Paper Umbrella Moon von YoungMasterWei ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Der Einzug des Herbstes machte sich bemerkbar und damit begann eine Zeit für Wei Ying, in der er sein Bett am liebsten nicht würde verlassen wollen.   Die kürzeren Tage machten ihn schwermütig und die Kälte zog ihn stets in alle Glieder und auch in seinen Geist.   Es machte ihn oft lethargisch, doch durfte er sich diesem Gefühl einfach nicht ergeben wusste er, dass er sonst so schnell nicht wieder darunter auftauchen würde.   Und er hatte eindeutig nicht den Luxus dazu.   Es war eine Qual gewesen Jiang Cheng endlich davon abzubringen, ihn dazu überreden zu wollen zum Mondfest nach Hause zu kommen.   Ein zu Hause, dass nicht mehr das seine war.   Nein, dieses Haus war nie sein zu Hause gewesen, hatte er nach allem was vorgefallen war, nur ein paar Mal einen Fuß dort hinein gesetzt.   Nichts verband er dort, mit dem Ort an dem er aufgewachsen war. Alles was es in ihm auslöste war dieses eiskalte Gefühl des fremdsein.   Fremd nach aussen.   Fremd nach innen.   Er wusste, dass er in seiner derzeitigen Verfassung mit diesem Druck nicht würde umgehen können, hätte er sich von Jiang Cheng dazu zwingen lassen ihm nachzugeben.   Er konnte so schon nicht viel tun, wenn ihm bestimmte, alltägliche Dinge schwerer fielen als sonst.   Einen Tag zu meistern, kostete jedes Mal ein Stück Energie zu viel.   Seine Nächte waren nicht wirklich erholsam, fiel ihm trotz aller Erschöpfung das Einschlafen schwer oder ihm plagten Träume, die ihn stets gehetzt aufschrecken ließen und er sich selten wieder zum Einschlafen bringen konnte.   In diesen Fällen fühlte er die Einsamkeit besonders intensiv und ärgerte sich letztendlich nur über sich selbst, wenn ihn seine Emotionen drohten zu überwältigen.   Er hasste es schwach zu sein und doch konnte er niemand anderen dafür die Schuld geben außer sich selbst.       *       Es regnete als er das Haus verließ und es regnete noch immer als er seine Schicht beendete.   Doch in all dem grauen Trübsinn, gab es dennoch ein Licht das er nicht missen wollte, egal wie angeschlagen er sich auch fühlen mochte. Zu wissen, dass er Lan Zhan am Ende des Tages würde sehen können, brachte ihn über die anstrengendsten Stunden und er konnte seinem müden Körper gar nicht schnell genug zur Bücherei befehligen.   Mit Lan Zhans Hilfe, hatte er anstehende Tests zu ihrer beider Zufriedenheit meistern können und die Dankbarkeit dafür war nur schwer in Worte zu fassen.   Allerdings achtete er trotz allem darauf, seinen derzeitigen Zustand vor diesem nicht zu offensichtlich erscheinen zu lassen.   Seine Augenringe erklärte er mit Stress oder damit die Nacht mit Videospielen oder dem Ausgehen mit Freunden verbracht zu haben. Er hatte ihm außerdem erzählt, dass ihm der Wechsel der Jahreszeit immer schon zu schaffen gemacht hätte, es aber keinen Grund zur Sorge darstellte.   Lan Zhan war noch immer recht schwer zu lesen, somit konnte Wei Ying auch nicht beurteilen, ob dieser ihm seine Notlügen auch tatsächlich abgekauft hatte.   Seine Lungen brannten unangenehm vom Herrennen und er fühlte ein aufkommendes Schwindelgefühl das ihn sich haltsuchend an das Geländer der Treppe zum Eingang lehnen ließ.   Hastig kramte er seine Wasserflasche aus seiner Tasche und trank diese nahezu aus, in der Hoffnung, dass er seinen Kreislauf damit wieder etwas stabilisieren könne.   Er verharrte noch einen unwohlen Moment auf der Treppe, bevor er sich straffte und die Bibliothek schließlich betrat.   Lan Zhan war stets vor ihm hier und las wie immer ein Buch, als er ihren Tisch erreichte.   Das Lächeln das Wei Ying versuchte aufzusetzen schien jedoch besonders schwer, fühlten sich seine Wangen beinahe taub an und sein Herz raste noch immer ungesund.   