In Zeiten des Krieges von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 31: Teil 2 – Kapitel 4 ------------------------------ Juli 1998 Ginny riss die Augen auf. Schlagartig war sie hellwach. Sie hatte sich nur einen Moment hinlegen wollen und war dann anscheinend eingeschlafen. Tief und fest hatte sie geschlummert, bis der Alptraum sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Ihr Herz hämmerte immer noch kräftig in ihrer Brust und ihr Atem ging schnell und flach. Sie hatte von Drachen geträumt, von riesigen, angsteinflößenden, feuerspeienden Drachen. Und Draco war auch in dem Traum vorgekommen.   Sie legte sich eine Hand auf die Brust und versuchte ihr schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Es war nur ein Traum, dachte sie. Vermutlich lag es an Charlie und seinen Geschichten aus Rumänien. Ständig redete er von diesen feuerspeienden Bestien, sodass sie sich schon in ihr Unterbewusstsein stielten. Wenigstens hatte sie zur Abwechslung mal etwas anderes geträumt. Seitdem sie nicht mehr in Hogwarts war besuchte Tom Riddle sie viel öfter in ihren Träumen. Man sollte meinen, dass sie daran bereits gewöhnt sein sollte, doch es war immer wieder aufs Neue furchterregend.   Allmählich beruhigte sich ihr Körper wieder. Langsam setzte sie sich im Bett auf und sah sich in dem Zimmer um, das sie sich mit Charlie teilte. In den letzten Wochen und Monaten hatte der Grimmauld Place zahlreichen Zuwachs erlangt. Sirius hätte sich über den Besuch gefreut, wenn die Umstände nicht so traurig wären, denn es handelte sich beinahe ausschließlich um Hexen und Zauberer, die bei ihm Zuflucht suchten. Einer von ihnen war Hagrid, der seine kleine Holzhütte auf den Ländereien Hogwarts zurücklassen musste und nun gemeinsam mit seinem Hund Fang ein Zimmer im ersten Stock bewohnte. Bei seiner Riesengröße hatte Sirius das größte Zimmer räumen müssen. Hagrid musste sich jedesmal bücken, wenn er durch eine Tür ging und wenn er sich in sein Bett legte, dann ragten seine Beine und Füße weit über die Matratze, doch der Halbriese beschwerte sich nicht, sondern nahm die Hilfe dankbar an.   Ginny teilte sich gern ein Zimmer mit ihrem Bruder. Wenigstens schnarchte er nicht, so wie Fred und George. Das Haus war glücklicherweise nicht sehr hellhörig, sie hörte es nur manchmal, wenn sie an ihrem Zimmer vorbei ging und der eine versuchte den anderen mit seinem Schnarchen zu übertönen. Zu Charlie hatte sie immer ein besonderes Verhältnis gehabt. Er war nicht so streng wie Percy oder so aufgedreht wie Fred und George. Man konnte mit ihm reden und lachen. Und seitdem Ron weg war, war er der Weasley, der ihr am nahesten stand.   Früher einmal waren sie so viele gewesen, doch nun schien es, als verstreute sich die Familie Weasley in alle Himmelsrichtungen. Ron war kurz nach der Schlacht in Hogwarts gemeinsam mit Harry, Dumbledore und Hermine untergetaucht. Niemand von ihnen wusste, wo sie sich momentan befanden. Bill war immer noch mit Fleur und Dominique in Frankreich und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt eine Ahnung hatten, was in England vor sich ging. Das Flohnetzwerk und die Eulenpost lagen nun in den Händen von Voldemort und sie wagten es nicht Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Percy war nun schon seit über einem halben Jahr tot und trotzdem kam es Ginny manchmal noch so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er den Fuchsbau besucht und der Familie von seiner Arbeit im Ministerium erzählt hatte. Fred und George steckten immer die Köpfe zusammen und waren mit sich selbst beschäftigt, ebenso wie ihre Eltern, die bei Tag und Nacht mit den anderen Ordensmitgliedern zusammenhingen. Und Ginny fühlte sich immer öfter ausgeschlossen. Deshalb war sie dankbar, dass wenigstens Charlie da war.   