darüber die ein oder andere Empfehlung verlauten. WangJi hörte ihm aufmerksam zu, doch schien der andere eher das Gegenteil anzunehmen, als er plötzlich in einem Satz inne hielt und sich für sein Gequassel entschuldigte.   WangJi schüttelte den Kopf. „Es ist hilfreich eine Meinung dazu zu hören. Ich bin mit den meisten Gerichten nicht wirklich vertraut.“, ließ er ihn ehrlich wissen und brachte Wei WuXian damit dazu ihn nun etwas fragend anzuschauen.   „Was essen sie den sonst?“, erkundigte er sich mit merklicher Neugier in der Stimme.   „Unsere Familie folgt einer abgestimmten Ernährung. Kein Fleisch, keine dominanten Gewürze, kein unnatürlicher Zucker.“ Wei WuXian verzog über diese Information leidlich das Gesicht, als habe er ihm gerade erzählt das Essen kein Vergnügen, sondern nur eine Notwendigkeit sein dürfe.   Es war ihm auch nicht wirklich zu verdenken und WangJi fühlte sich wiederholt unpassend in dessen Präsenz, schien Wei WuXian, was Essen anbelangte, recht passioniert und probierfreudig, ging er von dessen vorangegangenen Erklärungen zu den hier angebotenen Speisen aus.   Er war eben wenig interessant und noch nie hatte es ihn so gestört wie jetzt.   Die Chancen, dass Wei WuXian in Betracht ziehen würde, erneut Zeit mit ihm verbringen zu wollen, waren sicherlich mehr als verschwindend.   „Das nenne ich eine beeindruckende Disziplin. Ich muss sagen sie überraschen mich immer wieder.“ Es war keine Antwort mit der er gerechnet hatte und es ließ ihn etwas perplex zurück.   „Oh, da fällt mir ein, ich habe da ja noch etwas für sie.“ Damit wandte dieser sich seiner Umhängetasche zu die er neben dem Tisch abgestellt hatte und zog folglich eine dünne, weiße Plastikmappe hervor, die er ihm dann reichte, als würde es sich um ein äußerst gewichtiges Dokument handeln, indem er seine beiden Arme nach vorn gestreckt hielt und den Kopf über sein Darbieten gesenkt hatte. „Yuan yì shù jiā bat mich es ihnen zu überreichen.“, erklärte er dann auch in einem ehrfürchtigen Ton, auf das WangJi ihm die Mappe abnahm und sie schließlich auch aufschlug.   Darin befand sich ein Blatt das nahezu komplett von einem riesigen türkisfarbenen Fleck ausgefüllt wurde.   Von der Oberseite dieses Flecks erstreckten sich zwei dicke längliche Ovale nach hinten. Ein kleiner Kreis befand sich an der unteren Seite. Im Fleck selbst, auf der entgegengesetzten Seite, hatte man noch einen roten Punkt auf halber Höhe plaziert.   In einer Ecke des Papiers stand in etwas wackeligen Zeichen „Für Yù gē ge von A-Yuan“.   „Ein Hase.“ Es war keine Frage, sondern eine zugetane Feststellung.   „Ich hab mit den Wolken geholfen.“, hörte er Wei WuXian mit kindlichem Nachdruck sagen und WangJi musste über die Zeichnung, wie auch den Mann vor ihm, ein wenig lächeln.   „Ihr zwei seit wirklich sehr talentiert.“, gab er darüber in einem sanften Ton zum Ausdruck, doch blieb es merkwürdig still von Wei WuXians Seite her, das er ihn kurzum wieder ansah.   Dieser wirkte etwas abgedriftet, fing sich aber rasch wieder als er merkte, dass sein Blick auf ihm lag und räusperte sich kurz, bevor er wieder ein Grinsen aufsetzte.   „Es ist eine Entschuldigung, dafür das er ihre Hose eingesaut hatte. Er hatte selbst die Idee. Er war ganz angetan davon, als ich ihm sagte das sie Hasen mögen und setzte sich gleich dran.“ Wei WuXian klang führsorglich und liebevoll als er über A- Yuan sprach und es wärmte WangJi´s Herz etwas mit.   „Es ist eine wirklich gelungene Entschuldigung. Richte A-Yuan meinen Dank aus.“ Wei WuXian strahlte ihn auf seine Worte zufrieden an. „Das werde ich gern tun.“   Man servierte ihnen inzwischen auch ihre Getränke und sie bestellten jeweils etwas zu essen.   WangJi legte das Bild zurück in die Mappe und schloss sie, bevor er diese etwas an den Rand des Tisches schob, damit er sie dann auch nicht vergaß.   Etwas rutschte unter dieser hervor und er nahm den zweiten Zettel automatisch in seine Hände. Nicht weil er neugierig war sondern, weil er annahm, dass es eine Unterlage von Wei WuXian sein musste, die wohl an der Mappe festgehangen hatte.   Es sah aus wie ein Prüfungsbogen, erkannte er auch beim bloßen darüber Schweifen mit dem Blick, den typischen Benotungsspiegel, hatte er selbst schon genügend sollcher Bögen vor sich gehabt.   Die geringe Punktzahl ließ allerdings annehmen, dass dieser Test nicht besonders gut gelaufen war.   „Oh, der gehört mir.“ Wei WuXian zog ihn diesen eilig aus den Fingern und wirkte darüber merklich peinlich berührt.   „Denn hab ich ziemlich in den Sand gesetzt.“ Er lächelte etwas schief, während sein Blick auf dem Test festhing, bevor er ein tiefes Seufzen von sich.   „Ich sollte es wohl doch wieder aufgeben.“, gab er in einem leisen und ergebenen Ton von sich, schien folglich aber nur noch verlegener, als habe er diesen Gedanken eher im Affekt hervorrutschen lassen.   Es ließ WangJi etwas die Augenbrauen zusammenziehen.   Er hatte angenommen, dass Wei WuXian älter wäre, doch war dies eindeutig ein Test für die Sekundarstufe gewesen.   Es brachte ihn innerlich doch etwas aus dem Gleichgewicht.   „Uhm…“   „Vielleicht könnte ich behilflich sein.“ WangJi war über sich selbst erstaunt, diesen Vorschlag unterbreitet zu haben.   Wei WuXian schaute ihn folglich auch mit so etwas wie überraschter Skepsis an.   WangJi fühlte sich prompt unwohl über sein unbedachtes Angebot, und das er sich über die Annahme, dass der andere womöglich noch nicht einmal volljährig war, gefühlstechnisch auf reichlich dünnes Eis begab.   „Könnten sie?“   „Ich unterrichte selbst.“   „Tun sie?“ Wei WuXian wirkte interessiert und es ließ die Anspannung in WangJis Schulter sich wieder etwas auflockern.   Er nickte bestätigend.   „Sie stecken wirklich voller Überraschungen  Yù xiān sheng.“ Dann schmunzelte dieser in einer Art die es WangJi schwer machte wegzusehen, um nicht beim Starren erwischt zu werden.   „Ok. Und wo wir nun schon so weit sind und gemeinsam Essen. Lassen sie mich, mich endlich vernünftig vorstellen.“   Er brachte sich demonstrativ in eine formelle Haltung. „Mein Name ist Wei WuXian. Fühlen sie sich frei mich Wei Ying zu nennen.“ Wei Ying lockerte sich wieder und schaute keck, womit er deutlich machte, das er damit auch ihn dazu aufforderte sich ihm richtig vorzustellen.   „Lan WangJi.“, erwiderte er und etwas in ihm stieß seinen Mut nachdrücklich an. „Oder, Lan Zhan.“, fügte er etwas unbeholfen an, fühlte es sich für ihn wie ein riesiger Schritt an jemandem die Erlaubnis zu geben diesen Namen benutzen zu dürfen. Nicht einmal sein Bruder nannte ihn Lan Zhan. Die letzte Person die dies getan hatte war seine Mutter gewesen. Doch das war bereits gut zwei Jahrzehnte her.   Plötzlich fühlte er sich unangenehm bloßgelegt in seinem Eifer, dem anderen entgegenkommen zu wollen.   Generell sollte er eher den Rückzug antreten was Wei Ying betraf und nicht noch anfangen vertrauter mit ihm umzugehen.   Er würde sich auf kurz oder lang keinen Gefallen damit tun.   „Lan Zhan.“, hörte er Wei Ying sagen und all seine Zweifel zerstoben prompt wieder. „Gefällt mir.“ Dieser lächelte herzlich und es fühlte sich für WangJi vernichtend richtig an.   Wei Ying griff nach der Schale mit Wein und setzte sie sich an die Lippen, als WangJi ihm mit einem „Stopp“ davon abbrachte.   Man schaute ihn darauf etwas irritiert an und schien darauf zu warten, dass er sich erklärte.   „Minderjährige sollten keinen Alkohol trinken.“, meinte er strikt und nun wo er das Wort auch ausgesprochen hatte, fühlte er sich umso älter.   Wei Ying blinzelte ihn sichtlich perplex an, schaute dann auf die Schale Wein und wieder zu ihm, bevor er in ein amüsiertes Lachen überging, das so schnell auch nicht wieder verstummte, das andere Gäste ihnen schon Blicke zuwarfen.   Dann wischte sich Wei Ying die Lachtränen aus den Augenwinkeln und schaute ihn mit einem breiten Grinsen an.   „Lan Zhan…“, es klang wirklich gut in WangJis Ohren. „…ich kann dich beruhigen. Ich bin alt genug für sämtlichen Erwachsenenkram.“ Er zwinkerte ihm schelmisch zu und nippte an seinem Wein.   „Aber die Spekulation ist gerechtfertigt.“ Wei Ying wirkte mit einem Male nachdenklich und auch etwas melancholisch, während er die Schale zwischen seinen Finger leicht schwenkte.   „Ich bin 24. Wäre mein Leben etwas anders verlaufen, hätte ich womöglich nun meinen Uni Abschluss vor Augen.“ Er leerte die Schale nun komplett und sobald sie auf dem Tisch aufsetzte, hatte Wei Ying auch zurück zu seinem unbeschwert wirkenden Ich gefunden.   „Ich denke das ist eine Story für einen anderen Tag.“, hakte er dieses Thema damit ab.   WangJi hoffte das Wei Ying nicht mit zu vielen Dämonen zu kämpfen hatte, die er alle stets nur mit einem aberwitzigen Lachen zu blenden versuchte, wusste er, das man sich zwar dahinter verstecken aber nicht auf ewig davor davonlaufen konnte.   Vielleicht aber konnte er für ihn als ein Beistand heranwachsen, sollte dieser es zulassen wollen.   Das plötzliche Klingeln von Wei Ying´s Smartphone ließ diesen eilig danach greifen, gefolgt von einem genervten Murren als er darauf schaute.   „Der Kerl gibt einfach nicht auf.“, hörte er diesen murmeln und tatsächlich schien der Anrufer sich nicht geschlagen geben zu wollen.   „Tut mir leid, ich…es dauert nur einen Moment.“ Damit drehte er sich zur Seite und nahm den Anruf entgegen, doch bevor er etwas erwidern konnte, donnerte ihm schon eine Stimme aus dem Hörer entgegen.   „Wurde aber auch Zeit! Bist du in der Tiefsee unterwegs, das man dich nie erreicht, oder was!!“ Wei Ying rollte mit den Augen. „Jiang Cheng, ich bin ein vielbeschäftigter Mann, klar.“, zischte er zurück, was ihm ein energisches „Ich weiß das du bei Jiějiě im Lokal sitzt.“, einbrachte und er sich ergeben mit seiner freien Hand die Stirn rieb.   „Beruhigt dich erst mal wieder, man hört dich noch Tische weiter.“   Es wurde darauf etwas leiser, sodass man nur noch Wei Yings Seite des Gesprächs vernahm.   „Du weißt ganz genau, dass sie mich nicht dabeihaben will, also tu ich dieser Familien nur einen Gefallen wenn ich mich fernhalte.“   „…“   „Wann war es schon einmal anders?   „…“   „Nein, bin ich nicht!“ Wei Ying beendete das Gespräch mit einem Grollen und stopfte sein Telefon darauf in seine Umhängetasche, aus der man das leise Vibrieren eines weiteren Anrufes hören konnte, welchen dieser aber ignorierte.   Es war dem anderen anzusehen, dass er darauf seine eigentliche Gefühlslage unter einer abtuenden, doch nicht wirklich überzeugenden Fassade versteckte und es ließ WangJi annehmen das die Dinge mit dessen Familie wohl nicht wirklich zum Besten standen. *** xiān sheng – Herr/Mister (yù – Jade) gē ge – großer Bruder jiě jie – große Schwester yì shù jiā – Anrede für einen Künstler Kapitel 5: ----------- Wei Ying raufte sich die Haare und donnerte darauf seinen Kopf etwas zu hart auf die Tischplatte, das es ihn leidlich murren ließ.   Sie hatten sich über die letzten Wochen nun regelmäßig in der Bücherei getroffen, hielt Lan Zhan tatsächlich an seinem Vorschlag fest und er war dankbar für die bereitwillige Hilfe.   Zudem war er immer froh wenn er sich irgendwo aufhalten konnte, wo es eine gut funktionierende Klimaanlage gab. Wenn es nicht die bloße Hitze war die ihm zu schaffen machte, dann die Luftfeuchte. Den Luxus solch eines kältespendenden Geräts hatte er in seinem kleinen, ärmlichen Apartment bedauerlicherweise nicht und sein alter Ventilator machte zudem auch den Eindruck als würde er bald den Geist aufgeben wollen.   „Sei vorsichtig.“, mahnte ihn Lan Zhan, welcher ihm gegenüber saß und seine Übungsbögen korrigierte. Er hatte eindeutig schon zu oft etwas markiert das nicht nach einem „Korrekt“ aussah.   Es war wirklich zum Verzweifeln!   Früher hatte er keine Probleme gehabt sich solche Dinge wie chemische Formeln oder physikalische Gesetze zu merken und darauf aufzubauen, egal wie kompliziert es manchmal auch erschienen war.   Aber nun…   Egal wie viel er lernte und egal wie oft er dachte er habe es abgespeichert, sobald er dann erneut damit konfrontiert wurde, waren nur noch Fragmente übrig die er abermals mühevoll zusammen zu puzzeln hatte und es ihm in einem Test kostbare Zeit stahl.   Es frustrierte in jedes Mal auf ein Neues, dass es ihm oft genug auch noch den letzten Rest an Konzentration kostete und er wiederholt keinen Erfolg verbuchen konnte.   Er hatte sich nicht nur einmal schon gefragt, ob es das überhaupt wert sei.   Wer brauchte schon ein Abschluss, wenn er eh nichts weiter werden würde als ein simpler Angestellter in irgendeinem Laden?   Doch dann erinnerte er sich auch stets wieder daran, was ihn eigentlich dazu animiert hatte es noch einmal versuchen zu wollen. Oder vielmehr, es versuchen zu müssen.   Er hatte eine immense Schuld zu begleichen, auch wenn es ihm niemand direkt vorhielt.   Dennoch hing es über der Familie, die ihn damals aufnahm und der er unzählige Probleme bereitet hatte mit seinem jugendlichen Übermut.   Nicht das er bereute für andere eingestanden zu haben, als es niemand sonst tun wollte, nur hätte er nie gedacht das die Konsequenzen sein Leben derart weitreichend beeinflussen würden.   Es hatte ihn beinahe alles gekostet.   „Wei Ying?“ Etwas irritiert über die leichte Besorgnis die er in Lan Zhan Stimme vernehmen konnte, schaute er ihn wieder an und bemerkte erst jetzt wie sehr er sich verspannt hatte. Seine rechte Hand lockerte sich um den Stift den er so fest umfasst hielt, das die Plastik leise ächzte und er einmal tief durchatmete, schien er dies über seine missmutigen Gedanken beinahe vergessen zu haben.   „Schon Ok.“ Er lächelte müde. „Es ist nur nicht einfach motiviert zu bleiben, wenn man merkt, dass man anscheinend nicht vorankommt, egal wie sehr man sich müht.“ Er erhob sich kurzerhand und entschuldigte sich mit einem Gang zum Waschraum.   Lan Zhans Unterstützung war nicht sinnlos, im Gegenteil. Dieser hatte eine Art Dinge zu erklären die es ihm einfacher machten sie sich zu merken oder den Weg dahin abrufen zu können.   Trotzdem fühlte es sich so an als würde er nur dessen Zeit verschwenden und es ließ erneut Frust in ihm aufsteigen.   Auf der anderen Seite war es wirklich bewegend jemanden zu haben, der so viel Geduld und Einsatz für ihn aufbrachte.   Er freute sich stets auf ihre Treffen, darauf den anderen zu sehen. Zeit mit ihm verbringen zu können.   Es war ein Beisammensein, das eine ganz eigene Art von Harmonie in ihm heraufbeschwören konnte.   Wenn es zwischen all dem Lernen die Möglichkeit gab, dann versuchte er den anderen etwas eingehender zu studieren, hatte er schon lange vorher herausgefunden, dass es bei ihm die kleinen, unscheinbaren Gesten waren die dieser für sich sprechen ließ.   Es machte Lan Zhan zu einem Menschen mit einer Persönlichkeit die faszinierend wertvoll und rein erschien.   Mister Jade.   Es war nun nicht mehr nur dessen Erscheinung, so konnte Wei Ying feststellen und es ließ ihn trotz aller Sorgen leicht lächeln.   Wie dieses eine Mal, als sie nach dem Besuch in der Bibliothek zusammen zurück zu Lan Zhans Wagen gelaufen waren und ihnen aus irgendeiner Ecke ein entlaufener Hund entgegen kam und Lan Zhan sich sofort vor ihm positioniert hatte, um ihm irgendeine Art von Kontakt mit dem pelzigen Vierbeiner zu ersparen.   Wei Ying hatte zuerst etwas verblüfft auf diese Aktion gewirkt, doch dann erinnerte er sich daran das er in all ihren Gesprächen einmal erwähnte, das er durch ein traumatisches Ereignis aus Kindertagen Angst vor Hunden hatte. Er hatte später eine Therapie deswegen gemacht, war es nicht von Vorteil sich jedes Mal in ein panisches Desaster zu verwandeln, sobald ihm ein Hund begegnete. Was in einer Stadt wie dieser täglich und unerwartet vorkommen konnte. Dennoch hatte er sich den angeeigneten Respekt diesen Tieren gegenüber beibehalten und wenn möglich dann hielt er wirklich lieber Abstand zu ihnen.   Er hatte nicht gedacht, dass der andere sich diese Story tatsächlich gemerkt hatte. Generell hatte er zu diesem Zeitpunkt noch angenommen das Lan Zhan ihm meist gar nicht zuhörte, sondern einfach nur höfflich erscheinen wollte indem er so tat. Er wusste, dass er sich des Öfteren in seinem Gequassel verlieren konnte und hätte es ihm nicht einmal verübelt.   Es gab weitere Situationen die ebenso bestätigten, dass man ihn nicht schlicht ignorierte. Wie, als er meinte das er frische Lotussamen einer schnöden Tüte Kartoffelchips zum Snacken vorziehe, nur um ein paar Tage später mit einer Schale eben dieser frischen Lotussamen überrascht zu werden.   „Sie sind gut für das Gedächtnis.“, hatte Lan Zhan simpel gemeint und er sie sich dann auch über das Brüten von Gleichungen schmecken lassen.   Oder als er Lan Zhan erzählte, das er einmal den Gedanken gehegt habe Künstler werden zu wollen und dieser ihn einige Zeit darauf zu einer Gallery einlud. Keine Nobel-Ausstellung zu der er eh nichts zum Anziehen, noch sich wirklich wohl, bei solch einer, gefühlt hätte. Nein, es war eine Gallery die Werke junger, freier Künstler zeigte. Etwas genau nach seinem Geschmack. Am Ende war es Lan Zhan, der dort ziemlich hervorstach. Nicht nur mit seiner eleganten Garderobe, sondern auch durch seine Ausstrahlung. Der Gedanke das Lan Zhan auf seine Art, selbst ein Kunstwerk war, hatte vorwitzige Wärme in seine Wangen steigen lassen.   Auch die Notenblätter, die dieser ihm hatte zukommen lassen, lagen fein säuberlich in einer Mappe auf seinem Schreibtisch. Nachdem er verraten hatte, das er als Kind lernte die dí zi zu spielen, aber leider nicht die Ausdauer beibehalten konnte es weiter zu führen und es nun ab und zu doch ein wenig bereute, war Lan Zhan damit eines Tages aufgetaucht.   „Es ist nie zu spät es noch einmal zu versuchen.“ Und es war seltsam, wenn Lan Zhan es so sagte, spürte er sogar die nötige Motivation in sich aufkommen, es tatsächlich noch einmal in Angriff nehmen zu wollen. Die Vorstellung Lan Zhan damit vielleicht etwas stolz auf ihn machen zu können, hatte etwas Beflügelndes.   Es waren diese Dinge die ihn nur zu deutlich spüren ließen, wie sehr er uneingeschränkte Aufmerksamkeit von einer anderen Person für sich ersehnte.   Er war zwar nicht wirklich allein, aber er war dennoch oft genug einsam in einer Weise die sich nur schwer beschreiben ließ.   Sein Smartphone vibrierte in seiner Hosentasche und mit einer Vorahnung schaute er auf das Display, das eine Nachricht von Jiang Cheng anzeigte. Er seufzte müde und tippte eine rasche Antwort ein, bevor er das Gerät gänzlich ausschaltete.   Als er wieder zurückkam las Lan Zhan in einem Buch, sein korrigierter Übungsbogen auf dem Tisch vor seinem verlassenen Platz.   Wei Ying straffte sich innerlich wie äußerlich.   Er konnte nur versuchen sein Bestmöglichstes zu geben. Sollte er danach dennoch scheitern so konnte er wenigstens behaupten es ehrlich versucht zu haben.       ***   Die Zeit war schneller verstrichen, als Wei Ying es für sich wahrgenommen hatte und der Tag für das Fest im Kinder- und Jugendzentrum war gekommen.   Es war ein bunt gemischter Anblick von Besuchern und denen die das Ganze auf die Beine gestellt hatten. Manche hatten sich der Thematik entsprechend in traditionelle Kleidung gehüllt und ganz Enthusiastische sich sogar die Mühe mit den eher aufwendigen Frisuren gemacht.   Wei Ying richtete sich seinen dunkelgrau marmorierten zhí duō und zupfte sich seinen schwarzen bàn bì, über den sich eingestickte Spinnenlilien in einem satten Rot zogen, zurecht, war es doch recht ungewohnt so etwas zu tragen. Auch wenn er schon der Meinung war, das er recht gut darin aussah.   Ein paar interessierte Blicke schienen ihm das auch nur zu bestätigen.   Aber wenn er ehrlich war, hätte er sich den Aufwand eigentlich gar nicht gemacht, hätte ihm Lan Zhan nicht gesagt, dass er in einem traditionellen Gewand zu erscheinen gedachte, war das Fest schließlich genau dafür ausgelegt.   Dass er mehr als gespannt darauf war, ihn in dessen Hanfu zu sehen, wäre untertrieben.   Jemand rempelte ihn an der Schulter an, auf das er in das Gesicht eines jungen Mannes blickte, den er für einen Moment nicht erkannte, fehlten der mordlustige Blick und das manisch wirkende Grinsen, dass dessen Züge in der Vergangenheit meist gezeigt hatte.   „Xue Yang?“ Dieser gab ein kurzes, genervtes Zischen von sich, doch grinste Wei Ying nichtsdestotrotz.   „Das nenn ich eine mehr als unerwartete Begegnung.“ Xue Yang raunte ergeben und rückte sich den stattlichen Stapel Bücher den er in seinen Händen trug etwas zurecht.   Es war so ein ungewohnter Anblick, das Wei Yings Ausdruck automatisch sanfter wurde.   „Dir geht es gut bei Xiao xiān sheng?“ Xue Yang bedachte ihn mit einem kritischen Blick, nickte dann aber kurz.   Es war nicht so, dass sie Freunde gewesen wären. Von Xue Yang hielt man sich zu jener Zeit lieber fern, wenn man Ärger aus dem Weg gehen wollte.   Doch wusste er ebenso, wie sehr traumatische Erlebnisse einen zu prägen vermochten.   Der andere war einige Jahre jünger als er, doch hatte er sich über Jahre hinweg nur mit Aggressionen und Gleichgültigkeit durchgeschlagen.   Es ging ebenso das Gerücht um, das dieser schon jemanden umgebracht hätte, doch gab es dafür nie einen tatsächlichen Beweis. Am Ende jedoch glaubte jeder was er glauben wollte und wenn man Xue Yang damit zu einem größeren Monster machte, als er es eigentlich war, nahm man dies gern als die nötige Rechtfertigung ihn feindzählig gegenüber zu stehen.   Bis er auf Xiao xiān sheng traf. Der Einzige der ihn nicht komplett aufgeben wollte, egal wie widerspenstig sich Xue Yang auch zeigte.   Es war ein beschwerlicher Weg für beide Seiten gewesen und sicherlich war es das für Xue Yang ab und an noch immer, war sein alter Ruf etwas das er nicht so einfach abschütteln konnte.   Wei Ying klopfte ihm mit einem Grinsen auf die Schulter.   Er entschuldigte zwar nicht was dieser in der Vergangenheit verschuldet hatte, aber es war deutlich das dieser seine zweite Chance zu nutzen versuchte. Etwas das er würdigte, wusste er ebenso das solch einem Unterfangen auch Rückschläge beiwohnten und man schnell daran zweifeln konnte, ob man die Mühe und die Unterstützung anderer wirklich wert war.   „Wenn du Zeit hast, dann lass uns Mal nen Happen essen gehen. Wie wär´s? Ich kenn da ein paar lohnenswerte Lokale.“ Erneut schaute ihn Xue Yang skeptisch an, doch brachte es Wei Yings Grinsen nicht ins Wanken.   „Du meinst das tatsächlich ernst, oder? Dào Zhǎng zieht sich wirklich die schrägsten Persönlichkeiten ran.“ Er klang genervt, was sich aber nicht komplett in seinem Ausdruck widerspiegelte und es erinnerte Wei Ying ein wenig an Jiang Cheng und seine nach außen raue Art, wenn er im Inneren doch einfach nur zu unbeholfen war sich zugänglicher zeigen zu können.   „Klar. Wir sind ja quasi Nachbarn. Und so von einem schrägen Typ zum anderen.“ Es stimmte, da Xue Yang von Xiao xiān sheng aufgenommen wurde, trennten sie so gesehen nur drei, vier Blocks.   Dann hörten sie auch schon Xiao xiān shengs Stimme, die sich über ein paar Köpfe hinweg erkundigte, wo der andere denn bleiben würde und Xue Yang wandte sich wieder von Wei Ying ab.   Er ging davon aus, dass man ihn nun einfach stehen lassen würde.   „Ich werds mir überlegen.“, vernahm er jedoch noch und konnte nicht anders als ein erfreutes „Tu das.“ zu erwidern, bevor dieser sich wieder in Bewegung setzte.   Nun musste er aber erst einmal herausfinden, wo Lan Zhan sich versteckt hielt.       Es gestaltete sich etwas umständlich sich durch die Menge an Leuten zu bewegen, aber irgendwann hatte Wei Ying den Raum erreicht von dem er gesagt bekam, das Lan Zhan dort seinen Platz hatte.   Lan Zhan hatte ihm im Vorfeld ein wenig erklärt, um was man ihn gebeten hatte und so gesehen war es eine recht gute Idee. Allerdings zweifelte er noch etwas daran, dass sich die Kids wirklich dafür begeistern lassen würden. Er selbst hatte seine liebe Not sich mit Geschichte gütlich zu tun, egal wie interessant manches auch sein mochte.   Somit erstaunte es ihn auch ziemlich, dass der Raum tatsächlich so voll mit Kindern und Erwachsenen war, dass er kaum noch hineinkam.   Doch als er dann einen Blick auf das Zentrum der Aufmerksamkeit werfen konnte, nahm es ihm selbst kurzerhand den Atem.   Lan Zhan wirkte in all dem Trubel wie eine überirdische Erscheinung, gekleidet in einen extravaganten, weißen dà chǎng mit aufwendiger Wolkenstickerei, unter welchem er einen hellblauen yī shang mit weiß abgesetzten Kragen trug.   Seine Haare.   Er hatte sich tatsächlich nicht lumpen lassen. Die langen, dunklen Haare fielen ihm in einer sanften Woge über den Rücken, ein paar Strähnen auch über die Schultern. Sie waren zudem zu einem eleganten Knoten gebunden der von einer filigran gearbeiteten Jadespange geziert wurde.   Es mochten nicht seine echten Haare sein, aber es bestand kein Zweifel, dass es ihm ungemein gut stand.   Lan Zhan saß vor einer edlen ebenholz-farbenen gǔ qín und kaum, dass er die erste Saite zum Vibrieren gebracht hatte verstummte der Raum in ehrfürchtig anmutendem Wunder.   Dieser schien sich über sein Spiel in einen Zen-gelehrten Zustand zu versetzen und es mündete in den Zenit von Harmonie und Hingabe.   Lan Zhans Finger tanzten über das Instrument in einer Leichtigkeit die erahnen ließ wie viele Stunden dieser damit zugebracht haben musste sein Können zu perfektionieren.   Denn nichts anderes kam Wei Ying in den Sinn.   Es war ein Talent das in ausgefüllten, gehobenen Hallen zur Entfaltung kommen sollte, nicht in einem maroden Bau wie diesem, auf einem Fußboden dessen abgenutzte Dielen man einzig mit einem Vorleger kaschiert hatte.   Und trotzdem blühte sein Herz regelrecht auf über diesen Anblick. Die Melodie die sich um ihn legte wie ein warmer Mantel, an einem kühlen Herbsttag. Ihm war immer bewusst gewesen wie sehr sie sich unterschieden, sei es vom Charakter oder dem sozialen Status, doch in diesem Augenblick erschien ihm die Freundschaft mit Lan Zhan nahezu unreal.   Das Musikstück verstummte und für einen weiteren Moment verblieb der Raum in atemlosen Staunen, bevor begeisterter Applaus durch die Luft schwang.   Die ersten Mutigen gingen nun auf Lan Zhan zu und es ließ Wei Ying sich seltsam im Abseits fühlen.   Er war gerade dabei wieder zu gehen, als Wen Ning an seiner Seite auftauchte und einem hibbeligen A-Yuan auf seinen Armen hielt.   „Dà gē.