In Zeiten des Krieges von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 37: Teil 2 – Kapitel 10 ------------------------------- Juli 1998   Mit Tränen in den Augen beobachtete Ginny, wie Remus ihren Bruder untersuchte. Charlie, der auf seinem Bett halb lag und halb saß, zischte gequält auf, als Remus den Verband an seinem rechten Arm abwickelte, um sich die Wunde darunter genauer ansehen zu können. Charlie war stets der Starke gewesen, der Tapfere, der seine kleine Schwester immer vor Freds und Georges gemeinen Scherzen oder vor den bissigen Gnomen in ihrem Garten beschützt hatte, ihr mutiger, unbezwingbarer Bruder, der sich nicht einmal von furchteinflößenden Drachen unterkriegen ließ. Ihn jetzt so verwundet und leidend zu sehen fühlte sich so falsch an.   „Na, na.“ Neben ihr stand Sirius, der versuchte sie aufzumuntern, indem er ihr unbeholfen über den Kopf wuschelte und ihr kurzes rotes Haar zerzauste. „Der wird schon wieder.“   Ginny schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und nickte mechanisch. Kaum auszudenken, was gewesen wäre, wenn es Charlie auch noch erwischt hätte. Der Gedanke noch ein Familienmitglied zu verlieren war kaum zu ertragen. Innerhalb eines Jahres hatte Ginny drei Brüder und ihren Vater verloren.   „Die Wunde sieht schon viel besser aus“, stelle Remus zufrieden fest. Aus der Tasche seiner Tweedjacke holte er einen Tiegel hervor, den er behutsam aufdrehte. Mit seinem Zeigefinger nahm er ein wenig von der weißen Creme, die er dann vorsichtig auf Charlies Arm verteilte. Charlie biss zischend die Zähne zusammen. „Du kannst froh sein, dass der Fluch dich nur gestreift hat. Wenn du dich schonst wird das Schlimmste in ein paar Tagen vorbei sein. Es wird höchstens eine unschöne Narbe zurückbleiben.“   Charlie grinste ihn verschmitzt an. „Wenn es weiter nichts ist. Eine zusätzliche Narbe wird bei mir nicht auffallen.“   Sirius erwiderte sein Grinsen und nickte anerkennend. „So klingt ein wahrer Kämpfer.“   Ginny unterdrückte den Impuls mit den Augen zu rollen. Sie wusste wie der Oberkörper ihres Bruders unter dem dunkelgrauen T-Shirt aussah. Brust und Rücken waren überzogen von Narben, nur dass er sie sich bei seiner Arbeit mit den Drachen eingebrockt hatte. Es waren Brandnarben und keine Souvenirs aus halsbrecherischen Zaubererduellen.   Remus wickelte einen neuen, sauberen Verband um Charlies Arm, während er noch einmal betonte, dass Charlie sich unbedingt schonen sollte. Charlies Antwort war ein genervtes Brummen. Er begegnete Ginnys Blick, konnte ihren Augen, in denen immer noch besorgte Tränen funkelten, aber nicht lange standhalten. Deshalb starrte er einfach auf seinen Schoß, während Remus ihn weiter einbandagierte.   Ginnys Gefühle befanden sich in einem Chaos. Einerseits hätte sie ihren Bruder am liebsten gepackt und heftig geschüttelt, ihn dabei angeschrien, er solle gefälligst besser auf sich aufpassen, andererseits wollte sie ihn einfach nur in die Arme schließen, ihn festhalten und nie wieder loslassen, heilfroh, dass ihm nichts Schlimmeres wiederfahren war. Hätte der Fluch ihn nicht am Arm, sondern in die Brust getroffen, wäre er jetzt womöglich nicht mehr am Leben. Entweder hatte Charlie großes Pech gehabt, dass er getroffen worden, oder aber großes Glück, dass er so glimpflich davon gekommen war. Dank Remus‘ schneller Hilfe war seine Verletzung nicht lebensbedrohlich gewesen, weshalb er nicht mit den anderen ins St. Mungo‘s gegangen war. Andernfalls wäre er jetzt wohl ebenfalls tot.   