Durch das Fenster drangen noch einige Sonnenstrahlen. Anscheinend hatte sie nicht lange geschlafen. Ginny stand langsam auf, machte das Bett ordentlich und verließ das Zimmer, um nach unten zu gehen. Auf dem halben Wege der Treppe kam ihr Tonks entgegen.   „Ah, Ginny, ich wollte gerade nach dir sehen“, sagte Tonks. Der Metamorphmagus trug heute schulterlanges schwarzes Haar. Früher hatte sie oft knallig buntes Haar gehabt, doch in der letzten Zeit war es meist dunkel, als würde ihre Haarfarbe ihre Stimmung widerspiegeln. „Die Longbottoms sind da.“   „Neville?“ Schnell folgte Ginny ihr die Treppe hinab, während sie sich fragte, weshalb der Gryffindor ihnen einen Besuch abstattete. Nevilles Eltern, die während des ersten Zaubererkrieges im Orden gekämpft hatten, lagen seit Jahren im St. Mungo’s Hospital und Neville lebte deshalb bei seiner Großmutter. Augusta Longbottom war eine Unterstützerin des Ordens. Und wäre die schrullige Hexe, die sich momentan auf einen Gehstock stützte, noch dazu in der Lage, würde sie sich ihnen ebenfalls anschließen. Doch sie half so gut sie konnte. Jeden Tag schickte Augusta ihnen den Tagespropheten – getarnt als eine Ansichtskarte, mit dem Gekritzel einer alten senilen Dame, die lediglich Urlaubsgrüße versendete. Ihre Eule brachte die Post immer zum Abfalleimer an der Straßenecke und Sirius fischte sie als Hund getarnt aus dem Müll und verwandelte die Karte zurück in die Zeitung, sodass sie im Grimmauld Place ein wenig aus der Zaubererwelt erfuhren. Es war zu unsicher, die eigenen Eulen loszuschicken. Zu groß war die Gefahr, dass sie abgefangen oder nachverfolgt wurden. Sirius und die Weasleys waren den Todessern ein Dorn im Auge, das wusste jeder. Und sie konnten es nicht riskieren, dass sie ihren Unterschlupf entdeckten.   Als Ginny und Tonks im Salon ankamen befand sich dort bereits eine kleine Ansammlung an Menschen: Sirius, Remus, Arthur und Molly auf der einen und Augusta und Neville auf der anderen Seite. In einem Sessel dazwischen saß Mad-Eye, der sein Holzbein abgeschraubt und auf den Boden gelegt hatte. Sein falsches Auge huschte wild und aufmerksam in der Augenhöhle umher. Als Neville Ginny erblickte hellte sich seine Miene auf.   „Ginny! Wie schön dich zu sehen!“ Sie beide umarmten sich fest. Seit dem Kampf in Hogwarts hatten sie sich nicht mehr gesehen. Es lag also schon sechs Monate zurück.   „Was macht ihr hier?“, fragte Ginny verwundert. Der Grimmauld Place lag versteckt in London. Nicht jeder konnte diesen magisch geschützten Ort finden. Augusta Longbottom war einer der Geheimniswahrer des Geheimverstecks. Da sie weder über den Kamin noch über Eulen kommunizieren konnten, war es schwierig, Informationen auszutauschen. Ein persönlicher Besuch war sogar noch gefährlicher. Nur ein kleiner Fehler konnte sie alle in Gefahr bringen. Der Besuch dieser beiden musste also einen triftigen Grund haben.   „Nun, ähm, ich habe es den anderen eben schon erzählt“, begann Neville leicht nervös, der auf die Erwachsenen deutete. „Sie meinten, ich solle dir davon erzählen, da du ihn am besten von uns kennst. Also, es geht um Michael.“   Ginny starrte ihn besorgt an. „Michael? Ist ihm was passiert?“   Schnell hob Neville abwehrend die Hände und schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein, nein! Mach dir keine Sorgen. Es geht ihm gut.“ Verständnislos sah sie erst Neville und dann die anderen an, nicht begreifend, weshalb er hier so plötzlich auftauchte und anscheinend nichts Besseres zu tun hatte, als von ihrem Ex-Freund zu reden. Ginny war selbst ein wenig überrascht, dass sie sich nach allem was vorgefallen war immer noch solche Sorgen um ihn machte. Doch in Zeiten wie diesen musste man mit dem Schlimmsten rechnen und auch wenn die Geschichte mit ihr und Michael längst vorbei war, dann war er doch jemand, der ihr einmal sehr viel bedeutet hatte und sie wollte nicht, dass ihm etwas geschah.   „Jetzt komm zum Punkt, Junge“, knurrte Moody. „Bevor das Mädchen noch einen Herzinfarkt bekommt.“   Neville zuckte bei seiner strengen Stimme leicht zusammen, doch Remus sprach ihm Mut zu. „Fahre fort.“   „Ich habe Michael gestern getroffen. Ihn und Anthony Goldstein“, erklärte Neville, der nervös seine Finger knetete. „Oma und ich waren in der Winkelgasse. Wir wollten ein wenig einkaufen.“ Er seufzte niedergeschlagen. „Ist nicht mehr so wie früher, weißt du. Überall stehen Todesser und kontrollieren.“ Nevilles Großmutter schnaubte laut und abfällig. Trotzig reckte sie das Kinn, als würde sie zeigen wollen, dass ihr die Todesser keine Angst einjagten. „Die beiden waren echt mutig, wenn du mich fragst. Immerhin sind sie nur Halbblüter. Naja, jedenfalls glaube ich, sie haben da auf mich gewartet, oder zumindest auf einen von uns.“ Er machte mit dem Finger eine kreisende Bewegung, was wohl alle Anwesenden einschließen sollte. „Ich habe mich gefreut sie zu sehen. Ist ja schließlich lange her seit– naja, du weißt schon.“ Er zuckte unbeholfen mit den Schultern. Moody räusperte sich laut und er fuhr wieder fort. „Zuerst sprachen wir über nichts Bestimmtes, über das Wetter und so. Wahrscheinlich wollten sie erst sichergehen, dass uns niemand belauscht. Und dann fragte er, ob ich Kontakt zu Harry hätte. Und ich sagte nein. Aber er glaubte mir nicht. Er meinte, er müsse mit ihm sprechen. Er hätte wichtige Informationen.“   „Aber wir wissen nicht wo Harry ist. Er ist untergetaucht“, sagte Ginny und Neville nickte daraufhin.   „Das habe ich ihnen auch gesagt.“ Er wirkte schon beinahe verzweifelt.   „Und sie haben dir nicht gesagt, worum es geht?“   Zur Antwort erhielt sie ein Kopfschütteln. „Nein, ich habe wirklich keine Ahnung. Sie sagten, sie würden sich mit ihm treffen wollen und sie gaben mir eine Adresse und einen Zeitpunkt.“ Als er etwas hochhielt, stellte sie fest, dass er die ganze Zeit über ein Stück Pergament in den Händen gehalten hatte, das von seinem nervösen Gefummel mittlerweile ganz zerknittert war.   „Worum könnte es gehen?“, fragte Tonks.   „Vielleicht hat er Informationen über die Todesser. Oder er braucht unsere Hilfe“, überlegte Sirius, der sich nachdenklich das stoppelige Kinn rieb.   „Oder es ist eine Falle“, knurrte Moody. Sein unechtes Auge fixierte das Stück Pergament mit der Adresse.   „Ginny“, begann Remus, „du kennst Michael Corner am besten von uns allen. Ist ihm zu trauen?“   Sie nickte ohne zu zögern. Michael hatte vielleicht seine Macken, vor allem, wenn es ums Quidditch ging, aber er würde niemals für die Todesser arbeiten. Und er würde nie jemanden verraten. Davon war sie felsenfest überzeugt.   Nach einigen Sekunden der Stille, in denen jeder nachdachte, sagte Sirius. „Einer von uns wird mit ihm reden.“   „Er wollte nur mit H-Harry reden“, wiederholte Neville schüchtern.   „Aber wir wissen nicht, wo der Junge steckt!“, knurrte Moody. „Wir haben die Adresse. Jemand anderes wird hingehen. Und das ist der Punkt, an dem du ins Spiel kommst.“ Moody nickte in Ginnys Richtung und alle Augenpaare blickten nun zu ihr.   Von Molly war ein erschütterter Seufzer zu hören, doch ihr Mann warf ihr einen Blick zu und sie sagte nichts weiter.   „Und ihr meint, dass ist eine gute Idee?“, meldete sich nun auch Augusta zu Wort. „So viel wie ich mitbekommen habe ist sie seine Ex-Freundin. Nichts für ungut, meine Liebe, aber wir wollen ja nicht riskieren, dass er dir einen Fluch aufhalst, wenn er dich sieht.“   Ginny musste unweigerlich schmunzeln. „Ich glaube, das wird schon nicht passieren. Es ist ja nicht so, dass wir uns hassen. Wir reden schon noch wie normale Menschen miteinander.“ Sie musste an ihre letzte Begegnung mit Michael denken. Das letzte Mal hatten sie in Hogwarts miteinander gesprochen. Michael hatte sie gebeten, ihrer Beziehung noch eine zweite Chance zu geben. Doch Ginny hatte abgelehnt, weil sie inzwischen Gefühle für einen anderen entwickelt hatte.   Ihre Finger wanderten unbewusst zu dem Beutel, der an ihrem Gürtel hing. „Ich gehe. Ich werde mit Michael reden.“   Molly krallte sich besorgt an Arthurs Arm, der wiederum sah seine Tochter stolz an. „In Ordnung“, stimmte er zu. „Aber es sollte noch jemand mitgehen.“   „Ich gehe mit!“, meldete sich Sirius sogleich zu Wort.   „Dein Enthusiasmus in allen Ehren, alter Freund“, sagte Remus, „aber ich glaube es ist besser, wenn ich mitgehe. Ich war mal sein Lehrer. Ein vertrautes Gesicht wird uns in dieser Angelegenheit mit Sicherheit behilflich sein.“   Sirius verzog beleidigt den Mund, zuckte dann aber mit den Schultern. Sein Gesicht kannte man lediglich nur durch die Fahndungsplakate. „Na schön.“   „Neville, du gehst auch mit“, sagte Augusta, die mit ihrem Gehstock gegen sein linkes Bein stupste.   „I-ich?“   „Natürlich! Sei kein Feigling, Neville!“   Mit Augen so groß wie Quaffel sah er seine Großmutter an und schluckte hörbar. Der tollpatschige und etwas pummelige Junge hatte noch nie zu den Tapfersten gehört. Ihm fehlten vor allem das Selbstbewusstsein und die Stärke sich durchzusetzen. Deshalb war er während seiner Schulzeit immer das Opfer von Hänseleien gewesen.   Augusta, die einen Kopf kleiner war, als ihr Enkel, sah entschlossen zu ihm auf. Ihre dunklen Augen fixierten ihn. „Ich weiß, dass mehr in dir steckt, als du dir zutraust, mein Lieber, denn ansonsten hätte dich der Sprechende Hut nicht nach Gryffindor geschickt.