Dass seine Scharade aufgeflogen war erkannte er noch bevor er hätte ein „Hallo“ hervorbringen können, da Lan Zhans Gesichtszüge sofortige Besorgnis aufzeigten als sich ihre Blicke trafen.   „Wei Ying?“ Dieser war ebenso gleich aufgestanden, doch winkte Wei Ying dessen Sorge nur mit der Hand ab und setzte sich ihm gegenüber.   „Nun schau nicht so.“, versuchte er abzuwiegeln und holte seine Unterlagen aus seiner Tasche.   „Es war etwas stressig auf Arbeit und ich bin spät weggekommen.“ Er versuchte sich erneut an einem überzeugenden Grinsen. „Ich bin nicht mehr so fit wie ich dachte, dass mich der Sprint hier her ziemlich außer Puste gebracht hat. Nichts weiter. Schließlich weiß ich das du Unpünktlichkeit nicht gutheißt.“ Damit zwinkerte er seinen Gegenüber zu, und lenkte das Thema auf etwas anderes.   „Also, wo setzen wir heute an?“ Lan Zhan schlug sein Buch zu und Wei Ying erwartete seinen Stoff, doch stattdessen räumte Lan Zhan seine Sachen zusammen.   „Lass uns heute aussetzen. Ich bring dich nach Hause.“, hörte er ihn sagen und in Wei Ying stieg augenblicklich Panik auf.   Er wollte nicht nach Hause.   Dort gab es nichts, das ihn von diesem furchtbar erdrückenden Gefühl ablenken würde können.   Er wollte nicht, dass sie sich schon voneinander verabschiedeten und sich dann erst in ein paar Tagen wiedersahen.   Er wollte nicht allein sein müssen.   Nicht nachdem er sich den gesamten Tag nur auf ihr Treffen…auf Lan Zhan gefreut hatte.    Das Einzige was ihn überhaupt noch dazu bringen konnte.   „Nein…“, brachte er mit unruhigem Ton hervor, von dem er ausgehen musste, das Lan Zhan es als kindlichen Trotz angesehen hatte.   „Wei Ying, dir geht es nicht gut. Du solltest dich ausruhen.“ Er klang als würde er keine Diskussion darüber zulassen und es machte Wei Ying nur noch verzweifelter.   „Nein…ich…“ Er erhob sich etwas zu rasch, doch war das auch schon alles was er noch zu Stande brachte, waren die Übelkeit und das Schwindelgefühl sofort wieder zurück, dass er darauf nur kraftlos in sich zusammensacken konnte.   Jemand legte ihm eine Hand an die Stirn und er glaubte, dass man seinen Namen sagte.   „Ich will nicht allein sein.“ Er war sich nicht sicher, ob er es in seiner Verzweiflung nur dachte oder ausgesprochen hatte, überkam ihm darauf auch schon diese verhasste Dunkelheit.       Als er seine Augen aufschlug, die Atmung schwer und das hektische Pulsieren seines Herzens in den Ohren, erschien die Dunkelheit nicht viel anders als mit geschlossenen Augen.   Wei Ying spürte die Kälte die seine klamme Haut umspannte und das verlorene Gefühl in seinem Inneren.   Wie er es hasste.   Ein Wimmern stahl sich hervor und er rollte sich soweit in sich zusammen wie es ihm möglich war, auf das er den Tränen freien Lauf ließ.   Wie oft würden sie ihn noch heimsuchen? Die Fehler seiner Vergangenheit und das damit verbundene Empfinden von Wertlosigkeit?   Egal wie viel Willen er in jeden Tag investierte.   Egal ob er glaubte Fortschritte gemacht zu haben.   Egal wie eisern er sich in das Versprechen, nicht aufzugeben auch verbiss.   Warum fühlte er sich noch immer viel zu oft so unsäglich verloren?   Warum gewöhnte er sich nicht endlich an die Einsamkeit?   Erbärmlich! Das war es, was er war!   Und das in einem Maße, dass er sich nun auch schon einbildete, dass jemand seinen Namen sagte.   Man ihm sanft über den Kopf strich und er die Wärme einer anderen Person wahrzunehmen glaubte.   Es löste ein weiteres, mitleidiges Jammern in ihm aus, und trotz dass sich sein Körper schon so verkrampft anfühlte. versuchte er sich noch kleiner machen zu wollen, er seine Hände schmerzhaft in seinen Haaren verkrallte.   