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looking for inner peace

von

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exhilaration

Kapitel 3 – exhilaration
 

- Ich weiß nicht, was los ist.

Sonst war es immer so einfach zwischen uns. Irgendetwas hat sich verändert. -
 

Ein paar Wochen später
 

Leise Gitarrenklänge drangen aus dem Nachbarraum herein und umschmeichelten Aois Gehör. Blinzelnd öffnete er die Augen und starrte einen Moment auf die gegenüberliegende, kahle Wand. Noch ein wenig verschlafen hing er für ein paar Augenblicke seinen Gedanken nach und ließ dabei die zarten Töne auf sich wirken.
 

Die bisherigen drei Konzerte der Tour waren gut verlaufen, nur bei der heutigen Probe hatte für Aoi nichts so recht klappen wollen. Erst war eine seiner Gitarren unauffindbar gewesen, was alle etwas aus dem Häuschen hatte geraten lassen. Glücklicherweise tauchte sie auf wundersame Weise kurz darauf wieder auf.

Beim Outfitcheck zwang ihn eine defekte Naht spontan kleidungsmäßig umzudisponieren. Und als wäre das noch nicht ausreichend, machte Aois In-Ear-Monitoring während der Soundprobe nicht das, was er machen sollte, denn Aoi hörte sich selbst kaum und fühlte sich stattdessen von Bass und Schlagzeug komplett überschwemmt. Alles nicht unbedingt förderlich für Aois Blutdruck und Stimmung. Er war kurz davor gewesen, wirklich in die Luft zu gehen, hatte sich im letzten Moment dennoch beherrscht und dafür lieber eins der Sofas in der Garderobe in Beschlag genommen und sich gedanklich ausgeklinkt.

Mittlerweile war sein Blutdruck in den Normalbereich zurückgekehrt, nur sein vorkonzertliches Hochgefühl, das sonst immer zur Stelle war, ließ ihn heute gänzlich im Stich. Eigentlich kaum verwunderlich bei dem Stress und den damit zusammenhängenden Ärgernissen. Allerdings war es auch nicht das erste Mal, dass nicht alles glattlief und sonst hatte ihn so etwas auch nur kurzfristig seiner Vorfreude beraubt. Stattdessen waberte nun schon seit Stunden ein Nebel aus Lethargie, Teilnahmslosigkeit und einer Prise gereizten Unmuts in seinem Geist herum und schien sich auch in keinster Weise verziehen zu wollen. Würde seine Frisur heute nicht schon perfekt sitzen, hätte er sich die Haare gerauft.
 

Seufzend löste sich Aoi aus der Betrachtung der hochinteressanten Wand, erhob sich von dem weichen Polster und ging fast schon traumwandlerisch die paar Schritte bis zum Durchgang, der die beiden Garderobenräume, die ihnen zur Verfügung standen, verband. Die leisen Klänge wurden mit jedem Meter lauter, bis Uruhas hellbrauner Schopf in seinem Blickfeld auftauchte. Der andere Gitarrist saß mit dem Rücken zu ihm in einem Sessel und spielte einige Akkorde auf seiner Akustikgitarre, um sich für das Konzert aufzuwärmen, das in einer halben Stunde begann, wie Aoi mit einem leicht erschrockenen Blick auf die Uhr feststellte. So langsam sollte sich Euphorie in ihm breit machen, doch davon fehlte in ihm weiterhin jede Spur.

Mit einem lautlosen, resignierten Schnauben trat er leise näher von hinten an Uruha heran, der ihn gar nicht wahrnahm, da er völlig auf seine Saiten konzentriert war.
 

Aois Konzentration lag in diesem Moment widerum weniger auf Uruhas Spiel, sondern viel mehr auf dessen Hinterkopf.

Waren seine Haare nachgewachsen?

Mit frisch erwachter Neugier streckte Aoi die Hand nach Uruhas Sidecut aus und fuhr sanft mit Fingern durch die kurzen Haare. Nein, sie fühlten sich genauso angenehm an wie vor einigen Wochen. Der Brünette hatte sie doch nachschneiden lassen, obwohl er beim Barbecue noch nicht sonderlich begeistert gewirkt hatte.

Recht dissonante Töne rissen Aoi aus seinen Überlegungen. Die unerwartete Berührung hatte Uruha die Saiten verreißen lassen.

„Mann! Erschreck mich doch nicht so!“

Weit aufgerissene Augen starrten ihn einen Moment lang über die Schulter hinweg an, ehe Uruha den Blick abwandte, sein Instrument zur Seite stellte und sich tief durchatmend in den Sessel zurücklehnte.

„Entschuldige. Das wollte ich nicht.“

Mit diesen versöhnlichen Worten trat Aoi um den Sessel herum und setzte sich auf die Armlehne. Wie selbstverständlich strich er dem Jüngeren, der ihn aus halb geschlossenen Augen heraus musterte, besänftigend durch das weiche Haar, das ausnahmsweise mal nicht komplett aus Stylingprodukten bestand.