“   ***   Das Treffen war bereits am nächsten Tag. Die Adresse entpuppte sich als Muggel-Grundschule in einem kleinen Dorf namens Oakley, im Süden von England. Es war Punkt dreiundzwanzig Uhr, wie vereinbart. Der gepflasterte Schulhof wurde in der Dunkelheit der Sommernacht von einigen Laternen erleuchtet. Fußballtore, Kletterstangen und Tischtennisplatten standen verlassen an dem Ort, der sich tagsüber in Lachen und Kinderlärm hüllte. Ein friedlicher Ort, jenseits der magischen Welt.   Ginny, Neville und Remus standen unter der Baumkrone einer Kastanie. Alle drei trugen schwarze Umhänge, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, und die Zauberstäbe bereit, für den Fall, dass es sich doch um einen Hinterhalt handelte.   In der Nähe musste eine Kirche stehen. Die Turmuhr begann zu schlagen. Es war das einzige Geräusch in der warmen Sommernacht. Sie warteten einige Minuten, doch niemand erschien. Ginny überlegte. Michael und Anthony hatten ausdrücklich nach Harry verlangt. Vielleicht waren sie bereits da und beobachteten sie aus der sicheren Ferne, eventuell verunsichert, dass es drei Personen waren und nicht nur eine. Denn immerhin mussten auch sie vorsichtig sein. Deshalb wollte Ginny ihnen ein Zeichen geben, damit Michael wusste, dass er ihnen trauen konnte.   Sie schloss die Augen und dachte an einen schönen Moment.   „Expecto Patronum.“   Aus ihrer Zauberstabspitze strömte weißer Nebel hervor, der sich zu einer Silhouette verformte. Das Pferd trabte lautlos über den Schulhof. Seine Erscheinung war schön und anmutig. Der Patronus blieb nicht lange allein. Wenig später erschien ein zweiter Patronus, in der Form eines Hermelins. Die beiden Tiere umkreisten einander, liefen gemeinsam über den Schulhof, als würden sie miteinander spielen, dann lösten sie sich beide wieder in Nichts auf.   Neben ihnen ertönte das leise Geräusch des Apparierens und kurz darauf traten zwei Personen aus dem Schatten. Sie gesellten sich zu ihnen unter die Kastanie. Auch sie trugen dunkle Umhänge. Und als sie ihre Kapuzen hinunterzogen kamen die Gesichter von Michael Corner und Anthony Goldstein zum Vorschein.   „Hallo, Ginny“, sagte Michael mit einem leichten Lächeln. „Ich habe deinen Patronus erkannt.“   „Hallo, Michael.“   Nun zog auch Ginny ihre Kapuze runter und kurz darauf taten es ihr Neville und Remus gleich. Natürlich kannten sie und Michael die Formen ihrer Patronus-Gestalten. Früher hatten sie sie oft gemeinsam herauf beschworen. Die Rothaarige wusste, er würde ihr Pferd erkennen.   „Wo ist Harry?“, fragte Anthony, ohne ein Wort der Begrüßung. Im Gegensatz zu Michael wirkte er angespannt. „Und was macht Professor Lupin hier?   „Wir wissen nicht, wo Harry ist“, antwortete Remus mit ruhiger Stimme. „Und ich bin hier, da uns die Mitteilung erreicht hat, dass ihr Informationen habt.“   „Ja, Informationen für Harry“, erwiderte Anthony mit verschränkten Armen vor der Brust. Er war offensichtlich misstrauisch. „Nicht für euch.“   Michael warf ihm einen Blick zu, doch sein Freund ignorierte ihn. Sein Blick lag auf Ginny. Feindselig starrte er sie an und Ginny fragte sich, aus welchem Grund. Vielleicht lag es daran, dass sie die Ex seines besten Freundes war. Solidarität und so.   „Harry ist momentan untergetaucht“, erklärte Remus mit ruhigem und freundlichem Ton, wie ein Lehrer, der versuchte, einem unaufmerksamen Schüler etwas zum wiederholten Male geduldig zu erklären. „Mit Dumbledore.