Es war nicht das Gefühl das er suchte…brauchte, doch es bewirkte ein verqueres, erdendes Empfinden.   „Nicht…“ Er spürte wie etwas ihm diesen Halt nehmen wollte und es ließ ihn nur noch fester greifen.   „Du verletzt dich damit nur selbst.“ Er wusste das, doch wen sollte es kümmern?   „Wei Ying…“ Es war wie ein Balsam. Auch wenn es nur seine Einbildung wäre, so vermochte es der einfühlsame Klang dieser Stimme seinen Dornenkäfig etwas aufzubrechen.   „Lan…Zhan…“ Es legte ihm ein melancholisches Lächeln auf die Lippen, dachte er an den anderen.   „Ich bin hier.“, hörte er es leise sagen.   Wei Ying schüttelte leicht seinen Kopf.   Nein, wäre er nicht…   Sobald er seine Augen öffnete wäre er allein.   Es ließ weitere, doch diesmal stumme Tränen fließen.   Die Präsenz die er sich erdacht hatte verschwand und es ließ ihn augenblicklich mit einem Zittern zurück.   Es war so ungemein befremdlich, als diese dann plötzlich mit einer Vehemenz über ihn wusch, das ihm der Atem stockte, während sich zwei Arme um ihn legten und er gegen einen soliden Körper gezogen wurde, dessen Wärme und vertrauter Geruch es schwer machten sich weiterhin einzureden, das alles nur ein Hirngespinst wäre.   Vorsichtig streckte er seine Arme aus, doch löste sich die Gegenwart des anderen dennoch nicht auf, sondern kam ihn nur noch ein weiteres Stück entgegen, bis Wei Ying es darauf ankommen ließ und die Umarmung kopierte.   Und als dieser schützende Halt nicht nachgab, wagte er es seine Augen zu öffnen.   „Lan Zhan.“, wisperte er überfordert.   „Ich bin hier.“, ließ man ihn erneut wissen.   Es brachte so viele Emotionen in Wei Ying zum Vorschein, das er nichts erwidern konnte außer sich nahezu verzweifelt an den anderen zu klammern und ein leises, erleichtertes, wenn auch tränengetränktes Lachen hervorzubringen.   Als er dann folglich vor Erschöpfung die Augen wieder schloss, geschah dies mit einem dankbaren Lächeln.       Der nächste Tag war bereits angebrochen, als er wieder zu sich kam, doch diesmal fühlte er sich wesentlich entspannter und erholter.   Er hatte seinen seelischen Zusammenbruch jedoch noch deutlich genug im Kopf.   Auch das Lan Zhan an seiner Seite gewesen war.   Es fühlte sich beschämend, wie auch gut an.   Doch er würde sich nichts vormachen. Dass es diesem sicherlich unangenehm gewesen sein musste, konnte er sich sehr gut vorstellen. Genauso, wie es ihn nicht wundern würde, wenn dieser Vorfall nun einen merklich ungelenken Umgang zwischen ihnen nach sich ziehen würde.   Irgendwie schaffte er es immer wieder Leute zu vergraulen, sobald er nicht mehr vorgeben konnte alles in Griff zu haben.   Für diesen Moment aber, verdrängte er diese Aussicht, schloss die Augen erneut, zog die Bettdecke noch etwas höher und drehte sich auf die andere Seite.   Es war ein wirklich gemütliches Bett. Kein Vergleich mit der in die Jahre gekommenden Matratze auf seinem knarrenden Bettgestell.   Ein Geräusch, als würde jemand etwas zur Seite gelegt haben, brachte ihn allerdings dazu seine Augen wieder zu öffnen.   Das wenige Sonnenlicht das den Raum durch die geschlossenen Vorhänge erhellte, ließ Lan Zhans Gesichtszüge weicher, ein wenig diffus erscheinen, das er seine Hand nach diesem ausstreckte, um sich auch zu vergewissern das er tatsächlich neben ihm saß.   Dieser kam seiner Geste ohne Zögern entgegen.   Die Wärme dieser simplem Berührung war alles was Wei Ying brauchte, um versonnen zu lächeln und ein verschlafenes „Guten Morgen.“ zu murmeln.   Lan Zhan erwiderte dies in einem sanften Ton, beinahe als habe er ein scheues Tier vor sich das er nicht verschrecken wollte.   „Wie geht es dir?“, erkundigte sich dieser, dem erneut ein besorgter Unterton inne wohnte.   „Besser.“   „Das ist erfreulich.