“, begrüßte er ihn merklich unsicher und Wei Ying rollte etwas ergeben mit den Augen. Egal wie lange sie sich nun schon kannten, Wen Ning wirkte ihm gegenüber immer noch so verhalten, das er ihn am liebsten einmal kräftig durchrütteln würde wollen.   „Wei gē ge, ich will Yù gē ge hallo sagen.“, quengelte A-Yuan und zappelte ungeduldig, auf das er Wen Ning den Jungen abnahm.   „Tut mir leid, aber als er ihn sah und dann noch spielen hörte wollte er sich nicht mehr davon abbringen lassen.“, erklärte Wen Ning und Wei Ying schmunzelte ein wenig über den Eifer von A-Yuan Lan Zhan "Hallo" sagen zu wollen.   „Wei gē ge.“ Er wurde merklich unruhiger und deutete auffordernd auf Lan Zhan, der noch immer von anderen Kindern und auch mehreren entzückten Damen umringt wurde.   Wei Ying seufzte unbewusst über diese Szene, auf das ihn Wen Ning fragend anschaute.   „Uhm, wenn die Bitte zu ungelegen kommt dann…“, begann er, hatte er wohl angenommen sein Seufzen, resultierte aus seinem eigentlichen Unwillen A-Yuans Drängeln nachkommen zu wollen.   „Das ist nicht der Grund.“, beruhigter er diesen, doch wirkte Wen Ning noch immer unsicher.   „Ok, A-Yuan hier müssen wir zusammen arbeiten.“ Darauf flüsterte er ihm etwas ins Ohr, auf das A-Yuan entschlossen nickte.   „Gut. Na dann los.“ Wei Ying schob sich weiter durch die Menge, die einfach nicht weniger zu werden schien, bis sie zwei, drei Meter von ihrem Ziel ankamen und wie zu erwarten, wie vor einer Mauer standen.   „Jetzt bist du dran.“ Wei Ying setzte sich A-Yuan nun auf die Schultern und kaum das dieser ausreichend Sicht auf Lan Zhan hatte, ließ dieser ein lautstarkes „Yù gē ge!“ hören, auf das sämtliche Augen auf sie gerichtet wurden. Auch Lan Zhan schaute zu ihnen und A-Yuan streckte beide Arme nach vorn in dem Verlangen zu ihm zu wollen, genau wie Wei Ying es ihm gesagt hatte.   Lan Zhan zögerte nicht weiter und tat es ihm etwas besonnener gleich, auf das sich die Menge wie auf magische Weise teilte, um sie durchzulassen.   Sein Plan war aufgegangen.   Sie erreichten Lan Zhan, dem Wei Ying ein breites Grinsen schenkte, doch zappelte A-Yuan noch immer im Bestreben zu diesem zu kommen, was er nicht erwartet hatte, war A-Yuan sonst eher der Typ der lieber an einer vertrauten Person klebte. Doch kaum hatte er ihn von den Schultern genommen, lehnte er sich zu Lan Zhan vor der ihn ihm auch gleich abnahm.   Erst jetzt schien A-Yuan mitzubekommen das Lan Zhan nicht ganz in sein Zutraulichkeitsschema gehörte und wirkte folglich verschämt, worauf er seine kleine Faust an den Mund nahm.   „Dich erst so ran werfen und nun den Schüchternen mimen.“, neckte Wei Ying A-Yuan und kniff ihn sanft in eine seiner runden Wangen.   A-Yuan drehte darauf seinen Kopf in Lan Zhans Robe, der diesen leicht auf dem Arm wippte.   „Ärgere ihn nicht.“, mahnte ihn Lan Zhan und Wei Ying blies trotzig seine Backen auf.   „A-Yuan. Wie geht es dir?“ Dieser schien noch immer etwas verschüchtert aber dann straffte er sich und gab mit einem Nicken ein „Gut.“ von sich.   Lan Zhan lächelte leicht und Wei Ying glaubte so etwas wie ein einheitliches Jauchzen durch den Raum gehen zu hören.   „Das ist erfreulich.“ A-Yuan schaute Lan Zhan mit einen pausbäckigen Lächeln an und zeigte sich darauf wieder etwas genierlich.   „Yù gē ge sieht wirklich hübsch aus heute. Wie der Held aus meinem Märchenbuch.“, hörte er diesen dann schüchtern sagen und Wei Ying grinste amüsiert. A-Yuan hatte da wohl eine kleine Schwärmerei entwickelt.   „A-Yuan, nun bin ich wirklich gekränkt. Ich habe mich heute auch extra schick gemacht, aber mir sagst du nicht das ich hübsch bin.“, zog er diesen ein wenig auf, doch zeigte sich A-Yuan davon nicht verunsichert.   Im Gegenteil.   Er verschränkte seine kurzen Arme vor der Brust und schaute ihn ernst an.   „Wei gē ge ist ein De…Densa…Desaster.“, brachte er darauf mit all der Überzeugung hervor, die ein vier Jähriger meistern konnte und Wei Ying wusste das er dieses Wort von Wen Qing aufgeschnappt hatte. Das A-Yuan das Wort Desaster beinahe ohne Probleme aussprechen konnte, war Beweis genug, wie oft ihn dessen Tante schon so bezeichnet hatte.   Wei Ying legte sich in einer theatralischen Geste eine Hand an die Brust. „A-Yuan, du weißt wirklich wo es weh tut. Lan Zhan verteidige meine Ehre.“, schniefte er darüber, auf das Lan Zhan leicht den Kopf schüttelte. Mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen, wandte er sich wieder an A-Yuan.   „Da kannst du ein schwieriges Wort. Du bist ein cleverer junger Mann.“, lobte er diesen stattdessen und Wei Ying seufzte dramatisch.   „Ich seh schon, ihr zwei habt euch gegen mich verschworen.“ Ein paar der anderen Kinder um sie herum machten nun auf sich aufmerksam, war ihre Neugier noch immer nicht abgeklungen, das Lan Zhan sich diesen ebenso zuwandte.   „A-Yuan möchtest du mit den anderen etwas erklärt bekommen?“ Wei Ying hätte zwar gern noch etwas mit Lan Zhan gesprochen doch drängte er sich auch nicht weiter auf. Immerhin war dieses Event in erster Linie für die Kids gedacht.   A-Yuan nickte einmal kurz aber dafür enthusiastisch und Wei Ying war schon daran ihn Lan Zhan wieder abnehmen zu wollen, als dieser ihn mit einem „Schon in Ordnung.“ davon abhielt.   Allerdings lehnte sich Lan Zhan ihm daraufhin ein Stück entgegen. „Ich finde, Wei Ying sieht hübsch aus.“, ließ er ihn in einem Wispern wissen, das ihm ein vorwitziges Kribbeln bescherte und er merkte, dass sich die Wärme auf seine Wangen stehlen wollte.   Das zufriedene Funkeln in Lan Zhans Augen, als er ihn perplex ansah, ließ Wei Ying wissen das dieser die Chance genutzt hatte zur Abwechslung auch einmal ihn mit solchen Anspielungen aus dem Konzept zu bringen. Und wahrlich, das war ihm gelungen.   Ihm fehlten tatsächlich die Worte.   Lan Zhan hatte sich indes mit seinem üblichen Pokerface wieder an seine gǔ qín gesetzt, und A-Yuan in seinem Schoß platziert, der darüber ziemlich stolz über die anderen interessierten Kinder blickte.   „Es ist ungewöhnlich, dass A-Yuan sich so schnell an jemanden gewöhnt.“ Wen Ning hatte sich wieder neben ihn gesellt und auch wenn er Recht hatte mit seinem Hinweis, so ging Wei Ying doch etwas ganz anderes durch den Kopf.   Es sah nicht gut aus für sein Herz, das er Stück für Stück an diesen unglaublich faszinierenden Mann zu verlieren schien und er darüber nur hilflos Seufzen konnte.   *** dí zi – Bambusflöte (quer) gǔ qín – chinesische Zither 5 oder 7 Saiten zhí duō – Robe mit schmalen Ärmeln, knielang bàn bì – kurzärmlige offene Robe, die über anderen Kleidungsstücken getragen wird yī shang – Oberteil mit überschlagendem Kragen + rockartigen Unterteil dà chǎng – lange, offene Robe mit weiten Ärmeln die über anderen Kleidungsstücken getragen wird gē ge – großer Bruder dà gē – großer Bruder (etwas formeller als gē ge) xiān sheng – Herr/Mister Dào Zhǎng – taoistischer Priester (ich benutze diese Anrede in meiner AU als einen Spitznamen, den Xue Yang Xiao XingCheng gegeben hat.) Kapitel 6: ----------- Der Einzug des Herbstes machte sich bemerkbar und damit begann eine Zeit für Wei Ying, in der er sein Bett am liebsten nicht würde verlassen wollen.   Die kürzeren Tage machten ihn schwermütig und die Kälte zog ihn stets in alle Glieder und auch in seinen Geist.   Es machte ihn oft lethargisch, doch durfte er sich diesem Gefühl einfach nicht ergeben wusste er, dass er sonst so schnell nicht wieder darunter auftauchen würde.   Und er hatte eindeutig nicht den Luxus dazu.   Es war eine Qual gewesen Jiang Cheng endlich davon abzubringen, ihn dazu überreden zu wollen zum Mondfest nach Hause zu kommen.   Ein zu Hause, dass nicht mehr das seine war.   Nein, dieses Haus war nie sein zu Hause gewesen, hatte er nach allem was vorgefallen war, nur ein paar Mal einen Fuß dort hinein gesetzt.   Nichts verband er dort, mit dem Ort an dem er aufgewachsen war. Alles was es in ihm auslöste war dieses eiskalte Gefühl des fremdsein.   Fremd nach aussen.   Fremd nach innen.   Er wusste, dass er in seiner derzeitigen Verfassung mit diesem Druck nicht würde umgehen können, hätte er sich von Jiang Cheng dazu zwingen lassen ihm nachzugeben.   Er konnte so schon nicht viel tun, wenn ihm bestimmte, alltägliche Dinge schwerer fielen als sonst.   Einen Tag zu meistern, kostete jedes Mal ein Stück Energie zu viel.   Seine Nächte waren nicht wirklich erholsam, fiel ihm trotz aller Erschöpfung das Einschlafen schwer oder ihm plagten Träume, die ihn stets gehetzt aufschrecken ließen und er sich selten wieder zum Einschlafen bringen konnte.   In diesen Fällen fühlte er die Einsamkeit besonders intensiv und ärgerte sich letztendlich nur über sich selbst, wenn ihn seine Emotionen drohten zu überwältigen.   Er hasste es schwach zu sein und doch konnte er niemand anderen dafür die Schuld geben außer sich selbst.       *       Es regnete als er das Haus verließ und es regnete noch immer als er seine Schicht beendete.   Doch in all dem grauen Trübsinn, gab es dennoch ein Licht das er nicht missen wollte, egal wie angeschlagen er sich auch fühlen mochte. Zu wissen, dass er Lan Zhan am Ende des Tages würde sehen können, brachte ihn über die anstrengendsten Stunden und er konnte seinem müden Körper gar nicht schnell genug zur Bücherei befehligen.   Mit Lan Zhans Hilfe, hatte er anstehende Tests zu ihrer beider Zufriedenheit meistern können und die Dankbarkeit dafür war nur schwer in Worte zu fassen.   Allerdings achtete er trotz allem darauf, seinen derzeitigen Zustand vor diesem nicht zu offensichtlich erscheinen zu lassen.   Seine Augenringe erklärte er mit Stress oder damit die Nacht mit Videospielen oder dem Ausgehen mit Freunden verbracht zu haben. Er hatte ihm außerdem erzählt, dass ihm der Wechsel der Jahreszeit immer schon zu schaffen gemacht hätte, es aber keinen Grund zur Sorge darstellte.   Lan Zhan war noch immer recht schwer zu lesen, somit konnte Wei Ying auch nicht beurteilen, ob dieser ihm seine Notlügen auch tatsächlich abgekauft hatte.   Seine Lungen brannten unangenehm vom Herrennen und er fühlte ein aufkommendes Schwindelgefühl das ihn sich haltsuchend an das Geländer der Treppe zum Eingang lehnen ließ.   Hastig kramte er seine Wasserflasche aus seiner Tasche und trank diese nahezu aus, in der Hoffnung, dass er seinen Kreislauf damit wieder etwas stabilisieren könne.   Er verharrte noch einen unwohlen Moment auf der Treppe, bevor er sich straffte und die Bibliothek schließlich betrat.   Lan Zhan war stets vor ihm hier und las wie immer ein Buch, als er ihren Tisch erreichte.   Das Lächeln das Wei Ying versuchte aufzusetzen schien jedoch besonders schwer, fühlten sich seine Wangen beinahe taub an und sein Herz raste noch immer ungesund.   Dass seine Scharade aufgeflogen war erkannte er noch bevor er hätte ein „Hallo“ hervorbringen können, da Lan Zhans Gesichtszüge sofortige Besorgnis aufzeigten als sich ihre Blicke trafen.   „Wei Ying?“ Dieser war ebenso gleich aufgestanden, doch winkte Wei Ying dessen Sorge nur mit der Hand ab und setzte sich ihm gegenüber.   „Nun schau nicht so.“, versuchte er abzuwiegeln und holte seine Unterlagen aus seiner Tasche.   „Es war etwas stressig auf Arbeit und ich bin spät weggekommen.“ Er versuchte sich erneut an einem überzeugenden Grinsen. „Ich bin nicht mehr so fit wie ich dachte, dass mich der Sprint hier her ziemlich außer Puste gebracht hat. Nichts weiter. Schließlich weiß ich das du Unpünktlichkeit nicht gutheißt.“ Damit zwinkerte er seinen Gegenüber zu, und lenkte das Thema auf etwas anderes.   „Also, wo setzen wir heute an?“ Lan Zhan schlug sein Buch zu und Wei Ying erwartete seinen Stoff, doch stattdessen räumte Lan Zhan seine Sachen zusammen.   „Lass uns heute aussetzen. Ich bring dich nach Hause.“, hörte er ihn sagen und in Wei Ying stieg augenblicklich Panik auf.   Er wollte nicht nach Hause.   Dort gab es nichts, das ihn von diesem furchtbar erdrückenden Gefühl ablenken würde können.   Er wollte nicht, dass sie sich schon voneinander verabschiedeten und sich dann erst in ein paar Tagen wiedersahen.   Er wollte nicht allein sein müssen.   Nicht nachdem er sich den gesamten Tag nur auf ihr Treffen…auf Lan Zhan gefreut hatte.    Das Einzige was ihn überhaupt noch dazu bringen konnte.   „Nein…“, brachte er mit unruhigem Ton hervor, von dem er ausgehen musste, das Lan Zhan es als kindlichen Trotz angesehen hatte.   „Wei Ying, dir geht es nicht gut. Du solltest dich ausruhen.“ Er klang als würde er keine Diskussion darüber zulassen und es machte Wei Ying nur noch verzweifelter.   „Nein…ich…“ Er erhob sich etwas zu rasch, doch war das auch schon alles was er noch zu Stande brachte, waren die Übelkeit und das Schwindelgefühl sofort wieder zurück, dass er darauf nur kraftlos in sich zusammensacken konnte.   Jemand legte ihm eine Hand an die Stirn und er glaubte, dass man seinen Namen sagte.   „Ich will nicht allein sein.“ Er war sich nicht sicher, ob er es in seiner Verzweiflung nur dachte oder ausgesprochen hatte, überkam ihm darauf auch schon diese verhasste Dunkelheit.       Als er seine Augen aufschlug, die Atmung schwer und das hektische Pulsieren seines Herzens in den Ohren, erschien die Dunkelheit nicht viel anders als mit geschlossenen Augen.   Wei Ying spürte die Kälte die seine klamme Haut umspannte und das verlorene Gefühl in seinem Inneren.   Wie er es hasste.   Ein Wimmern stahl sich hervor und er rollte sich soweit in sich zusammen wie es ihm möglich war, auf das er den Tränen freien Lauf ließ.   Wie oft würden sie ihn noch heimsuchen? Die Fehler seiner Vergangenheit und das damit verbundene Empfinden von Wertlosigkeit?   Egal wie viel Willen er in jeden Tag investierte.   Egal ob er glaubte Fortschritte gemacht zu haben.   Egal wie eisern er sich in das Versprechen, nicht aufzugeben auch verbiss.   Warum fühlte er sich noch immer viel zu oft so unsäglich verloren?   Warum gewöhnte er sich nicht endlich an die Einsamkeit?   Erbärmlich! Das war es, was er war!   Und das in einem Maße, dass er sich nun auch schon einbildete, dass jemand seinen Namen sagte.   Man ihm sanft über den Kopf strich und er die Wärme einer anderen Person wahrzunehmen glaubte.   Es löste ein weiteres, mitleidiges Jammern in ihm aus, und trotz dass sich sein Körper schon so verkrampft anfühlte. versuchte er sich noch kleiner machen zu wollen, er seine Hände schmerzhaft in seinen Haaren verkrallte.   Es war nicht das Gefühl das er suchte…brauchte, doch es bewirkte ein verqueres, erdendes Empfinden.   „Nicht…“ Er spürte wie etwas ihm diesen Halt nehmen wollte und es ließ ihn nur noch fester greifen.   „Du verletzt dich damit nur selbst.“ Er wusste das, doch wen sollte es kümmern?   „Wei Ying…“ Es war wie ein Balsam. Auch wenn es nur seine Einbildung wäre, so vermochte es der einfühlsame Klang dieser Stimme seinen Dornenkäfig etwas aufzubrechen.   „Lan…Zhan…“ Es legte ihm ein melancholisches Lächeln auf die Lippen, dachte er an den anderen.   „Ich bin hier.“, hörte er es leise sagen.   Wei Ying schüttelte leicht seinen Kopf.   Nein, wäre er nicht…   Sobald er seine Augen öffnete wäre er allein.   Es ließ weitere, doch diesmal stumme Tränen fließen.   Die Präsenz die er sich erdacht hatte verschwand und es ließ ihn augenblicklich mit einem Zittern zurück.   Es war so ungemein befremdlich, als diese dann plötzlich mit einer Vehemenz über ihn wusch, das ihm der Atem stockte, während sich zwei Arme um ihn legten und er gegen einen soliden Körper gezogen wurde, dessen Wärme und vertrauter Geruch es schwer machten sich weiterhin einzureden, das alles nur ein Hirngespinst wäre.   Vorsichtig streckte er seine Arme aus, doch löste sich die Gegenwart des anderen dennoch nicht auf, sondern kam ihn nur noch ein weiteres Stück entgegen, bis Wei Ying es darauf ankommen ließ und die Umarmung kopierte.   Und als dieser schützende Halt nicht nachgab, wagte er es seine Augen zu öffnen.   „Lan Zhan.“, wisperte er überfordert.   „Ich bin hier.“, ließ man ihn erneut wissen.   Es brachte so viele Emotionen in Wei Ying zum Vorschein, das er nichts erwidern konnte außer sich nahezu verzweifelt an den anderen zu klammern und ein leises, erleichtertes, wenn auch tränengetränktes Lachen hervorzubringen.   Als er dann folglich vor Erschöpfung die Augen wieder schloss, geschah dies mit einem dankbaren Lächeln.       Der nächste Tag war bereits angebrochen, als er wieder zu sich kam, doch diesmal fühlte er sich wesentlich entspannter und erholter.   Er hatte seinen seelischen Zusammenbruch jedoch noch deutlich genug im Kopf.   Auch das Lan Zhan an seiner Seite gewesen war.   Es fühlte sich beschämend, wie auch gut an.   Doch er würde sich nichts vormachen. Dass es diesem sicherlich unangenehm gewesen sein musste, konnte er sich sehr gut vorstellen. Genauso, wie es ihn nicht wundern würde, wenn dieser Vorfall nun einen merklich ungelenken Umgang zwischen ihnen nach sich ziehen würde.   Irgendwie schaffte er es immer wieder Leute zu vergraulen, sobald er nicht mehr vorgeben konnte alles in Griff zu haben.   Für diesen Moment aber, verdrängte er diese Aussicht, schloss die Augen erneut, zog die Bettdecke noch etwas höher und drehte sich auf die andere Seite.   Es war ein wirklich gemütliches Bett. Kein Vergleich mit der in die Jahre gekommenden Matratze auf seinem knarrenden Bettgestell.   Ein Geräusch, als würde jemand etwas zur Seite gelegt haben, brachte ihn allerdings dazu seine Augen wieder zu öffnen.   Das wenige Sonnenlicht das den Raum durch die geschlossenen Vorhänge erhellte, ließ Lan Zhans Gesichtszüge weicher, ein wenig diffus erscheinen, das er seine Hand nach diesem ausstreckte, um sich auch zu vergewissern das er tatsächlich neben ihm saß.   Dieser kam seiner Geste ohne Zögern entgegen.   Die Wärme dieser simplem Berührung war alles was Wei Ying brauchte, um versonnen zu lächeln und ein verschlafenes „Guten Morgen.“ zu murmeln.   Lan Zhan erwiderte dies in einem sanften Ton, beinahe als habe er ein scheues Tier vor sich das er nicht verschrecken wollte.   „Wie geht es dir?“, erkundigte sich dieser, dem erneut ein besorgter Unterton inne wohnte.   „Besser.“   „Das ist erfreulich.“ Wei Ying brummte kurz als Bestätigung, wusste aber auch, dass er nun wohl ein paar Dinge erklären sollte.   „Sorry, wegen der Umstände. Ich…“ Er seufzte in Ermangelung der passenden Worte für einen Anfang.   „Es ist in Ordnung, wenn du darüber schweigen möchtest.“ Das wollte er, wirklich, doch schüttelte er kurz den Kopf.   Es würde dennoch in der Luft hängen bleiben.   Die Chancen das Lan Zhan es bevorzugen würde nach seiner Geschichte eher Abstand zu halten, war eine Option der er sich bewusst war. Aber am Ende würde es früher oder später eh dazu kommen, hatte er nun selbst wieder erleben müssen, dass er bestimmte Dinge nicht verstecken konnte.   „Nein, ich denke es ist besser wenn du Bescheid weißt.“ Er raffte sich etwas träge in eine sitzende Position auf, und er merkte, dass er noch immer Lan Zhans Hand festhielt.   Dieser schien sich nicht weiter daran zu stören und er war froh über diesen kleinen Halt, auf das was er nun gedachte zu erzählen.   Dann allerdings knurrte sein Magen derart laut, dass es ihm einen verlegenen Rotschimmer auf die Wangen trieb.   „Lass uns erst etwas essen.“ Lan Zhans Vorschlag war verlockend, doch glaubte Wei Ying nicht, dass er noch einmal den Mut aufbringen konnte und griff dessen Hand etwas fester, als dieser gedachte sich erheben zu wollen.   Er brauchte sich nicht erklären, reichte ein Blick von Lan Zhan auf ihn aus, das dieser auch so zu verstehen schien.   „Ok.“, meinte er mit einem leichten Nicken und setzte sich wieder neben ihn, drückte seine Hand im stummen Beistand.   Wei Ying atmete einmal tief durch.   „Meine Eltern starben, als ich nicht älter als sechs Jahre alt war.“   Er erzählte von seinen Monaten in einem heruntergekommenen Waisenhaus und den bissigen Wachhunden, die man dort hielt, um sie im Zaum zu halten. Davon das ihn Jiang FengMian, der ein guter Freund seiner Mutter gewesen war, schließlich ausfindig hatte machen können und ihn darauf in seine Familie adoptierte.   Er erzählte ihm von Jiang Cheng und seiner jiě jie. Davon das sein Bruder impulsiven Charakters war aber auch einen weichen Kern hatte und sie trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten bald ein eingespieltes Team wurden.   Das seine jiě jie einfach die beste war und ihr Ehemann ein unwürdiger, arroganter Pinsel.   Von Madam Yu, die ihn nie wirklich hatte akzeptieren können und in ihm stets ein Ärgernis und einen schlechten Einfluss auf ihren Sohn sah.   „Ich konnte sie irgendwo verstehen. Ich war ein Eindringling in ihre Familie in welche sie mich nie hatte aufnehmen wollen, hätte Onkel Jiang sich ihr nicht wiedersetzt.   Dennoch hatte ich eine ausgefüllte Kindheit. Doch je älter ich wurde, umso mehr wurde mir die Bürde bewusst die sie durch mich mit zu tragen hatten. Madam Yu nahm nie ein Blatt vor den Mund, wenn es wegen mir Ärger gab. Und den gab es irgendwie recht oft.“ Wei Ying grinste etwas schief über die Nostalgie dahinter.   „Der wirklich große Ärger nahm seinen Lauf im zweiten Jahr der Sekundarstufe. Ich hatte große Pläne für meine Zukunft und das Glück das mir das Lernen so leicht fiel, das ich dem Stoff oft voraus war.“ Hier ließ er den Kopf etwas mehr hängen und seufzte. „Ich weiß, es scheint unwahrscheinlich, wenn man mich jetzt so sieht.“   Er fing Lan Zhans leichtes Kopfschütteln aus dem Augenwinkel her ein.   „Das Leben ist unberechenbar. Du gibst dein Bestes. Ich konnte mich davon überzeugen.“ Wei Ying lächelte über diese Ermutigung und ehe er sich versah hatte er seinen Kopf auf Lan Zhans Schulter gelegt. Erneut ließ diese ihn gewähren und Wei Ying fand die Kraft weiterzusprechen.   „Eines Abends war ich mit Freunden unterwegs. Das übliche. Fastfood, Game Arkade, einfach abhängen.   Ein Typ hatte sich an ein Mädchen rangemacht und gab einfach nicht klein bei, egal wie oft sie ihm auch schon sagte, dass sie kein Interesse habe.   Als er handgreiflich wurde, bin ich dazwischen gegangen.    Der Kerl spielte sich daraufhin so auf.   Wie sich herausstellte war er der Sohn irgendeines reichen Firmenchefs und glaubte das Geld und der Titel seines Vaters wären sein Freifahrtschein sich alles erlauben zu können.“ Wei Ying knirschte bitter mit den Zähnen. „Diese Art von Leuten regt mich so auf.“ Er atmete erneut durch, um sich nicht wieder davon einnehmen zu lassen.   „Er war echt gut darin Beleidigungen von sich zu geben oder mit seinem Daddy zu drohen, doch zeigten wir uns von ihm und seinen Vasalen nicht so eingeschüchtert, wie er es wohl gewöhnt war.   Er war zudem nicht der Gescheiteste und man konnte ihn mit ein paar gut gezielten Spitzen schnell ins Lächerliche ziehen. Als er abermals auf mich losgehen wollte, warf man ihn aus dem Gaming Center.   So gesehen war es für mich damit abgeschlossen. Ich hatte ihn nach wenigen Tagen bereits vergessen gehabt, gibt es solche Spinner zur Genüge.   Es war vielleicht zwei Wochen später, als man mir das erste Mal auflauerte. Ich hatte Glück, weil ich nicht allein war, wie man wohl gehofft hatte. Ein anderes Mal, weil jemand Augenzeuge wurde und man darauf das Weite suchte. Aber damit nicht genug. Selbst in der Schule ging die Schikane weiter.   Mir wurden Dinge unterstellt mit denen ich nichts zu tun hatte, oder man machte sich an meinen Sachen zu schaffen, wenn ich nicht zugegen war.   Es wurde zu einem ziemlichen Problem, gab es Leute die nur zu bereitwillig annahmen, dass ich tatsächlich hinter den meisten Dingen steckte. Man sah zuvor schon gern den Unruhestifter in mir und war somit nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen.   Madam Yu, war kurz davor mich aus dem Haus zu werfen, dachte sie natürlich ohne Zögern das ich die Ursache der Ärgernisse wäre.   Ein Freund von mir fand schließlich heraus das es ein abgekartetes Spiel war, von niemand anderen als diesem arroganten, reichen Loser. Er hatte sich vor lauter gekränktem Stolz diverse Leute eingekauft, die für ihn die Drecksarbeit übernahmen.“ Er schüttelte nicht zu ersten Mal fassungslos den Kopf darüber, wie erbärmlich solche Leute doch waren.   „Wir haben ihn bloßlegen können mit ein paar gut platzierten Posts im Internet. Frag mich nicht woher HuaiSang all das fragwürdige Material hat auftreiben können, doch es reichte um diesem Schnösel eins auszuwischen.“ Wei Ying schwieg einen Moment.   „Ich hätte wissen müssen, dass es damit nicht einfach zu Ende wäre.“ Er schluckte schwer an der Erinnerung über das was darauf gefolgt war.   „Er hat unser Haus niederbrennen lassen.“, brachte er nur mit Anstrengung hervor.   „Madam Yu war zu dieser Zeit allein zu Hause und wurde davon überrascht. Onkel kam zurück als das meiste schon in Flammen stand. Etwas sagte ihm das seine Frau noch im Haus sein könnte und er konnte sie gerade noch rechtzeitig nach draußen bringen. Beide erlitten Verbrennungen und eine Kohlenmonoxid-Vergiftung.“ Seine Hände verkrampften sich in der Bettdecke.   „Sie hatten alles verloren und es war meine Schuld.“   Wei Ying spürte Tränen der Frustration in seine Augen steigen. „Kurz darauf sendete man mir eine Nachricht die sagte, dass ich mich mit dem Falschen angelegt habe und mir war sofort klar wer dahinter steckte.   Und es hörte nicht auf. Ihr nächstes Opfer war Jiang Cheng den man recht übel zugerichtet hatte. In meiner Rage habe ich diesen Wen Chao herausgefordert seine Rechnung gefälligst mit mir zu begleichen und nicht feige andere in sein Spielchen mit hineinzuziehen.   Das letzte an was ich mich erinnern kann, nachdem ich mich mit ihm traf, war das seine Goons über mich herfielen und ich keine Chance hatte.   Als ich wieder zu mir kam, sagte man mir das ich drei Monate im Koma gelegen hätte, nachdem man mich halb tot in irgendeinem Straßengraben fand.“ Wei Ying rieb sich unbewusst über die Vernarbung auf seiner Brust, dessen vorangegangene Verletzung ihm beinahe das Leben gekostet hatte.   „Am Ende wäre es wohl auch besser gewesen, wenn man mich nicht rechtzeitig gefunden hätte.“, wisperte er und spürte sofort den Druck von Lan Zhans Hand, welche er noch immer festhielt.   „Ich weiß, solche Gedanken sind keine Lösung. Zu jener Zeit war es allerdings etwas das mir ständig durch den Kopf ging. Als ich erfuhr wie viel es die Jiangs kosten würde nun auch noch meinen Krankenhausaufendhalt zu begleichen.   Es war wie eine Spirale die einfach nur weiter abwärts führte.   