Die Tränen sammelten sich erneut und drohten überzulaufen, weshalb Ginny sich schnell mit dem Handrücken über die Augen wischte. Nein, sie würde hier jetzt nicht vor den anderen anfangen zu heulen. In den letzten Tagen hatte sie bei Merlin schon genug geweint.   Remus stand auf und gab Charlie einen leichten Klaps auf die Schulter, woraufhin er leicht zusammenzuckte. „Ich werd dann mal nach Tonks schauen.“ Schlagartig schien die Stimmung im Raum noch weiter zu sinken. Als Remus die Tür hinter sich zu zog ließ er eine bedrückende Stille zurück.   „Die wird auch wieder“, murmelte Sirius schließlich, als er anfing unruhig durchs Zimmer zu wandern, da er nicht lange stillhalten konnte. „Sind nur ein paar gebrochene Knochen.“ Sirius blieb vor Ginnys Nachttisch stehen und betrachtete mit schiefgelegtem Kopf den Mondstein, der darauf lag. Eigentlich verwahrte sie ihn immer sorgsam in ihrem aus Drachenleder gefertigten Beutel, den sie von Charlie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Bevor Sirius und Remus in das Zimmer gekommen waren, das sie sich mit ihrem Bruder teilte, hatte sie ihn noch grübelnd in ihren Händen gehalten. Am liebsten würde sie den Mondstein in mehrere Teile zerbrechen und jedem hier im Grimmauld Place ein kleines Stück davon mitgeben, damit der Stein sie alle schützte. Aber Ginny wusste nicht, ob das funktionieren würde und sie wollte auch nicht das Risiko eingehen und ihn zerstören. „Sobald wir die richtigen Tränke haben ist sie in Nullkommanichts wieder auf den Beinen.“, fuhr Sirius zuversichtlich fort. „Augusta sollte sie uns bald schicken.“ Er stupste mit einem Finger gegen den dunkelblauen Stein, als wolle er prüfen, ob er bei einer Berührung anfangen würde sich zu bewegen, ehe er sich wieder zu Ginny und Charlie umdrehte.   Ginny warf Sirius einen skeptischen Blick zu. Seine positive Art zu denken hätte sie gerne. Der Angriff der Todesser lag erst zwölf Stunden zurück und der Schrecken steckte allen noch tief im Nacken. Dieses Mal hatte die Nachricht sie ohne Vorwarnung getroffen, noch dazu hatten die Angriffe an mehreren Orten gleichzeitig stattgefunden, was es ihnen unmöglich gemacht hatte geschlossen gegen den Feind vorzugehen. Erst im Nachhinein hatten sie erfahren, dass gleich zehn Städte angegriffen wurden. Die Mitglieder des Ordens hatten versucht so gut wie möglich zu helfen, doch waren sie nicht nur zu spät gekommen, sondern auch zahlenmäßig unterlegen gewesen. Sie hatten nichts ausrichten können. Die Todesser hatten die Städte geradezu zerstört, und hunderte, wenn nicht sogar tausende Muggel auf dem Gewissen. Noch dazu waren Tonks und Kingsley schwer verletzt worden. Sie befanden sich im Grimmauld Place, außer Lebensgefahr. Neville hingegen …   Die Todesser hatten Neville gefangen genommen. Er war gemeinsam mit Moody und Bill losgezogen, doch er war nicht wieder zurückgekehrt. Und Ginny graute es bei der Vorstellung, was der Feind jetzt wohl mit ihm anstellte. Sie hoffte nur, dass er noch lebte. Es musste einen Weg geben, ihn da heile wieder rauszuholen. Ginny würde alles tun, um ihn zu retten.   Erneut begannen ihre Augen zu tränen und sie wusste nicht, ob vor Traurigkeit oder vor Wut. Sie war wütend, dass Neville überhaupt gegangen war, sie war wütend, dass die Todesser ihn geschnappt hatten, sie war wütend, dass sie ihn nicht hatte beschützen können.   In dem Moment glitt ein Patronus durch die Tür, wie ein Geist, der durch Wände gehen konnte. Die Gestalt zeigte einen Schwan, der Patronus von Fleur.   „Nanu?