“ Wei Ying brummte kurz als Bestätigung, wusste aber auch, dass er nun wohl ein paar Dinge erklären sollte.   „Sorry, wegen der Umstände. Ich…“ Er seufzte in Ermangelung der passenden Worte für einen Anfang.   „Es ist in Ordnung, wenn du darüber schweigen möchtest.“ Das wollte er, wirklich, doch schüttelte er kurz den Kopf.   Es würde dennoch in der Luft hängen bleiben.   Die Chancen das Lan Zhan es bevorzugen würde nach seiner Geschichte eher Abstand zu halten, war eine Option der er sich bewusst war. Aber am Ende würde es früher oder später eh dazu kommen, hatte er nun selbst wieder erleben müssen, dass er bestimmte Dinge nicht verstecken konnte.   „Nein, ich denke es ist besser wenn du Bescheid weißt.“ Er raffte sich etwas träge in eine sitzende Position auf, und er merkte, dass er noch immer Lan Zhans Hand festhielt.   Dieser schien sich nicht weiter daran zu stören und er war froh über diesen kleinen Halt, auf das was er nun gedachte zu erzählen.   Dann allerdings knurrte sein Magen derart laut, dass es ihm einen verlegenen Rotschimmer auf die Wangen trieb.   „Lass uns erst etwas essen.“ Lan Zhans Vorschlag war verlockend, doch glaubte Wei Ying nicht, dass er noch einmal den Mut aufbringen konnte und griff dessen Hand etwas fester, als dieser gedachte sich erheben zu wollen.   Er brauchte sich nicht erklären, reichte ein Blick von Lan Zhan auf ihn aus, das dieser auch so zu verstehen schien.   „Ok.“, meinte er mit einem leichten Nicken und setzte sich wieder neben ihn, drückte seine Hand im stummen Beistand.   Wei Ying atmete einmal tief durch.   „Meine Eltern starben, als ich nicht älter als sechs Jahre alt war.“   Er erzählte von seinen Monaten in einem heruntergekommenen Waisenhaus und den bissigen Wachhunden, die man dort hielt, um sie im Zaum zu halten. Davon das ihn Jiang FengMian, der ein guter Freund seiner Mutter gewesen war, schließlich ausfindig hatte machen können und ihn darauf in seine Familie adoptierte.   Er erzählte ihm von Jiang Cheng und seiner jiě jie. Davon das sein Bruder impulsiven Charakters war aber auch einen weichen Kern hatte und sie trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten bald ein eingespieltes Team wurden.   Das seine jiě jie einfach die beste war und ihr Ehemann ein unwürdiger, arroganter Pinsel.   Von Madam Yu, die ihn nie wirklich hatte akzeptieren können und in ihm stets ein Ärgernis und einen schlechten Einfluss auf ihren Sohn sah.   „Ich konnte sie irgendwo verstehen. Ich war ein Eindringling in ihre Familie in welche sie mich nie hatte aufnehmen wollen, hätte Onkel Jiang sich ihr nicht wiedersetzt.   Dennoch hatte ich eine ausgefüllte Kindheit. Doch je älter ich wurde, umso mehr wurde mir die Bürde bewusst die sie durch mich mit zu tragen hatten. Madam Yu nahm nie ein Blatt vor den Mund, wenn es wegen mir Ärger gab. Und den gab es irgendwie recht oft.“ Wei Ying grinste etwas schief über die Nostalgie dahinter.   „Der wirklich große Ärger nahm seinen Lauf im zweiten Jahr der Sekundarstufe. Ich hatte große Pläne für meine Zukunft und das Glück das mir das Lernen so leicht fiel, das ich dem Stoff oft voraus war.“ Hier ließ er den Kopf etwas mehr hängen und seufzte. „Ich weiß, es scheint unwahrscheinlich, wenn man mich jetzt so sieht.“   Er fing Lan Zhans leichtes Kopfschütteln aus dem Augenwinkel her ein.   „Das Leben ist unberechenbar. Du gibst dein Bestes. Ich konnte mich davon überzeugen.“ Wei Ying lächelte über diese Ermutigung und ehe er sich versah hatte er seinen Kopf auf Lan Zhans Schulter gelegt. Erneut ließ diese ihn gewähren und Wei Ying fand die Kraft weiterzusprechen.   „Eines Abends war ich mit Freunden unterwegs. Das übliche. Fastfood, Game Arkade, einfach abhängen.   