Sobald ich das Krankenhaus verlassen konnte, hab ich mich abgesetzt im Versuch meine Schulden irgendwie begleichen zu können. Unnötig zu sagen, dass es für jemanden wie mich kaum eine Chance gab. Ich hatte keinen Abschluss, meine körperliche Verfassung war bescheiden und von meiner Psyche gar nicht zu reden.   Ich hatte so viel Wut in mir, die es immer schwerer wurde zu zügeln.   Ich wollte niemanden um mich haben. Und doch fühlte ich mich dermaßen einsam. Mein Schuldgefühl wurde nur größer, je weniger ich im Stande war etwas zu erreichen. Letztendlich verschluckte mich meine Depression.   Ich habe keine Ahnung wie, aber eines Abends landete ich in der Praxis von Wen Qing. Ich muss ausgesehen haben wie eine wandelnde Leiche, in so einem erbärmlichen Zustand war ich. Ich hatte diverse Verletzungen, denen ich mir nicht einmal bewusst war, oder wo ich sie mir zugezogen hatte.   Sie flickte mich wieder zusammen.   Sie ist zudem eine Frau mit einer Persönlichkeit die kein Wenn und Aber gutheißt. Zusammen mit ihrem Bruder hat sie mir bei meinen ersten, grundlegenden Schritten aus meiner Situation herausgeholfen und ich könnte ihnen nicht dankbarer sein. Ich begann eine Therapie, landete in Xiao xiān shengs Jugendzentrum, wo ich etwas aushalf. Er war es auch der mir den Job in der Tierhandlung möglichmachte, sind er und Song lǎo bǎn recht gut befreundet.   Wieder zur Schule zu gehen war ein Entschluss der mich einiges an Überwindung gekostet hat, aber es war ein Ziel. Und ich will es noch immer erreichen, allerdings gibt es immer wieder diese Phasen.“ Es fühlte sich schon ziemlich peinlich an, dachte er daran, das Lan Zhan ihn in eben solch einer Phase erlebt hatte. „Ich weiß es ist unangebrachter Trotz, aber ich möchte deswegen nicht ständig Medikamente nehmen. Ich möchte es irgendwann wieder aus eigener Kraft schaffen, damit zurecht zu kommen. Irgendwie hoffe ich immer wieder, das ich es eines Tages sogar komplett überwinden kann.“ Er schwieg abermals einen Moment, bevor er weitersprach. „Ich möchte ein normales Leben haben können. Mein Entschluss meine Schuld zu begleichen besteht noch immer, aber dazu brauch ich einfach bessere Optionen.“ Ein Gähnen rutschte ihm hervor, das er hinter einer Hand versteckte. Sein Kopf ruhte noch immer auf Lan Zhans Schulter. Nicht die bequemste Position doch er wollte es auskosten solange man ihn ließe.   Lan Zhan sagte zuerst nichts zu seiner Story und Wei Ying driftete über die Stille langsam wieder in den Schlaf zurück.   „Du hast einen starken, bewundernswerten Willen.“, hörte er diesen dann sacht sagen und lächelte leicht.   Das Lan Zhan ihm darauf sanft über die Wange strich, nahm er nur vage wahr, bevor er wieder gänzlich einschlief. *** xiān sheng - Herr/Mister jiě jie – ältere Schwester lǎo bǎn – Chef/Boss   Kapitel 7: ----------- WangJi hatte Wei Ying angeboten auch noch etwas bleiben zu können, nachdem dieser wieder aufgewacht war und etwas unbeholfen meinte, das er sich mal auf den Heimweg machen würde.   Es war ihm noch immer anzumerken das er sich nicht erholt fühlte, aber er wollte ihn auch nicht bedrängen und überließ es letztendlich ihm, ob er sein Angebot annahm.   Wei Ying hatte für einen Moment unsicher gewirkt und er schon damit gerechnet das er ablehnte, doch dann hatte er mit einem „Wenn es keine Umstände macht?“ zugestimmt und WangJi konnte sich das erfreute Lächeln darüber gerade so verkneifen. Er wollte nicht als seltsam erscheinen und Wei Ying damit doch noch vergraulen.   Also hatte er ihm zuerst etwas zu essen gemacht.   Er war froh, dass er die Dose mit dem exklusiven Chilipulver nicht schon verschenkt hatte, die sich in einem der Präsentkörbe befand, die man der Firma seiner Familie ab und an zukommen ließ, wenn ein Geschäft geglückt war.   Wei Ying mochte anderes gewöhnt sein, wusste er ja nun auch das dessen Schwester ein Lokal führte, doch zeigte sich dieser nicht zurückhaltend als er ihm eine großzügige Schale mit Congee und etwas eingelegtes Gemüse vorsetzte.   Es ließ dessen Wangen gleich wieder etwas Farbe gewinnen, was womöglich auch am Chili liegen mochte.   Dennoch war es ein angenehmes Gefühl auch einmal für jemand anderen zu kochen. Es hatte etwas heimeliges, das er so nicht kannte. Es war nicht mit dem nüchternen Zusammensitzen zu vergleichen, das bei ihnen ein Familienessen darstellte, die es zudem auch eher selten gab, war jeder für sich oft genug ausreichend beschäftigt.   Mit einem zufriedenen Raunen lehnte sich Wei Ying schließlich zurück und zeigte nun auch wieder ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen.   „So fühlt es sich schon besser an. Danke Lan Zhan.“ Er schob ihm noch eine Tasse mit Kräutertee zu, als ihm ein Gedanke kam und er ein Glas mit Honig dazustellte. Er wusste mittlerweile, dass dieser solche Dinge eher mit einer süßen Note mochte.   Wei Ying schaute einen Moment überrascht, bevor er sich einen großzügigen Löffel davon in seinen Tee gab.   Dann wirkte er etwas nachdenklich, während er seine Tasse mit beiden Händen umfasst hielt.   „Danke, dass du letzte Nacht für mich da warst. Ich weiß es ist kein schöner Anblick gewesen und ich versichere dir, dass es mir auch ausreichend peinlich ist.“ Er versuchte sich an einem Lächeln, das jedoch zu schwermütig war, um Unbefangenheit vorzutäuschen.   „Aber es tat gut nicht allein damit zu sein.“, gab er etwas leiser von sich und WangJi war wirklich dazu verleitet seine Hand über den Tisch auszustrecken und damit eine von Wei Yings in seine zu nehmen.   Er hatte nicht viel für den anderen tun können, doch wenn es ihm half solche Momente nicht allein durchstehen zu müssen, so würde er es jederzeit wieder anbieten. Doch glaubte er nicht, dass Wei Ying es annehmen würde. Von dem was er ihm erzählt und von dem was er selbst über ihn gelernt hatte, war er ein Mensch, der trotz aller Schwierigkeiten versuchte es immer erst mit sich selbst auszumachen.   „Es ist kein Makel auch einmal Schwäche zu zeigen. Ich bin froh, auch wenn ich nur etwas habe helfen können.“   Er wollte das Wei Ying wusste das er vor ihm keine eiserne Fassade aufrecht zu halten hatte und auch das, wenn dieser es wolle, er für ihn da wäre. Nur wagte er es nicht es derart direkt auszusprechen. Er war sich einfach nicht sicher, wie viel er sich erlauben durfte, um nicht zu aufdringlich zu erscheinen.   „Du bist ein guten Freund, Lan Zhan.“, hörte er diesen einfühlsam sagen und auch wenn es ihn glücklich machen sollte, das Wei Ying ihn als solches sah, so konnte er nicht verhindern, dass er sich gleichzeitig wieder an seinen Platz erinnert fühlte.   Er wäre gern mehr als ein Freund, das konnte er nicht mehr abstreiten, aber er würde auch eine Freundschaft mit ihm in Ehren halten. Wei Ying war ihm einfach zu wichtig geworden, um sich noch vorstellen zu können, dass sie irgendwann wieder Fremde füreinander werden könnten.       Wei Ying machte kurz darauf die üppig gefüllten Bücherregale in seinem Wohnzimmer aus und zeigte sich recht beeindruckt, dass er den Versuch wagte, ihn mit der Aufforderung ruhig in das ein oder andere Werk hineinlesen zu können, noch etwas bei sich zu halten.   Mit einem interessierten Summen ging dieser darauf die Sammlung durch und nahm sich ein, zwei Bücher heraus, als dessen Aufmerksamkeit auf den Kamin fiel und er sich kurzum davorstellte.   WangJi stellte sich neben ihn.   „Deine Mom?“, erkundigte sich Wei Ying, während er auf das Foto auf dem Sims deutete. Er nickte bestätigend. „Sie ist leider nicht mehr unter uns.“ Wei Ying raunte verstehend. „Das tut mir leid zu hören. Man sieht sofort, dass du nach ihr kommst.“ Es mochte unbewusst gewesen sein, als dieser seine Hand austreckte und das hellblaue Seidenband, das sich liebevoll über den Bilderrahmen drapiert befand, mit den Fingern streifte. „Das ist wirklich hübsch.“, meinte dieser darauf in einem sanften Ton. WangJi zog etwas tiefer die Luft ein. Sie standen nahe genug, das Wei Ying seine Reaktion nicht entging und er seine Hand rasch wieder zurückzog. „Uhm…, sorry, ich…das war respektlos.“ Er senkte darauf den Kopf und WangJi befürchtete, dass dieser sich nun aus Verlegenheit doch noch vorzeitig verabschieden würde.   „Es war ein Geschenk von ihr.“, brachte er eilig hervor, um ihm eine falsche Annahme zu ersparen. „Sie mochte es sich mit Handarbeit zu beschäftigen. Sie liebte es zu nähen und zu sticken.“ Seine Hand nahm das seidige Band behutsam auf. Mit seinem Daumen streifte er über die exquisite Wolkenstickerei die sich über das gesamte Band zog und einzeln eingearbeitete Silberfäden diese ein wenig zum Funkeln brachten. „Wenn ich je die richtige Person für mich finden sollte, sollte ich es ihr schenken.“ Seine Ohren gewannen merklich an Wärme über seine Worte, worauf er mit einem versteckten Seitenblick zu Wei Ying linste. Dieser zeigte ein kleines Lächeln dem etwas Melancholie innewohnte, das WangJi annahm das er ihn mit der Geschichte an seine eigene Mutter erinnert hatte.   Das letzte was er wollte war ihn traurig zu stimmen.   „Lass mich dir etwas zeigen.“, lenkte er von der vorherrschenden Stimmung ab, auf das er Wei Ying leicht am Handgelenk griff und ihn in ein Nebenzimmer führte.   „Lan Zhan, was…“ Man konnte Wei Ying die Verwunderung deutlich ansehen.   „Ein Hasengehege.“   „Das sehe ich, aber warum nimmt es fast das gesamte Zimmer ein? Wie viele Hasen willst du dir halten?“ Wei Ying brach nun in heiteres, ungläubiges Lachen aus.   Er wusste, dass er es vielleicht etwas zu gut meinte, aber er hatte sich ausreichend belesen und wollte es den Tieren so angenehm wie möglich gestalten. Hier hatten sie ausreichend Platz, wenn sie schon nicht nach draußen konnten.   „Denkst du es wird ihnen gefallen?“   „Sie werden es lieben.“ Wei Ying strahlte ihn zugetan an, das es ihn ein wenig verlegen machte.   „Lass sie uns zusammen aussuchen.“, rutschte es ihm darüber hervor, dass er sich schlagartig noch etwas alberner fühlte.   „Nur…nur, wenn es Wei Ying keine Umstände machen würde.“ Dieser knuffte ihn leicht gegen den Arm.   „Natürlich kann ich dir dabei behilflich sein, wenn du eine Meinung von jemandem möchtest der sich etwas damit auskennt. Kein Grund sich schüchtern zu zeigen Lan Zhan.“ Man zwinkerte ihm mit einem Grinsen zu und auch wenn es nicht der tatsächliche Grund für seine Bitte war, so ließ er Wei Ying in dem Glauben, dass es sich schlicht um einen Gefallen unter Freunden handeln würde.   Darauf fanden sie sich in entspannter Schweigsamkeit in seinem Wohnzimmer wieder, während Wei Ying schmökerte und er sich um die Auswertung der Test seiner Literaturklasse kümmerte. Über den Nachmittag hatte es erneut angefangen zu regnen, das er schließlich anbot ihnen etwas zu Essen kommen zu lassen, dem Wei Ying nur am Rande zustimmte, war er von seinem Lesematerial kaum abzulenken.   Es zeigte WangJi den wissbegierigen jungen Mann, von dem Wei Ying meinte, dass er die Bindung zu dieser Seite von sich, schon vor langem verloren hatte. Es ließ ihn nicht zum ersten Mal annehmen, das Wei Ying viel zu hart mit sich selbst war. Er sich am Ende nur auf die großen Erfolge konzentrierte und die kleineren Fortschritte wohl kaum als solche anerkannte.   Somit verstrich der Tag in einem gemütlichen Beisammensein, doch auch dieses musste irgendwann zu seinem Ende kommen.   Es regnete noch immer als der Abend bereits angebrochen war, dass er Wei Ying überreden konnte sich von ihm nach Hause fahren zu lassen. Er würde sich somit auch wesentlich besser fühlen wenn er wusste, dass dieser gut angekommen sei.   „Du bist eindeutig zu gut zu mir Lan Zhan.“ Hatte dieser ergeben geseufzt und ihn seinen Kopf durchsetzen lassen.   Auf der Fahrt zu Wei Yings Apartment erkannte er die Strecke wieder die er auch damals gefahren war und nahm an, das Wei Ying in der Nähe wohnen musste, wo sie das erste Mal aufeinander getroffen waren.   Wei Ying zeigte sich etwas verwundert, dass er sich hier auszukennen schien, musste er ihn nur einmal in eine Seitenstraße dirigieren, auf das sie auch schon da waren.   Wei Ying schaute müde aber besser aus als den Tag zuvor, als dieser ihn mit einem leichten Lächeln ansah.   „Danke fürs Herbringen und überhaupt für alles.“ WangJi war in diesem Moment mutig genug dessen Blick direkt zu erwidern. „Ich habe es gern getan.“, ließ er ihn wissen auch wenn ihm bei dieser Antwort das Herz deutlich höher schlug. Wei Yings Ausdruck wurde sanft und es sah so aus als wollte dieser gerade etwas sagen, worauf dessen Telefon den Moment zerbrach.   Ein Blick darauf und Wei Ying lehnte sich plötzlich zu ihm hinüber auf das er aus der Scheibe der Fahrertür schauen konnte.   „Verdammt.“, murmelte er und zog sich auch schon wieder zurück.   „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich folglich, sah der andere gerade wieder etwas gehetzt aus.   „Mein Bruder.“ Er deutete auf eines der Gebäude, vor dem er eine Person ausmachen konnte, die zu warten schien.   „Das wird definitiv noch ein langer Abend werden.“, raunte er geschlagen klingend.   „Gibt es ein Problem mit ihm?“ Er hatte mitbekommen das Wei Ying stets etwas gestresst erschien, wenn er mit seinem Bruder telefonierte oder dieser Wei Ying kontaktierte. Er wollte nicht annehmen, dass dies einen ernsten Grund zur Sorge darstellte.   „Das kommt darauf an, wie man es sieht.“ Wei Ying rieb sich über sein Gesicht und atmete darauf einmal tief durch, bevor er ansetzte auszusteigen.   Er lehnte sich jedoch noch einmal in den Wagen hinein.   „Wir sehen uns, Lan Zhan. Komm gut nach Hause. “ Damit schloss er die Tür und er konnte im Seitenspiegel verfolgen, wie er durch den Regen, mit eiligen Schritten, zu seinem Bruder aufschloss. Dieser nahm ihn sofort in den Schwitzkasten, das Wei Ying kurz hilflos mit den Armen ruderte. Dann ließ man wieder von ihm ab und beide verschwanden schließlich im Haus.   Es war das erste Mal, dass es WangJi das Herz schwer machte zu einem einsamen Apartment zurückzukehren.       „Wurde aber auch Zeit!“, maulte Jiang Cheng, sobald er die Stufen des Wohnhauses hinaufkam und sich folglich gleich in einen Schwitzkasten genommen befand, der ihn leidlich murren ließ.   „Was tauchst du auch so unerwartet auf? Du bist selbst schuld! Ich habe immerhin auch noch ein Privatleben.“   Jiang Chengs Blick schweifte in die Richtung von Lan Zhans Wagen, als er ihn auch wieder losließ.   „Gehört die Person in dem Nobelschlitten zu besagtem Privatleben dazu?“, hörte er diesen etwas zynisch klingend fragen, worauf er nicht antwortete, sondern erst einmal aufschloss, damit sie aus dem Regen kamen.   Sie begaben sich vorerst schweigend zu seiner Wohnung hinauf, doch spürte er die Frage seines Bruders noch immer zwischen ihnen.   Ein etwas ruppiges „Und, gehört sie dazu?“, vibrierte schließlich durch das leere Treppenhaus und Wei Ying war klar, dass er nicht umhin kam etwas dazu zu sagen.   „Tut sie. Gibt es ein Problem damit?“ Er fühlte den Drang Lan Zhan zu verteidigen, auch wenn sein Bruder noch nichts weiter dazu gesagt hatte. Aber das würde dieser.   „Das kommt darauf an.“, folgte dessen brüske Antwort, die er mit vor der Brust verschränkten Armen und einem kritischen Blick kombiniert hatte.   „Wie kommt jemand wie du dazu, jemanden zu kennen der so einen Wagen fährt?“ Wei Ying stellten sich bei „jemand wie du“ automatisch die Nackenhaare auf, auch wenn er wusste das Jiang Cheng einfach nicht der Typ für Feingefühl war, traf es ihn dennoch. Klang er so, als wäre er nicht gut genug, um jemanden wie Lan Zhan kennen zu dürfen.   Wei Ying biss die Zähne etwas fester zusammen.   Das Problem war, das er es selbst wusste.   Dass er wusste, dass seine Freundschaft mit Lan Zhan nicht der Norm entsprach. Doch war er selbstsüchtig genug diese Gedanken zu ignorieren. Solange Lan Zhan ihn in seiner Nähe dulden würde, solange würde er es nicht hinterfragen.   „Wir trafen uns auf Arbeit. Er ist ein Stammkunde bei uns.“ Er schaute seinen Bruder nicht an, aber er konnte dessen skeptisch hochgezogene Augenbraue dennoch vor sich sehen.   „Uhuh. Das klingt glaubwürdig.“ Gott, konnte dieser Kerl nicht wenigstens einmal seinen Zynismus stecken lassen!   Genau wegen solcher Dinge, hielt er sich davon fern Jiang Cheng persönlich sehen zu wollen.   Ihre Beziehung zueinander war seit dieser ganzen Shit-Show stets ein Spießrutenlauf.   Egal wie sehr er versuchte es irgendwie zu richten, um etwas von ihrem alten Miteinander wieder zurückzubringen, waren es solche spitzen Bemerkungen, die ihn sämtlichen Willen wieder verlieren ließen und er ihre Treffen einfach nur hinter sich bringen wollte.   „Glaub doch was du willst. Lan Zhan ist ein guter Freund.“ Jiang Cheng ging an ihm vorbei als er seine Schuhe im Flur ausgezogen hatte und auch wenn ihn dessen zweifelndes „Ja, klar.“ nur noch mehr frustrierte, schluckte er es herunter.   „Also, warum bist du hier?“, begann er stattdessen, auch wenn er sich die Antwort darauf schon denken konnte, aber es wäre dennoch ein Themawechsel.   Wenn auch kein willkommener.       Als Jiang Cheng wieder gegangen war, fühlte er sich derart ausgepowert, als habe er einen Ringkampf hinter sich. Sein Bruder besuchte ihn meist sporadisch, mit einer seltsam angespannten Energie, die stets ihre Gespräche und ihren Umgang zu dominieren schien.   Er hatte ihre Schwester einmal darauf angesprochen.   Sie hatte gemeint, dass es Jiang Chengs Weg wäre sicher zu gehen, dass er in Ordnung sei. Doch kam es Wei Ying mehr wie eine Kontrolle vor, ob er auch nichts angestellt hatte, das ihre Familie abermals enttäuschen würde.   Es war anstrengend, denn letztendlich konnte er nichts dagegen aufbringen, gab es eben schwerwiegende Gründe, warum dieser genau solche Gedanken hegen mochte.   Er hatte sich gerade ins Bett gelegt, als sein Smartphone angab eine Nachricht bekommen zu haben.   Irgendwo hoffte er, dass es eine Nachricht von Lan Zhan wäre, doch stattdessen war es eine von Jiang Cheng.   Der konnte wohl heute nicht genug davon bekommen ihm auf den Geist zu gehen!   Er öffnete sie in der Absicht diesem einen Schwall anzüglicher Emojis zu schicken, als ihn dessen Frage merklich irritierte.   Jiang Cheng: Ist das dein guter Freund?   Las er dort und konnte selbst in diesen wenigen, geschriebenen Worten dessen widerborstige Art heraushören. Ein Link war angehängt, den er mit nervös schlagendem Herzen öffnete, das er sich selbst nicht erklären konnte.   Es folgten diverse Bilder und Wei Yings Herz blieb nahezu stehen.   Es war tatsächlich Lan Zhan.   Wei Ying: Wie hast du ihn gefunden?   Erkundigte er sich sofort und mit einem merkwürdig beklemmenden Gefühl.   Jiang Cheng: Du hast seinen Namen genannt. Erzähl mir nicht, dass er tatsächlich dieser Freund sei.   Wei Ying: Wie schon gesagt, glaub doch was du willst!   Es folgte nicht sofort eine Antwort und Wei Ying hoffte, das Jiang Cheng es aufgegeben hatte.   Jiang Cheng: Du solltest dich von ihm fernhalten.   Wei Ying: Und warum sollte ich das tun?   Jiang Cheng: Kannst du dir das nicht selbst denken? Leute wie er geben sich nicht einfach so mit einem strauchelnden Nobody ab. Geb mir einen guten Grund, was es ihm bringt dein Freund zu sein? Und es wäre nicht das erste Mal, dass du die falschen Leute auf dich aufmerksam machst.   Das unwohle Gefühl breitete sich weiter aus, je mehr Jiang Cheng zu sagen hatte und es ließ ihn sein Telefon so fest umfassen, dass es ein ominöses Knacken von sich gab.   Es lief also tatsächlich wieder nur darauf hinaus, dass er ein unbedarfter Idiot in den Augen seines Bruders war.   Das dieser ihm nie wirklich vergeben konnte, nachdem was damals ihm und seiner Familie zugestoßen war, hatte er akzeptieren gelernt und auch das Jiang Cheng es ihm immer wieder einmal vorhielt. Was aber nicht bedeutete, dass es einfacher wurde mit diesem Wissen zu Leben.   Jiang Cheng: Ich will einfach nicht, dass du dir schon wieder irgendwelche Probleme auflädst.   Natürlich! Was auch sonst!   Wei Ying antwortete nicht mehr darauf und schaltete sein Smartphone komplett aus.   Dennoch ließ ihn die Sache mit Lan Zhan nicht in Ruhe und wenig später saß er vor seinem klapprigen Laptop und gab mit unruhigen Fingern dessen Namen ein.   Es zeigte ihm einen Artikel über die Lan-Familie an, den er öffnete und sich augenblicklich lächerlich vorkam.   Natürlich kam ihm der Name Lan damals bekannt vor. Wie könnte er auch nicht, wenn ihnen eines der bekanntesten Familienunternehmen gehörte?   Doch auf der anderen Seite, und diese Erkenntnis stach doch mehr als nötig, warum hätte er annehmen sollen, dass jemand aus dem Lan-Clan in ihrem Geschäft zu einem Stammkunden werden würde? Oder das man sich mit ihm anfreunden wollte?   Jiang Chengs Worte drängten sich sofort wieder in seinen Kopf, über diesen Gedanken, und es ließ ihn sich gleich noch elendiger fühlen.   Denn wenn er ehrlich war, hatte er sich diese Frage, was Lan Zhan mit jemandem wie ihm zu tun haben wollte, selbst schon einige Male gestellt. Selbst als er noch nicht wusste, dass er der zweite junge Herr der Lan-Familie war, war nicht von der Hand zu weißen, dass dieser aus einer vollkommen anderen sozialen Schicht kam.   Es war der Grund, warum Wei Ying in erster Linie überhaupt auf ihn aufmerksam geworden war und auch der Anreiz diesen, auf seine Art, etwas unter die Lupe nehmen zu wollen.   Aber selbst wenn er mit seinen unmöglichen Allüren nur seiner Neugier gefolgt war, so erklärte es dennoch nicht, warum Lan Zhan nicht irgendwann Distanz von ihm gesucht hatte, wie es wohl jeder andere getan hätte, um nicht weiter genervt zu werden.   Wei Ying klickte auf die Bilderoption und schaute sich die Auswahl nachdenklich an.   Es waren nur wenige offizielle Bilder, wenn Lan Zhan mit seiner Familie irgendwo geladen gewesen war, oder es um das Lan-Unternehmen an sich ging.   Und selbst dann wirkte dieser immer recht distanziert von all dem Rummel.   Ein Bild weckte jedoch seine Aufmerksamkeit besonders, dass er es schließlich anklickte.   Es war das Gefühl einer wagen Erinnerung, der er einfach nur wieder auf die Sprünge helfen musste, das ihm beim Betrachten umfing.   Es war eines der wenigen Bilder die Lan Zhan mit einer modisch, adretten Brille zeigten, seine Haare wesentlich länger, als er sie jetzt trug und zu einem eleganten Zopf geflochten.   Warum glaubte er, dass er ihn schon einmal so gesehen hatte, wenn er sich sicher war, dass sie sich noch nie begegnet waren, bevor er das erste Mal einen Fuß in ihr Geschäft gesetzt hatte?   Er scrollte sich noch durch ein paar andere Bilder, als ihm ein Detail bei einem anderen Schnappschuss ins Auge fiel.   Es war der Schirm den Lan Zhan hielt.   So gesehen nichts Ungewöhnliches.   Schirme gab es unzählige in dieser Stadt.   Er hatte sich damals gefragt, wer um alles in der Welt in der heutigen Zeit noch mit einem traditionellen Papierschirm unterwegs war und es amüsierte ihn genug, das er seine Aufmerksamkeit auf die Person gerichtet hielt die diesen trug.   Als er näher kam, hatte er dann auch ZiXuns arrogante Stimme gehört und auf was dieser aus war.   Es war genau dieser verquere Heldeninstinkt, den Jiang Cheng so missbilligte, der ihn hatte eingreifen lassen, bevor er sich über mögliche Konsequenzen Gedanken machen konnte.   Sie waren sich also tatsächlich schon einmal begegnet.   Das aufgewühlte Empfinden in seinem Bauch wogte wieder mehr auf, als ihm darauf diverse andere Dinge in den Sinn kamen.   War sich Lan Zhan dem die gesamte Zeit über bewusst?   Warum hatte er nichts dazu gesagt?   Leute wie er geben sich nicht einfach so mit einem strauchelnden Nobody ab. Geb mir einen guten Grund, was es ihm bringt dein Freund zu sein?   Eine Erkenntnis, wie ein Schwall eiskaltes Wasser kam daraufhin über ihn.   War…war es möglich das Lan Zhan tatsächlich ein bestimmtes Motiv mit seiner vertrauenswürdig erscheinenden Art verfolgte?   Der Eindruck den er an jenem Abend wiedergegeben hatte, um ihm aus dieser Situation herauszuhelfen.   War dies womöglich der wahre Grund für dessen Interesse an ihm?   Hatte Jiang Cheng womöglich doch recht und er war gänzlich naiv in eine Situation getappt, die ihn letztendlich wieder ein Stück seiner selbst kosten würde?   Denn egal was Lan Zhan´s wirkliche Absichten sein mochten, so hatte er bereits zu viel Herz in den anderen investiert, um noch halbwegs unbeschadet da wieder heraus zu kommen. Kapitel 8: ----------- Sollte man im letzten Kapitel nicht ganz folgen können, auf was ich mich mit Wei Yings Gedankengänge zum Ende hin bezog, bieten es sich an jetzt noch einmal den ersten Abschnitt (in Kursiv) von Kapitel 3 zu lesen, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Sollte es dennoch schwierig sein, die Zusammenhänge zu verstehen, lasst es mich wissen ; ) *** Es war am nächsten Tag, dass Wei Ying sich einen Plan zurechtgelegt hatte, um der Sache auf den Grund zu gehen.   Allerdings brauchte er noch etwas Anlaufzeit, weswegen er seine Nachhilfe mit Lan Zhan den folgenden Mittwoch unter einer erdachten Ausrede ausfallen ließ. Lan Zhans folgende Besorgnis, ob mit ihm alles in Ordnung sei, ließ sein Herz sich ungewollt verkrampfen, war der vorherrschende Gedanke, dass dieser all seine Fürsorge nur vorgab etwas, das ihn sich elend fühlen ließ.   Es mochte wirklich nicht fair sein, aber wenn er in etwas gut geworden war, dann Dinge anzuzweifeln, wenn sie darauf hinausliefen, dass er womöglich doch nur zu unbedarft gewesen war.   Seine Selbstzweifel waren zu einer beständigen Präsenz geworden. Etwas dem er in seiner frühen Jugend kaum Beachtung geschenkt hatte.   Ihm hatte die Welt offen gestanden und da war kein Platz für herunterziehende Gedanken gewesen.   Leider schienen eben solche Gedanken an manchen Tagen jedoch das einzige zu sein, was in seinem Kopf vorherrschte.   Und in diesem Fall war es nicht nur sein Kopf, sondern auch sein Herz das darunter litt.   In solchen Momenten, war das Bedürfnis sich betrinken zu wollen, ebenso recht verlockend, doch hatte er gelernt, das Alkohol seinen mentalen Zustand nur noch zerbrechlicher werden ließ und wer wusste schon, was er in so einer Verfassung wieder anstellte.   Dass er sich nicht recht oben auf fühlte ging auch an seinen Kollegen nicht vorbei, doch ließ man ihn zum Glück größtenteils zu Frieden, was er wohl auch Song lǎo bǎn zu verdanken hatte.       Wen Ning tauchte Donnerstagabend bei ihm auf und er wusste sofort, das er sich dem Weinrebenfunk nicht hatte entziehen können, der von seinem Chef über Xiao xiān sheng, zu Wen Qing und somit auch ihrem Bruder gereicht hatte. Aber am Ende war er dennoch dankbar für dessen Besuch, konnte er sich somit auch etwas leichter von seinem Gedankenchaos ablenken.   