Paper Umbrella Moon von YoungMasterWei ================================================================================ Kapitel 2: ----------- WangJi sah seinem Bruder die deutliche Verwunderung an, als dieser sein Apartment betrat und er die Kisten im Eingangsbereich vorfand, die voll mit Tiernahrung und Spielzeug waren.   „Möchtest du dir ein Haustier zulegen?“, fragte dieser nach und WangJi schüttelte den Kopf.   „Fürs Tierheim.“, erklärte er XiChen, der darauf nicht weniger verwundert aussah als zuvor.   „Eine wunderbare Geste. Was hat dich auf den Gedanken gebracht?“ XiChen folgte ihm darauf ins Wohnzimmer.   „Spontan.“, ließ ihn WangJi lediglich wissen und mied den fragenden Blick seines Bruders bewusst.   Es war nicht gelogen. Es hatte noch nie einen triftigen Grund gegeben seinen großen Bruder anlügen zu müssen und in diesem Fall hielt er sich einfach nur mit dem Grund seiner spontanen Einkäufe zurück.   Stattdessen bot er ihm einen Tee an, den dieser gern annahm.   Es war Samstag und er hatte XiChen versprochen ihm zu helfen ein paar Dinge in das Kinder- und Jugendzentrum zu bringen, dem dieser seit einigen Monaten regelmäßig eine helfende Hand reichte.   Solch eine Unterstützung anzubieten, obwohl dieser selbst schon einen ausgefüllten Tagesablauf zu meistern hatte, war etwas wofür ihn WangJi erneut bewunderte, wurde dieser es nie müde dort zu helfen, wo es notwendig erschien.   Das Zentrum befand sich nicht in der besten Gegend und genau deswegen war es wichtig diese Einrichtung zu unterstützen, hielt sich diese hauptsächlich durch Spenden.   Sein Bruder war schon immer ein Mensch gewesen der sich nicht zu schade war anderen zu helfen.   Er war ebenso der Typ Mensch der recht schnell Kontakte knüpfen konnte und auch so problemlos mit anderen zurechtkam.   Etwas das ihm nie so recht gelegen hatte.   Er tat seinen Job als Dozent an einer Privatschule gern. Er mochte es Kunst und klassische Literatur zu lehren, gab ihm das Eintauchen in diese Winkel der Vergangenheit stets ein Gefühl des nachhause Kommens.   Seine Studenten hatten Respekt vor ihm und seine Kollegen bewunderten die Hingabe für seinen Unterricht.   Er gab sich stets Mühe diesen nicht zu trocken und fade werden zu lassen wusste er, dass er damit das Interesse seiner Schüler ebenso ersticken konnte. Er hatte sich in kürzester Zeit eine Reputation aufgebaut an der niemand zu rütteln versuchte.   XiChen hatte ihm vor ein paar Wochen angehalten, ob er nicht bereit wäre sein Wissen mit den Kids im Zentrum teilen zu wollen. Es war ein Event geplant, das diesen ihre Geschichte und Traditionen wieder etwas näher bringen sollte und das mit allem Drum und Dran.   Es war einiges an Arbeit Wissenswertes kindergerecht umzusetzen, damit diesen auch nicht der Spaß an dieser Gelegenheit verlorengehen würde.   Zudem hatte man ihn gefragt, ob er nicht auch etwas auf der Guqin vortragen könnte, als man durch XiChen davon erfuhr, dass er dieses Instrument seit seiner Kindertage schon spielte.   Und auch wenn er nicht die geselligste Person war, so war er dennoch gern bereit etwas Gutes zu tun, wenn man ihn darum bat.       Der Weg zum Zentrum zog sich, dank des Verkehrs, länger hin als es normalerweise der Fall gewesen wäre, das man sie schon vor dem Eingang erwartete, um ihnen beim Ausladen behilflich zu sein.   Sein Bruder hatte schon einiges organisieren können, besaß er ausreichend Kontakte die gern bereit waren sie zu unterstützen in ihrem Vorhaben.   Und da es Wochenende war ging es auch recht lebhaft zu, als sie das Gebäude betraten.   Es richteten sich einige Blicke auf sie und WangJi war sich wiederholt bewusst, dass er zwischen all den leger gekleideten Personen hier, recht bieder und fehlplatziert erscheinen musste.   