Ein Typ hatte sich an ein Mädchen rangemacht und gab einfach nicht klein bei, egal wie oft sie ihm auch schon sagte, dass sie kein Interesse habe.   Als er handgreiflich wurde, bin ich dazwischen gegangen.    Der Kerl spielte sich daraufhin so auf.   Wie sich herausstellte war er der Sohn irgendeines reichen Firmenchefs und glaubte das Geld und der Titel seines Vaters wären sein Freifahrtschein sich alles erlauben zu können.“ Wei Ying knirschte bitter mit den Zähnen. „Diese Art von Leuten regt mich so auf.“ Er atmete erneut durch, um sich nicht wieder davon einnehmen zu lassen.   „Er war echt gut darin Beleidigungen von sich zu geben oder mit seinem Daddy zu drohen, doch zeigten wir uns von ihm und seinen Vasalen nicht so eingeschüchtert, wie er es wohl gewöhnt war.   Er war zudem nicht der Gescheiteste und man konnte ihn mit ein paar gut gezielten Spitzen schnell ins Lächerliche ziehen. Als er abermals auf mich losgehen wollte, warf man ihn aus dem Gaming Center.   So gesehen war es für mich damit abgeschlossen. Ich hatte ihn nach wenigen Tagen bereits vergessen gehabt, gibt es solche Spinner zur Genüge.   Es war vielleicht zwei Wochen später, als man mir das erste Mal auflauerte. Ich hatte Glück, weil ich nicht allein war, wie man wohl gehofft hatte. Ein anderes Mal, weil jemand Augenzeuge wurde und man darauf das Weite suchte. Aber damit nicht genug. Selbst in der Schule ging die Schikane weiter.   Mir wurden Dinge unterstellt mit denen ich nichts zu tun hatte, oder man machte sich an meinen Sachen zu schaffen, wenn ich nicht zugegen war.   Es wurde zu einem ziemlichen Problem, gab es Leute die nur zu bereitwillig annahmen, dass ich tatsächlich hinter den meisten Dingen steckte. Man sah zuvor schon gern den Unruhestifter in mir und war somit nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen.   Madam Yu, war kurz davor mich aus dem Haus zu werfen, dachte sie natürlich ohne Zögern das ich die Ursache der Ärgernisse wäre.   Ein Freund von mir fand schließlich heraus das es ein abgekartetes Spiel war, von niemand anderen als diesem arroganten, reichen Loser. Er hatte sich vor lauter gekränktem Stolz diverse Leute eingekauft, die für ihn die Drecksarbeit übernahmen.“ Er schüttelte nicht zu ersten Mal fassungslos den Kopf darüber, wie erbärmlich solche Leute doch waren.   „Wir haben ihn bloßlegen können mit ein paar gut platzierten Posts im Internet. Frag mich nicht woher HuaiSang all das fragwürdige Material hat auftreiben können, doch es reichte um diesem Schnösel eins auszuwischen.“ Wei Ying schwieg einen Moment.   „Ich hätte wissen müssen, dass es damit nicht einfach zu Ende wäre.“ Er schluckte schwer an der Erinnerung über das was darauf gefolgt war.   „Er hat unser Haus niederbrennen lassen.“, brachte er nur mit Anstrengung hervor.   „Madam Yu war zu dieser Zeit allein zu Hause und wurde davon überrascht. Onkel kam zurück als das meiste schon in Flammen stand. Etwas sagte ihm das seine Frau noch im Haus sein könnte und er konnte sie gerade noch rechtzeitig nach draußen bringen. Beide erlitten Verbrennungen und eine Kohlenmonoxid-Vergiftung.“ Seine Hände verkrampften sich in der Bettdecke.   „Sie hatten alles verloren und es war meine Schuld.“   Wei Ying spürte Tränen der Frustration in seine Augen steigen. „Kurz darauf sendete man mir eine Nachricht die sagte, dass ich mich mit dem Falschen angelegt habe und mir war sofort klar wer dahinter steckte.   Und es hörte nicht auf. Ihr nächstes Opfer war Jiang Cheng den man recht übel zugerichtet hatte. In meiner Rage habe ich diesen Wen Chao herausgefordert seine Rechnung gefälligst mit mir zu begleichen und nicht feige andere in sein Spielchen mit hineinzuziehen.   