Wen Ning war ein eher zurückhaltender Charakter und somit auch niemand der einen mit nervigen Fragen löcherte. Sie waren zwar Freunde aber auch ihn wollte er nicht ständig mit seinen Phasen belasten.   Er würde nicht sagen, dass er gelernt hatte mit seinen Problemen zurechtzukommen, aber er hatte das Talent Dinge zu überspielen recht schnell wiedergefunden und nutzte es auch.   Irgendwann, so hoffte er, würde er zu einem stabilen Selbst zurückfinden, und dann bräuchte er sich auch nicht mehr hinter diesen Fassaden zu verstecken.   Im Moment allerdings, sah es wieder wie ein Weg ohne Endstation aus.   Wei Ying schüttelte seinen Kopf über das Abdriften in diese depressive Richtung, was ihm einen fragenden Blick von Wen Ning einbrachte und er diesen schließlich zu einer Runde zocken einspannte.   Dem kommenden Tag würde er sich noch früh genug stellen müssen und womöglich auch dem Ende seiner Freundschaft mit Lan Zhan.     ***   WangJi kam nicht umhin zu bemerken, dass sich Wei Ying anders verhielt als er es sonst von ihm gewöhnt war und es bereitete ihm doch etwas Sorgen. Nachdem sie sich am Mittwoch nicht gesehen hatten, war es das erste Mal seit langen, das er ihn nahezu eine Woche nicht zu Gesicht bekommen hatte. Etwas das ihm mit einer Sehnsucht ausfüllte, die ihn doch etwas erschreckte.   Zudem hatte er die ständige Befürchtung, dass Wei Ying auch für heute absagen würde.   Der nicht zur Ruhe kommen wollende Gedanke, dass dies vielleicht auch etwas mit ihrem letzten Zusammensein zu tun haben könnte, machte das Abwarten für ihn nur noch anstrengender. Aber egal wie sehr er Wei Ying auch vermisste, er wollte ihm auch nicht zu viel werden. Deswegen hatte er auch Abstand davon gehalten, ihm zu schreiben, auch wenn ihm jeden Tag die Frage in den Fingerspitzen brannte, ob es diesem auch gut ging. Seine Besuche in der Tierhandlung hatten sie nun meist damit verbunden, dass sie dann gemeinsam zur Bücherei fuhren.   Bis auf einige Ausnahmen eben.   Also war er auch nicht dort aufgetaucht, meinte er, dass es in diesem Fall vielleicht so aussehen könnte, als würde er ihm nachschleichen.   Alles in allem, war es eine Woche die eine ziemliche Unruhe in ihn gepflanzt hatte.   Er war demnach froh, als sie sich heute wieder trafen, doch merkte er sofort, dass etwas anders war als sonst.   Wei Ying sparte nicht an seinem Grinsen, doch wirkte es jedes Mal angestrengt, als würde er etwas darunter verstecken wollen. Zudem mied er es ihn direkt anzusehen und schien auch die Distanz zwischen ihnen stets auf ein ungewohntes Maß zu halten. Wo er sich sonst nicht geniert hatte in seine Nähe zu rücken. Auch redete er wesentlich weniger als sonst. Etwas das er von ihm nicht wirklich gewöhnt war, wenn es diesem nicht gerade schlecht ging.   Er vermisste Wei Ying, obwohl er ihn genau vor sich hatte.   Es verlangte WangJi danach, dessen Verhalten auf den Grund gehen zu wollen, doch wusste er einfach nicht, wie er dieses Thema anschneiden sollte. Er wollte ebenso wenig seine Nase in eine Angelegenheit stecken, von der Wei Ying versuchte ihn abzulenken.   Und das anscheint mit solch einer Anstrengung, das er zu sehr damit beschäftig war, als das er sich noch auf seine Aufgaben konzentrieren konnte. WangJi konnte verfolgen, wie dieser etwas hinschrieb und ihm der Fehler darin schon dabei auffiel.   Er legte einen Finger auf den Fehler und ihre Hände streiften sich dabei unabsichtlich. Es passierte nicht zum ersten Mal, doch diesmal war Wei Ying derart schnell dabei seine wegzuziehen, dass ihm sein Stift aus seinem Griff rutschte und zu Boden fiel.   Wei Ying sagte nichts dazu, beugte sich einfach nur nach unten, um ihn wieder aufzuheben und dann so zu tun als wäre nichts gewesen.   Und vielleicht war es das auch nicht.   Vielleicht hatte sich dieser nur erschreckt, weil er mit seinen Gedanken woanders gewesen war.   Nur fühlte es sich für WangJi dennoch seltsam an.   Machte er sich am Ende einfach nur zu sehr den Kopf?   Wei Yings Freundschaft war etwas das ihm immer noch als etwas sehr Zerbrechliches vorkam, allein deswegen, weil er sich viel zu oft viel zu ungelenk fühlte. Er hatte immer irgendwo die Befürchtung, dass er Wei Ying irgendwann zu festgefahren in seiner eher unflexiblen Art erscheinen würde und dieser es schließlich aufgab seine Zeit in ihn zu investieren.   „Das wird so nichts!“, hörte er ihn frustriert murren, auf das er sich mit beiden Händen die Haare raufte.   Sie waren noch keine Stunde hier, doch wenn Wei Ying sich nicht konzentrieren konnte, hätte es auch wenig Sinn ihn weiter hier zu halten.   Also beließen sie es für heute dabei.   Wei Ying wirkte darüber weder froh noch enttäuscht, packte lediglich seine Sachen zusammen, auf das sie die Bücherei wieder verließen.   „Möchtest du noch etwas essen gehen?“, erkundigte sich WangJi, bevor sich ihre Wege schon wieder trennen würden. Normalerweise, war Wei Ying recht eifrig dabei ihm zuzustimmen und darauf zu erzählen, nach was ihn der Sinn stand. Doch diesmal schien er mit sich zu hadern. Das leichte, wortlose Nicken das folgte erleichterte WangJi nicht wirklich, aber immerhin war Wei Ying gewillt noch etwas Zeit mit ihm verbringen zu wollen.   Es waren noch genug Leute unterwegs, dass es lebhaft auf den Gehwegen zuging und sie sich etwas hindurchmanövrieren mussten. Wei Ying noch immer in Gedanken, reagierte zu spät als er auch schon etwas heftiger angerempelt wurde und somit gegen ihn strauchelte. WangJi legte ihm im Affekt eine stützende Hand an die Hüfte. Es tat augenblicklich gut ihn so nahe bei sich zu spüren, doch folgte das Wei Yings Körper sich sofort anspannte und er sich etwas wirsch von ihm wegdrückte.   „Es geht schon.“ Es klang ungewohnt bissig und WangJi trat von sich aus noch ein wenig zurück, um ihm den gewünschten Freiraum zu gewähren.   „Endschuldige, Wei Ying.“ Es war kein angenehmes Gefühl zu merken, dass dieser ihn nicht zu nahe bei sich haben wollte, aber er respektierte es ohne weiteres.   Wei Ying indes schüttelte seinen Kopf. Das Gesicht mit einem verärgerten Ausdruck versehen, der WangJi abermals dazu bringen wollte sich zu endschuldigen.   „Ich möchte nach Hause.“ Etwas war nicht in Ordnung. Es war keine Vermutung mehr, was WangJi mit einem „In Ordnung.“ antworten ließ.   „Soll…soll ich dich zurückbringen?“ Eigentlich wäre das keine Frage gewesen, die er mit solch einer Unsicherheit verbinden müsste, doch standen die Dinge heute eindeutig nicht wie sonst.   Demnach verblüffte es ihn ein wenig, als Wei Ying mit einem kurzen Nicken zustimmte.       Die Fahrt gestaltete sich, wie zu erwarten, schweigend.   Wei Ying hielt seinen Blick hauptsächlich aus der Seitenscheibe gerichtet und wirkte weiterhin angespannt.   Es war somit von Vorteil, dass er wusste wohin er zu fahren hatte.   Vor dessen Wohnhaus angekommen, blieb dieser auch noch einen Moment im Wagen sitzen, was aber durchaus auch daran liegen konnte, das dieser zu sehr in Gedanken vertieft war, um mitzubekommen das sie ihr Ziel bereits erreicht hatten.   Sollte er den Augenblick nutzen und ihn fragen was nicht stimmte?   „Wei Ying…“ Er sprach dessen Namen vorsichtig aus, doch bevor er noch ein Wort hätte anfügen können, kam ihm dieser zuvor.   „Willst du mit hochkommen?“ Diese Frage kam reichlich unerwartet, wie so einiges am heutigen Abend. Aber dann dachte sich WangJi, das Wei Ying womöglich etwas derart beschäftigte, das er sich nicht gewagt hatte es in der Öffentlichkeit aufzurollen.   Vielleicht war das auch der Grund für sein Verhalten?   Wenn er ihm mit seinem Problem behilflich sein konnte, dann wollte er es gern versuchen.   „Ok.“, erwiderte er schließlich und Wei Ying stieg ohne ein Wort, oder einen Blick auf ihn, aus.   In dessen Wohnung angekommen, versuchte sich WangJi nicht zu offensichtlich umzusehen und ließ sich einfach in das winzige Wohnzimmer führen, wo Wei Ying ihm angab sich setzen zu können, während er sich etwas Bequemeres anziehen wolle und in einem Nebenzimmer verschwand.   Es war wirklich nicht viel vorhanden. Eine etwas in die Jahre gekommene Couch, mit reichlich Kissen in unterschiedlichen Farben und Formen, auf die er sich setzte. Ein kleiner runder Tisch davor.   Es gab einen riesigen Knallroten Sitzsack in der Nähe des Fensters, neben dem sich ein paar Bücher gestapelt befanden.   Zudem ein paar gerahmte Bilder die an der Wand über einer etwas wackelig wirkenden Kommode hingen, die mit allerlei Kram vollgeladen war.   Eine kleine Kochnische war zu sehen, die sich hinter einem Raumteiler gelegen befand. Zimmerpflanzen die etwas Harmonie in den Raum brachten.   Hier und da lagen ein paar Sachen herum.   Es war ein wirklich simples Apartment, doch zeigte es etwas von Wei Yings Charakter und es ließ ihn zugetan lächeln.   Er hoffte wirklich das er ihm irgendwie aus seiner derzeitigen Lage heraushelfen konnte, und sei es nur das er ihm zuhörte.   Er vernahm, wie sich die Tür, hinter welcher Wei Ying vorhin verschwunden war, wieder öffnete und es bedurfte doch etwas Einsatz nicht zu offen zu starren ihn nun so zu sehen.   Dieser hatte sich eine legere, schwarze Trainingshose angezogen und ein ärmelloses Top, das jedoch etwas zu groß an diesem wirkte, zeigte es mehr Haut als es womöglich sollte.   Zudem trug er seine Haare nun offen.   Es war ein Anblick, der ihn bei jeder anderen Person völlig kalt gelassen hätte.   Nur war Wei Ying eben nicht irgendeine Person für ihn.   Er senkte seinen Blick auch, weil er etwas beschämt über sich selbst war.   Egal wie sehr ihn Wei Ying auch faszinierte, er würde seinen Anstand nicht vergessen.   Dessen nackte Füße traten plötzlich in sein Blickfeld und plötzlich stand dieser so nahe vor ihm, dass er von selbst wieder aufschaute, um ihn anzusehen.   Wei Yings Blick erschien seltsam ausdruckslos, doch rutschte dieser Gedanke komplett nach hinten als jener sich nun über ihn beugte und sich auf die Couch kniete das er zwischen dessen Beinen saß.   Es war WangJi nicht wirklich möglich dessen Gesicht zu lesen, verbargen die längeren Haare ihm den Blick darauf.   Wei Ying brachte sein Herz nur noch hektischer zum Pulsieren, als er sich gänzlich auf seinen Schoß setzte und sich weiter vorbeugte.   „Ich habe etwas herausgefunden.“, fing er an und trotzdem, dass sie sich in dieser mehr als unerwarteten Position befanden und WangJi sich ziemlich konfus fühlte, war nicht zu leugnen das dessen Stimme ein kühler Unterton inne wohnte, der sein Herz aus einem ganz anderen Grund heftiger schlagen ließ.   Hatte Wei Ying ihn durchschaut?   Wusste er, dass er Hals über Kopf in ihn verliebt war?   War er deswegen so angespannt und missmutig?   WangJi schluckte trocken an dieser Möglichkeit.   „Wir sind uns schon einmal begegnet nicht wahr? Bevor sie in unserem Geschäft zum ersten Mal aufgetaucht sind, oder?“ WangJi fehlten abermals die Worte. Eine weitere Möglichkeit die sich nun abzeichnen könnte wäre, dass Wei Ying ihn für einen gruseligen Stalker halten würde. Auch weil er nie erwähnt hatte, das sie sich schon einmal über den Weg gelaufen waren. Aber er würde ihn auch nicht anlügen. Eher wollte er sich erklären, wenn Wei Ying es ihm erlauben sollte.   „Mn. Du hattest mir mit ein paar Raudies geholfen.“ Der Körper über ihm schien sich noch etwas mehr anzuspannen, dann folgte allerdings ein leises, unangenehmes Lachen.   „Du warst es also wirklich.“ Ein Wispern das deutlich bitter klang.   Es war eine ungemein verwirrende Situation für WangJi.   Zum einen, weil Wei Ying ihm so unsäglich nahe war und es ihn danach verlangte diesen berühren zu wollen. Zum anderen, weil es nicht den Anschein machte, als hätte eben diese Nähe tatsächlich etwas damit zu tun, das er es dürfe.   Wei Ying war verärgert, doch was er vorhin deswegen noch an Distanz gesucht hatte, war nun in das komplette Gegenteil umgeschlagen und er wusste es einfach nicht zu deuten.   „Es ist ihr Glückstag Mister Lan. Sie stehen vor ihrem Ziel.“ WangJi zog irritiert die Augenbrauen zusammen über diese Worte und legte seine Hände an dessen Oberarme, um ihn etwas von sich schieben zu können, damit er ihm in das Gesicht schauen konnte.   „Wei Ying…?“ Doch wie zuvor ließ dieser ihn nicht weiter gewähren, lehnte er sich nun vollständig gegen seinen Oberkörper und seinen Kopf auf WangJis Schulter.   Diese Nähe hatte er sich so oft schon gewünscht, doch war etwas an dieser Sache einfach nicht in Ordnung.   Er spürte dessen warmen Atem an seiner Halsbeuge. Eine Hand strich ihm nun über die Brust und tiefer, dass er ein überfordertes Raunen nicht zurückhalten konnte.   Dann war dessen Atem direkt an seinem Ohr und es brachte ein wohliges Kribbeln mit sich.   „Also…“, hauchte Wei Ying in einem lasziven Ton. „Wie viel ist Mister Lan bereit für diesen Service zu bezahlen?“ Es war nichts von Wei Yings neckender Persönlichkeit in dieser Frage vorhanden. Nichts von dessen Wärme, zu der er sich so hingezogen fühlte.   Einzig ein eiskalter Schauer ran durch seinen Körper über diese Andeutung und er griff derart eilig nach der sich immer noch über ihn bewegenden Hand des anderen, um diese darin innehalten zu lassen, das er womöglich etwas zu grob dabei war.   Wei Ying indes gab einen zynischen Laut von sich über seine Reaktion und schaute ihm nun endlich an.   „Lassen sie mich raten, jetzt kommt die Ansprache, das sie doch immer gut zu mir waren und ich mich dafür erkenntlich zeigen soll, huh?“ Wei Ying klang so ungemein mokant, das es WangJi das Herz brach.   „Was? Das ist es doch was sie eigentlich von mir dachten, oder? Das ich für Geld mit Leuten schlafe. Sich mit mir anzufreunden war am Ende einfach nur ein Teil ihres merkwürdigen Spielchens.   Vielleicht gab es ihnen ja nicht den nötigen Kick, sich einfach jemanden mit Geld zu kaufen und ich kam ihnen wie gerufen für ihre verkappten Fantasien.“, warf dieser ihm in einem bissigen Ton weiter vor und es erfüllte WangJi mit überfordertem Horror, das Wei Ying tatsächlich davon ausging, dass er ihn die gesamte Zeit über nur vorgeführt hatte.   Dabei hatte er nie beabsichtigt ihn derart zu verletzten mit dem Zurückhalten der Tatsache, woher er ihn tatsächlich kannte.   Es war selbst für ihn ein Verlauf den er nicht geplant hatte, als er ihn dann doch wiedersah und einfach wie die Motte dem Licht gefolgt war.   Er hatte nie daran gedacht, dass Wei Ying es irgendwann einmal so auslegen könnte, das er in ihm nur ein unterhaltsames Spielzeug seiner sexuellen Triebe sah.   „Wei Ying. Ich habe mich zu endschuldigen. Es…“ Dieser schüttelte lediglich den Kopf, den er nun wieder gesenkt hielt.   „Sparen wir uns das Gerede und bringen es hinter uns.“ Dessen Finger waren so schnell dabei sich an seinem Gürtel zu schaffen zu machen, dass er ihn schon fast geöffnet hatte, bevor WangJi ihn davon abhalten konnte.   „Nicht so.“ War alles was ihm in seiner Verwirrung über die Lippen kam und es Wei Ying sofort falsch zu interpretieren wusste.   „War klar, dass der feine Herr Ansprüche hat.“, zischte dieser und lehnte sich auf ihm etwas zurück, eine reglose Mimik auf seinem Gesicht.   WangJi wurde immer flauer, je länger er mit ansehen musste, wie diese Situation weiter im freien Fall nach unten trudelte.   Was er hatte sagen wollen war; „Nicht so. Nicht auf diese Art. Ich möchte dich in den Armen halten dürfen, ohne dass du es als etwas Unangenehmes empfindest. Ich möchte, dass du mich ebenso willst, ohne es als eine Bezahlung anzusehen. Ich möchte dir sagen können wie viel du mir bedeutest, ohne von dir verlacht zu werden.“   „Ich möchte…“ Nein, Wei Ying würde ihm nichts davon glauben und er hatte auch allen Grund dazu.   Eher würde er es wohl als einen Witz auf seine Kosten auffassen.   „Es tut mir wirklich leid.“ War schließlich alles was er sagen konnte und hoffte das man die Ehrlichkeit seiner Worte wenigstens ein stückweit an ihm ablesen konnte.   Behutsam schob er Wei Ying von sich, bis dieser letztendlich wieder vor ihm stand, ihn mit einem misstrauischen Blick musterte und schließlich zur Seite trat, als er sich ebenso erhob.   WangJi verbeugte sich darauf leicht vor ihm, um sein Bereuen zu unterstreichen.   „Es war ein unsensibler Fehler und deine Verärgerung ist gerechtfertigt. Es war nie meine Absicht Wei Ying zu verletzen. Ich war einfach zu eingenommen davon, dass er mich in sein Leben gelassen hat.“ Als er sich wieder aufrichtete war alles was er von ihm sah dessen Rückansicht die andeutete, dass man ihm nichts mehr zu sagen hatte.   WangJi spürte wie die Verzweiflung ihre Krallen in ihn schlug und es doch nichts zu geben schien, um diese davon abbringen zu können.   Wie schnell ein Traum doch wieder zerplatzen konnte. Und das nur weil er über seine unbeholfenen Gefühle gestolpert war.   „Bitte gib auf dich Acht Wei Ying.“   Mit schwerem und lädiertem Herzen verließ WangJi schließlich das Apartment, musste zurück in seinem Wagen allerdings einen Moment innehalten.   Tränen waren ihm ungewohnt geworden, doch schmerzte der Grund dafür deswegen nicht weniger. *** lǎo bǎn – Chef/Boss xiān sheng – Herr/Mister Kapitel 9: ----------- Ein knapper Monat war vergangen, seit er Lan Zhan das letzte Mal gesehen hatte.   Nicht der Abend, wo er ihn mit seiner Theorie konfrontierte.   Wei Ying raunte erschöpft, was ihm einen fragenden Blick von Wen Ning einbrachte, der über die letzten Wochen nicht müde geworden war, sich nach seinem Befinden zu erkundigen oder ihm Gesellschaft zu leisten, wenn er es zuließ.   Heute waren sie mit A-Yuan wieder im Kinder- und Jugendzentrum, gab es für die Jüngeren einen Bastelkurs mit Ton. Es half Wei Ying nicht wirklich dabei sich abzulenken, sah er der kleinen Gemeinschaft an etwas schiefgeratenen Hasen mit merklicher Sentimentalität beim Wachsen zu. Noch konnte er A-Yuan sagen, dass er keinen davon an Yù gē ge würde geben können, wie dieser von ihm verlangte.   Es war der folgende Mittwoch nach dieser Auseinandersetzung mit Lan Zhan gewesen als er, nach seiner Schicht, eher unbewusst den Weg zur Bücherei eingeschlagen hatte.   So gesehen hätte er wieder kehrt machen können, sobald es ihm aufgefallen war, doch hatten ihn seine Schritte weiter geführt, bis er schließlich das Gebäude betrat und er an der Information niemand anderen als Lan WangJi stehen sah, der sich mit der Dame im Service unterhielt. Wei Ying war schnell genug in Deckung gegangen, als dieser kurz darauf die Bücherei wieder verließ und er sie selbst weiter betrat.   Kaum das man Kenntnis von ihm genommen hatte, wurde er von der Dame an der Information auch schon herangebeten.   Mit dem Verweis das er seinen Freund gerade eben verpasst habe, drückte man ihm eine elegante rote Mappe in die Hand, die man ihm übergeben sollte, wenn er hier erscheinen würde.   Wei Ying nahm diese mehr automatisch an sich und nickte schlicht mit einem Danke, bevor er sich zu einer der hinteren Sitznischen zurückzog.   Für einen Moment haderte er mit der Mappe in seinen Händen, schlug sie nach einem tiefen Durchatmen aber dennoch auf.   Es waren alles Übungsbögen die ihm bei den Vorbereitungen auf seine anstehenden Prüfungen behilflich sein würden. Bei näherem Durchschauen war ebenso klar, dass sie alle spezifisch auf ihn und seine Schwächen ausgelegt worden waren.   Eine Notiz am Ende der Unterlagen gab ihm ein paar Hinweise bezogen auf die Bögen.   „Wenn Du Hilfe benötigst. Er weiß Bescheid und kann dir aushelfen. “ Darunter war ein Name und eine Telefonnummer, plus E-Mail Adresse.   „Viel Erfolg.“ War die letzte Zeile der Notiz, die er letztendlich in seiner Hand zusammengeknüllt hatte, mit der Absicht sie mit samt den Unterlagen in den nächstbesten Papierkorb werfen zu wollen.   Sollte das tatsächlich alles sein, was Lan Zhan ihm noch zu sagen hatte?!   Er hatte die Mappe letztendlich mitgenommen.   Aber er war die folgenden Wochen auch nicht wieder zurück in die Bücherei gegangen. Auch hatte er keinen Gebrauch von der Ersatzhilfe gemacht.   Das ihn der Verlust ihrer Freundschaft ziemlich zu schaffen machte war unvermeidbar und es brachte eine beständige Angst in ihm auf, dass es ihn wieder zu weit nach unten ziehen könne.   Es sich somit auch auf sein komplettes Leben auswirken würde.   Er wollte nicht noch einmal von vorn anfangen müssen, weil er durch sämtliche Prüfungen fiel!   Er war nicht mehr so schwach wie damals.   Er würde es ihnen allen und sich selbst beweisen!   Also hatte er sich einzig auf die Arbeit und das Lernen fixiert. Alles eine willkommene Ablenkung von diesem irritierenden Herzschmerz.   Somit hatte er sich durch die Übungen gearbeitet, auch wenn es ihn des Öfteren ziemlich frustriert hatte, wenn er einen Fehler allein herausfinden musste.   Aber er war es gewöhnt sich irgendwie durchzuschlagen und am Ende…   Am Ende hatte es sich tatsächlich ausgezahlt.   Er hatte seine Tests mit einer besseren Bewertung bestanden, als er erwartet hatte und sein erster überschwänglicher Impuls war gewesen, nach seinem Smartphone zu greifen und es Lan Zhan mitteilen zu wollen. Nur um daraufhin der Ernüchterung zu erliegen, das er dessen Nummer noch am dem Abend löschte, als dieser ihn so widerspruchslos allein gelassen hatte.   Er hatte sich zu jener Zeit selbst nicht getraut, was er noch tun würde in seinem aufgestachelten und verletzten Zustand.   Als Lan Zhan gegangen war, fühlte es sich an als würde der Moment um ihn herum zersplittern wie Glas.   Die Scherben die in seinem Herzen steckten machten ihn aggressiv, wenn er sich ihrer zu sehr bewusst wurde.   Die Schnitte in seinen Händen, die vom ihrer zerbrochenen Freundschaft her stammten, brachten eine Haltlosigkeit mit sich, die er nur zu gut kannte.   Es gab die feinen Splitter der Reue, die seine salzigen Tränen rot färbten.   Es waren diese Gefühle und seine immer noch atmende Zuneigung für diesen Mann, die ihn nicht heilen lassen wollten und er sich wiederholt wie ein unbelehrbarer Narr fühlte.   Er hatte all seine Zweifel in Beschuldigungen auf Lan Zhan niedergehen lassen und es hatte ihn mit Genugtuung ausgefüllt, ihn zu jener Zeit mit diesem gänzlich geschockten Ausdruck vor sich zu sehen, als er ihn durchschaut zu haben schien.   Bis dieser Ausdruck in etwas anderes gewechselt war.   Dass er für einen kurzen Augenblick den Gedanken zuließ, dass er womöglich doch falsch lag mit seinen Anschuldigungen. Doch ließ er die Flammen seiner Selbstzweifel diesen Moment sofort wieder niederbrennen, bis er nichts weiter wahrnahm als diese giftige Unsicherheit und die Worte die ihn wie wilde Hunde verfolgten.   „Leute wie er, geben sich nicht einfach so mit einem strauchelnden Nobody ab.“   Es reichte, um ihn bei der Überzeugung zu halten, dass er sich die Verwundbarkeit in Lan Zhans Augen nur eingebildet hatte.   Denn es war die offensichtlichste Erklärung, gab es wirklich keinen nennenswerten Grund, warum gerade sie beide, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, dennoch Freunde geworden waren.   Und dieser Gedanke befand sich auch jetzt noch in seinem Kopf.   Nur…   Über die letzten Wochen, waren andere dazu gestoßen und wenn er nicht zu sehr mit dem Verdrängen beschäftigt war, dann ließen sie ihn sich unerwünscht erbärmlich fühlen.   Denn wie er es auch drehte und wendete, er glaubte mittlerweile, dass er Lan Zhan mehr Raum hätte geben müssen sich erklären zu können.   Vielleicht, weil er selbst nicht glauben wollte, das seine Menschenkenntnis am Ende doch so fehlerhaft gewesen sein sollte.   Vielleicht wollte er auch nur direkt gesagt bekommen, dass er Recht hatte, um tatsächlich damit abschließen zu können.   Vielleicht hatte er auch einfach nur Angst.   Angst davor, etwas so unerwartet großartiges, wie ihre Freundschaft unbedacht zerstört zu haben.   Mit einer kurzen Entschuldigung, sich etwas zu trinken holen zu wollen, ließ er A-Yuan und Wen Ning für sich und machte sich auf den Weg zum Getränkeautomaten einen Flur weiter.   Jemand balancierte drei große Kartons übereinander vor sich her, die jener Person offensichtlich das nach vorn schauen erschwerten, als der oberste Karton ins Rutschen geriet und er rasch genug verhindern konnte, dass dieser zu Boden ging.   „Oh, danke. Ich hätte wohl einen weniger nehmen sollen.“, hörte er eine Stimme mit leichter Verlegenheit sagen, und blickte folglich in kein anderes Gesicht als das von Lan Zhans Bruder; Lan XiChen.   Dieser schien für einen Moment selbst etwas überrascht, doch zeigte man ihm darauf schon ein leichtes Lächeln.   „Wei xiān sheng, richtig?“   „Mister Lan.“ Wei Ying nickte kurz, in einer Geste der Begrüßung.   Es entstand ein etwas schwerfälliger Augenblick, in welchem keiner von ihnen so recht zu wissen schien, wie er weiter agieren sollte, als Lan XiChen wieder das Wort erhob.   „Hätten sie vielleicht einen Moment Zeit? Ich muss die hier nur abliefern.“   Was der Grund für diese Frage war, konnte sich Wei Ying denken.   Ihm blieb die Option sich herauszureden, was er eigentlich auch wirklich würde tun wollen, doch stattdessen nahm er dem anderen einen der Kartons ab. „Das sollte sich einrichten lassen.“, meinte er und folgte Lan XiChen nach.       „Ich weiß es ist nicht meine Angelegenheit, aber ist etwas zwischen ihnen und meinem Bruder vorgefallen?“   Sie hatten sich in einen der derzeit unbenutzten Räume zurückgezogen, wo sich Wei Ying gegen einen der Tische lehnte und abwog, wie er diese befürchtete Frage am besten beantworten sollte.   „Verstehe.“ Er wusste, das er sich zu viel Zeit gelassen hatte, dem anderen zu antworten und das wohl schon eine Antwort in sich darstellte.   „WangJi ist nicht besonders gut darin über sein Befinden oder seine Gefühle zu sprechen. Aber je mehr er versucht es so aussehen zu lassen, als wäre alles in Ordnung, umso deutlicher wird, dass etwas nicht stimmt.“   Wei Ying konnte dazu nichts sagen, hatte er diese Seite an Lan Zhan nie wirklich kennengelernt.   „Er ist zudem auch etwas ungeschickt, wenn es um das Schließen von Freundschaften geht. Aber das ist ihnen womöglich schon aufgefallen.“ Es klang ein wenig amüsiert, doch senkte Wei Ying den Kopf, um dem folgenden Blick den sein Gegenüber ihm schenkte auszuweichen.   „Er schien jedoch recht glücklich, seit er sie kennengelernt hatte, was mich annehmen ließ, dass die Dinge gut stehen würden. Seit einiger Zeit jedoch, hat er sie nicht wieder erwähnt.“ Lan XiChen gab über sein anhaltendes Schweigen schließlich ein ergebenes Seufzen von sich.   „Ich war erleichtert, dass er von sich aus einen Kontakt zu hegen schien, der nichts mit seiner Arbeit oder familienbedingten Interessen zu tun hatte. Es tat ihm gut einen Freund zu haben und ich bitte um Verzeihung, wenn ich zu aufdringlich damit bin. Aber als sein älterer Bruder würde ich gern versuchen wollen zu vermitteln, wenn diese Option bestünde.“   Lan XiChen klang wirklich besorgt um Lan Zhan und Wei Ying wusste nicht, was er damit anstellen sollte. Dieser schien mit keiner Faser anzunehmen, dass sein Bruder eine dunkle Seite besitzen würde, die ihn dazu brachte sich zum Vergnügen einen vermeidlichen Stricher gefügig machen zu wollen.   Und jetzt, wo er es sich selbst einmal genauer vorhielt, erschien es tatsächlich irgendwie absurd.   Lan Zhan hatte trotz seines Geldes nie versucht ihn damit zu blenden. Noch hatte er ihm je das Gefühl gegeben, dass dieser sich ihm gegenüber als gesellschaftlich überlegen fühlte.   Es gab keine unangebrachten Berührungen oder irgendwelches Bedrängen.   Keine subtilen Anspielungen irgendeiner Art.   Nie ein aufgebrachtes Wort, egal wie sehr er ihn auch manchmal geneckt hatte und zeigte sich auch nicht abgeschreckt als er miterleben durfte, wie fragil sein Seelenzustand manchmal sein konnte.   Nur warum, war er trotz all dieser Gewissheiten dennoch so schnell dabei gewesen, Lan Zhan von sich wegzustoßen?   Es war eine Frage deren Antwort er zu jener Zeit nicht zugelassen hätte, egal was man ihm versuchte erklären zu wollen und es zeigte ihm nur wieder zu deutlich, wie verdammt unbeholfen und unsicher er doch noch immer war.   „Ich dachte ich wäre ein Zeitvertreib für ihn. Dass er sich nur mit mir abgibt, weil er annahm ich sei jemand der für Geld mit Leuten schläft. Wie ein bizarres Hobby, das sich ein gelangweilter, gutbetuchter Typ seines Kaliebers suchen würde. Ich weiß aus erster Hand, das sich Leute mit ausreichend Geld, oft genug nicht darum scheren wie sie andere behandeln.“, sprudelte es aus ihm heraus und dem perplexen Gesichtsausdruck von Lan XiChen nach zu urteilen, fühlte sich dieser recht überfordert mit seiner Offenbarung.   „Tut mir leid, aber das kam nun doch äußerst unerwartet.“, endschuldigte sich dieser kurz darauf und noch immer mit deutlicher Irritation in seiner Mimik.   „Es war das was ich mir eingeredet habe, nachdem man mir sagte, wer er eigentlich wirklich ist. All die Zeit hatte ich keine Ahnung und er hat es nie erwähnt, dass ich mich irgendwo hintergangen glaubte.“   Lan XiChen gab ein Raunen von sich das Verständnis, wie auch das Gegenteil davon hätte bedeuten können, dass er diesen nun doch wieder ansah.   „Würde es ihnen etwas ausmachen mir die ganze Geschichte dazu zu erzählen.“   Wei Ying hatte nicht wirklich noch etwas zu verlieren und nach einem matten Durchatmen, gab er ihm seine Sicht der Geschehnisse wieder.   Angefangen von Lan Zhans regelmäßigen Auftauchen in der Tierhandlung, über das langsam miteinander Bekanntmachen, hin zu dessen Angebot ihm Nachhilfe zu geben und der Erkenntnis, dass sie sich schon einmal über den Weg gelaufen waren.   „Es war am Ende zu gut um wahr zu sein. Dass ich mich recht schnell davon verunsichern ließ, das er womöglich doch andere Motive verfolgte als ich mir vorstellte.“ Er strich sich mit einer Hand etwas wirsch durch seine Haare. „Ich bin mir einfach nicht mehr sicher, was ich tun oder hätte tun sollen.“ Wei Ying schluckte über seine nächsten Worte trocken und schaute womöglich auch nicht weniger aufgelöst.   „Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich ihn überhaupt nicht wirklich kenne, als diese Dinge ans Licht kamen. Ich fühlte mich lächerlich und so naiv, ihm all diese Seiten von mir gezeigt zu haben. Zu glauben ich wäre tatsächlich jemand, der gut genug sei mit jemandem wie ihm befreundet sein zu können. Anzunehmen das alles nur Schau war; ich fühlte mich einfach nur minderwertig.“ Das kratzige Gefühl in seinem Hals hatte sich zu einem Knoten gewandelt. „Er hat nicht einmal versucht es abzustreiten…er hat sich nur endschuldigt und ging. Was…was sollte ich damit anfangen? Es verwirrte und verärgerte mich nur noch mehr.“   Lan XiChen raunte verständnisvoll und lächelte dann ebenso etwas unbeholfen.   „Das ist leider nicht untypisch für WangJi. Mein Bruder ist stets sparsam mit seinen Worten. Er ist schnell dabei, für eine Sache die volle Verantwortung zu übernehmen, und es dann einzig mit sich selbst auszumachen. Er will niemanden eine Last sein und seine Fehler allein tragen. Er bedenkt dabei nicht, dass er damit dennoch andere ebenso verletzten kann. Allerdings hat er bis jetzt auch niemanden so an sich herangelassen wie sie, was mich annehmen lässt, das er selbst reichlich überfordert mit dieser Situation gewesen sein könnte.   Wofür ich aber meine Hand ins Feuer lege ist, das er nie den Gedanken verfolgt haben wird, eure Beziehung als einen simplen Zeitvertreib zu sehen und schon gar nicht um sexuelle Gefälligkeiten daraus zu ziehen. WangJi hat sich nie viel aus dem Namen unserer Familie gemacht. Er hat sich recht zeitig seinen eigenen Weg gesucht, ohne von dem Einfluss der Lans Gebrauch zu machen oder sich davon Rückhalt zu versprechen. Alles was WangJi ist, hat er sich selbst angeeignet und erarbeitet. Das unser Onkel ihn dennoch ab und zu dazu auffordert sich mit in der Öffentlichkeit zu zeigen, bleibt jedoch nicht aus. Onkel ist recht streng, wenn es um die Familie geht und es war nicht einfach für WangJi ihn davon zu überzeugen, ihn sein eigenes Leben leben zu lassen und somit nicht der Familientradition zu folgen.“   Lan XiChen sah erneut nachdenklich aus, bevor er weitersprach und ihn dabei mit einem festen Blick bedachte.   „Wei xiān sheng, wenn ihnen wirklich noch etwas an WangJi liegen sollte, würde ich sie bitten noch einmal mit ihm zu reden. Und sei es nur, um die Dinge klar zu stellen. Es bleibt ihnen natürlich frei zu entscheiden, ob sie ihrer Freundschaft erneut eine Chance geben möchten.“ Wei Ying musste sich das Gesagte erst einmal richtig durch den Kopf gehen lassen.   Es war ein ziemliches Chaos entstanden zwischen ihnen aber er konnte auch nicht abstreiten, dass ihm immer noch etwas an Lan Zhan lag.   Mehr als es eigentlich angebracht sein sollte.   „Ich werde darüber nachdenken.“, war schließlich seine Antwort.   Lan XiChen nickte verstehend.   „Danke.“ Damit verabschiedete er sich von Wei Ying und er blieb noch eine Weile, in seine Gedanken vertieft, für sich. *** yù – Jade gē ge – großer Bruder xiān sheng – Herr/Mister Kapitel 10: ------------ Es regnete.   Wie an jenem Abend, an dem er Lan Zhan das erste Mal getroffen hatte.   Es waren zwei Tage vergangen seit seinem Gespräch mit Lan XiChen, als Wei Ying die Abendschule verließ, mit dem Entschluss Lan Zhan aufzusuchen, um mit ihm reden zu wollen.   Er hatte dessen Nummer nicht mehr, aber er wusste, dass dieser seine Abende meist zu Hause verbrachte und hoffte einfach, dass sein Weg nicht umsonst wäre.   Dann fiel ihm allerdings noch etwas ein und er machte einen hastigen Abstecher nach Hause.   Sollte Lan Zhan nichts mehr von ihm wissen wollen, wäre dies die letzte Gelegenheit ihm A-Yuans Präsent geben zu können.   Er hatte sich die Kapuze seines Sweatshirts, des Regens wegen, tiefer ins Gesicht gezogen, das er kaum etwas von seinem Umfeld mitbekam, als man ihn plötzlich recht ruppig anstieß, auf das ein abschätziges Grunzen folgte.   Wei Ying schaute darauf genauer hin, wer sich hier so großspurig gab.   „Wenn das nicht das Flittchen mit der großen Klappe ist.“, motzte ZiXun mit einem hämischen Grinsen, das Wei Ying nichts Gutes erahnen ließ.   „ZiXun. Ich hab wirklich keine Zeit oder das Bedürfnis mit dir zu spielen, also…“ Wei Ying setzte an weiter zu gehen, als man ihn grob am Arm packte und ein Stück zurückzerrte.   „Nicht so schnell.“ Gott, musste der Typ ihm gerade jetzt und hier mit seinem Überlegenheitskomplex in die Quere kommen!   Wei Ying entzog sich dessen Griff nachdrücklich und gedachte den anderen einfach stehen zu lassen, als sich ein paar weitere Personen vor ihm aufbauten und er ein frustriertes Raunen nicht unterbinden konnte.   Dieser Spinner und seine Affen!   „ZiXun warum bist du nicht einmal ein Mann und erledigst deinen Dreck selbst, huh? Du schwingst gern große Reden darüber wie überlegen du jedem sein willst, nur um dann deine Zombies ins Feld zu schicken.“ Wei Ying setzte trotz der lauernten Meute ein selbstherrliches Grinsen auf. „ZiXun, warum bist du nur so bitter? Ist es dein zu kleiner Schwanz oder dein zu großer Kopf?“ ZiXun zischte aufgebracht und deutete mit einem drohenden Zeigefinger auf ihn, bevor er seinen Lakaien angab sich auf ihn zu stürzen.   Man war so weitsichtig, ihn in eine der Gassen zu zerren, um ungewünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden, bevor man ihm weiter zu Leibe rückte.   Leider musste Wei Ying feststellen, das er schon einmal besser in Form gewesen war, aber was erwartete er auch, wenn er an manchen Tagen gerade so das Nötigste zu Stande brachte, nur um sich danach zu fühlen als wäre er durchweg auf den Beinen gewesen.   Irgendwie endete es früher oder später wohl immer damit, dass man im Pulk auf ihn losging, dass es ihn etwas aberwitzig Auflachen ließ.   „Dämlicher Irrer!“, schnaufte ZiXun über die Köpfe seiner Schläger hinweg, auf seine unangebrachte Reaktion zu dieser Situation.   Doch im Vergleich zu damals, war dies hier beinahe ein Spaziergang im Park.   Trotzdem war es anstrengend genug, sich gegen die Schläge und Tritte zu verteidigen, oder diesen auszuweichen.   Es waren immer noch drei gegen einen.   ZiXun nicht dazugezählt, begnügte er sich damit vom Rande her zuzusehen und sich über ihn erhaben zu geben.   Ein schmerzhafter Tritt gegen sein Knie der ihn zu Fall brachte und ein weiterer Hieb gegen die Seite seines Kopfes ließen ihn sich kurzum benommen fühlen, dass ihm das Aufstehen kaum möglich schien.   „Na, wo ist nun das arrogante Grinsen abgeblieben, huh?“ Er erkannte noch dass sich, nun wo er am Boden war, ZiXun vor ihm aufbaute. Wie die feige Ratte die er war, und er ebenso noch einmal ansetzte ihm einen Tritt in die Seite verpassen zu wollen, dem er trotz seines Zustandes noch auswich, indem er sich zur Seite wegrollte und diesen peinlich ins leere Straucheln ließ.   „Du verdammte Pest!“, wetterte ZiXun in all der lächerlichen Herrlichkeit die dieser verkörpern konnte und Wei Ying rutschte darüber nur ein spottendes Lachen hervor.   Eine Handbewegung von ZiXun und man packte ihn darauf an beiden Armen und zerrte ihn nach oben.   Jemand griff ihm derb an den Haaren und zog seinen Kopf nach hinten.   Wei Ying behielt dennoch ein selbstgefälliges Grinsen bei, das es ZiXun nur noch mehr in Rage brachte.   „Dir werd ich das…“, hörte er ihn toben, als sich mit einem Male eine andere Stimme dazu mischte und diesen in seinem Monolog innehalten ließ.   „Noch immer der Alte, huh? ZiXun? Holst dir einen daran runter, deine schmierigen Finger an jemanden zu legen, gegen den du allein keine Chance hättest. Du bist eine ehrliche Schande! Selbst für Gossenverhältnisse.“ ZiXun und sein Trupp wandten sich geschlossen der Person zu, die recht selbstsicher auf sie zu geschlendert kam, ein gefahrverheißendes, kühles Lächeln auf den Lippen und ein scharfkantiges Funkeln in den dunklen Augen, während sie sich lässig etwas in dem Mund warf.   „Was…was willst du denn hier? Ich dachte dieser debile Gutmensch hat dich an die Kette gelegt.“ ZiXun trat ein paar Schritte zurück, und dirigierte den Rest seiner Lakaien zwischen sich und Xue Yang, der sich davon allerdings nicht wirklich eingeschüchtert zeigte und schlicht weiter auf sie zuhielt.   Es verunsicherte ZiXun soweit, das er befahl von Wei Ying abzulassen, um sich Xue Yang annehmen zu können.   ZiXun war abgelenkt genug, das Wei Ying sich ausreichend sammeln konnte.   Unkoordiniert ließ dieser nun sein Handlanger lospreschen und wurde, mit jedem Körper der daraufhin mit einem leidlichen Japsen zusammensackte, bleicher im Gesicht.   Wei Ying gab zu, das es beeindruckend war, wie Xue Yang ohne viel Aufwand mit diesen Spinnern fertig wurde, nutzte er hauptsächlich deren eigene Plumpheit, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, auf das er dann selbst gezielt nachsetzte.   Wer sich wieder aufrappeln konnte, ergriff die Flucht.   ZiXun war schon daran sich aus dem Staub machen zu wollen, als er ungelenk gegen Wei Ying prallte der sich hinter ihm postiert hatte, um genau auf diesen Moment zu warten.   „Wo soll es denn so eilig hingehen A-Xun?“ Xue Yang hatte nun zu ihnen aufgeschlossen und griff ZiXun fest am Kragen, noch immer dieses irrwitzig wirkende Lächeln im Gesicht, das Wei Ying nur hoffte das die Situation nicht in eine andere Richtung eskalierte.   „Würdest du noch einmal wiederholen, wie du Dào Zhǎng gerade eben bezeichnet hast? Ich bin mir nicht sicher richtig verstanden zu haben.“, forderte Xue Yang in einem harschen und bedrohlichen Ton.   ZiXun gab ein unmännliches Jammern von sich, auf das der bissige Geruch von Urin folgte, der Wei Ying die Nase rümpfen ließ.   Xue Yang und er tauschten einen kurzen Blick, auf das Wei Ying zu Seite trat und Xue Yang ZiXun kräftig nach hinten stieß, dass dieser unbeholfen auf dem Asphalt landete und dort weiter von ihnen zurückkroch.   Es war in der Tat ein erbärmlicher Anblick.   Wei Ying unterdrückte nur knapp den Impuls es mit seinem Smartphone aufzunehmen, um es als Druckmittel für spätere Zwecke parat zu haben, sollte dieser wieder über die Stränge schlagen wollen.   Schließlich stolperte dieser aus der Gasse heraus und sie beide gaben ein synchrones Durchatmen von sich.   „Danke für die Rettungsaktion.“, meinte Wei Ying darauf mit einem Grinsen, das sogleich in ein Zischen wechselte und er den metallischen Geschmack an seinem Mundwinkel mit der Zunge schmecken konnte.   Und das war nicht der einzige Teil der schmerzte, jetzt wo er sich darauf besann.   Er hatte doch das ein oder andere abbekommen.   „Eine gute Tat am Tag, heißt es doch.“ Er rempelte Xue Yang auf diesen Kommentar leicht und kumpelhaft mit der Schulter an.   „Du hast was gut bei mir Kleiner.“ Xue Yang schenkte ihm einen kühlen Seitenblick, kombiniert mit einem abschätzigen „Tsk.“   „Ne Einladung in eines dieser tollen Lokale, von denen du das letzte Mal erzählt hast, wäre ein guter Anfang.“ Wei Ying lachte nun erheitert auf.   „Fragst du gerade nach einem Date Xue Yang?“, hakte er mit wippenden Augenbrauen nach. Xue Yang drehte seinen Kopf zu Seite weg, bevor er ein „Weder mein Typ, noch mein Stil.“ murmelte.   Wei Ying legte ihm darauf locker einen Arm über die Schultern. „Keine Sorge, ich werde es Xiao xiān sheng nicht verraten.“ Xue Yang schaute ihn daraufhin für einen Moment mit einem Ausdruck kindlicher Panik an, bevor er seine Züge wieder zu dieser frostigen Mine schulte.   Treffer.   Warum fiel es ihm bei anderen so leicht die Dinge richtig zu deuten, nur bei sich selbst nicht?   Er konnte einzig ergeben über diese Tatsache raunen.   „Das mit dem Essen geht klar. Gib mir am besten deine Nummer, damit wir das auch auf die Reihe bekommen.“   Xue Yang sagte nichts dazu, zog aber sein Telefon hervor und als Wei Ying einen Blick auf dessen Bildschirmhintergrund erhaschen konnte, fühlte er selbst ein merkliches Ziehen an seinem Herzen, als er ihn mit Xiao xiān sheng in einem Selfie erkennen konnte. Xue Yang mochte genervt darauf erscheinen, während Xiao xiān sheng fröhlich in die Kamera strahlte, doch glaubte er zu erahnen, wie viel Xue Yang dieses Bild bedeuten mochte.   Er hatte einmal überlegt dasselbe mit seinem Hintergrund zu tun.   Es gab ein paar Fotos von diesem Geschichts- Event die Wen Ning von ihnen gemacht hatte und eines davon, zeigte ihn mit Lan Zhan und A-Yuan.   Es wirkte beinahe wie eine kleine Familie.   Eine Vorstellung die ihm stets die Wärme ins Gesicht und eine Sehnsucht ins Herz getrieben hatte.   Aber er hatte sich nicht getraut, befürchtete er das Lan Zhan es womöglich als merkwürdig auffassen könnte, sollte er es mitbekommen.   Er hatte dieses Bild trotz allem noch immer auf seinem Telefon gespeichert.   Sie tauschten ihre Kontaktdaten aus und mit einem leidlichen Stöhnen griff Wei Ying zu seiner Tasche, die im Chaos irgendwo auf dem Boden abgeblieben war.   Ein Blick auf die Uhrzeit sagte ihm allerdings, dass er einiges an Zeit verloren hatte.   Es war ein gutes Stück bis zu Lan Zhans Apartment und Geld für ein Taxi hätte er eh nicht gehabt.   Da musste er wohl sprinten.   Er war gerade dabei sich eilig verabschieden zu wollen, als er ein paar Schritte tat und darauf mit einem Keuchen etwas zusammensank, ob dem fiesen Schmerz in seinem rechten Knie.   „Verdammt!“, murrte er frustriert, auch weil er wusste das, wenn er jetzt einen Rückzieher machen musste, er morgen womöglich schon wieder zu feige sein würde, sein Vorhaben, Lan Zhan zu besuchen, durchzuziehen.   „Hast du irgendwo zu sein?“, erkundigte sich Xue Yang und Wei Ying ließ unglücklich die Schultern und den Kopf hängen.   „Ich hab womöglich ziemlichen Mist gebaut und war auf dem Weg es wieder geradebiegen zu wollen, als XiZun und sein Gefolge mich abgefangen haben.“   Xue Yang machte darauf einen Kopfzeig aus der Gasse heraus. „Vielleicht kann ich aushelfen.“   Wei Ying staunte nicht schlecht, als sie vor einem Motorrad stehen blieben. Es war bei Weitem kein neues Modell aber es sah hingebungsvoll aufgearbeitet aus.   „Deins?“   „Dào Zhǎng meinte, ich bräuchte etwas das mich fordert und beschäftigt. Keine Ahnung, wo er sie aufgetrieben hat, aber zusammen haben wir sie wieder fit bekommen.“ Xue Yang zeigte ein sanftes Lächeln, das ihm womöglich nicht bewusst war.   „Hab sie JiangZai genannt.“, meinte er mit einem selbstgefälligen Grinsen.   Er drückte ihm folglich den Zweithelm gegen die Brust den er aus dem Sitzfach genommen hatte und setzte sich selbst den auf der am Lenker hing.   „Halte ich dich auch nicht von irgendetwas ab?“, erkundigte sich Wei Ying, während er sich hinter ihm auf dem Sitz platzierte.   „Nicht wirklich. Hatte eh nur ne Runde gedreht. Wollte die Maschine eigentlich in der Gasse abstellen, um was zu besorgen, als ich euer Tänzchen mitbekommen habe.“ Dann startete er das Motorrad, ließ sich aber noch von Wei Ying die Route auf dessen Smartphone zeigen.   Sie waren schneller an ihrem Ziel, als es Wei Ying verarbeiten konnte, was ihn auch etwas schwerfällig absteigen ließ und er den Helm zurückreichte.   Merklich unentschlossen schaute er auf den gepflegten Gebäudekomplex und atmete einmal tief durch.   Und noch einmal…   Und noch einmal… bis ihn ein hilfloses Jammern wieder den Kopf hängen ließ.   Jemand stippte ihn von hinten an und er erkannte das Xue Yang noch immer hinter ihm stand. Dieser reichte ihm etwas und Wei Ying streckte seine Hand danach aus.   Es waren ein paar bunt verpackte Bonbons, auf das er Xue Yang fragend ansah.   Dieser zuckte abtuend mit den Schultern.   „Dào Zhǎng steckt mir immer welche zu, um mich vom Rauchen wegzubringen. Vielleicht bringen sie auch deinen Nerven was.“ Damit schob er sich das Visier nach unten und war schließlich wieder auf und davon.   Wei Ying schaute auf die fröhlich verpackten Naschereien und nahm sich schließlich das rote davon.   Der scharfe und leicht süßliche Geschmack, erinnerten ihn an Zimt und Honig.   Es war ein Sinnesreiz der seinen Kopf etwas von dem vorherrschenden Durcheinander befreite.   Er hatte Glück das die Person am Empfang gerade mit einem Telefonat beschäftigt war, bei welchen man ihm den Rücken zugewandt hielt und er sich vorbeischleichen konnte, war er sich sicher das man ihn nicht so einfach durchgelassen hätte, selbst wenn er weniger mitgenommen aussehen würde.   Lan Zhans Apartment war im 12. Stock, doch konnte Wei Ying den Fahrstuhl noch nicht nutzen, lief er sonst Gefahr auf sich aufmerksam zu machen, lagen diese im Blick der Anmeldung.   Also stahl er sich ins danebenliegende Treppenhaus und kämpfte sich eine Etage nach oben, von welcher er dann den Aufzug nutzte.   Er fühlte sich derart ausgepowert, als er schließlich vor Lan Zhans Tür stand, aber nun wo er schon so weit gekommen war, wollte er es auch durchziehen. Am Ende würde Lan Zhan ihm vielleicht gar nicht zuhören wollen und ihn vor der Tür stehen lassen.   Es war ein Gedanke, der ihn erneut zögern ließ die Klingel zu betätigen.   Aber selbst wenn es so kommen sollte. Er hatte es versucht.   Dennoch zitterte seine Hand, als er den Knopf schließlich drückte.   Er versuchte sich, so gut es ihm möglich war, zu sammeln, bevor die Tür auch schon aufging und er beim Anblick des Mannes vor ihm von einem überwältigenden Mix an Gefühlen überkommen wurde.   Unsicherheit. Sehnsucht. Reue.   „Uhm…hey.“, meinte er darauf schlicht und lächelte etwas schief.   *** Dào Zhǎng – taoistischer Priester (hier Xue Yangs Spitzname für Xiao XingChen) Kapitel 11: ------------ Als WangJi die Tür öffnete, hatte er eigentlich angenommen, dass es sein Bruder wäre, besuchte ihn um solch eine Zeit eigentlich sonst niemand mehr.   „Uhm…hey.“   Wei Ying vor sich stehen zu sehen, erschien ihm im ersten Moment wie eine Erscheinung, dann fiel ihm sofort dessen zerschundenes Gesicht und das im Ganzen recht mitgenommene Aussehen auf, das er besorgt näher an diesen herantrat, sich aber gerade noch besinnen konnte die Hand, die er ausgestreckt hatte, wieder zurückzuziehen und ebenso wieder einen Schritt zurückzutun.   „Wei Ying.“ Dieser lächelte etwas hölzern und schaute merklich nervös, bevor er sich leicht räusperte und ihm folglich mit einem entschlossenen Blick begegnete.   „Lan Zhan, können wir reden? Es gibt da ein paar Dinge die womöglich etwas missverstanden worden sind.“   Wei Ying lächelte abermals steif.   WangJi war über dessen Anliegen zwar ein wenig überrascht, nickte aber schließlich und trat zur Seite um ihm anzugeben, dass er hereinkommen solle.   „Danke.“, meinte dieser und setzte an seiner Aufforderung folgen zu wollen, als er unter einem angestrengten Murren, über den ersten Schritt, ins Straucheln geriet und er ihn aus einem besorgten Reflex auffing, indem er ihm entgegen kam. Mit einem überraschten Keuchen landete dessen Gewicht gegen seinen Oberkörper, dass er einen sichernden Arm um Wei Ying legte, um ihm besseren Halt geben zu können.   Und für den nächsten Augenblick blieben sie in dieser Position, ohne dass sich einer von ihnen gerührt hätte.   Doch spürte WangJi sein Herz in einem wilden Takt in seiner Brust schlagen, sicher dass es Wei Ying auf diese Nähe nicht entgehen konnte.   „Ich glaube, ich sollte mich vielleicht setzen.“, murmelte dieser schließlich und WangJi vernahm die Erschöpfung in dessen Stimme.   WangJi war im Begriff ihn wieder loszulassen, um ihm den nötigen Raum zu geben, als dieser nach seinem Arm griff.   „Ich könnte etwas Hilfe gebrauchen, sonst passiert das gleiche wie gerade eben.“ WangJi nickte verstehend und legte sich einen Arm von Wei Ying über die Schultern. Mit dem anderen stützte er ihn um dessen Hüfte, bis sie die Couch erreicht hatten.   Mit einem erleichterten Seufzen nahm dieser Platz.   „Es tut mir leid, wenn ich ungelegen gekommen bin. Ich schwöre ich verschwinde hiernach sofort wieder.“   Wei Ying fuhr sich mit einer Hand über seinen zerzausten Haarschopf und schüttelte folglich seinen Kopf.   „Ok, wo soll ich am besten anfangen.“ Es war nicht so das WangJi nicht wissen wollte was Wei Ying zu sagen hatte, doch war dessen leidlicher Anblick einfach nicht für ihn zu ertragen und er ergriff das Wort seinerseits, bevor der andere hätte erneut ansetzten können.   „Lass mich zuerst nach deinen Verletzungen sehen. Sie müssen schmerzhaft sein.“ Wei Ying schaute darauf zu ihm und schien unentschlossen. Etwas womit WangJi hätte rechnen müssen, hieß dessen Auftauchen hier nicht automatisch, das er seine Fürsorge begrüßen würde.   „Es ist nichts weiter.“, war dann auch schon die Antwort und es ließ WangJi seine unsichere Zurückhaltung außen vor lassen, entsprach dies offensichtlich nicht der Wahrheit.   „Lass mich danach sehn und wir können reden. Ich weiß ich bin jemand den du nicht mehr länger als notwendig um dich haben möchtest, doch kann ich nicht ignorieren, das dir etwas zugestoßen sein muss. Wenn es dir lieber wäre, fahre ich dich auch zu einem Arzt. Bitte, Wei Ying, ignoriere nicht wenn es dir schlecht geht. Es gibt Menschen die sich Sorgen um dich machen. Deine Schwester, A-Yuan, Wen Ning…“   Anzufügen das er sich ebenso sorgte, empfand er allerdings als unangebracht.   Nachdem Wei Ying nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, zählte seine Besorgnis wohl auch am wenigsten bis gar nicht mehr.   „In Ordnung. Ich wollte bloß keine Umstände machen, wenn ich schon so unangemeldet deinen Abend ruinieren gekommen bin.“ Es lag ihm auf der Zunge zu sagen, dass er nichts ruiniert habe. Dass er wirklich froh war ihn zu sehen, doch nickte er abermals nur und holte schließlich das Nötige aus dem Badezimmer.       Während sich Lan Zhan um seine Blessuren kümmerte, befand sich Wei Ying in einem ständigen Hin und Her der Emotionen und auch des Schmerzes, brannte die Desinfektion auf seinen Wunden reichlich, dass es ihn oft genug das Gesicht verziehen ließ.   Er hatte mindestens schon drei Mal ansetzen wollen ein Gespräch anzufangen, doch wusste er einfach nicht so richtig was er sagen sollte.   Sollte er mit simplen Smalltalk starten, bevor er zum eigentlichen Grund seines Hierseins kam?   Sollte er einfach sagen was ihn dazu gebracht hatte herzukommen und dann wieder verschwinden, wie er es vorhin gesagt hatte?   Oder wäre es besser einfach wieder zu gehen, war offensichtlich das Lan Zhan mit seiner Anwesenheit nicht so recht umzugehen wusste.   Dieser hatte ihn nur einmal wirklich angesehen, als er die Tür für ihn geöffnet hatte. Von da an wirkte er derart steif und verhalten, das Wei Ying beinahe dem Impuls nachgab, diesen aus seiner Haltung schütteln zu wollen, brachte diese distanzierte Art ihn ebenso dazu, sich wieder so ungemein nervös zu fühlen.   Kurz bevor Lan Zhan sich seiner annahm, hatte er in dessen Gesicht diesen gepeinigt wirkenden Ausdruck einfangen können, während dessen Hand quasi in der Bewegung eingefrohren war, gefolgt von der unsicher klingenden Frage, ob es in Ordnung sei, wenn er ihn berührte.   Eine Frage die seltsam erschien, hatte er ihn quasi schon aufgefangen und zur Couch geholfen. Doch, so ging es Wei Ying durch den Sinn, war dies nicht mit tatsächlichem Hautkontakt geschehen.   