„Deine Gitarrenklänge haben mich anscheinend in andere Sphären versetzt, weshalb ich meine guten Manieren vergessen habe“, fügte er scherzend hinzu, was Uruha leise auflachen ließ.

Ein angenehm freudiges Kribbeln breitete sich in Aois Bauch aus.
 

Einige weitere Sekunden lang hielt Uruha still, genoss die Streicheleinheiten, dann stemmte er sich aus dem Sessel und streckte sich genüsslich.

„Na ja, wenn ich nachher unsere Fans mit meiner Gitarre auch in andere Sphären versetzen kann, läuft doch alles wie geplant.“

Für einen Moment ruhten dunkle, warme Augen auf Aoi, doch dieser konnte nur auf den zu einem milden Lächeln verzogenen Mund starren. Kurz darauf fand er sich in einer sanften Umarmung wieder und spürte, wie eine Hand zärtlich über seinen Rücken strich.

„Vergiss einfach, was vorhin bei den Proben passiert ist und freu dich lieber auf das Konzert“, drang die samtene Stimme leise an sein Ohr. „Es wird trotzdem toll.“

So schnell wie die Umarmung gekommen war, verschwand sie wieder.

Irritiert blinzelnd verfolgte er, wie Uruha ihm ein letztes Lächeln schenkte und sich anschließend seine Gitarre griff.

Was war das gewesen?

Hätte Uruha ihn nicht wieder an die ärgerlichen Vorkommnisse des Tages erinnert, wären sie vollkommen aus seinem Gedächtnis verschwunden – als wären sie niemals dagewesen.

Ein Grinsen ließ seine Mundwinkel zucken, als er Uruha hinaus auf den Gang folgte. Seine Euphorie war zurück und ein aufregend prickelndes Gefühl durchflutete ihn. Er war bereit für Bühne.
 

~*~
 

Aois Blick glitt durch die Halle und sein Mund verzog sich zu diesem typisch verschmitzten Lächeln, das bei den Fans in den vordersten Reihen in regelmäßigen Abständen zu Schnappatmung führte. Das Kreischen, das augenblicklich aufbrannte, nahm er dennoch kaum wahr, seine Augen hielten lieber an der atemberaubenden Aussicht fest, die sich vor ihm auftrat.

Die ganze Halle war bis auf dem letzten Platz gefüllt und das Publikum verschmolz zu ihrer Musik zu einem großen Ganzen.

Das Lächeln wurde breiter und er atmete tief durch. Diese wogende Menschenmenge erinnerte ihn an das Meer in Mie. Selbst die Scheinwerfer, die ihn teils blendeten und langsam dafür sorgten, dass ihm einige Schweißperlen über den Oberkörper rannen, wirkten fast wie Sonne, die an warmen Sommertagen auf ihn herunterschien. Es fühlte sich an wie Heimat.
 

Eine leichte Berührung an seiner Schulter zog Aoi aus seinen Gedanken und ließ ihn nach links blicken. Uruha.

Der andere Gitarrist hatte seine Seite verlassen und war zu ihm herübergekommen, damit sie wie gewohnt ihre Parts zusammenspielten. Und Aoi hatte es nicht mal gemerkt, zu sehr hatten ihn seine Gefühle und die vor ihm liegende Szenerie vereinnahmt. Nun konzentrierte er sich vollends auf seinen Gitarrenpartner, der dicht vor ihm stand und ihn auf seine niedliche, katzenhafte Art anlächelte. Er konnte nicht anders, als dieses Lächeln zu erwidern und als sich ihre Blicke trafen, durchfuhr ihn ein elektrisierendes Kribbeln, das umgehend seinen gesamten Körper gefangen nahm und ihn wohlig aufseufzen ließ. Ja, er fühlte sich lebendig und glücklich. So könnte es immer bleiben.
 

~*~
 

Natürlich blieb es nicht immer so. Auch bei den folgenden Konzerten gab es hin und wieder einige Zwischenfälle, doch tangierten ihn diese nur noch selten. Größtenteils überwog eine angenehm prickelnde Zufriedenheit in ihm. Und drohte er doch einmal in schlechter Laune zu versinken, dann stellte er sich diese sanften, dunklen Augen und das aufmunterndes Lächeln vor und schon fühlte er sich gut.

Sein bester Freund hatte inzwischen beinahe etwas von einem Aufputschmittel an sich, einer Freude bringende Droge – nicht, dass er damit jemals Erfahrung gemacht hätte. Dennoch konnte Aoi nicht bestreiten, dass Uruha einen positiven Einfluss auf ihn hatte und er genoss dieses Gefühl, suchte sogar aktiv danach.
 

Heute machte sich allerdings eher dezente Langeweile, gepaart mit einer minimalen Unzufriedenheit in Aoi breit.