“ Sirius kratzte sich nachdenklich am stoppeligen Kinn. Seine letzte Rasur war schon viel zu lange her. Der Schwan drehte sich einmal im Kreis, hob dabei anmutig seine Flügel und schwebte dann wieder lautlos aus dem Raum hinaus in den Flur. „Anscheinend gibt es Neuigkeiten. Na los, Kiddies!“ Sirius klatschte zweimal in die Hände und machte dann eine scheuchende Bewegung in Richtung Tür. „Ab nach unten mit euch!“   Schwerfällig und ächzend erhob sich Charlie aus seinem Bett. Ginny ging zu ihrem Nachttisch, nahm den Mondstein und steckte ihn wieder in den Lederbeutel, der an ihrem Gürtel hing, während Sirius schon aus dem Zimmer flitzte. Sie konnte hören, wie er die Treppe förmlich herunter sprang.   „Hoffentlich sind es gute Neuigkeiten“, murmelte Charlie und Ginny stimmte ihm in Gedanken zu. Schlechte hatten sie in der letzten Zeit oft genug erhalten.   Bereits im Flur konnte man das aufgeregte Stimmengewirr hören. Im Großen Saal war offenbar ein großer Tumult. Inzwischen kamen nun auch Remus und Hagrid aus den oberen Stockwerken, die ebenfalls von Fleurs Patronus gerufen worden waren. Jede einzelne Stufe knatschte unter Hagrid Riesengewicht, während er mit gesenktem Kopf die Treppe langsam herunterstieg.   Dann sah sie den Grund für die Aufregung. Ginny klappte der Mund auf, als ihr Blick auf Ron und Hermine fiel. Die beiden standen dort, trotz der sommerlichen Temperaturen, in ihre dunklen Reiseumhänge gehüllt, umringt von Moody, Sirius, Bill und Fleur. Molly klammerte sich an Ron und machte den Anschein, als würde sie ihn so schnell nicht wieder loslassen wollen. Ginny quetschte sich an Sirius vorbei und fiel ihrem Bruder ebenfalls um den Hals. Ron gab ein überraschtes „Uff“ von sich, nun belagert von zwei Weasleyfrauen. „Hi Ginny“, grüßte er gelassen, als hätten sie sich nicht seit einem halben Jahr nicht gesehen, als wäre es ganz normal, dass er hier so plötzlich auftauchte. Die ganze Zeit über hatte sie nicht gewusst, ob sie ihn je wiedersehen würde.   Nun konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Ginny war so erleichtert, ihren kleinen großen Bruder nach der langen Ungewissheit nun endlich wieder in die Arme schließen zu können. Ron war damals ohne ein Wort einfach mit Harry, Dumbledore und Hermine verschwunden – Hermine!   Ruckartig drehte Ginny sich um, wischte sich kurz die Tränen weg und umarmte nun auch Hermine, die ihre Umarmung ebenso fest erwiderte. Für einen Moment stutzte Ginny, als sie bemerkte, dass ihr dabei irgendetwas im Weg stand. Aber dafür hatte sie gerade keinen Kopf. Die Emotionen überschwemmten sie, sie war einfach nur glücklich die beiden wohlauf zu sehen.   „Was macht ihr–? Wie seid ihr–? Wo wart ihr–?“ Ginny konnte keinen klaren Gedanken fassen und blickte immer wieder von Ron zu Hermine und wieder zurück.   Molly hielt ihren jüngsten Sohn immer noch im Klammergriff und schluchzte haltlos an seiner Brust. Ihr musste ebenfalls ein großer Stein vom Herz gefallen sein. Seit dem Tod ihres Mannes und zwei ihrer Söhne kämpfte sie oft gegen die Tränen an, die sich jetzt nicht mehr kontrollieren ließen. Man konnte Ron ansehen, wie unangenehm ihm diese Situation war. Unbeholfen tätschelte er ihre Schulter. „Wir würden ja alles erklären, wenn alle da sind, aber– Hi Charlie!“   Nun war auch Charlie bei den beiden Neuankömmlingen angekommen und zog sie ebenfalls in eine feste Umarmung, woraufhin er kurz vor Schmerz das Gesicht verzog, als er seinen verwundeten Arm zu sehr belastete. Als nächstes folgte Remus und kurz darauf ertönte so ein markerschütterndes Schluchzen, dass kurz das gesamte aufgeregte Gemurmel verstummte. Ohne Mühe schubste Hagrid alle Personen aus dem Weg und nahm Ron und Hermine in eine herzliche, aber viel zu feste Umarmung, wobei er auch Molly beinahe zerdrückte.   „Kinners!“, schluchzte er und dicke Tränen tropften in seinen Bart. „Ich bin beinah ummekommen vor Sorge!“   „Hagrid, du zerquetscht uns!“, rief Hermine, die versuchte, sich gegen die zu gut gemeinte Umarmung zu wehren.   „Tschuldigung, tschuldigung! Sind wohl die Gefühle mit mir durchgegangen.“ Als er sie wieder losließ schniefte er ein paar Mal dramatisch, ehe er verwirrt fragte: „Wo is’n Harry?“   Alle Augen musterten nun neugierig das Trio, das nur aus zwei Personen bestand.   Ron rieb sich nervös die Nase. „Ähm …“   „Wir wissen, ihr habt viele Fragen“, unterbrach Hermine ihn. „und glaubt uns, uns geht es ebenso. Wie wär‘s, wenn wir uns setzen und alles in Ruhe besprechen?“   Kurzerhand rief Sirius nach Kreacher und orderte für alle eine Runde Tee und Kekse. Der Hauself warf Sirius den gewohnten Todesblick zu, verbeugte sich aber kommentarlos und verschwand mit einem lauten Plopp. Wenig später hatten sich alle Anwesenden etwas beruhigt und sie begannen nacheinander an der langen Tafel Platz zu nehmen.   Molly tätschelte immer noch Rons Wangen mit verweinten roten Augen. „Mein Junge“, flüsterte sie, „ich bin so froh dich zu sehen. Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“   „Is‘ ja gut, Mum“, Ron versuchte sich an einem Lächeln, um nicht unhöflich zu wirken, schüttelte aber ihre Hände ab. „Mir geht’s gut. Keine Sorge.“   Molly ließ ihn immer noch nicht aus den Augen, als könne ihr Sohn wieder verschwinden, wenn sie nicht hinsah. Ron drehte sich zu Hermine um und half ihr aus ihrem Umhang, den er zusammen mit seinem eigenen über die Lehne eines Sessels in der Nähe des Kamins legte.   Ginnys bemerkte es genau in dem Moment, als sie das erschrockene Keuchen ihrer Mutter hörte. Nach und nach verebbte das Gemurmel im Raum. Rons Ohren wurden so rot wie sein Haar. Hermine legte schüchtern die Hände auf ihren viel zu großen runden Bauch und auch auf ihren Wangen zeigte sich ein verlegener, aber auch stolzer Rotschimmer.   „Ach du liebe Güte!“, hauchte Molly eine Oktave höher als sonst. Fleur klatschte erfreut in die Hände und strahlte übers ganze Gesicht. Moodys sonst ziellos umher wanderndes Auge fixierte Hermines dicken Bauch und schien ihn röntgen zu wollen. Hagrid betrachtete die beiden mit offenem Mund und sah dabei aus wie ein Karpfen.   „Wir, ähm, kriegen ein Kind“, erklärte Ron unnötigerweise und wurde noch eine Spur röter.   „Und wir dachten, ihr wart in den letzten Monaten auf geheimer Mission mit Dumbledore“, meinte Sirius, der sich verwirrt am Kopf kratzte.   Ron warf ihm einen bösen Blick zu. „Waren wir auch!“   Hermine blickte peinlich berührt zu Boden. „Das ist einer der Gründe, weshalb wir wieder zurück sind. Vorausgesetzt, ihr wollt uns haben, natürlich.“   Kreacher erschien mit einem riesigen Tablett auf dem Kopf balancierend. Mit einem Fingerschnippen des Hauselfen flogen die Teekanne, die Tassen mitsamt Untertassen, sowie Zucker und Milch auf den Tisch. Zuletzt folgte eine Schüssel mit alten, dem Anschein nach steinharten Keksen, die ihre besten Tage bereits hinter sich hatten. Der Hauself verschwand wieder, nachdem er erst Sirius und dann noch Hermine einen bösen Blick zugeworfen hatte. Niemand rührte den Tee an.   