Eine Tatsache die ihm so vollkommen entgangen wäre.   Lan Zhan hingegen schien sich dem nur zu gewahr und es ließ Wei Ying innerlich schuldbewusst seufzen.   „Es ist okay.“, hatte er ihm versichert.   Und das war es wirklich, wie er feststellen konnte.   Kein Verlangen sich den vorsichtigen Fingern, die ihn verarzteten, entziehen zu wollen oder sich unwohl darunter zu fühlen.   Als er ihn vorhin zu Gesicht bekommen hatte, konnte er nicht bestreiten, das es ihn in einem gewissen Maße glücklich gemacht hatte.   Als er dann unbeabsichtigt in dessen Arme gestolpert war, konnte er nicht bestreiten, dass es sich wirklich gut angefühlt hatte von ihm gehalten zu werden.   Als dieser ihn gebeten hatte sich um seine Verletzungen kümmern zu können, konnte er nicht bestreiten, dass es ihn mit einer Wärme ausfüllte, die dessen Führsorge schon früher in ihm zum Blühen gebracht hatte.   Es mochte einfach nur Lan Zhan gewesen sein, dass dieser sich so hilfsbereit gab. Aber genau das war eben eine Eigenschaft gewesen, die ihn Stück für Stück mehr für diesen hatte empfinden lassen, als er je beabsichtigte.   Deswegen war seine Enttäuschung auch so alles verzehrend gewesen, als er sich mit der Option konfrontiert sah, dass dieser nur mit ihm gespielt haben musste.   Seit seinem Gespräch mit Lan XiChen allerdings, hatte er nicht mehr unterdrücken können Lan Zhan noch einmal sehen zu wollen, um genau das zu tun, um was ihn dessen Bruder gebeten hatte.   Sollte er Lan Zhan tatsächlich Unrecht getan haben, dann wollte er ihm diese Bürde wieder nehmen wollen.   Der Mann den er kennengelernt hatte, hatte es verdient von seiner egoistischen und von Selbstzweifeln diktierten Schuldzuweisung befreit zu werden.   Lan Zhan lehnte sich auf seine Fersen zurück, als er mit seinem Gesicht soweit fertig schien.   „Lass mich auch einen Blick darauf werfen.“ Er deutete auf sein rechtes Bein und zu Wei Yings Entsetzen musste er feststellen, das er noch immer seine schmutzigen Schuhe trug und man die Abdrücke davon schon auf dem cremefarbenen Läufer vor der Couch erkennen konnte.   Er war wirklich ein Desaster!   „Oh, Sorry! Ich hätte sie ausziehen sollen. Ich…“ Er fummelte etwas ungelenk an der Schnürung seiner Stiefel herum. Darauf gab er ein ungewollt lautes und schmerzerfülltes Grollen von sich, als er den Rechten eher unsanft von seinem Fuß streifen wollte, sein Knie dabei aber so unbedacht verdrehte,das er sich einen Moment nach hinten lehnen musste, um sich mit tiefen Atemzügen wieder zu sammeln.   „Das war wohl keine gute Idee.“, lachte er durch den Schmerz hindurch und rieb sich erschöpft über sein Gesicht.   Er wurde mit einem Male wirklich müde.   „Wei Ying?“ Lan Zhan klang abermals besorgt und es ließ ihn sacht Lächeln.   „Was ist vorgefallen?“, hakte dieser nun auch nach, konnte er sich vorstellen, dass ihm diese Frage schon die gesamte Zeit über auf der Zunge gelegen haben musste, er sich aber zurückgehalten hatte, um nicht zu aufdringlich zu erscheinen.   Wei Ying atmete in einem tiefen Seufzen durch und legte seinen Kopf auf die Rückenlehne.   „Manche Leute mögen einen einfach nicht, selbst wenn man ihnen nie wirklich etwas getan hat. Es ist ihr Ego oder irgend sowas.“  Lan Zhan sagte nichts darauf und Wei Ying linste mit einem Auge zu ihm.   Er hatte seinen Blick gesenkt und schien in Gedanken vertieft, die Wei Ying nicht dreist genug war zu hinterfragen.   Vielleicht dachte er, dass er mit seiner Art solche Anfeindungen ja regelrecht provozierte und sich demnach nicht zu wundern brauchte.   Wei Ying schüttelte mit einer selbstermahnenden Miene leicht den Kopf.   Nur weil er so dachte, musste es nicht jeder andere ebenso empfinden.   Bei Lan Zhan, so wie er ihn kannte, erschien es sogar sehr unwahrscheinlich.   „Lan Zhan, lass uns reden. Sonst verliere ich nur den Mut. Okay?“ Er setzte sich nun wieder so, dass er den anderen direkt ansehen konnte und zu seiner Überraschung tat es Lan Zhan ihm gleich.   Ein Zug der Wei Ying kurz aus der Bahn warf, und er Lan Zhan einen Moment einfach nur weiter ansah.   Womöglich griff es dieser so auf, dass er darauf wartete, dass er zuerst etwas sagte und tat dies somit auch.   „Wei Ying. Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht ehrlich zu dir gewesen bin. Ich habe es zu spät verstanden.   Leider bin ich nicht sonderlich gut in diesen Dingen. Es ist etwas das ich mir nicht habe selbst beibringen können auch wenn mein Bruder oft genug meinte, ich solle außerhalb der Arbeit mehr unter Leute gehen.   Allerdings hatte ich nie das Bedürfnis oder einen nennenswerten Grund dafür und es beeinflusste mein Leben nie wirklich. Ich bin es gewöhnt allein zu sein. Es hilft mir mich zu sortieren und meine Gedanken zu klären.“   Wei Ying überkam wieder dieses zwickende Gefühl, dachte er daran wie er sich trotz allem in dessen Leben, dessen Alltag hineingequetscht hatte. Nicht zum ersten Mal kam ihm die Erkenntnis, dass er ebenso einen Part in dem Ganzen gespielt hatte und die Schuld für das Fiasko nicht allein bei Lan Zhan lag.   Und das wollte er ihm auch sagen, doch ließ er den anderen erst einmal weiterreden.   „Mit dir waren die Dinge jedoch komplett anders. Du fasziniertest mich seit wir uns das erste Mal begegneten, auf eine Art die ich so nicht gewohnt war. Du bist ein so fesselnder Charakter, dass der Wunsch dich um mich haben zu wollen immer stärker wurde. Ich schätzte unsere Freundschaft und war dankbar das du gewillt warst mir diese zu schenken.“ Lan Zhan hielt einen Moment inne und wirkte darauf sichtlich angespannt.   „Aber es wäre gelogen, würde ich sagen, dass das alles war, was ich mir gewünscht habe. Und vielleicht war es wirklich das Beste, das du mich aus deinem Leben geworfen hast, denn…denn ich konnte einfach nicht anders, als mich in dich zu verlieben.“ Hier schluckte dieser schwer und senkte seinen Blick, gefolgt von seinem sich leicht nach vorn beugenden Oberkörper. „Verzeih.“   Wei Ying wusste ohne Zweifel, dass dieser es ehrlich meinte.   Dass er sich für seine unbeholfene Art und schweigsamen Charakter endschuldigte, wie auch dafür etwas für ihn zu empfinden, von dem er ausging, das es ihm eine unangenehme Last sein musste.   Auf kurz oder lang waren sie beide wirklich zwei ungelenke Tölpel.   „Lan Zhan, schau mich an. Hey. Na los, schau mich an.“ Man folgte seiner Bitte mit einem resoluten Gesichtsausdruck der aussagte, dass dieser sich nun sämtlichen Konsequenzen widerstandslos stellen würde und es ließ Wei Ying innerlich etwas mit den Augen rollen.   Es war der Schalk, wie auch der Übermut nicht allein mit diesem Gefühl zu sein, der ihn denken ließ `Na, gut, wenn den so ist, dann stelle dich dieser Konsequenz.´ als er sich wortlos nach vorn beugte und ihn einfach küsste.   Lan Zhan verspannte sich noch etwas mehr, das Wei Ying schon befürchtete, dass es ihn wie Glas zerspringen lassen würde, worauf er sich wieder zurückzog und in dessen irritiertes und verschreckt erscheinendes Gesicht schaute.   Wei Ying legte den Kopf etwas schief und zog die Augenbrauen zusammen.   „Du siehst nicht wirklich glücklich darüber aus.“, stellte er fest und hoffte bei allen Göttern, das er nicht schon wieder einen riesen Fehler begangen hatte, indem er etwas falsch verstand.   Seine Augen weiteten sich demnach in Panik, als Lan Zhan ihn nur weiterhin so zwiegespalten ansah, als ihm ein Gedanke kam.   Dachte dieser womöglich er wolle ihn nur veralbern?   Am Ende kämpfte Lan Zhan nicht gegen weniger Selbstzweifel als er und es machte ihm das Herz schwer, hatte er diese Option bis jetzt gar nicht in Betracht gezogen.   „Lan Zhan?“ Er legte ihm eine Hand an die Wange und lächelte warm.   „Ich mag dich ebenso. Deswegen war ich auch so enttäuscht, als ich annehmen musste, dass ich nur ein Zeitvertreib für dich war. Ich wollte einfach mehr für dich sein. Aber ich dachte, dass ich mir nichts vormachen brauche. Das jemand wie du, selbst ohne dieses dumme Missverständnis, nie an jemandem wie mir interessiert sein würde. Ich…“ Ein Funkeln zeigte sich in Lan Zhans Augen, das sich über dessen folgende Worte als Teil eines Tadels entpuppte.   „Du bist ein großartiger Mensch Wei Ying.“ Er sprach dies derart resolut aus, das es Wei Ying die Sprache verschlug, dem in einem eingespeicherten Reflex zu wiedersprechen. Stattdessen schmunzelte er, als Lan Zhan nun beide Hände sanft an seine Wangen legte und mit den Daumen darüber strich.   „Für mich bist du jemand ganz Besonderes. Am Ende bin ich derjenige der…“ Wei Ying war schnell dabei ihm einen Zeigefinger auf die Lippen zu legen, um diesen in seiner Selbstverurteilung zu unterbrechen.   Sie kämen nirgendwo an, wenn sie dies fortführen würden.       Als Wei Ying ihn so urplötzlich küsste, schien der Moment in sich stillzustehen, war WangJi völlig überfordert mit diesem Werdegang, dass er sich ebenso nicht erlaubte es zu tief in sein Inneres vordringen und dort ankommen zu lassen, wo all seine Gefühle für Wei Ying ihr Nest gebaut hatten.   Denn Hoffnung war in diesem Augenblick etwas das er nicht wagte zuzulassen.   Aber es war so unsäglich schwer.   Als sich Wei Ying wieder von ihm zurückzog wartete er einzig darauf, dass dieser ihm sagen würde, dass es ein Scherz gewesen sei, dass es seine Art von Revanche gewesen war und sie nun quitt wären.   Und er hätte es hingenommen.   Herzschmerz und jammernde Sehnsucht inbegriffen.   Wenn es das war, was sie womöglich wieder zu ihrer Freundschaft zurückführen würde, dann hätte er es akzeptiert.   Die letzten Wochen waren für ihn eine wirkliche Herausforderung. Denn egal was er tat, wo er war, mit wem er sich auch unterhielt, Wei Ying war eine beständige Präsenz in seinem Kopf gewesen.   Er vermisste ihn so unsäglich.   Er fühlte sich so einsam und miserabel.   Es war eine Leere in sein Herz gezogen, die sich einfach mit nichts auffüllen ließ. Sie wurde nur größer mit all der Reue und Schuld die beständig an dessen Rändern fraß und ihm nichts weiter übrig blieb, als es hinzunehmen.   Nicht nur einmal hatte er sein Telefon in der Hand gehalten und minutenlang auf Wei Yings Nummer geschaut nur um es dann wieder wegzulegen.   Er wollte ihm nicht lästig werden.   Dass er ihm diese Unterlagen zum Lernen für seine Prüfungen versucht hatte zukommen zu lassen, war ebenso auch der Versuch eines Abschlusses gewesen, doch war es naiv von ihm, anzunehmen, dass es derart einfach sein würde.   Natürlich hatte er sich ständig gefragt, ob dieser mit allem zurechtkam. Ob er weiter Fortschritte machte. Ob er am Ende erfolgreich gewesen war.   Wei Ying hätte es sich wirklich verdient. Wie so viele andere gute Dinge auch, die er ihm nur zu gern ermöglichen hätte wollen.   Doch er hatte es ruiniert.   Und nun schaute man ihn mit einem ebenso unerwartet irritierten Ausdruck an, dass er einfach nicht mehr wusste, was es in dieser Situation zu tun galt.   Also blieb er reglos und durcheinander, bis ihm Wei Ying eine kühle Hand auf die Wange legte und ihn mit einem Lächeln bedachte, das ihm sofort wieder ins Herz zog. Die Leere zurückdrängte.   Ihn darauf sagen zu hören, dass dieser ihn ebenso mochte, änderte nichts an seiner Starre, fühlte er sich gerade etwas von der Realität entfremdet.   Sollte er tatsächlich solch ein Glück haben?   Erst als Wei Ying meinte, dass dieser sich nicht gut genug für ihn hielt, sprang er in seine Form zurück und seine Wiederrede kam ihm in ehrlicher Selbstverständlichkeit über die Lippen.   Auf welche Wei Ying schließlich einen Finger legte, und er darunter wieder verstummte.   „Einigen wir uns darauf, dass wir beide noch einiges zu lernen und herauszufinden haben, was den anderen angeht. Okay? Es mag scheinheilig klingen wenn ich es sage, aber ich denke es tut keinem von uns gut, wenn wir ständig an uns selbst zweifeln. In Zukunft sollten wir einfach die Sachen beim Namen nennen, wenn uns etwas verunsichert oder missfällt.“ Wei Ying klang so überzeugend und in sich etwas mehr gereift, dass es WangJi zugetan lächeln ließ. Auch weil dessen Worte andeuteten, dass es eine Zukunft geben würde die sie zusammen zeigte.   Es brachte eine Überschwänglichkeit mit sich, die ihm ebenso unbekannt war und es seinen Körper fast zum Vibrieren brachte.   „Du hast Recht. Ich möchte ebenso, dass wir es zusammen versuchen. Wei Ying. Solange du mich bei dir haben willst.“   Dieser rollte nun mit den Augen, doch lächelte er darüber und legte ihm folglich beide Arme um den Hals. Sah ihn offen und sanft an.   „In Ordnung. Da wir das geklärt haben.“ Er brachte ihre Gesichter noch etwas mehr zusammen. „Darf ich dich noch einmal küssen Lan èr gē ge?“, wisperte er mit einem verschmitzten Schmunzeln, wohl weil er merkte das ihn dieser Titel etwas verlegen werden ließ.   „Mn.“, brachte er somit etwas kratzig hervor und diesmal kam er Wei Ying bereitwillig entgegen.   Es war ein Gefühl, als würden sich bewusste wie auch unbemerkte Fesseln um ihn lösen.   Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals zuvor derart befreit und von solch einem ungestümen Wirbel an Emotionen eingenommen gefühlt zu haben, dass es ihn tatsächlich etwas taumelig machte.   Ein leises, aber hörbares Zischen stahl sich von Wei Yings Seite dazwischen und WangJi zog sich ein wenig zurück um diesen anzusehen. Wei Ying leckte sich mit der Zungenspitze über die Blessur an seiner Unterlippe. Er wirkte nun auch merklich schläfriger als zuvor, dass er diesem mit einer Hand gegen dessen Brust aufhielt, als er sich wieder zu ihm lehnte.   „Du solltest dich erst einmal richtig ausruhen. Außerdem habe ich noch nicht den Rest deiner Verletzungen gesehen. Wir sollten damit nicht leichtfertig sein.“, erklärte er ihm, was Wei Ying sofort ein Schmollen aufsetzen und trotzig murren ließ.   Dann jedoch stahl sich wieder dieses kecke Grinsen auf sein Gesicht.   „Dafür müsste ich erst aus meiner Hose raus.“ Er wippte albern mit den Augenbrauen, während es WangJi warm auf den Wangen wurde.   Wei Yings unbefangenes, amüsiertes Lachen das darauf folgte, war der schönste Klang den er seit langem gehört hatte.   *** Lan èr gē ge – Zweiter großer Bruder Lan     *** So, an dieser Stelle möchte ich auf etwas eingehen, das mir in letzter Zeit öfter wieder untergekommen ist und ich finde, dass man es vielleicht einmal ansprechen sollte. So als Smut Veteran. Das Thema wäre Analverkehr. Ich habe über die Jahre selbst einiges an homoerotischen Smutszenen geschrieben und wesentlich mehr gelesen. Natürlich fängt jeder einmal an. Manche lesen es zwar gern, aber würde es nicht selbst schreiben. Manche sind nur wegen dem Smut dabei. Manche brauchen ihn für eine gute, intensive BL Story auch gar nicht. Und alles davon ist vollkommen in Ordnung. Ehrlich. Aber, wenn man solche Szenen schreiben möchte, gibt es doch das ein oder andere, von dem ich das Gefühl habe, dass man es mal erwähnt haben sollte. Analverkehr ohne Gleitmittel wird für keinen der Beteiligten ein angenehmes Erlebnis werden. Im Gegenteil! Es führt eher zu Verletzungen und die können in dieser Region wirklich zu ner fiesen Sache werden. Der Anus ist nicht ausgelegt, wie das weibliche Geschlechtsorgan. Er gibt kein Eigensekret zum feucht machen ab und ist von Natur aus nicht darauf ausgelegt Dinge eindringen zu lassen. Man sollte sich somit ausreichend Zeit mit der Vorbereitung lassen und auch auf seinen Partner eingehen. Und Nein, Speichel oder Schweiß ist kein Ersatz für ein vernünftiges Gleitmittel! Eine aufgezwungene/gewaltsame Penetration des Anus ist ebenso Vergewaltigung! Nun hat ja, was Smut Fan Fiktion betrifft, jeder so seine Vorlieben. Manche finden Gefallen daran wenn ihr OTP hart zur Sache geht im Bett (oder wo auch immer) Manche stören sich nicht an einer Vergewaltigung (können ihr sogar einen romantischen Aspekt abgewinnen, was mir jedoch etwas unverständlich ist) Manche wollen, dass ihr OTP immer und überall übereinander herfällt. Manche mögen es, wenn es spontanen oder überraschenden Sex gibt. Manche mögen es wenn ein Part ihres OTP darauf abfährt, wenn er bei Sex Schmerzen erleidet. Und auch das ist jedem selbst überlassen es gut zu finden. Allerdings gibt es auch Leser denen unvorsichtiger Smut die Freude am Lesen nimmt. Ich bin zum Beispiel eine dieser Personen. Umso mehr enttäuscht es mich, wenn solche Szenen in populären Novels vorkommen. Und ich finde es ebenso etwas unverantwortlichem Analsex in dieser uninformierten Art darzustellen, denn viele jüngere Leser/Autoren denken am Ende das es tatsächlich ok so ist, weil sie es nicht besser wissen. Auch wenn man nicht ständig eine große, ausführliche Smutszene schreiben will, gibt es Wege, den Analsex angenehmer darzustellen, wenn man den Bottom seines OTP nicht absichtlich leiden lassen will. Auch muss es nicht immer gleich Analsex sein. Ein Hand-oder Blowjob kann auch zureichen, und kann ebenso ausgebaut werden, dass es die gewünschte Atmosphäre mit sich bringt. Es gibt Gleitgel in kleinen Packung die man wie ein Kondom auch mit sich führen kann. Man kann den Bottom seines OTP sich schon vorbereitet haben. Er könnte einen Plug tragen. In Stories mit Fantasy/Magie Anteil kann man selbst kreativ werden. Selbst anatomisch gesehen (siehe z.b. ABO Geschichten) Man muss nicht mal direkt über das Vorbereiten für kommenden Analsex schreiben, wenn es einem zu fade ist. Man kann es schlicht Andeuten und dann zum eigentlichen Akt überwechseln. Diese Text, soll keine Standpauke sein. Sondern eine gutgemeinte Information. Es gibt ebenso Webseiten, wo man sich zu dieser Thematik belesen kann. Ich zieh mir das also nicht einfach nur aus den Fingern. Jedem Autor ist es aber immer noch selbst überlassen, was er mit seiner Story und seinen darin vorkommenden Charakteren anstellt. Ich persönlich mag es wenn mein OTP happy wird/ist. Wenn der Smut Qualität hat, umso besser. Und auch ich lerne immer noch dazu. Lasse mich von anderen Autoren inspirieren oder bewundere ihre Art wie sie eine Geschichte zum Leben erwecken können. Wir können alle voneinander lernen und die Welt der Fan Fiktion damit nur umso besser und umfangreicher machen. In diesem Sinne, lass euch die Lust am Schreiben und Kreativsein nicht nehmen. LG   YMW Kapitel 12: ------------ „Wenn dein Grinsen noch breiter wird, teilt es dir den Kopf.“ Wei Ying schaute Jiang Cheng auf diese Begrüßung hin genau mit diesem Grinsen an, was seinen Bruder leicht den Kopf schütteln ließ, bevor dieser sich setzte. Wei Ying hatte seinen Abschluss mit Bravur bestanden, was auch den Grund für ihr kleines Zusammentreffen darstellte.   Er hatte die guten Neuigkeiten natürlich auch mit seinen Geschwistern geteilt und Jiějiě hatte sofort vorgeschlagen dies in ihrem Lokal gebührend zu feiern.   Nur sie drei unter sich.   Es dauerte ein wenig, doch schließlich hatten sie einen Abend finden können, den sich jeder von ihnen frei halten konnte.   Zudem war es eine passende Gelegenheit die beiden in etwas einzuweihen.   Auf dem Tisch vor ihnen befanden sich bereits diverse Schüsseln und Teller, das Wei Ying seinen Bauch ungeduldig knurren spürte.   Er war gerade dabei sich etwas Wein einzuschenken und dies auch Jiang Cheng anzubieten, der kurz den Kopf schüttelte. „Ich muss noch fahren.“, informierte dieser ihn und Wei Ying raunte verstehend.   Man stieß ihn kurzdarauf leicht in die Seite, als er seine Weinschale wieder auf den Tisch gesetzt hatte, worauf Jiang Cheng ihm etwas zuschob, das in einer schicken Papiertüte daher kam.   Etwas überrascht über diese Geste schaute Wei Ying ihn an. Sein Bruder deutete mit einer stummen Kopfbewegung an, dass er es endlich auspacken sollte und es erheiterte Wei Ying, ihn darüber etwas verlegen zu erleben.   „Wow.“, war alles was ihm im ersten Moment möglich war vorzubringen, als er das neue Smartphone in seiner Hand hielt. Es war ein brandneues Modell und zudem noch in seiner Lieblingsfarbe. Rot.   Ihre Schwester setzte sich nun ebenso mit dazu, nachdem sie die letzten Speisen aufgetischt hatte und lächelte liebevoll.   „Wir wollten dir damit zu deinem Abschluss gratulieren. Wir haben uns hineingeteilt, aber A-Cheng hat es ausgesucht.“, meinte sie und füllte ihnen die Schüsseln mit Suppe.   Wei Ying wusste nicht was er dazu sagen sollte.   Sie hatten sich schon ewig keine Geschenke mehr gemacht.   Er hätte es sich nicht leisten können und er wusste, dass man ihm die Unannehmlichkeit ersparen wollte etwas bekommen zu haben, es aber nicht erwidern zu können. Was Jiějiě nie davon abgehalten hatte ihm dennoch heimlich ein paar Yuan zuzustecken, ob zu Neujahr oder seinem Geburtstag.   Sie tat stets so als wüsste sie von nichts, wenn er sie darauf ansprach und da sie ebenso stur sein konnte wie der Rest der Familie, machte es nie Sinn dagegen zu protestieren.   Er war ihr trotz allem immer dankbar dafür.   Solch ein extravagantes Geschenk ließ seine Augen aber schon ein wenig feucht werden.   „Nun kannst du auch die Ausrede stecken lassen, dass es nicht richtig funktionieren würde, um einen abzuwimmeln.“, informierte ihn Jiang Cheng mit einem wissenden, mürrischen Ton und Wei Ying sparte es sich, sich ertappt zu fühlen. Er wusste, dass man ihn in dieser Hinsicht eh schon lange durchschaut hatte.   Dennoch war es stets eine brauchbare Notlüge gewesen, um sich abschotten zu können.   „Danke. Ihr seid meine Lieblingsgeschwister.“ Damit erhob er sich und rückte zu seiner Jiějiě auf, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, dann grinste er Jiang Cheng an der ihm ein drohendes „Wag es dir ja nicht!“ entgegengrollte, was Wei Ying jedoch nicht davon abhielt es trotzdem so aussehen zu lassen, als wolle er es versuchen.   „Spinner!“ Jiang Cheng wischte sich über seine Wange, wo er ihn zwar nicht geküsst aber mit seiner Zunge drüber geleckt hatte.   Dann holte dieser noch etwas aus seiner Umhängetasche, dass in elegantes Papier mit lilafarbenen Lotusmotiv verpackt war.   „Das ist von Mom und Dad. Du kannst dich persönlich bei ihnen bedanken, wenn du zum Frühlingsfest nach Hause kommst.“   Dass es keine Bitte war, war typisch für seinen Bruder. Wie all die anderen Male, wenn er ihn dazu bringen wollte für Feierlichkeiten mit der Familie zusammen zu kommen.   Aber vielleicht war es wirklich Zeit nicht länger davor davonzulaufen?   Er beäugte das rechteckige, dünne Päckchen und schüttelte es alberner Weise auch einmal, dass es ihm vielleicht schon mal verraten würde was es sein könnte.   Womöglich ein Buch.   Womöglich ein Buch darüber, wie man seine Finanzen am besten managen konnte, das Madam Yu extra nur für ihn herausgesucht hatte.   Er verzog automatisch etwas das Gesicht über diese nicht unwahrscheinliche Option.   Dann allerdings, blieb ihm zum zweiten Mal an diesem Abend der Mund offen stehen.   Es war kein Buch, sondern ein Laptop.   Er war bis jetzt noch immer nicht dazu gekommen sich einen neuen zu holen. Aber woher…?   „Sie fragten was du gebrauchen könntest und ich erzählte ihnen davon.“ Jiang Cheng hatte seine Wortlosigkeit und die fragend dreinschauende Miene richtig gedeutet und zuckte nun leicht mit den Schultern.   „Besser als der Jahresgutschein für einen Frisör, wie es Mom vorgeschlagen hatte.“   Seine Schwester legte eine Hand auf die seine, als ihm nun doch die Augen aus einen sentimentalen Impuls doch noch wässrig wurden und drückte diese sanft.   „Sie sind ebenso stolz auf dich A-Xian. Sie wissen, dass du hart für dieses Ziel gearbeitet hast. Deswegen wäre es wirklich schön, wenn wir das Frühlingsfest wieder einmal als eine komplette Familie feiern könnten. Hm?“   Wei Ying lachte etwas auf.   Nun gab es wirklich kein Herauswinden mehr, jetzt wo auch Jiějiě ihn darum gebeten hatte mit ihnen nach Hause zu kommen.   Ihr konnte er noch nie etwas abschlagen.   Er nickte.   „Sie werden sich darüber freuen, versprochen.“, meinte sie noch zufrieden und machte ihm gleich noch eine Schüssel mit allerlei Leckerbissen zurecht.   „Ein Satz von ihr und du stimmst zu. Wo ich dir ewig hinterher zu rennen habe für ein ok!“ Jiang Cheng kickte ihn unterm Tisch gegen das Bein.   „Wenn du nur etwas netter wärst, dann hätte ich vielleicht auch zu dir ja gesagt Bruderherz. Oder du für mich gekocht hättest.“ Jiang Cheng zischte abfällig aber ohne spürbare Aggression.   „Soweit kommt es noch. Such dir dafür gefälligst jemand anderen.“   „Oh, das hab ich schon.“, rutschte es ihm im Affekt hervor, was ihm sofort einen interessierten Blick von seiner Schwester und einen skeptischen von seinem Bruder einbrachte.   Wei Ying räusperte sich über seinen kleinen Patzer, wollte er diese Neuigkeit nicht so beiläufig offenbaren. Aber nun war es schon raus und er konnte es auch gleich über die Bühne bringen.   „Uhm, also es gibt da jemanden. Wir sind seit kurzem fest zusammen.“ Er lächelte über das Glück das ihm mit Lan Zhan doch noch gewährt worden war.   „Oh, du scheinst diese Person ja wirklich sehr zu mögen A-Xian. Du siehst so glücklich aus, als wärst du ehrlich verliebt.“ Seine Schwester hatte ihn damit punktgenau erwischt und er wurde etwas rot darüber, dass es so offensichtlich war.   „Ich möchte ihn nicht mehr missen. Er ist das Beste was mir je passiert ist.“, gestand er allerdings ohne Verlegenheit, denn es war schließlich die reine Wahrheit.   „Ich…ich möchte das ihr ihn kennenlernt. Also wenn es ok ist, dann würde ich ihm Bescheid geben, das er vorbei kommen soll?“   „Natürlich ist das in Ordnung A-Xian. Ich bin gespannt wer dich so glücklich macht. Ich bin mir sicher er ist etwas Besonderes. Außerdem haben wir genug Essen, das es auch für jemanden mehr reicht.“ Jiang Cheng nickte lediglich auf die Worte ihrer Schwester.   Wei Ying zog sein altes Smartphone hervor und tippte eine Nachricht ein, das er nur am Rande mitbekam, das seine Schwester sich erhob und etwas von einem weiteren Gedeck murmelte.   Es dauerte darauf eine knappe viertel Stunde, bis Wei Ying von Lan Zhan die Nachricht erhielt das er sich vor dem Lokal befinden würde und er sich zum Eingang begab um ihm zu öffnen.   „Hey.“ Wei Ying fühlte sich merklich aufgeregt und Lan Zhan schien ihm das auch anzusehen, dass er ihm ein sanftes Lächeln schenkte, welches Wei Ying augenblicklich wieder etwas ruhiger werden ließ. Er streckte ihm eine Hand entgegen die Lan Zhan auch sofort ergriff und sich hineinziehen ließ.   Wei Ying schloss die Tür wieder ab und atmete noch einmal tief durch.   Schließlich begaben sie sich zu seinen Geschwistern.   