Während die Staff-Mitarbeiter emsig wie die Bienen um sie herumschwirrten und die Technik auf der Bühne aufbauten, stand ein Teil von Gazette – einschließlich Aoi – abwartend im Zuschauerraum und besah sich die ersten Scheinwerfer-Kombinaten, die am Abend die Atmosphäre der Show unterstützen sollten. Desinteressiert an der Absperrung lehnend beobachtete Aoi, wie Ruki angeregt mit dem Techniker über die Reihenfolge und Intensität des Lichts diskutierte.

Ein leises Seufzen kam über Aois Lippen, als sein Blick langsam durch die Halle wanderte. Solche Diskussionen kannte er bereits zur Genüge und meistens zogen sie sich unnötig in die Länge. Doch ehe der Sänger nicht vollkommen zufrieden war, brauchte keiner von ihnen auch nur mit einer Silbe an die Feintonabstimmung zu denken.

Das lange Warten war definitiv nichts für ihn. Er wollte endlich etwas tun, denn gerade fühlte er sich definitiv überflüssig. Er hätte Reita einfach zuvorkommen müssen und das Sofa im Aufenthaltsraum in Beschlag nehmen sollen, um ein paar Stunden zu schlafen. Aber Langsamkeit wollte bestraft werden und so gehörte der beste Schlafplatz vor Ort nun ihrem Bassisten.
 

Erst als Aoi leicht mit dem Ellenbogen in die Seite gestoßen wurde, bemerkte er, dass er nicht mehr alleine war.

„Was grummelst du schon wieder vor dich hin?“

Die Worte drangen seltsam unverständlich, fast genuschelt, an sein Ohr, was ihn veranlasste, sich zu Uruha, der sich unbemerkt von hinten angeschlichen hatte, umzudrehen und ihm einen fragenden Blick zuzuwerfen. Der Brünette lehnte locker am Geländer und biss gerade von seinem mitgebrachten Onigiri ab, als er den verwirrten Gesichtsausdruck seines Freundes bemerkte. Trotz der kauenden Bewegungen seines Kiefers konnte Aoi das verschmitzte Grinsen deutlich erkennen.

„Auch eins?“

Ein verpackter Reisball tauchte in Aois Blickfeld auf, während sein Blick an Uruha festhing. Dessen Haare waren mit einigen Klammern fixiert, sein Gesicht war zurecht geschminkt und nahezu konzertbereit. Uruha war meist einer der ersten mit Make-Up und Bühnenoutfit, da er es entspannter fand, nicht erst auf dem letzten Drücker gestylt zu werden. Jedenfalls hatte er das einmal vor geraumer Zeit verkündet.

Apropos entspannt.

Wenig entspannt, sondern vielmehr ungeduldig wedelte die Hand mit dem zweiten Onigiri Aoi aus seiner gedankenverlorenen Musterung.

„Willst du nun eins, sonst esse ich es selbst?“

Im Nachhinein konnte er nicht mehr sagen, was genau ihn in dem Moment zu dieser spontanen Handlung bewogen hatte: War es Übermut gewesen oder doch Hunger? Oder doch nur Neugier darauf, wie Uruha reagieren würde. Er wusste es nicht.

Seine Hand machte sich einfach selbstständig, griff nach dem Handgelenk des Jüngeren und dirigierte ihn mit dem schon angebissenen Reisbällchen zu Aois Mund. Einen Augenblick lang berührten seine Lippen die weiche Haut, ehe er das Onigiri mit einem Bissen verschlang, Uruha dabei keine Sekunde aus den Augen lassend.

Verdattert war gar kein Ausdruck. Sprachlos starrte Uruha ihn an, brachte ihn damit zum Grinsen.

Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, strich er mit dem Daumen über dessen Mundwinkel und raunte ihm ein leises „Du hattest da was.“ zu, bevor er sich provokant das Reiskorn vom Finger leckte.

Uruha ähnelte in diesem Moment einem Goldfisch im Glas und Aoi konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Früher hatte er öfter solche Aktionen gebracht, allerdings war das Jahre her. Warum hatte er damit aufgehört, wenn die Reaktion darauf doch so wunderbar erfrischend war?
 

Feixend wandte er sich ab und ging gemäßigten Schrittes auf den Bühnenaufgang zu, Uruhas Blicke im Rücken spürend. Mit der neugewonnenen Energie und einem kribbelnden Gefühl im Bauch könnte er sogar Reita von der Couch vertreiben und noch ein paar Minuten schlafen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkung: „exhilaration“ ist hier im Sinne von „Hochgefühl“ zu verstehen ^^
Über Feedback würde ich mich natürlich wie immer freuen.

Liebe Grüße
Luna
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Janine3878
2020-01-01T18:48:24+00:00 01.01.2020 19:48
Das Ende des Kapitels find ich ja besonders süß....
Antwort von:  QueenLuna
01.01.2020 23:27
oh vielen Dank ^^


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