Das letzte an was ich mich erinnern kann, nachdem ich mich mit ihm traf, war das seine Goons über mich herfielen und ich keine Chance hatte.   Als ich wieder zu mir kam, sagte man mir das ich drei Monate im Koma gelegen hätte, nachdem man mich halb tot in irgendeinem Straßengraben fand.“ Wei Ying rieb sich unbewusst über die Vernarbung auf seiner Brust, dessen vorangegangene Verletzung ihm beinahe das Leben gekostet hatte.   „Am Ende wäre es wohl auch besser gewesen, wenn man mich nicht rechtzeitig gefunden hätte.“, wisperte er und spürte sofort den Druck von Lan Zhans Hand, welche er noch immer festhielt.   „Ich weiß, solche Gedanken sind keine Lösung. Zu jener Zeit war es allerdings etwas das mir ständig durch den Kopf ging. Als ich erfuhr wie viel es die Jiangs kosten würde nun auch noch meinen Krankenhausaufendhalt zu begleichen.   Es war wie eine Spirale die einfach nur weiter abwärts führte.   Sobald ich das Krankenhaus verlassen konnte, hab ich mich abgesetzt im Versuch meine Schulden irgendwie begleichen zu können. Unnötig zu sagen, dass es für jemanden wie mich kaum eine Chance gab. Ich hatte keinen Abschluss, meine körperliche Verfassung war bescheiden und von meiner Psyche gar nicht zu reden.   Ich hatte so viel Wut in mir, die es immer schwerer wurde zu zügeln.   Ich wollte niemanden um mich haben. Und doch fühlte ich mich dermaßen einsam. Mein Schuldgefühl wurde nur größer, je weniger ich im Stande war etwas zu erreichen. Letztendlich verschluckte mich meine Depression.   Ich habe keine Ahnung wie, aber eines Abends landete ich in der Praxis von Wen Qing. Ich muss ausgesehen haben wie eine wandelnde Leiche, in so einem erbärmlichen Zustand war ich. Ich hatte diverse Verletzungen, denen ich mir nicht einmal bewusst war, oder wo ich sie mir zugezogen hatte.   Sie flickte mich wieder zusammen.   Sie ist zudem eine Frau mit einer Persönlichkeit die kein Wenn und Aber gutheißt. Zusammen mit ihrem Bruder hat sie mir bei meinen ersten, grundlegenden Schritten aus meiner Situation herausgeholfen und ich könnte ihnen nicht dankbarer sein. Ich begann eine Therapie, landete in Xiao xiān shengs Jugendzentrum, wo ich etwas aushalf. Er war es auch der mir den Job in der Tierhandlung möglichmachte, sind er und Song lǎo bǎn recht gut befreundet.   Wieder zur Schule zu gehen war ein Entschluss der mich einiges an Überwindung gekostet hat, aber es war ein Ziel. Und ich will es noch immer erreichen, allerdings gibt es immer wieder diese Phasen.“ Es fühlte sich schon ziemlich peinlich an, dachte er daran, das Lan Zhan ihn in eben solch einer Phase erlebt hatte. „Ich weiß es ist unangebrachter Trotz, aber ich möchte deswegen nicht ständig Medikamente nehmen. Ich möchte es irgendwann wieder aus eigener Kraft schaffen, damit zurecht zu kommen. Irgendwie hoffe ich immer wieder, das ich es eines Tages sogar komplett überwinden kann.“ Er schwieg abermals einen Moment, bevor er weitersprach. „Ich möchte ein normales Leben haben können. Mein Entschluss meine Schuld zu begleichen besteht noch immer, aber dazu brauch ich einfach bessere Optionen.“ Ein Gähnen rutschte ihm hervor, das er hinter einer Hand versteckte. Sein Kopf ruhte noch immer auf Lan Zhans Schulter. Nicht die bequemste Position doch er wollte es auskosten solange man ihn ließe.   Lan Zhan sagte zuerst nichts zu seiner Story und Wei Ying driftete über die Stille langsam wieder in den Schlaf zurück.   „Du hast einen starken, bewundernswerten Willen.“, hörte er diesen dann sacht sagen und lächelte leicht.   Das Lan Zhan ihm darauf sanft über die Wange strich, nahm er nur vage wahr, bevor er wieder gänzlich einschlief. *** xiān sheng - Herr/Mister jiě jie – ältere Schwester lǎo bǎn – Chef/Boss   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)