Im Gegenzug zu XiChen, der simpel in einer dunkelblauen Jeans und einem weißen Shirt hier erschienen war, war das lockerste Outfit das er in seinem Schrank finden konnte eine hellgraue Bundfaltenhose und ein hellblaues Business Hemd das er seit Jahren nicht mehr getragen hatte.   Womöglich hätte er die Krawatte weglassen sollen?   Nur fühlte es sich dann irgendwie nicht korrekt an, so vor die Tür zu gehen.   Plötzlich kam er sich wieder so unbeholfen vor manche Dinge nicht einfach etwas lockerer zu nehmen, was ihn seinen Bruder wieder beneiden ließ.   Sie schlängelten sich an den schwatzenden Gruppen von Erwachsenen vorbei und wischen gekonnt den herumrennenden Kindern aus, bis sie das Büro von Xiao xiān sheng erreicht hatten, der sie mit einem freundlichen Lächeln empfing.   „Wir sind wirklich dankbar für die Hilfe.“, meinte dieser nach einer formellen Begrüßung, worauf energisches Streiten zu ihnen herandrang und Xiao xiān sheng darüber ein ahnendes Seufzen über die Lippen kam.   Man brauchte nur aus der Tür zu seiner Rechten schauen, um die drei zankenden Kids ausmachen zu können.   „A-Qing.” Xiao xiān sheng klang ergeben über diese Szene.   „Was?!“, kam es von einem Mädchen mit wildem Haarschopf und zorniger Miene zurück. Ihre Augen zeigten keine Pupillen, was für einen Moment überraschte.   Sie war demnach also blind.   Allerdings zeigte sich dieses Handicap nicht als etwas das sie zu stören schien, hielt sie einen Jungen am Kragen gepackt, der ein hilfesuchendes Gesicht zog.   „Lass A-Shan wieder los. Wollten wir nicht auf solche Handgreiflichkeiten verzichten?“   A-Qing gab ein missmutiges Schnaufen von sich.   „Nicht, wenn er es verdient hat eine drauf zu bekommen. Wenn er nicht aufhören kann A-Chen an den Haaren zu ziehen, dann höre ich nicht auf ihn davon abzubringen.“ Und um ihren Entschluss auch noch einmal deutlich zu machen, gab sie dem Jungen vor sich eine Kopfnuss, das dieser leidlich jammerte.   Dann brach abermals Gezeter los auf das Xiao xiān sheng zu den Streithähnen aufschloss, um sie zu beschwichtigen.   Das Smartphone seines Bruders machte auf sich aufmerksam, doch bevor dieser das Gespräch annahm, meinte er noch, dass er sich ruhig auch etwas umsehen könne, wenn er wolle.   WangJi nickte kurz und begab sich auf eine kleine Erkundungstour.   Es wäre nicht verkehrt die Räumlichkeiten schon etwas zu kennen, bevor er für das Event wieder her kommen würde.   Zu erkennen war, dass man viel Wert darauf legte den Kindern und Jugendlichen etwas zu bieten, das ihnen ein Ausgleich zum Rest ihres Alltags sein konnte.   Es gab einen Raum zum Malen und Zeichnen, wie er an der dazugehörigen Tür des Zimmers lesen konnte.   Eine kleine Bibliothek mit bunten und individuellen Sitzmöglichkeiten. Einen Speisesaal, an den sich eine Küche anschloss. Zwei Räume die an Klassenzimmer erinnerten. Und überall an den Wänden waren gemalte Bilder oder Fotos aufgehängt, was diesem Ort eine familiäre Atmosphäre verschaffte.   Er hatte seine Aufmerksamkeit gerade auf eine Aquarellzeichnung fixiert, als ihn etwas mit Wucht gegen die Beine stieß und er daraufhin in die großen, runden Augen eines Kindes blicken konnte. Dieses schaute zu ihm hinauf, als habe es einen Geist gesehen. Bei weiterer Betrachtung konnte WangJi erkennen, dass dessen Hände vollkommen mit Farbe versehen waren, welche sich nun auch an seiner Hose wiederfand.   Der Junge schien nun auch zu erkennen, was ihm hier passiert war und WangJi konnte genau verfolgen wie diesem die Augen feucht wurden und dessen Mundwinkel sich nach unten zogen.   Ah, er war wirklich nicht gut mit Kindern in solch einem Alter und je länger er dieses einfach nur stumm anblickte, umso unruhiger wurde es.   