Ron und Hermine nahmen am Tisch Platz. Molly setzte sich direkt neben Ron und Ginny nahm den freien Platz neben Charlie ein. Nun waren alle anwesend, außer Tonks und Kingsley, die noch oben in ihren Betten lagen.   Einige Sekunden verstrichen, in denen niemand etwas sagte. Der Tee dampfte vor sich hin, während alle gespannt Ron und Hermine ansahen. Alle mussten erst einmal die Information verdauen, dass Hermine schwanger war. Ginny dachte vermutlich das gleiche, wie alle anderen in diesem Raum. Die beiden waren noch so jung, gerade einmal achtzehn, noch dazu standen sie, als beste Freunde vom Erzfeind des Dunklen Lords, auf der Liste der Todesser ganz weit oben. Nicht nur deshalb waren sie die letzten Monate untergetaucht. Noch dazu kam Hermines Blutstatus, der sie ebenfalls sofort nach Askaban beförderte. Sie befanden sich im Krieg. Genau jetzt ein Kind zu zeugen war der denkbar schlechteste Zeitpunkt. Fleur und Bill hatten Dominique aus diesem Grund auch in Frankreich bei den Delacours zurückgelassen, um sie nicht in Gefahr zu bringen.   Was hatten die beiden sich nur dabei gedacht? Vor allem von Hermine, der sonst so disziplinierten und pflichtbewussten Hexe, hätte man so etwas nicht erwartet. Ginny konnte beobachten, wie Hermine in Gedanken versunken zärtlich ihren Bauch streichelte. Vermutlich war es einfach passiert, alles andere als geplant, anders konnte sie es sich nicht erklären.   Ron räusperte sich, ehe er sprach. „Wir … haben es aus der Zeitung erfahren. Das mit Dad … und Fred und George.“ Er schluckte hörbar und starrte auf den Tisch vor sich. Molly nahm seine Hand fest in ihre. Ihr Gesicht war eine scherzverzerrte Grimasse. „Da habe ich beschlossen, dass ich euch sehen will.“ Ron hob den Blick und sah erst seine Mutter, dann Bill, Charlie und schließlich Ginny an. „Ich wollte meine Familie sehen und wissen, dass es euch gut geht.“ Hermine warf ihm einen mitfühlenden Blick zu und berührte sanft seinen Oberarm, um ihm ihre Unterstützung zu zeigen. „Wie …“, Ron räusperte sich erneut. „Wie ist es passiert?“   Sirius tauschte einen Blick mit Remus, der sichtlich auf seinem Stuhl zusammenschrumpfte. Ginny konnte es ihm nicht verübeln. Der Werwolf machte sich immer noch Vorwürfe, denn schließlich hatte er darauf beharrt, ihren Vater ins St. Mungo‘s zu bringen, während Sirius und Moody strickt dagegen gewesen waren. Sirius seufzte lange und fuhr sich durchs schulterlange schwarze Haar. „Wir haben von einem geplanten Anschlag in London erfahren. Ginnys Ex-Freund hatte uns diese Informationen gegeben.“   Ron sah seine Schwester stirnrunzelnd an. „Welcher Ex-Freund?“   „Michael Corner“, antwortete Ginny, als wäre die Antwort offensichtlich. Anscheinend erinnerte ihr Bruder sich nicht mehr an den dunkelhaarigen Ravenclaw, mit dem sie vor zwei Jahren zusammen gewesen war. Abgesehen von Michael hatte Ginny keinen anderen Freund gehabt. Außer …   „Ach der.“   „Er und Anthony Goldstein haben Neville kontaktiert“, berichtete diesmal Remus, der bei ihrem Treffen auf dem Schulhof vor einiger Zeit mit dabei gewesen war. „Ursprünglich waren die beiden auf der Suche nach Harry. Nur deshalb hatten sie ihn wohl überhaupt aufgesucht.“   „Woher wussten sie von dem Anschlag?“, fragte Hermine.   Doch Remus schüttelte nur ratlos mit dem Kopf. „Das wissen wir nicht. Sie wollten uns ihre Quelle nicht verraten.“   „Jedenfalls haben wir die Todesser ganz schön aufgemischt“, fuhr Sirius fort. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Die haben nicht mit uns gerechnet. Dem Muggelminister ist Dank uns nichts passiert. Moody hat sogar einen von ihnen gekillt.