Wei Ying konnte genau verfolgen, wie Jiang Chengs Mund aufklappte, als er erkannte wen er hier neben sich hatte. Wie er auch die Sekunde einfangen konnte, wo dessen Gesichtsausdruck in einen Sturm wechselte und er sich mit dem aufschlagen beider Hände auf der Tischplatte erhob.   „Was will der hier!“, donnerte er auch schon los, was ihm ein mahnendes „A-Cheng.“ von ihrer Schwester einbrachte. Wei Ying hatte genau mit so einer Reaktion von seinem Bruder gerechnet und um das Ganze noch etwas mehr anzuheizen, hob er seine Hand die er um Lan Zhans gelegt hielt, damit Jiang Cheng einen guten Blick darauf hatte.   „Das ist doch wohl nicht dein verdammter Ernst! Hast du vollkommen den Verstand verloren?!“ Jiang Chengs Blick nahm mit einem Male etwas Eisiges an. „Zwingt er dich dazu? Hast du irgendwas verbockt, das er gegen dich in der Hand hat?“ Wei Yings Augen weiteten sich auf diese Mutmaßung ungläubig.   „WAS?!“ Sein Bruder gab ein Grollen von sich, während er seinen Unterkiefer deutlich anspannte.   „Wenn es nicht das ist, was dann? Oder willst du mir tatsächlich weißmachen, das…“   „Jiang Cheng!“ Wei Ying hatte nun deutlich genug von dessen Anfeindungen und zeigte dies auch in seinem Ausdruck.   „Du kennst ihn doch überhaupt nicht. Also halte dich mit deinen haltlosen Mutmaßungen zurück.“   „Haltlose Mutmaßungen?! Ich frage dich in diesem Fall noch einmal; WAS will so einer von jemandem wie dir? Bist du nicht einfach nur wieder zu naiv?! Glaubst du…“   „Wei Ying ist nicht einfach nur jemand.“ Etwas verblüfft schaute Wei Ying zu Lan Zhan der nun einen Schritt nach vorn getreten war und sich ein Stückweit vor ihn schob, seine Worte resolut und mit einer gewissen Autorität versehen. Jiang Cheng zischte missbilligend über die Unterbrechung und die Zurechtweisung und schenkte Lan Zhan einen abschätzigen Blick. Doch beeindruckte das sein Ziel nicht ansatzweise, eher schien das Gegenteil der Fall zu sein, machte es den Anschein als würde sich Lan Zhans Aura noch etwas intensivieren.   „Wei Ying ist eine der großartigsten Personen die ich je kennenlernen durfte. Es gibt nichts, wofür er sich rechtfertigen müsste, weder wer er ist noch wie er ist. Denn genau für die Person die er ist, hat er meine aufrichtige Bewunderung verdient. Ich liebe Wei Ying wie er ist! Er macht mich glücklicher als ich es je gewesen wäre und ich werde mein Innigstes geben um ihm gerecht zu werden.“ Dann verbeugte sich Lan Zhan ein Stück und Wei Ying fühlte sich von dieser Geste nicht weniger überrumpelt, als wie es Jiang Cheng anzusehen war.   „Deswegen möchte ich seinen Bruder, wie auch seine Schwester um ihr Einverständnis bitten an seiner Seite bleiben zu dürfen, um dies auch beweisen zu können. Sollte ich ihn je verletzten oder unglücklich machen, nehme ich die Konsequenzen bereitwillig auf mich.“   Himmel! Wei Yings Herz war bis zum Bersten mit Zuneigung für diesen Mann angefüllt, der so offen und selbstverständlich seine Gefühle für ihn in Worte fasste und zudem noch den Anstand besaß seine Familie zu bitten ihn zu akzeptieren. Es war als würde der Prinz die Eltern des Bettelmädchens fragen, ob er gut genug für sie wäre. Und womöglich war es dieses bodenständige und demütig wirkende Auftreten, dem Jiang Cheng am Ende nichts weiter entgegensetzen konnte und sich mit einem knurrigen Laut und vor der Brust verschränkten Armen wieder setzte.   Dann aber doch noch etwas zum Besten gab. „Ich rate ihnen, ihn gut zu behandeln, klar? Sollte mir zu Ohren kommen das…“ Wei Ying konnte nicht anders, als seinem Bruder erleichtert um dem Hals zu fallen und ihm den Schmatzer auf die Wange zu setzen, dem er vorhin noch entkommen war.   „Wer hätte gedacht das du dich doch so um mich sorgst A-Cheng.“, meinte er heiter, während sein Bruder versuchte ihn mit der Hand in seinem Gesicht wieder von sich zu schieben.   „Weg mit dir!“   Dann fiel Wei Yings Blick auf seine Jiějiě und für einem Moment fühlte er sich wieder unsicher, ob sie es ebenso akzeptieren würde können.   Sie war noch immer gut darin auch die kleinste Emotion an ihm ablesen zu können, worauf sie eine Hand von ihm nahm und liebevoll lächelte.   „Solange du glücklich bist A-Xian, werde ich keine Einwände haben.“ Er konnte nichts tun, als ihm die Freudentränen in die Augen stiegen und er sich seit langem wieder einmal bewusst wurde, das er nicht so allein und abgeschoben war, wie er es sich in der Vergangenheit gern eingeredet hatte.   „Wei Ying.“ Lan Zhan hielt ihm ein Taschentuch entgegen, welches er mit einem leichten Lachen an sich nahm und diesen im selben Atemzug am Ärmel packte, sich erhob und einen Kuss auf die Wange setzte, dass dessen Ohrenspitzen leicht rot wurden.   Dann verbeugte Lan Zhan sich nochmals gegenüber seinen Geschwistern.   „Danke. Ich werde gut auf Wei Ying Acht geben.“ Seine Jiějiě lächelte warm und Jiang Cheng stopfte sich mit einem Murren etwas von der eingelegten Lotuswurzel in den Mund.   „Ich glaube sie werden gute Karten haben unsere Eltern zu überzeugen. Mutter ist bestimmt angetan von ihnen.“  Wei Ying sah wie seine Schwester ihm verschmitzt zuzwinkerte.   „Sag es ihnen, wenn du dich dafür bereit fühlst, in Ordnung?“, fügte sie an ihn gerichtet an und Wei Ying nickte, war er froh, dass man ihn nicht dazu bringen wollte, sich gedrängt zu fühlen. Er brauchte eindeutig noch etwas mehr Vorbereitungszeit, um sich Madam Yu zu stellen.   „Aber wie unhöflich von uns. Bitte setzen sie sich doch.“ Lan Zhan nickte über diese Aufforderung seiner Schwester ebenso und nahm neben Wei Ying Platz, der sich sofort um einen Arm von ihm klammerte und zufrieden strahlte.   „Zum Glück muss ich mir das nicht jeden Tag antun.“, hörte er Jiang Cheng mosern und wäre es nicht deswegen das er wusste, dass es Lan Zhan ausreichend verlegen machte ihn vor anderen auf den Mund zu küssen, dann hätte er es genau jetzt getan, um seinen Bruder noch etwas mehr zu nerven.   Dies war, mit Abstand der beste Abend, den er seit einer gefühlten Ewigkeit gehabt hatte und er hoffte, dass es in Zukunft noch öfter solche geben würde.   Mit Lan Zhan an seiner Seite, war er da recht guter Dinge. Kapitel 13: ------------ WangJi hörte das Rauschen der Dusche im anliegenden Bad zum Schlafzimmer, als er sich seine Brille vom Nachttisch nahm und sich folglich auf das Bett setzte, um den Brief in seiner Hand zu lesen.   Es war bereits chinesisch Neujahr und er hatte mit Wei Ying einen kleinen Urlaub geplant, der sie die nächsten eineinhalb Wochen in den Süden Japans führen würde.   Es war ein Geschenk für dessen bestandenen Abschluss gewesen, doch erst jetzt hatte er auch die Zeit dafür einrichten können.   Was allerdings bedeutete, dass ihr heutiger Tag, bis in den Abend ausgebucht sein würde. Sein Onkel würde bereits Morgen ebenso auf eine geschäftliche Reise gehen, machte dessen Arbeit auch vor den Feiertagen keine Pause.   Somit hatten sie sich entschieden zuerst seinen Onkel zu besuchen und dann später zu Wei Yings Familie zu fahren, da dieser Besuch schon vorher festgemacht worden war und es nur unhöflich wäre, ihr Erscheinen doch noch zu verschieben.   Er hoffte nur, das sie der Verkehr nicht zu sehr aufhalten würde, waren es gut zwei Stunden Fahrt bis dorthin. WangJi wusste, das sich Wei Ying noch immer Gedanken über diesen Besuch zu Hause machte.   Egal wie oft ihm Jiang Yanli auch schon versichert hatte, das es in Ordnung wäre und man ihn willkommen heißen würde.   Wei Ying hatte ihm erzählt, dass er sich damals schwor, nicht eher wieder zurück zu kehren, bis er seine Schulden beglichen hatte. Er hätte in Kauf genommen, wenn es Jahrzehnte brauchen würde, dies zu verwirklichen ging er irgendwo eh davon aus, das man ihn nicht wieder sehen wollte, nach allem was vorgefallen war.   Er war noch weit davon entfernt sein Vorhaben erfüllt zu sehen.   Es war ebenso Wei Yings Stolz gewesen, weswegen er sich so unwillig zeigte seine Adoptiveltern wieder sehen zu wollen. Er wollte einfach nicht mit halbleeren Händen erscheinen, nachdem er solch ein großspuriges Versprechen gegeben hatte.   Zumindest sah es Wei Ying so.   Großspurig wäre nicht der Begriff den WangJi für dessen gesetztes Ziel benutzen würde. Denn es war unverkennbar, das Wei Ying wirklich daran arbeitete es umsetzen zu wollen.   Er wollte keine Hilfe dabei, sondern es aus eigener Kraft schaffen.   „Ich weiß das es eigentlich unmöglich ist.“, hatte dieser ihm den Gedanken damals abgenommen, denn realistisch betrachtet, war es ihm in seinem jetzigen Job kaum möglich so viel Geld beiseitelegen zu können.   „Aber ich will es trotzdem versuchen. Hätten die Jiangs mich nicht aufgenommen, wer weiß wo ich abgeblieben wäre. Sie waren es, die es mir möglich machten, mir eine Zukunft überhaupt erst ausmalen zu können. Wenn ich diese Zukunft aufgeben muss, um mich revanchieren zu können, dann ist es nur gerecht.“ WangJi hatte zu jenem Zeitpunkt nicht gewusst, was er dazu sagen sollte und ihn einfach nur in seine Arme genommen, um ihm zu zeigen, dass er zu ihm stünde.   „Letztendlich hat mich all das zu dir geführt. Das macht es mir unmöglich mich weiterhin in endlosen Schuldgefühlen zu verlieren.“, hatte Wei Ying ihm darauf gesagt und liebevoll gelächelt. „Danke, dass du mir diese Last genommen hast, Lan Zhan.“ Es war eines der tiefreichensten Komplimente für ihn und er würde auch weiterhin versuchen ihm ein unerschütterlicher Halt zu sein.   WangJi hörte wie sich die Tür zum Badezimmer öffnete, während er weiter über die Zeilen des Briefes las. Es folgte das Absenken der Matratze hinter ihm und Wei Yings Arme die sich um seine Hüfte legten. Dessen Lippen die seinen Hals küssten. WangJi strich ihm sanft über die noch feuchten Haare.   „Du wirst dich erkälten.“ Ein Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch sagte ihm auch, das ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, bevor sein Bruder hier erscheinen würde, hatten sie beschlossen zusammen zu ihrem Onkel zu fahren, um nicht an zwei Seiten im Stau zu enden. XiChen hatte eh vor die Nacht in ihrem alten zu Hause zu verbringen, um sich morgen mit ein paar Freunden zu treffen.   Allerdings ließ sich Wei Ying nicht beirren, auf das er dessen agile Finger an den Knöpfen seines Hemdes ausmachen konnte. Er hatte den ersten schon geöffnet, als er ihn darin aufhielt und Wei Ying leise darüber murrte.   „Später.“, versprach er und küsste eine Hand von ihm, bevor er sich erhob. Als er sich Wei Ying daraufhin zuwandte, rutschte ihm ein dunkles Raunen hervor.   Wei Ying hatte sich nicht die Mühe gemacht sich nach seiner Dusche etwas anzuziehen. Er befand sich auf allen Vieren, sein sehniger Körper wie der einer grazilen Dschungelkatze. Die langen Haare fielen ihm sinnlich über die Schultern und das lustvolle Funkeln in dessen Augen, zeigte deutlich wer dessen auserwählte Beute war.   „Lan Zhan…“, schnurrte dieser darauf und griff nach einer Hand von ihm, die er sich auf die Brust legte und sie darüber streichen ließ. Dazu setzte er diesen verführerischen Ausdruck auf, der es WangJi nur noch schwerer machte die Kontrolle zu halten.   „Wei Ying, wir müssen…“ Dieser ließ die Hand die er noch immer führte weiter an sich heruntergleiten.   Ein triumphales Glucksen war von Wei Ying zu hören, als er diesen auf das Bett drückte und innig küsste.   Wei Ying schob seine Beine schamlos auseinander, um sie ihm dann auch schon um die Hüften zu legen, ihn damit näher an sich zu ziehen.   Einladend bewegte sich dieser darauf gegen seine Mitte und gab einen lustvollen Laut nach dem anderen von sich.   WangJi würde sich nur zu gern davon mitreißen lassen, doch…   „Wei Ying…“, brachte er mit rauer Stimme hervor, als er sich dessen dominanten Lippen etwas entziehen konnte. „…wir haben nicht viel Zeit.“, erinnerte er diesen, was nicht unerwartet darin endete, das man seinen Hinweis ignorierte und ihm stattdessen eine forsche Hand auf die Mitte schob, diese herausfordernd zu massieren begann.   Und es wäre wirklich fast alles gewesen, um ihn seine Selbstbeherrschung aufgeben zu lassen, als es auch schon an der Tür klingelte.   Wei Ying gab ein trotziges Grollen von sich, während WangJi sich aus seinen verführerischen Fängen befreite.   „Zieh dich an, und trockne deine Haare.“ Er küsste Wei Ying mit einem Schmunzeln über dessen Schmollen auf die Stirn und erhob sich. Er richtete sich erst einmal wieder, zu dem auch ein paar tiefe Atemzüge gehörten, um sich wieder gänzlich zu sammeln.   Sein Bruder hatte ein leichtes aber wissendes Lächeln im Gesicht, als er die Tür schließlich öffnete und er nichts tun konnte, als ihm darüber die Wärme in die Ohren stieg.   „Guten Morgen WangJi. Wie es aussieht hattest du einen recht guten Start in den Tag?“ WangJi räusperte sich aus Ermangelung einer Antwort, was seinen Bruder amüsiert Lachen ließ.   „Es ist schön zu sehen, dass du dein Leben nun mehr zu genießen weißt.“ Auf diesen Hinweis, stahl sich automatisch ein liebevolles Lächeln auf WangJis Lippen.   Es stimmte. Die Tage mit Wei Ying an seiner Seite versahen ihn mit einer ganz anderen Energie und willigem Tatendrang.   Er würde es wirklich nicht mehr missen wollen.   Wei Ying machte ihn einfach lebendig glücklich.       Es war gut das sie zeitiger aufgebrochen waren, brauchten sie fast eine dreiviertel Stunde länger als eigentlich notwendig war, um das Lan Anwesen zu erreichen.   Wei Ying gab ein beeindrucktes Pfeifen von sich, als sie ausstiegen und er sich eingehender umsah.   Doch darunter spürte er eine extreme Nervosität, die seine Finger mit einem der Enden des hellblauen Seiden-Haarbandes spielen ließ, das Lan Zhan ihm gestern Abend so unverhofft überreicht hatte.   „Ich würde mir wünschen das Wei Ying es morgen trägt.“, waren dessen Worte gewesen und er hatte ihn mit einer Hoffnung angesehen, die Wei Ying im ersten Moment sprachlos gemacht hatte. „Es würde mich glücklich machen, wenn er es annehmen würde.“ Lan Zhan hatte ihm in dem Moment wohl all seine Unsicherheit ansehen können, die darüber in ihm aufgekommen war.   Und er fühlte sich noch immer etwas überwältigt, das Lan Zhan ihm dieses, für ihn so emotional kostbare Stück, anvertraut hatte. Auch weil er wusste, was dieser Geste, diesem Band, für eine Bedeutung innewohnte.   Sein erster Gedanke war gewesen, dass er es nicht wert sei. Doch dann hatte er in Lan Zhans warme und mit dieser allumfassenden Zuneigung angefüllten Augen geschaut und dachte, das, anstelle sich unter dem Gewicht dieses Vertrauens zu schwach zu fühlen, er einfach ansetzten sollte ihm zu zeigen, das er sich eben diesem Vertrauen in ihn mit allem stellen würde, das ihn zu Lan Zhans Wei Ying machte.   Und gerade jetzt gab es ihm den nötigen Mut, den er all die Tage zuvor nicht wirklich hatte in sich finden können.   Es war nicht das erste Mal das er auf Lan QiRen traf.   Lan Zhan hatte ihm diese Hürde bereits abgenommen, indem er vor einigen Wochen seinen Onkel zu einem Tee in seinem Stammteehaus eingeladen hatte, um ihm Wei Ying dort vorzustellen.   Es war eine Taktik, die Wei Ying ein zu steifes Dinner ersparte, bei dem er eh keinen Bissen heruntergebracht, noch sich mit sämtlicher Etikette ausgekannt hätte. Das Teehaus war ein Ort für Jedermann, das die Atmosphäre entspannt blieb. Zudem verhinderte ein öffentliches Zusammenkommen, das dessen Onkel zu aufbrausend werden würde.   Und das wollte dieser.   Wei Ying hatte es ihm ein paar Mal angesehen.   Lan Zhan hatte ihn zuvor schon informiert, wie strikt sein Onkel sei.   Er hatte sich nicht die Illusion gemacht, dass jemand wie Lan QiRen die Beziehung von einem seiner kostbaren Neffen mit einem wie ihm, freudestrahlend begrüßen würde. Den kritisch, skeptischen Blick von ihm hatte er die gesamte Zeit über auf sich brennen gespürt.   Demnach war es wohl schon ein Gewinn, das dieser Lan Zhan nicht ausdrücklich verboten hatte ihn weiter zu sehen. Sondern sich mit der unterkühlten Bemerkung, das seine Entscheidung diesen Weg einer Beziehung zu gehen, eine lehrreiche Phase wäre, was nichts anderes, als ein Hieb in seine Richtung sein sollte, verabschiedet hatte.   Hätte er sich geweigert heute hier zu erscheinen, hätte es Lan QiRen nur als Ansatz nehmen können, Lan Zhan einreden zu wollen, das er eben nicht gut genug sei, wenn er nicht einmal den Anstand besaß ihn zu begleiten.   Doch sollte dieser ruhig wettern, oder subtile Anspielungen vorbringen, er würde sich nicht noch einmal entmutigen lassen.   Lan Zhan schien seine Gedanken erahnt zu haben, nahm er eine Hand von ihm in die seine und küsste ihn auf die Wange.   Als er ihn anschaute wurde ihm auch wieder bewusst, dass Lan Zhan nicht weniger unsicher war als er. Das hatte er schon bei dem ersten Treffen mit dessen Onkel merken können. Denn wo Wei Ying sich sorgte, dass er nicht gut genug sei, befürchtete Lan Zhan das er sich durch seinen Familiennamen und damit aufkommenden Erwartungen seines Onkels unwohl fühlen könnte und ihn deswegen womöglich wieder verlassen würde wollen.   Somit küsste er ihn seinerseits beruhigend auf die Wange und zeigte ein kampfbereites Lächeln.       Erleichtert atmete Wei Ying durch als er die noble Gästetoilette betrat, zu der er sich geflüchtet hatte über das so unsäglich kratzig wirkende Mittagessen. Nicht zu erwähnen, dass alles gleich schmeckte, sparte man wirklich an den simpelsten Gewürzen.   Es war wirklich eine Verschwendung von gutem Essen!   Jiějiě würde ihm da nur Recht geben und er sehnte sich wirklich schon nach ihren selbstgekochten Gerichten, die es heute geben würde, dass er sogar ausblenden konnte, dass er davor erst noch seinen Adoptiveltern gegenübertreten musste.   Zum Glück hatte ihm Lan Zhan den Stress genommen ein Neujahrsgeschenk für dessen Onkel zu besorgen, hatte er eh keine Ahnung was dieser bevorzugte, noch glaubte er das dieser ausgerechnet von ihm würde etwas annehmen wollen. Nicht zu vergessen seine eigenen knappen Finanzen.   Aber da er sich dennoch nicht gänzlich lumpen lassen wollte, hatte er diesem ein Rollbild in traditioneller Tuschezeichnung angefertigt, das eine ästhetische Landschaftsszene zeigte.   Lan Zhan erschien im ersten Augenblick überrascht, doch dann hatte sich der Stolz in dessen Ausdruck gezeigt und er gemeint, dass es seinem Onkel zusagen werde.   Es war demnach eine ziemliche Genugtuung, als Lan QiRen das Bild betrachtete und zustimmend darüber nickte, während er sich über seinen Kinnbart gestrichen hatte.   Und es wäre Wei Ying schon genug gewesen, doch ließ es sich Lan Zhan nicht nehmen seinen Onkel wissen zu lassen, das es Wei Ying war der dieses gezeichnet habe.   Es machte den Anschein als würde sich Lan QiRen auf diesen Hinweis beinahe seinen Bart rausreißen, so fest wie dieser ihn plötzlich gepackt hielt.   Auch jetzt  brachte es ihn noch dazu albern darüber zu feixen.       Er wusch sich gerade die Hände als es sachte an der Tür klopfte und er Lan Zhans besorgte Stimme vernahm, die nach ihm fragte.   Da hatte er sich wohl etwas mehr Zeit als angebracht gelassen.   Wei Ying kam eine Flause in den Kopf.   Vorsichtig öffnete er und zog ein leidliches Gesicht. „Lan Zhan, mir geht es nicht gut. Mir ist ganz schwindelig.“ Für den Effekt wankte er ein wenig, das Lan Zhan sofort bei ihm war und er die Tür hinter ihnen wieder zuwerfen konnte.   „Wei Ying.“, kam es dann mahnend von ihm, hatte dieser seine Show durchschaut, als er ihm mit einem breiten Grinsen um den Hals fiel.   „Was?“, hakte er unschuldig nach. „Ich brauch dich wirklich, um mich festzuhalten Lan èr gē ge. Ich bin auch bereit mich dafür erkenntlich zu zeigen.“, wisperte er ihm ins Ohr, unter das er einen Kuss setzte, dem ein weiterer, etwas tiefer folgte. Und da Lan Zhan ihn nicht zurechtwies, wanderte sein Mund weiter dessen Hals entlang.   „Ich bin immer noch frustriert, dass du mich heute Morgen einfach so zurückgelassen hast.“, schnurrte er gegen die warme Haut unter seinen Lippen.  Nur der Gedanke daran brachte etwas Ungestümes in ihm auf, das er sich mehr gegen Lan Zhan drängte. Seine Hüfte in einer lasziven Bewegung nach vorn rollen ließ, dass es ein erregendes Kribbeln durch seinen Körper schickte.   Allerdings rutschte ihm ein genervter Laut hervor, als seine Hand über dessen Oberkörper strich und ihn nicht weniger als drei Lagen feinen Zwirns davon abhielten uneingeschränkt darüber streicheln zu können.   Und weil es ihn wirklich nervte, zog er wenigstens trotzig dessen Krawatte locker.   „Wei Ying.“, kam es wie zu erwarten, dass Wei Ying nur ergeben seufzen konnte.   Lan Zhan legte ihm eine Hand unter das Kinn, auf das er ihn anschaute.   Dieser setzte einen flüchtigen Kuss auf sein Schmollen.   Dann nahm dessen Blick etwas Autoritäres an. Etwas, das er auf sich bezogen, nicht gewöhnt war und es ließ das Kribbeln erneut aufkommen.   „Keinen Ton, oder ich höre sofort wieder auf.“, hörte er diesen sagen, und noch bevor er richtig verarbeiten konnte was er meinte, schob ihn Lan Zhan gegen die Tür und ging vor ihm auf die Knie.   Wei Ying war derart perplex, das ihm tatsächlich die Worte fehlten.   Zudem wurde es bereits extrem schwer sich an gegebenen Verweis zu halten, als dieser ihm ohne weiteres Zögern seine Hose öffnete.   Es brauchte nicht viel um ihn komplett hart werden zu lassen. War es einfach zu surreal, was hier gerade passierte. Gleich einem seiner sexgeprägten Träume, die er schon des Öfteren über Lan Zhan hatte.   Es war nicht das erste Mal, dass dieser ihm einen Blowjob gab, aber es war immer wieder ein Anblick der ihn mit einem inneren Feuer versah, das er sich wirklich beide Hände fest auf den Mund pressen musste, um sämtliche lustvollen Laute zu dämpfen. Auch wenn es sich anfühlte, als würde er daran noch ersticken, dass es ihn ebenso mit einem leichten Schwindelgefühl versah.   Ein befremdlicher Kick, der seine Lust nur noch zu intensivieren wusste.   Und Lan Zhan war wirklich gut darin geworden, ihm genau das zu geben was er brauchte.   Er hatte genau studiert, was ihm gefiel, was bestimmte Reaktionen bedeuteten und es am Ende so zusammengefügt das alles was er tat, wie eine ungezähmte Woge über ihn niederging und ihn vollkommen haltlos mit sich nahm.   Es machte ihm die Beine wacklig und die Augen etwas wässrig, wusste er einfach nicht wie er sich dieser Sensation erwehren konnte, ohne das gesamte Haus wissen zu lassen was sie hier taten.   Aber er wollte Lan Zhan auch nicht enttäuschen.   Seine Atmung ging hektisch, auch weil er sich noch immer fest den Mund zuhielt. Dann schaute Lan Zhan zu ihm hinauf, den Mund obszön um seine pralle Länge gelegt und selbst mit einem erregten Funkeln in seinen, wunderschönen Augen, das Wei Yings Hüfte wie von selbst nach vorn zuckte und es ihm zum Höhepunkt brachte.   Es wäre nicht verwunderlich, wenn man die Abdrücke seiner Hand nun in seinem Gesicht sehen würde.   Vollkommen mitgenommen rutschte er schließlich an der Tür nach unten und schnappte eifrig nach Luft.   Lan Zhan setzte ihm einen Kuss auf die leicht verschwitzte Stirn und strich ihm liebevoll über seine Haare.   „Gut gemacht.“, ließ dieser ihn wissen, und es schien nur diese Worte zu benötigen, um ihn wieder gänzlich zu sich zu bringen, auf das er ihn etwas erschöpft aber äußerst zufrieden anstrahlte.   Er mochte es wenn Lan Zhan stolz auf ihn war, und sei der Grund noch so unanständig.   Oder vielleicht, weil der Grund so unanständig war.   Wei Ying griff nach dessen Krawatte und zog ihn daran etwas näher zu sich. „Du bist wirklich unglaublich, Lan Zhan.“, meinte er darauf noch immer etwas überwältigt und küsste ihn hingebungsvoll.       Als sie sich wieder geordnet hatten und das Gäste Bad verließen, erwartete sie bereits eines der Dienstmädchen, welches einen deutlichen Rotschimmer auf den Wangen trug und vermied sie beide direkt anzusehen, als sie ihnen mitteilte das bereits nach ihrem Verbleib gefragt wurde.   Lan Zhan zeigte keinen Ansatz von eigener Verlegenheit, griff schlicht nach Wei Yings Hand und begab sich mit ihm zurück zum Esszimmer.   Lan XiChen nippte an seinem Tee als sie dieses betraten und schien damit auch ein Schmunzeln verstecken zu wollen. Im Gegensatz zu Lan QiRen, dessen verengte Augen und angespannten Gesichtszüge deutlich machten, was dieser dachte. Doch bevor er diese Gedanken auch hätte verbal vorbringen können, sprang Wei Ying in die Bresche, wollte er Lan Zhan ersparen wegen ihm weiteren Ärger zu bekommen   „Tut mir wirklich leid, aber ich fühlte mich etwas unwohl. Lan Zhan hat sich lediglich um mich gekümmert.“   „Und das zum Glück auch recht erfolgreich.“, schaltete sich Lan XiChen mit einem erleichtert klingenden Ton dazwischen. „Es wäre doch recht unerfreulich, müsste Wei gōngzǐ beklagen, dass man sich bei seinem Besuch hier nicht gebührend seiner angenommen hat, oder Onkel?“ Wei Ying fing das kurze Zwinkern von Lan XiChen in ihre Richtung ein, während Lan QiRen sie noch immer starr fixiert hielt.   „Unerfreulich, in der Tat.“, meinte dieser dann mit einer leichten Bissigkeit versehen, hielt sich jedoch mit anderen Bemerkungen zurück.   Damit war das Dinner auch erst einmal beendet und Wei Ying atmete hörbar durch, sobald Lan QiRen den Raum verlassen hatte.   „Danke dà gē.“, rutschte es ihm im Affekt hervor, auf das er Lan XiChen etwas erschrocken ansah über seinen Ausrutscher. Nicht, das er Lan XiChen nicht mochte, aber sie hatten sich bis jetzt noch nicht auf solch ein familiäres Level begeben. „Ich meine…uhm…sorry, das kam mir einfach so über die Lippen.“ Wei Ying verzog ein wenig das Gesicht über diese Peinlichkeit. „Kein Grund sich zu endschuldigen. Wenn WangJi dich schon soweit in der Familie aufgenommen hat, schließe ich mich gern an.“ Wei Ying entging dessen Blick nicht, der sich auf das hellblaue Haarband gelegt hatte und es machte ihn tatsächlich verlegen, das dieser bereit war ihn so umstandslos zu akzeptieren.“   „Danke.“, wiederholte er mit einem glücklichen Lächeln, fühlte es sich wirklich gut an, Lan XiChens Segen zu ihrer Beziehung nun auch offiziell bekommen zu haben.       Die beiden Brüder führten ihn folglich noch etwas herum, nachdem er darum gebeten hatte, interessierte es ihn wie Lan Zhan seine Kinder- und Jugendtage hier verbracht haben möge. Lan Xichen hielt sich auch nicht zurück ihm ein paar kleine Anekdoten darüber zu erzählen, wenn es sich anbot. Es ließ sie beide schmunzeln, wenn sich Lan Zhan darauf immer etwas peinlich berührt zeigte, oder selbst etwas ergänzte.   