“   Bei der Erwähnung von Dumbledores Namen hatte er die Aufmerksamkeit des Ravenclaws. Wieder wechselten die beiden jungen Männer einen Blick.   Neville hatte bisher nichts gesagt. Stumm verfolgte er das Geschehen.   „Ihr könnt uns ruhig vertrauen“, sagte Ginny, die einen Schritt auf Michael zuging und die wenige Distanz zwischen ihnen überbrückte. Sanft legte sie eine Hand auf seinen Arm. „Vielleicht können wir euch helfen.“ Und sie sah, wie der letzte Widerstand in seinen Augen brach.   „Wir wissen von einem Anschlag“, begann Michael leise.   Überrascht fragte Remus: „Einen Anschlag? Auf wen?“   „Auf den Premierminister der Muggel.“   Neville schnappte laut nach Luft.   „Woher wisst ihr das?“   Erneut warf Michael einen Blick zu seinem besten Freund, als würde er um Erlaubnis bitten, die Antwort darauf geben zu dürfen. Doch der Ravenclaw blieb stur.   „Das spielt keine Rolle.“   „Aber ihr müsst doch–“   „Vergessen Sie es, Professor Lupin. Wir verraten unsere Quelle nicht.“ Arrogant reckte er das Kinn. „Sie müssen doch auch verstehen, dass wir unsere Quelle schützen müssen, für den Fall, das etwas schief geht.“   Remus‘ Lippen verzogen sich zu einem verstehenden Lächeln. „Natürlich.“   „Habt ihr noch weitere Informationen für uns?“, fragte Ginny. „Wann soll der Anschlag stattfinden?“   Diesmal war es Michael, der antwortete. „Am kommenden Freitag. Soweit wir wissen wird es um zehn Uhr morgens eine Ratssitzung geben, an der alle Politiker beteiligt sind. Jetzt wo sie das Zaubereiministerium unter ihrer Kontrolle haben wollen sie sich wohl auch die Muggel vorknöpfen.“   „Das ist furchtbar“, murmelte Neville eingeschüchtert und Michael nickte.   Sein Blick ruhte wieder auf Ginny. „Meinst du, ihr könnt etwas dagegen ausrichten?“   In seinen Augen sah sie die Unsicherheit und die Angst. Dieselbe, die auch sie verspürte. Entschlossen nickte sie und sie versprach: „Wir werden es auf jeden Fall versuchen.“   Remus griff in seine Umhangtasche und holte ein kleines goldenes Glöckchen hervor. „Nehmt das. Falls ihr noch einmal Kontakt zu uns aufnehmen wollt, dann benutzt dieses Glöckchen. Wir haben dazu das Gegenstück. Wenn ihr eures bewegt ertönt bei uns das Klingeln.“   Anthony nahm das Glöckchen und steckte es in seine eigene Tasche. „Also dann, viel Glück.“   „Mach‘s gut, Gin“, verabschiedete sich Michael mit einem zaghaften Lächeln. Für einen Moment schien er unschlüssig, ob er sie umarmen sollte, ließ es dann jedoch. Stattdessen nickte er noch einmal Remus und Neville zum Abschied zu und die beiden ehemaligen Ravenclaws disapparierten.   „Mannomann!“, hauchte Neville eingeschüchtert. „Jetzt auch noch die Muggel!“   Ginny sah ihren ehemaligen Professor fragend an. „Was meinst du, Remus?“   Der Werwolf wirkte nachdenklich. Schließlich antwortete er. „Lasst uns zu den anderen zurückkehren und ihnen von diesen Neuigkeiten erzählen. Ich denke, wir können den beiden vertrauen. Aber einer Sache bin ich mir sicher“, meinte er rätselhaft. „nämlich dass sie uns etwas Wichtiges verschweigen.“   ***   „Du bist so ein Idiot!“   „Was? Wieso?“   „Fehlt nur noch, dass du anfängst zu sabbern, wenn du sie siehst! Ich dachte du wärst über sie hinweg!“   „Aber, ich–“   „Spar dir deine Ausreden, Michael!“   „Wieso regst du dich denn so auf?