“   „Rookwood“, knurrte Moody finster.   „Drei von ihnen konnten wir kampfunfähig machen, die anderen sind alle entwischt“, sagte nun Bill. „Wie waren ihre Namen?“   Moody knurrte erneut: „Crabbe, Goyle und Carrow.“   „Was habt ihr mit ihnen gemacht?”, fragte Ron.   Moodys Auge fixierte nun Ron. Seine Miene war so mürrisch wie eh und je. „Was hätten wir schon machen können? Nach Askaban können wir sie nicht mehr schicken, seitdem die Todesser das Ministerium übernommen haben. Selbstjustiz war angesagt. Und wenn ihr mich fragt ist der Tod sowieso viel zu gnädig für diesen Abschaum.“   Ron runzelte verwirrt die Stirn. „Und das heißt?“   Zuerst schien niemand antworten zu wollen. Letztendlich war es Moody, der das Geheimnis lüftete. „Wir haben ihr Gedächtnis etwas manipuliert. Ein wenig an ihren Köpfen herum gespielt. Lass es mich so sagen, sie sind jetzt jedenfalls keine Gefahr mehr für uns.“   Auf den Gesichtern der Anwesenden spiegelten sich die unterschiedlichsten Emotionen wider. Ginny konnte jede von ihnen nachvollziehen. Einige, wie Hagrid, waren geschockt, was sie mit den drei Todessern angestellt hatten, andere, wie Charlie, fanden, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen hatten und wiederum andere, wie Sirius, fanden, dass die Strafe nicht schlimm genug ausgefallen war. Ginny stellte sich die drei Männer vor, wie sie nun im St. Mungo‘s lagen, hilflos in ihrem Körper gefangen, unfähig, auch nur einen Ton von sich zu geben. Ein Pflegefall für die weitere Ewigkeit. Wenn sie überlegte, dass die Todesser vier ihrer Familienmitglieder vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht hatten, fand sie ebenfalls, dass die Strafe viel zu milde ausgefallen war. Allerdings vertraten die meisten Mitglieder im Orden des Phönix die Annahme, dass nur getötet wurde, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ.   „Bei dem Kampf in London“, fuhr Bill nun fort, „wurden Vater und Charlie verletzt.“ Er nickte in die Richtung seines Bruders, dessen frischer Verband sich deutlich von der gebräunten Haut seines Arms abhob. „Charlie hat einen Fluch abbekommen. Remus konnte zum Glück erste Hilfe leisten. Vater jedoch … er war zu stark verletzt. Fred und George kannten jemanden, der im St. Mungo‘s arbeitet und meinten, wir könnten ihm vertrauen …“ Seine Stimme brach. Er schloss seine Augen und ballte die Hand zur Faust. „Sie kamen nicht wieder zurück.“   Ron starrte angestrengt auf den Tisch und vermied es auch nur irgendwem in die Augen zu sehen. Seine Arme und Hände zitterten, so sehr spannte er sie an. Über Mollys Gesicht rannen stumme Tränen.   „Wisst ihr, von wem sie gesprochen haben?“, fragte Hermine leise.   „Von Oliver Wood“, antwortete Ginny bitter. Der Gedanke an ihren ehemaligen Mitschüler aus Gryffindor rief in ihr Übelkeit hervor. Sie sah das freundliche Gesicht vor ihrem inneren Auge, den siegesbesessenen Quidditchspieler, den respektablen Kapitän, den sie früher immer angefeuert hatte, und verspürte nun eine bittere Enttäuschung und grenzenlose Wut.   Hermine keuchte erschrocken auf. „Wood? Er würde nie–“   „Du würdest dich wundern, wie schnell manche Leute die Seiten wechseln, wenn man sie mit den richtigen Mitteln ködert“, behauptete Sirius bitter.   „Oder wenn man ihr Leben bedroht“, hielt Remus ruhig dagegen. „Es liegt in der Natur des Menschen sich selbst zu schützen. Nicht jeder wird als Märtyrer geboren“ – Sirius schnaubte laut – „außerdem wissen wir nicht, was passiert ist. Vielleicht sind sie Wood ja auch nie begegnet.