Es erfüllte ihn mit einer leichten inneren Panik, als dieses dann auch anfing lautstark los zu weinen und er immer noch nicht wusste was er nun tun sollte.   „A-Yuan!“, rief jemand etwas außer Atem und kam neben dem Jungen, dessen farbenfrohe Hände an seiner Hose festhielten, zum Stehen und begab sich sogleich zu ihm in die Hocke.   „Tut mir wirklich leid.“, hörte er den jungen Mann sagen, der nun ebenso endschuldigend zu ihm aufblickte.   Dann fror der Moment kurz ein, als sie einander erkannten.   „Mr. Jade?“ Wei WuXian schaute merklich konfus über sein Hiersein, fing sich aber dann auch schon wieder, als der Junge neben ihm ein verweintes „Wei gē ge“ hervorbrachte und er diesem liebevoll über den Kopf strich.   „A-Yuan, ich sagte dir das du nicht weglaufen sollst und nun hast du dem gē ge hier seine Hosen schmutzig gemacht.“ Der Junge gab ein Schniefen von sich. „Was sagt man, wenn so etwas passiert?“ Tränennasse Kinderaugen schauten zu Wei WuXian und mit wackeliger Stimme gab man ihm ein „Es tut mir leid.“ als Antwort.   Wei WuXian lächelte liebevoll. „So ist es. Aber du sollst es nicht mir sagen sondern dem gē ge.“ Der Junge wirkte unsicher, auf ein leichtes Nicken von Wei WuXian hin, nahm er seinen Mut jedoch zusammen und schaute hinauf zu WangJi.   „Es tut mir leid gē ge.“ WangJi nickte ihm zu. „Es ist schon in Ordnung.“, ließ er ihn wissen. Allerdings wirkte der Junge immer noch so verschreckt, als glaube er nicht, dass er ihm tatsächlich verziehen habe.   „Na komm, lass erst einmal wieder los.“ A-Yuan tat wie ihn geheißen und zu WangJis leichten Entsetzen säuberte Wei WuXian dessen kleine Hände, indem er diese mit seinem Shirt so gut es ging abwischte.   Dann nahm er diesen auf den Arm, doch versteckte A-Yuan sein Gesicht sofort in dessen Halsbeuge.   Es war keine untypische Reaktion auf ihn, wusste WangJi das er auf die meisten zu ernst und kühl wirkte.   Wei WuXian zeigte ein verlegenes Lächeln und WangJi erwischte sich dabei, dass er diesen etwas zu lange unangebracht anschaute.   „Uhm, es ist nur Fingerfarbe, die sollte ohne Probleme wieder raus zu waschen sein. Trotzdem, sorry für die Sauerei. Ich hatte ihn nur einen Moment aus den Augen gelassen und weg war er.   Jedenfalls wenn…wenn Flecken bleiben sollten ersetze ich ihnen den Schaden.“ Wei WuXian strich sich darauf über den Hinterkopf und grinste schief. „Wenn das so weiter geht muss ich mir wohl einen anderen Job suchen, um sie zurückzahlen zu können. Hab gehört als Stripper soll man gutes Geld machen. Was meinen sie? Hätte ich das Potenzial dazu?“ Wei WuXian begab sich in eine selbstdarstellende Pose und zwinkerte ihm zu.   WangJi spürte die Wärme in seine Ohren steigen, doch noch bevor er ein „Schamlos.“ vorbringen konnte, hörten sie das schläfrige Nuscheln von A-Yuan, mit der Frage was den ein Stripper sei und es sie beide recht wortlos zurückließ.   Es war Wei WuXian der leicht aber umsichtig auflachte, um das eingeschlafene Kind nicht wieder munter zu machen.   „Ich hoffe er vergisst diese Frage wieder. Wenn Wen Qing davon Wind bekommt bin ich geliefert.“, meinte er mit so etwas wie tatsächlicher Sorge in seiner Stimme, was WangJi annehmen ließ das, wer immer auch Wen Qing sein mochte, sie ebenso etwas mit A-Yuan verband.   Vielleicht dessen Mutter? Aber er war niemand der seine Nase in Angelegenheiten steckte die ihn nicht betrafen und somit hakte er auch nicht nach.   Allerdings war die Option das Wei WuXian schon Vater war, etwas das er bis jetzt nicht in Betracht gezogen hatte und es brachte ein merklich beklemmendes Gefühl mit sich, musste er davon ausgehen, dass dieser ebenso eine Freundin, wenn nicht gar eine Frau hatte.   „Also was hat sie hier her geführt? Ich möchte nicht vorlaut sein, aber ich nehme nicht an, das eines der Kids hier zu ihnen gehört, oder?“ WangJi konnte nicht anders als leicht eine Augenbraue zu heben über diese Frage.   „Keine Kinder.“, meinte er knapp, was Wei WuXian kurz nicken ließ. „Verstehe. Es spricht ja auch nichts dagegen damit abzuwarten. Mir reicht es vorerst auch zu, diesen Wildfang hier ab und zu für eine Freundin zu babysitten.“ Er strahlte ihn nach einem weiteren Blick auf A-Yuan aufgeweckt an.   „Aber geplant habe ich mindestens vier. Je größer die Familie desto besser.“ WangJi fühlte sich über diese Worte plötzlich etwas unbeholfen, war das Konzept einer eigenen Familie stets etwas, das sich als etwas Kompliziertes für ihn abzeichnete.   Aber vier Kinder?   Es brachte eine Realisierung mit sich, die ihn sich ein wenig als Außenseiter fühlen ließ.   „Ich hoffe es wird sich für sie ergeben.“ Wei WuXian schaute ihn auf seine Worte mit einem nachdenklichen Ausdruck an.   „Danke.“ War schließlich alles was er dazu sagte.   „Mn.“   „WangJi.“ Er war in diesem Moment recht froh die Stimme seines Bruders zu hören, der nun zu ihnen aufgeschlossen war und einen leicht fragenden Blick zwischen ihm und Wei WuXian schweifen ließ.   „Bruder.“   Wei WuXian verbeugte sich darauf leicht und XiChen tat es diesem gleich.   „Wie ich sehe hast du schon Bekanntschaften geschlossen?“ WangJi kam nicht dazu etwas zu erklären, kam ihm Wei WuXian damit zuvor.   „Mr. Jade ist ein regelmäßiger Kunde in unserer bescheidenen Tierhandlung.“, grinste dieser und WangJi spürte den interessierten Blick den sein Bruder auf ihn gerichtet hielt genau.   „Ist dem so?“   „Ja, ich hätte ihn auch nie für einen Hasenliebhaber gehalten. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich ihn eher als den Goldfisch Typ eingeschätzt.“ Wei WuXian grinste schelmisch über diesen Hinweis.   „Oh, ich bin unhöflich. Lassen sie mich, mich vorstellen. Mein Name ist Wei WuXian, und das hier...“, er wippte A-Yuan leicht in seinem Arm. „...ist A-Yuan.“   XiChen lächelte freundlich. „Lan XiChen.“ Wei WuXian setzte eine überlegende Miene auf.   „Lan? Wo hab ich den Namen schon mal gehört?“ Sie sagten beide nichts dazu und Wei WuXian schien es auch schon wieder aufgegeben zu haben darüber nachzugrübeln.   A-Yuan gab ein paar schläfrige Laute von sich und Wei WuXian streichelte diesem über den Rücken. „Ich werde ihn mal zurück bringen. Hat mich gefreut sie kennen zu lernen.“, meinte er dann an XiChen gerichtet, bevor er sich ihm noch einmal zuwandte.   „Bis die Tage.“ WangJi spürte die Verlegenheit erneut in sich aufsteigen, antwortete aber mit einem „Mn.“ auf das Wei WuXian ihm ein Lächeln schenkte und sich gänzlich von ihnen verabschiedete.   XiChen schmunzelte in dessen Richtung und WangJi wusste, dass diesem die eine oder andere Frage auf der Zunge lag.   „Er scheint ein netter, aufgeweckter junger Mann zu sein.“, stellte dieser fest, und WangJi´s nächstes „Mn.“ klang selbst ihm etwas zu zugetan in seinen Ohren.   „Haben die Kisten in deinem Apartment womöglich etwas mit ihm zu tun?“ WangJi seufzte innerlich über den Scharfsinn seines Bruders. Aber dieser war auch nicht umsonst der Nachfolger ihres Familienkonzerns.   Er war auch stets umsichtig genug, ihn nicht zu etwas zu drängen, worauf dieser ihm einfach nur eine Hand auf die Schulter legte und diese leicht drückte.   WangJi fühlte sich selbst etwas lächerlich, aber irgendwie kam er von Wei WuXian nicht mehr so recht los, seit sie sich vor all den Monaten das erste Mal begegnet waren.   *** xiān sheng – Herr/Mister gē ge – großer Bruder (familiär; nicht notwendigerweise verwandt) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)