“   „Es lief nicht wie geplant, deshalb!“   „Ginny und die anderen werden versuchen den Muggelminister zu retten. Du kennst doch die Gerüchte um den Orden des Phönix. Auch wenn Harry nicht dabei ist … vielleicht schaffen sie es, es zu verhindern.“   Ja, das hoffte er.   Für irgendetwas musste diese Wahrsagerei ja gut sein.   Anthony Goldstein kam bekannterweise aus einer Familie von Wahrsagern. Zumindest sagten das die Leute, denn weder seine Eltern noch seine Großeltern waren von dieser Gabe gesegnet gewesen. Es musste sich also um irgendwelche Goldsteins aus mehreren Generationen vor seiner Geburt handeln, die diese Fähigkeit nicht weitergegeben hatten. Schließlich war er in Wahrsagen eine Niete. War er schon immer gewesen.   Doch letztens hatte er etwas gesehen … Es war wie ein Gedanke, oder eine Erinnerung, aber irgendwie … anders … und Anthony hatte es einfach gespürt, dass es anders, dass es wichtig war! Dabei kannte er sich doch überhaupt nicht damit aus. Was, wenn alles nur ein Hirngespinst war? Vielleicht hatte er sich ja bei der Schlacht in Hogwarts eine Gehirnerschütterung zugezogen, als er beim Kämpfen von den Trümmerteilen getroffen wurde und halluzinierte nun? Oder aber er hatte etwas Falsches gegessen und litt womöglich an einer Magenverstimmung, die ihn unter Wahnvorstellungen leiden ließ?   Nein, er wusste es, er fühlte es … das, was er gesehen hatte, war von Bedeutung. Dieses bleierne schwere Gefühl im Magen, das ihm Übelkeit verspüren ließ, zeugte von der Gewissheit, dass er in die Zukunft gesehen hatte. Wieso auch musste es, von allen Goldsteins auf dieser Welt, ausgerechnet ihn treffen? Und wieso ausgerechnet jetzt? Wieso nicht, als er dabei war die Prüfungen zu verhauen, oder aber damals, als er Marietta Edgecombe gefragt hatte, ob sie ihn zum Weihnachtsball begleiten würde, und sie ihm eine bittere Abfuhr erteilt hatte? Diese Blamage hätte er sich dann sparen können. Wieso dann ausgerechnet jetzt?   Letztendlich gab es nur eine Schlussfolgerung: nämlich, dass er etwas dagegen unternehmen musste. Er musste irgendwie versuchen, das zu verhindern. Denn eins hatte er im Unterricht bei Trewlaney gelernt, nämlich dass man zwar nicht die Vergangenheit, aber durchaus die Zukunft verändern konnte.   Jetzt lag es in den Händen des Phönixordens. Und auch wenn Michael ihnen anscheinend vertraute, er tat es nicht. Zumindest nicht Ginny Weasley. Von allen möglichen Personen musste ausgerechnet sie heute hier auftauchen! Sein bester Freund verstand nicht, weshalb er ihr gegenüber so feindselig war. Irgendwie hatte er sie noch nie richtig leiden können und auch nie verstanden, was Michael an der Rothaarigen fand. Wenn er ehrlich zu sich gewesen wäre, würde er feststellen, dass er eifersüchtig gewesen war, weil Michael damals mit ihr mehr Zeit verbracht hatte, als mit ihm und er nicht mehr die Nummer eins gewesen war. Doch darum ging es diesmal nicht.   Es war ganz einfach.   Denn er hatte noch etwas gesehen …   Der eigentliche Grund, weshalb er vorhatte mit Harry zu reden. Michael war sein bester Freund, aber er würde ihm niemals erzählen, mit wem er Ginny in seiner anderen Vision gesehen hatte.   Diese Information war nur für Harry bestimmt. Ihn würde er warnen, sobald er die Möglichkeit dazu bekäme … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)