“   „In diesen Zeiten sollte jeder von uns aufpassen, wem er vertraut“, knurrte Moody. „Und jetzt verratet endlich mal, wo Harry steckt!“   Bei der Erwähnung von Harrys Namen sah Ron auch endlich wieder auf. Er rieb sich erschöpft über das Gesicht. Hermine betrachtete das mit einem besorgten Blick und begann dann zu erzählen.   „Harry ist immer noch mit Dumbledore unterwegs. In den letzten Monaten haben wir uns meistens versteckt gehalten, nachdem Hogwarts nicht mehr sicher war. Die Todesser hatten es direkt auf uns abgesehen. Sie waren uns ständig auf den Fersen und manchmal sind wir ihnen nur haarscharf entkommen. Wir sind von einem Versteck zum nächsten geflohen. Dabei haben wir unter anderem herausgefunden, wo sich das Hauptversteck der Todesser befindet. Allem Anschein nach befinden sie sich im Anwesen der Familie Lestrange.“   Manche von ihnen nickten, doch die meisten wirkten nicht sehr überrascht, da sie lange schon angenommen hatten, dass sich Voldemort in einem der Herrensitze wie denen der Malfoys oder der Lestranges einquartiert hatte.   „Dumbledore hat uns Spezialtraining gegeben“, fuhr Hermine fort. „Er hat uns unterrichtet. Offensive sowie defensive Zauber. Man merkt, dass er früher unterrichtet hat, denn er ist wirklich ein sehr guter Lehrer“, hauchte sie für einen kurzen Moment voller Bewunderung, ehe sich ihre Miene wieder verfinsterte. „Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, dass wir nicht einmal annähernd vorbereitet sind auf das, was uns erwartet.“ Hermine seufzte tief. „Die ganze Zeit über hielten wir mit einer Außenstehenden Kontakt. Wir hatten eine Informantin – niemand aus dem Orden, um niemanden von euch zu gefährden. Sie alarmierte uns, als die Todesser letzte Nacht angriffen, und wir eilten sofort los, um zu helfen.“   „Eine Informantin“, fragte Sirius verblüfft. „Wer?“   Ron und Hermine tauschten einen Blick. Diesmal antwortete Ron: „Cho Chang. Sie stand seit wir Hogwarts verlassen haben mit Harry in Verbindung.“   Moody, stets misstrauisch, fragte: „Und wie, wenn man fragen darf?“   „Über ein Porträt“, erklärte Hermine.   „Ihr wisst doch, dass sich die Personen innerhalb ihrer Gemälde bewegen können. Manchmal verschwinden sie einfach in ihren Rahmen.“ Ron kam plötzlich ein Gedanke. „So wie bei den Schokofroschkarten! Da ist Dumbledore auch immer nur kurz zu sehen, schließlich kann er nicht überall gleichzeitig sein.“   „Danke für die Erklärung, Ron. Ich denke, es wissen alle, was gemeint ist. Jedenfalls haben die beiden ein Porträt von Ignatia Wildsmith benutzt, um Nachrichten auszutauschen. Sie war die Erfinderin des Flohpulvers, das, wie ihr wisst, unter anderem für Ferngespräche genutzt wird. Eins ihrer Gemälde befindet sich in Chos Elternhaus und Harry bekam eine kleinere Version als Amulett für unterwegs. Es war Chos Idee. Ziemlich genial, wenn ihr mich fragt, aber das ist von einer Ravenclaw ja auch nicht anders zu erwarten. Und im Gegensatz zum Flohnetzwerk konnten sie dieses Kommunikationsmittel bedenkenlos verwenden, da sie dabei keine Magie verwenden, die die Todesser aufspüren können.“   „Als uns gestern die Nachricht erreichte“, versuchte Ron wieder aufs eigentliche Thema zurückzukommen, „dass die Todesser angreifen, wollten wir nicht länger tatenlos zusehen. Wir waren zusammen mit Harry in Dartford und ob ihr’s glaubt oder nicht, aber die Todesser haben Drachen!“ Ron zog eine leidende Grimasse.   Hagrid schnappte entsetzt nach Luft. Remus legte resignierend eine Hand über seine Augen und Moody zischte bloß. Charlie horchte interessiert auf. „Was für einen?