Es war nicht verwunderlich das dieses riesige Haus auch ein Musikzimmer besaß, wo er die wohl eher seltene Ehre erhielt, den Brüdern bei einem beeindruckenden Duett lauschen zu können.   Was Lan Zhan an der Guqin, das war Lan Xichen an der Xiao.   Er hätte ihnen wahrlich noch Stunden zuhören können, hätte man sie nicht schließlich zum Tee gebeten.   Am Ende verabschiedeten er und Lan Zhan sich schließlich wieder, um sich auf den Weg zu seiner Familie zu begeben, doch konnte Wei Ying behaupten, dass er trotz Lan QiRens missfälliger Energie, ihm gegenüber, das Lan Anwesen ohne irgendeine Abneigung im Herzen wieder hinter sich ließ.   Lan Zhans offene Art sich nicht zu scheuen, zu zeigen, dass er zu ihm gehörte und Lan XiChens ehrliche Unterstützung ließen Lan QiRens Groll regelrecht an ihm abprallen.   Er hoffte nur, dass der Besuch bei seiner Familie ebenso glimpflich verlaufen würde. *** Lan èr gē ge – Zweiter großer Bruder Lan gōngzǐ – junger Herr dà gē – großer Bruder Kapitel 14: ------------ Wei Ying fühlte sich schon ein wenig mies, als sie ihr Ziel erreicht hatten und er feststellen musste, dass er die komplette Fahrt verschlafen hatte. Allerdings war es ein ungemein angenehmes Gefühl von Lan Zhans weichen Lippen auf den seinen und dem einfühlsamen Streicheln über seine Wange wieder geweckt zu werden.   Ah, er konnte es noch viel zu oft nicht fassen, das er solch ein Glück erleben durfte, das er sich auch nicht genierte dessen Hand in die seine zu nehmen, als sie sich schließlich dem traditionell geschmückten Hauseingang näherten, der sie mit den golden Schriftzeichen und roten Papierbändern empfing.   Es war eine komplett andere Art von Aufregung, als jene die er vor dem Lan Anwesen verspürt hatte.   Diese Aufregung hier fühlte sich wesentlich scharfkantiger an, das er froh war sich an Lan Zhan festhalten zu können. Denn der Drang einfach wieder Kehrt machen zu wollen, ließ sein Herz unangenehm hart in seiner Brust pulsieren.   Es waren nur noch wenige Schritte, als sich die Haustür auch schon auf tat und Wei Yings Griff sich noch etwas fester um Lan Zhans Hand schloss.   „A-Xien.“ Die Stimme seiner Jiějiě ließ einen Knoten in seinen Nerven sich lockern und er atmete einmal befreiend durch, auf das er ein warmes Lächeln aufsetzte, sich von Lan Zhan löste und sie mit einer innigen Umarmung begrüßte.   Sie strich ihm liebevoll über die Oberarme, als er sie wieder losließ und schenkte ihm ein aufbauendes Lächeln.   Hinter ihr konnte er Jiang Cheng stehen sehen, der sein üblich mürrisches Gesicht trug.   Eigentlich hatte er eine spitzfindige Bemerkung zu Begrüßung erwartet. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, und es ihn auch noch Tage später verdutzt den Kopf schütteln lassen würde war, dass dieser ihn ebenso in eine Umarmung zog. Reichlich steif und bei weitem nicht so Nähe zulassend wie bei ihrer Jiějiě, doch hatte Wei Ying diese Geste so überrumpelt, dass er im ersten Moment gar nicht wusste wie er reagieren sollte.   Ein Glucksen rutschte ihm schließlich über diese unerwartete Situation hervor, dass es seinen Bruder mit dem gewohnten Murren versah. „Was? Bin ich plötzlich nicht mehr gut genug dafür?“, grollte er darauf und schob ihn schon wieder von sich. Es war Jiang Cheng deutlich anzumerken, dass es ihm peinlich gewesen sein musste, vermied er ihn anzusehen und verschränkte in einer typisch, abblockenden Manier die Arme vor der Brust.   Wei Ying schmunzelte zugetan, wusste er nur zu gut, dass sein Bruder mit solchen Vertraulichkeiten wirklich sehr ausgesucht umging. Wahrscheinlich sollte es ihm das Gefühl geben, tatsächlich willkommen zu sein und er schätzte dessen Einsatz auf brüderliche Weise.   Er knuffte Jiang Cheng in einer kumpelhaften Geste gegen die Schulter. „Danke.“ Dieser murrte erneut und knuffte ihn simpel zurück.   Dann trat dieser zur Seite und Wei Ying schluckte hart, als darauf Jiang FengMian und Madam Yu vor ihm standen und er seinen Blick in einer demütigen Anwandlung etwas senkte.   Nur am Rande bekam er mit, wie Lan Zhan von seinen Geschwistern begrüßt wurde und sich die Tür des Hauses schloss.   „A-Ying.“ Die Stimme von shū shu klang noch immer warm und herzlich und Wei Ying wusste, dass die darin mitschwingende Zuneigung ehrlich gemeint war. Doch genau deswegen fühlte er sich auch so schuldig. Jiang FengMian hatte stets versucht ihm einen Vater zu ersetzen und als Dank hatte es ihn und seine Familie so viel gekostet. Er spürte die Hand die man auf seine Schulter legte und er konnte nichts dagegen tun, als ihm die Augen feucht wurden und er sich nun tief vor dem Mann vor ihm verbeugte.   „Es tut mir leid, shū shu.“ Jiang FengMian drückte seine Schulter im väterlichen Verstehen.   „A-Ying. Ich freu mich wirklich, dass du dich doch entschlossen hast uns besuchen zu kommen. Es würde mir jedoch das Herz noch leichter machen, wenn du die Vergangenheit ebenso entschlossen hinter dir lassen könntest. Wir sind eine Familie und es war nie meine Absicht dich glauben zu lassen, dass du uns etwas schuldig wärst. Oder, dass du etwas wiedergutzumachen hättest.“ Wei Ying schüttelte schuldbewusst den Kopf. „Es ist das Mindeste was ich tun kann.“ Er hörte seinen Onkel leicht ergeben seufzen. Ein deutlich strengeres Räuspern löste dieses ab, gefolgt von einem ebenso kühlen „Wei WuXian.“ Es war ein kleiner Kraftakt seinen Kopf zu heben und Madam Yus kritischen Blick nicht sofort wieder auszuweichen.   Dennoch fühlte er sich so rasch von der Situation wegdriften, dass ihn eine aufsteigende Panik heimsuchte.   ´Er würde es wieder ruinieren. Es war immer darauf hinausgelaufen, dass er etwas Falsches gemacht oder gesagt hatte und darauf ein Streit folgte. Er war das schwarze Schaf. Der Keil der diese Familie spaltete…er…`   Die solide Präsenz in seinem Rücken, verbunden mit dem erdenden Geruch den er einzig mit Lan Zhan in Verbindung brachte, ließen ihn automatisch tiefer durchatmen, auf das sich seine Gedanken aufklarten und er den Fokus wiederfand.   Er war nicht mehr allein.   Zwar hatten seine Jiějiě und Jiang Cheng ihm auch früher nie das Gefühl gegeben das er es wäre, doch blieb der Stress dennoch in ihrer Familie sitzen, sobald sie sich auf seine Seite schlugen oder auch nur versuchten die Aufregung zu schlichten.   Lan Zhan gehörte jedoch zu ihm.   Nur zu ihm.   Würde er ihm sagen, dass er sofort wieder gehen wolle, würde dieser ihn ohne Zögern zurückfahren.   Er würde ebenso bei ihm bleiben und sich seine Sorgen anhören.   Er würde da sein, wenn er ihn brauchte.   „Madam Yu.“ Wei Ying verbeugte sich schließlich und richtete sich mit einem neugefundenem Selbstwertgefühl wieder auf.   „Ich hoffe unser Besuch macht keine zu großen Umstände.“ Sie beäugte ihn noch immer mit einer gewissen Kälte. „Das wird sich noch zeigen.“, meinte sie mit nur einem Hauch ihrer üblichen Missbilligung in der Stimme, wenn es um ihn ging, und Wei Ying nahm es als etwas Positives hin.   Dann richtete sich ihr Blick auf Lan Zhan und der Frost wisch einem Mix aus Irritation und Interesse.   Es war ihr wahrlich nicht zu verdenken, fragte sie sich sicherlich, wie es sein konnte das jemand wie Lan Zhan sich ausgerechnet mit ihm abgab.   „Yú fū ren.“ Lan Zhan verbeugte sich vor ihr, seine Haltung perfekt, seine Ausstrahlung erhaben und mit einem gewissen Charme versehen, dass sich Wei Ying gerade so ein verliebtes Seufzen verkneifen konnte.   „Es freut mich ihre Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe Wei Ying und ich kommen nicht ungelegen.“ Es war interessant zu beobachten, wie sich Madam Yus Augen darauf etwas verengten. Nicht in dem Maße das es feindzählig erschien. Eher abmessend, auf das sich ein seichtes Lächeln auf ihre Lippen legte, als würde sie Lan Zhans Mut anerkennen ihr mit solch einer selbstsicheren Manier gegenüber zu treten.   Sie war definitiv anderes gewöhnt, nutzte sie ihre eisig wirkende Aura gern dazu andere schon im Vorfeld einzuschüchtern, was ihr meist auch gelang und sie somit schon einmal wusste, woran sie bei ihrem Gegenüber war.   „Lan xiān sheng.“ Sie streckte ihm eine ihrer eleganten und fein manikürten Hände entgegen und Lan Zhan, ganz der gehobene Gentleman, gab ihr tatsächlich und wohl zum Erstaunen aller anderen, einen Handkuss.   Wei Ying konnte das trotzige Gefühl von Eifersucht über diese Geste nicht aufhalten, das er Lan Zhans Arm darauf in einer besitzanzeigenden Anwandlung umfasste und Madam Yu einen genauso trotzigen Blick zuwarf.   Diese schüttelte jedoch nur kritisierend ihren Kopf über sein Verhalten.   Wei Ying wusste, was sie ihm damit anzeigen wollte. Dass er sich lächerlich verhielt und wohl auch, dass er jemanden wie Lan Zhan wahrlich nicht würdig war.   Aber sollte sie doch.   Wei Ying lehnte sich genau deswegen nur noch offensichtlicher gegen seinen Freund, der ihm daraufhin leicht über seinen Handrücken strich und Wei Ying damit versonnen grinsen ließ.   Sie gab ein verhaltenes Schnaufen von sich, auf das sie schließlich ins Esszimmer bat.   „Ich bin wirklich froh, dass du hier bist.“, flüsterte er Lan Zhan ins Ohr und er meinte es doppelt und dreifach.       Madam Yu ließ ihn für den größten Teil des Abends auch in Frieden, was er wohl ihrem Interesse an Lan Zhan zu verdanken hatte, der dies mit geschulter Eloquenz über sich ergehen ließ.   Das machte es ihm einfacher, sich nicht ganz so angespannt fühlen zu müssen und das Essen seiner Jiějiě auch richtig genießen zu können.   Ihre hausgemachten xián jiǎo zǐ waren nicht zu übertreffen, vor allem die mit der scharfgewürzten Schweinefleischfüllung.   Er würde sie später fragen, ob sie ihm ein paar auf den Heimweg mitgeben könnte.   Jiang FengMian gab sich Mühe die Atmosphäre ebenso locker zu gestalten, vermied er es irgendein Thema anzusprechen, das Wei Ying womöglich unangenehm wäre oder alte Differenzen wieder aufwühlen würde. Und er schätzte dessen Umsicht wirklich.   Er hätte es nicht gedacht, aber es fühlte sich doch ein wenig so an, als wären sie eine zufriedene Familie.   Doch natürlich verpuffte dies im nächsten Augenblick auch schon wieder.   „Wei WuXian.“ Madam Yu seinen Namen sagen zu hören, war für ihn stets wie ein Peitschenknall, das ihm beinahe seine Essstäbchen aus den Finger gefallen wären über diesen Schreck.   Nichtsdestotrotz schaute er sie direkt an.   Nichts anderes würde sie gutheißen.   „Was gibt es Madam Yu?“ Dass Unsicherheit in seinen Worten mitschwang konnte er nicht vermeiden, fühlte sich aber gleich wesentlich sicherer, als er Lan Zhans Hand auf seinem Knie wahrnahm und es ihn unbewusst dankbar lächeln ließ.   „Was hast du nun vor, nachdem du deinen Abschluss nachgeholt hast? Ich hoffe du willst dich nicht simpel auf diesem einen Erfolg ausruhen.“, hinterfragte sie mit einem schneidenden Unterton, den er ebenso gut noch kannte.   Wann immer sie der Meinung war, das er es sich zu einfach machen wollte oder etwas nicht mit dem nötigen Ernst anging, hatte sie diesen Ton benutzt.   Es war nicht überraschend, dass sie ihm solch eine Einstellung vorwarf, doch….   Stopp!   Wei Yings Augen weiteten sich in beinahe komischer Manier, als ihm etwas plötzlich durch seinen Kopf schoss und er seine Aufmerksamkeit ruckartig auf Lan Zhan richtete.   „Ich hab dich gar nicht angemessen vorgestellt.“, meinte er etwas aus dem Konzept wirkend.   Lan Zhan lächelte dennoch verstehend.   „Ich denke…“, setzte dieser an doch Wei Ying war schneller, indem er dessen Hand nahm und von seinem Platz aufstand, damit die Blicke seiner Familie nur noch irritierter auf ihm ruhen ließ.   Seine Aufmerksamkeit legte sich darauf entschlossen auf seinen Onkel und Madam Yu.   „Onkel Jiang. Madam Yu. Um allen Missverständnissen aus dem Weg zu gehen; Lan Zhan und ich sind zusammen. Zusammen wie in Mann und Frau zusammen. Sollte dies nicht willkommen sein in diesem Haus werden wir sofort wieder aufbrechen. Endschuldigen werde ich mich für meine Gefühle zu ihm jedoch nicht!“   Wei Ying gab noch ein resolutes Schnaufen von sich über seine Ansprache und wappnete sich schon für jegliche Anfeindungen die da kommen mochten.   Onkel Jiang schaute verdutzt, wogegen Madam Yu einen um Fassung bemühten Blick gen Himmel schickte.   Ein ergebenes Raunen, das nur von Jiang Cheng kommen konnte, war im Hintergrund zu vernehmen.   Dann setzte Madam Yu an etwas zu sagen und Wei Ying fletschte innerlich schon die Zähne, sollte sie sich unangebracht zu ihnen äußern wollen.   „Bist du dann soweit?“, fragte sie knapp. „Wir würden gern mit dem Essen fortfahren. Also setzt dich wieder.“   Onkel Jiang schmunzelte in seine Serviette.   „Uhm…“   „Wei Ying.“ Lan Zhan zog leicht an seiner Hand die er festhielt und lächelte sanft.   „Nun setzt dich endlich.“, zischte Jiang Cheng. „Oder glaubst du, dass sie es nicht schon von selbst mitbekommen hätten, das Lan WangJi nicht nur irgendeiner deiner Kumpels wäre, nachdem ihr Händehaltend vor der Tür aufgetaucht seid? Oder du so an ihm klebst, als würde er sich sonst in Luft auflösen? Dein Geschmachte liegt so dick in der Luft das man es schneiden kann!“, erleuchtete ihn sein Bruder, deutlich genervt über seine sinnfreie Ahnungslosigkeit.   „Oh.“ Wei Ying setzte sich darauf mit einem peinlich berührten Grinsen wieder und ließ sich von seiner Jiějiě die Hand tätscheln.   „Niemand hier wird dir dein Glück schlechtreden A-Xian.“, ließ sie ihn wissen und er lächelte erleichtert.   Er mochte sich ein wenig zum Narren gemacht haben, aber es fühlte sich dennoch richtig an, seinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben. Lan Zhans warmer Ausdruck als er ihn daraufhin anschaute reichte aus, um mit einem Kuss auf dessen Lippen diesen Standpunkt noch deutlicher machen zu wollen.   Madam Yus Frage war darüber vollkommen vergessen und sie schien es für diesen Moment auch dabei zu belassen.       „Du siehst wirklich glücklich aus A-Xian.“, hörte Wei Ying seine Schwester mit einem ebenso zugetanen Unterton sagen und wurde des verliebten Grinsens nicht müde.   Wie könnte er auch nicht, wenn er solch einen unglaublichen Freund an seiner Seite hatte?   „Das bin ich. Und danke, dass du dich für Lan Zhan so ins Zeug gelegt hast. Ich bin mir sicher so guten Karpfen hat er noch nie gegessen. Er schaute wirklich beeindruckt aus. Generell schien er mit der reichen Auswahl an fleischfreien Optionen recht überrascht.“   Seine Schwester lächelte ihm darauf zu. „Wusste er nicht, dass du mich darum gebeten hattest?“ Wei Ying schaute etwas ertappt. „Wenn ich ihm gesagt hätte, dass ich dich darum bitten würde, etwas nach seinen Gewohnheiten zu machen, hätte er es auf jeden Fall abgelehnt. Er mag es nicht jemandem Umstände zu bereiten.“, erklärte er und half das gewaschene Geschirr abzutrocknen. Es war eine alte Routine, der er auch nach all den Jahren automatisch gefolgt war, als sie das Essen beendet hatten und der Tisch abgeräumt wurde.   Das Mindeste was er tun konnte war, sich wenigstens ein wenig hilfreich zu zeigen, indem er seiner Jiějiě beim Abwasch half.   „Wie geht es deinem Pfau von einem Ehemann eigentlich? Ich hatte fast angenommen er wäre ebenso hier.“   „Er wusste, dass dieses Treffen wichtig für unsere Familie wäre und sah kein Problem darin nicht dabei zu sein. Wir werden morgen zu seiner Familie fahren. Sie mögen es ihre Feste immer recht aufwendig zu gestalten. Ich ziehe dem ein kleines Zusammenkommen der Familie eher vor.“ Sie schaute ihn über ihr Tun mit einem warmen Blick an. „Danke, dass du uns Gesellschaft geleistet hast, ich habe es wirklich vermisst, dich dabei zu haben. Vater ebenso. Mutter würde es zwar nicht zugeben, aber sie weiß das unsere Familie ohne dich nicht komplett ist.“ Wei Ying fiel dazu nichts zu sagen ein, fühlte er sich gerade wieder etwas sentimental, dass er schlicht nickte.   Lan Zhan war währenddessen wieder von Madam Yu und seinem Onkel eingenommen worden, schienen sie auf ihre Art und Weise von diesem angetan.   Es ließ Wei Ying wissend schmunzeln.   „Ist dieses alberne Grinsen ansteckend?“, Jiang Cheng stand mit weiterem benutztem Geschirr im Türrahmen und schaute ihn skeptisch an.   „Schade, dass dem nicht so ist, mein lieber A-Cheng. Ein freundlicheres Gesicht würde dir bestimmt auch mal ganz gut stehen.“ Jiang Cheng schnaufte lediglich über diesen Hinweis und stellte das Geschirr neben die Spüle, bevor er sich daran machte das Abgetrocknete in die Schränke zu verstauen, wo es hingehörte.   „Mom und Dad haben echt einen Narren an deinem Frost-Prinzen gefressen. Aber ich nehme an, dass du das alberne Grinsen für euch beide übernimmst. Hat er noch einen anderen Gesichtsausdruck parat, oder…?“, moserte Jiang Cheng, was Wei Ying wirklich beinahe dazu verleitete in ein haltloses Schwärmen überzugehen. Was man ihm wohl auch sehr deutlich ansehen mochte, folgte ein ergebenes Raunen seines Bruders. „Einigen wir uns darauf, dass ich diese Frage nie gestellt habe.“, setzte er noch nach, auf das sie in angenehmes Schwatzen übergingen.   Er hatte es ebenso über die letzten Jahre vermisst.   Es ließ das Glücksgefühl in ihm noch etwas weiter aufblühen, dass es ihm ein wenig die Augen feucht werden ließ.   Es war seine Jiějiě die ihm darauf über die Haare strich und er ein wackeliges Lächeln zeigte, verstand sie ihn noch immer mit am besten, auch wenn er nichts gesagt hatte.   „Ich hab noch eine Überraschung für dich.“, meinte sie darauf, was Wei Ying neugierig dreinschauen ließ.   Damit hob sie eine Abdeckung von einem großen Teller, der voll mit nán guā bǐng war.   Wie lange war es her, dass er diese gegessen hatte?   Seine Mom hatte sie ihm immer zu seinem Geburtstag zubereitet. Später, als seine Schwester davon erfuhr, nachdem er zu seinem ersten Geburtstag hier in Tränen ausgebrochen war, hatte sie ihm jedes Jahr welche gemacht. Sie hatte die Mühe investiert ihn stets zu fragen, ob sie denen seiner Mom gleich kämen und auf jedem Hinweis was anders war, einen weiteren Versuch unternommen, um sie für ihn zu perfektionieren.   Somit konnte er sich nicht mehr helfen und ein paar Tränen stahlen sich doch noch hervor.   „Danke Jiějiě. Du bist die beste.“, wisperte er gerührt und gab ihr einen Kuss auf die Wange.       Zufrieden streckte sich Wei Ying, als er den Garten des Hauses betrat, der mit einigen roten Laternen beleuchtet wurde, um etwas frische Luft zu schnappen, nachdem sein Bauch voll mit Glück und Dessert war.   Lan Zhan, der ihn begleitet hatte, legte ihm seine Arme von hinten um die Hüften und Wei Ying lehnte sich sogleich gegen ihn.   Er musste unwillkürlich etwas auflachen, erinnerte er sich an die perplexen Gesichter seiner Familie, als er ihnen über den Nachtisch recht unzeremoniell mitteilte das er und Lan Zhan vor kurzen adoptiert hätten, als das Thema auf das Neugeborene der Xians wechselte, die im Haus nebenan wohnten.   Wei Ying wusste das Madam Yu es als einen subtilen Moment nutzte ihre Tochter daran zu erinnern, dass die besten Jahre einer Frau, um Kinder in die Welt zu setzen, nicht vertan werden sollten.   Wei Ying hatte seiner Jiějiě das leichte Unbehagen darüber angemerkt und somit mit seinem Kommentar auf sich abgelenkt.   „Sie sind so allerliebst, wenn sie noch klein sind. Und ich wollte ja immer eine große Familie.“, hatte er mit Entzücken gemeint und sein Smartphone aus seiner Tasche gefischt. Dass er in der Mehrzahl gesprochen hatte, ließ die Augen aller noch etwas größer und die Blicke ungläubiger werden.   „Lan Zhan ist der beste Dad denn man sich vorstellen kann. Er hat ihr gesamtes Zimmer allein hergerichtet und wirklich an alles gedacht, damit sie sich wohl fühlen.“   „Sie haben nur das Beste verdient.“, hatte sich Lan Zhan zu seiner Freude mit eingebracht, um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, das Wei Ying wirklich zu tun hatte nicht lauthals loszulachen.   Schließlich hatte er sein Telefon auf den Tisch gelegt, das Display erleuchtet mit einem Foto, das zwei pummelige, kleine Hasenkinder zeigte.   Eines schwarz das andere weiß.   Jiang Cheng schnalzte gefoppt mit der Zunge über diese Offenbarung.   Seine Schwester gab ein angetanes „Awww.“ von sich.   Madam Yu hielt eine ihrer feingeschwungenen Augenbrauen nach oben gezogen, ein Blick der sagte, dass sie es hätte wissen müssen.   Onkel Jiang lächelte herzlich über die weiteren Bilder die Wei Ying ihm und seiner Schwester zeigte.   „Ich bin froh zu sehen, das du dich wohl hier zu fühlen scheinst.“, hörte er Lan Zhan leise sagen und Wei Ying wusste, dass dieser sich ebenso Gedanken gemacht hatte, wie er mit ihrem Besuch hier zurechtkommen würde.   „Dank deinem Beistand.“, ließ er ihn wissen und legte seinen Kopf etwas in den Nacken, um ihm einen Kuss auf die markante Kinnpartie zu geben.   Sie standen noch einen Augenblick auf der Terrasse, als Wei Ying ein leichtes Frösteln durchfuhr, war der Abend recht kalt geworden und er nur mit seiner dünnen Sweatjacke rausgegangen.   „Wir sollten wieder hineingehen.“, wisperte ihm Lan Zhan ins Ohr, das er dabei leicht mit seiner Nasenspitze streifte. Ein wohliges Kribbeln zog durch Wei Yings Körper und er drehte sich in Lan Zhans Armen zu diesem um.   „Ich wüsste etwas, mit dem mir ebenso wieder warm werden würde.“, raunte er gegen dessen Halsbeuge, ein verschmitztes Schmunzeln auf den Lippen. Auf das ihm Lan Zhan, auf seinen Knien; dessen sinnlicher Mund um seine Länge, wieder einkam. Wie verboten sexy er dabei ausgesehen hatte, dass es ihm ein weiteres Zittern bescherte. Doch diesmal aus einem völlig anderen Grund.   Aber weil er trotz aller amourösen Anwandlungen doch noch Anstand genug besaß, diesen Gefallen nicht genau hier und jetzt erwidern zu wollen, beließ er es dabei Lan Zhan simpel in einen unanständigen Zungenkuss zu verwickeln, dass er die Kälte darüber tatsächlich vergaß.   Ein intensives Räuspern zu ihrer Rechten und Wei Ying wusste das es Jiang Cheng war. Und da er es nicht lassen konnte diesen etwas aufzustacheln, machte er eine kleine Show daraus, sich von Lan Zhans Lippen loszusagen, indem er seine Zunge demonstrativ aus dessen Mund auftauchen ließ, noch einmal leicht über diesen leckte und mit einem zufriedenen Brummen einen letzten innigen Kuss darauf setzte.   Dann strahlte er seinen Bruder mit all der nicht vorhandenen Unschuld an, die er meistern konnte.   „A-Cheng.“   Dieser hatte seinen Kopf etwas gesenkt, doch konnte man durch das Licht, das durch die gläserne Terrassentür fiel erkennen, dass dessen Wangen rot waren und sein Unterkiefer merklich angespannt.   „Du bist und bleibst ein schamloser Bastard.“, knurrte dieser und verwies darauf, dass der Rest der Familie ebenso gedachte den Garten betreten zu wollen.   Man hielt also auch an diesem Brauch fest, mit dem Verlassen des Hauses verbleibende Spuren des alten Jahres hinauszutragen. Früher, wenn es dann darum ging alle Fenster zu öffnen um das Glück für das kommende Jahr hereinzulassen, war er immer der erste der durch die Zimmer gefegt war, war er der Meinung das sie das meiste Glück abbekommen würden, wenn sie auch die ersten wären die ihre Fenster weit öffneten.   Damals hatte man ihm gesagt, dass seine Eltern einen unglücklichen Unfall gehabt hätten, also war er mehr als eifrig gewesen, nun genug Glück für seine neue Familie sammeln zu wollen.   Dass er es am Ende war, der deren Unglück verkörpern würde, schien im Rückblick doch recht ironisch.   „Wei Ying?“ Lan Zhans Ausdruck, als er ihn ansah, war ein wenig besorgt. Sein Freund hatte eindeutig ein zu gutes Gespür für seine melancholischen Anwandlungen.   „Schon gut, ich erinnerte mich nur an etwas von damals. Heute hier zu sein bringt einige Emotionen mit sich, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Aber keine Sorge.“ Er küsste Lan Zhan kurz zu Beruhigung. „Ich bin dennoch froh, dass wir hergekommen sind.“   Das erste Feuerwerk war in der Ferne zu sehen, was anzeigte das es nun nicht mehr lange dauern würde, das ihnen, laut ihrem Kalender, ein neues Jahr bevorstand.   Das letzte war recht unberechenbar gewesen, doch am Ende das Beste was er seit langem gehabt hatte.   Lan Zhan war wie ein Wunder, das in sein Leben getreten war.   Mit ihm an seiner Seite und mit dem neu aufgegriffenen Kontakt zu seiner Familie, fühlte er sich recht zuversichtlich, dass die Zukunft sonniger sein könnte, als er vor kurzem noch zu glauben im Stande gewesen war.   Wei Ying zog Lan Zhan in einem Impuls etwas abseits, bevor die anderen die Terrasse betreten würden.   Dieser schaute ihn nun etwas fragend an, doch Wei Ying lächelte nur liebevoll und nahm nun auch dessen andere Hand in die seine. Schaute ihm tief in die Augen.   „Lan Zhan, ich hoffe du weißt wie unglaublich glücklich du mich machst. Wenn nicht, dann zeig ich es dir gern jeden Tag auf ein Neues. Ich liebe Dich. Unermesslich.“ Lan Zhans Lächeln war beinahe ausreichend um Wei Ying wissen zu lassen, dass dieser ebenso für ihn empfand. Dieser zog ihn näher an sich heran und küsste ihn auf die Stirn.   „Ich möchte dich nicht mehr missen wollen mein Wei Ying. Ich wusste nicht wie erfüllend es sich anfühlen kann, jemanden mit allem zu lieben das einen ausmacht. Ich könnte nicht dankbarer sein, dich getroffen zu haben. Ich liebe Dich. Unermesslich.“   Sie lächelten sich einen verliebten Augenblick einfach nur an, über ihnen das bunte, prachtvolle Funkeln von Feuerwerk, das diese Moment umso magischer erscheinen ließ. Genau wie es sich immer wieder magisch anfühlte sich zu küssen, den anderen unter seinen Fingern zu spüren, zu wissen das man nicht mehr allein war.   In diesem Moment schien jede Hürde der Vergangenheit es wert gewesen zu sein, um das sie hatten zueinander finden können. ***     jiějiě - ältere Schwester   shū shu - Onkel   fū ren – Lady/Madam   xiān sheng – Mister/Herr xián jiǎo zǐ – gefüllte Teigtaschen nán guā bǐng – Kürbis Pancake       So das war es nun. Ich hoffe, jeder, der diese Story bis zum Ende gelesen hat, es gerne tat. Eigentlich war es als ein simpler OneShot angesetzt, aber dann gingen die Ideen ihren eigenen Weg und es wurde wesentlich länger. Nicht unbedingt unüblich für mich  : P   Als nächstes wird eine kurze High School AU folgen (vielleicht 5 Kapitel)   In diesem Sinne,   LG und vielleicht bis zur nächsten FF ; D   YMW     Und falls Ihr noch Interesse habt, hier noch ein paar andere Werke von mir, zu diesem Fandom;     https://www.animexx.de/fanfiction/393545/?js_back=1   https://www.animexx.de/fanfiction/391993/?js_back=1    https://www.animexx.de/fanfiction/390890/?js_back=1    Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)