“   Ron rollte genervt mit den Augen. „Was weiß ich?! Ich war damit beschäftigt dem Feuer, das auf mich gespuckt wurde, auszuweichen, statt das Vieh zu interviewen, welcher Gattung es angehört!“   „Es war ein Antipodisches Opalauge“, bemerkte Hermine knapp. Charlie zog verblüfft die Augenbrauen hoch und formte mit seinen Lippen ein stummes, aber beeindrucktes Wow. Die anderen am Tisch teilten seine Begeisterung nicht, sondern wirkten eher beunruhigt. Die Vorstellung, dass die Todesser jetzt auch noch Drachen einsetzten, war alles andere als ermutigend. „Und was du meinst ist die Rasse, nicht die Gattung.“   Ron warf seiner Freundin einen bissigen Blick zu. „Jedenfalls“, begann er mit schnippischer Stimme, „hat unsere wandelnde Ausgabe von Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind seitdem keinen Zauberstab mehr. Noch ein Grund, weshalb wir wieder hier sind.“   „Oh non, ist das wa‘r?“, fragte Fleur besorgt. Hermine nickte traurig und zog aus dem langen Ärmel ihres dünnen Pullovers zwei hölzerne Bruchstücke aus Weinrebenholz, die einst ihr Zauberstab gewesen waren.   „Na klasse“, knurrte Moody.   „Ich kann froh sein, dass ich noch lebe“, sagte Hermine bitter, woraufhin Ron ihr einen besorgten Blick zuwarf. Sie griff nach ihrem zerbrochenen Stab und steckte die Teile wieder in ihren Ärmel. „Ich habe versucht ihn zu reparieren, aber alles was ich versucht habe war wirkungslos. Was soll ich jetzt machen? Ich kann schließlich nicht einfach zu Ollivanders gehen und mir einen neuen holen. Die Todesser bewachen die Winkelgasse.“   „Du gehst nirgendwohin“, brachte Molly hervor. Ihre Stimme war immer noch leicht zittrig, aber mehr als entschlossen. „Du bleibst schön hier, Hermine, nicht dass dir – oder dem Kind – noch etwas passiert. Hier seid ihr sicher. Nicht wahr, Sirius?“   „Natürlich, Molly.“ Sirius setzte sich plötzlich kerzengerade hin und warf Hermine einen aufmunternden Blick zu. „Der Tag, an dem die Todesser hier einfallen ist der Tag, an dem Schniefelus sich die Haare wäscht.“ Remus schüttelte den Kopf, aber seine Mundwinkel zuckten leicht.   „Was is‘ mit Harry?“, fragte Hagrid. „Kommt er nach?“ Er griff beherzt nach der Schale mit den Keksen und stopfte sich gleich drei davon in den Mund. Die Krümel verteilten sich in seinem dunklen buschigen Bart. Sie schienen ihm zu schmecken, vermutlich, weil sie ebenso hart waren wie seine eigenen Felsenkekse, an denen sich seine Gäste immer die Zähne ausbissen.   „Wir wissen es nicht“, gestand Ron. „Als wir zuletzt gesprochen haben wollten er und Dumbledore uns nicht begleiten. Sie sind noch … auf der Suche.“   „Auf der Suche?“   „Wonach?“   Ron und Hermine tauschten einen Blick. „Das können wir euch nicht sagen. Tut uns leid.“   „Ha!“, sagte Sirius, der mit der flachen Hand auf den Tisch haute, sodass die Teetassen nur so klirrten. „Sie suchen nach der Waffe, mit der sie Voldemort besiegen können! Ich wusste es, Dumbledore hat wie immer ein Ass im Ärmel!“ Er nickte aufgeregt, als hätte er schon lange diesen Gedanken gehabt und auf den Gesichtern der anderen Ordensmitglieder schlich sich eine Spur von Hoffnung.   Ginnys Finger wanderten automatisch zu dem ledernden Beutel an ihrem Gürtel. Ein ungutes Gefühl überkam sie, vor allem, als sie Charlies bohrenden Blick auf sich ruhen spürte, den sie versuchte zu ignorieren. Sie fragte sich, wonach Dumbledore und Harry wohl suchen mochten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)