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In Zeiten des Krieges

Draco x Ginny
von

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Teil 1 – Kapitel 8

Oktober 1997

 

Ginny und Ron verließen das Büro des Schulleiters. Während sie den Flur in Richtung Gryffindorturm entlanggingen, sprachen sie kein Wort miteinander. Soeben waren sie von Percys Beerdigung zurückgekehrt. Dumbledore persönlich hatte ihnen gestattet seinen Kamin zu benutzen, um nach Ottery St. Catchpole reisen zu dürfen.

 

Die Nachricht hatte die Weasleys getroffen, wie ein Schlag: Herzinfarkt während der Arbeit. Fred und George hatten sich immer darüber lustig gemacht, dass Percy sich eines Tages totarbeiten würde. Dabei war er gerade einmal einundzwanzig Jahre alt gewesen.

 

Die Beerdigung war kurz und schmerzhaft. Ginny hatte alles nur halb wahrgenommen. Was sie wohl nie vergessen würde war das Schluchzen ihrer Mutter und der Gesichtsausdruck von Penelope, Percys Freundin. Sein früher Tod hatte ihr für immer das Herz gebrochen.

 

In gefährlichen Zeiten wie diesen, in denen Lord Voldemort wieder an Macht gewann, viele Opfer forderte und die Zaubererschaft in Schrecken versetzte, starb ihr Bruder an einer simplen Krankheit. Grausame Ironie des Schicksals.

 

„Ich glaube, ich werde jetzt einfach nur noch schlafen“, sagte Ron müde. Er war erschöpft, vom Tag, von der Beerdigung, von der Trauer. Es sah Ron ähnlich, dass er sich zurückzog. Schlafen und zu hoffen, dass, wenn er aufwachte, alles nur ein blöder Alptraum gewesen war. Doch dieser Wunsch würde ihm nicht erfüllt werden. Ginny wollte sich nicht ausruhen, sie wollte auch nicht in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum und sich den Blicken und Fragen der anderen aussetzen. Sie wollte sich lieber ablenken.

 

„Mach das. Ich werde ein wenig rausgehen.“ Sie waren inzwischen beim Porträt der Fetten Dame angelangt. „Kommst du klar?“, fragte sie ihren Bruder.

 

„Sicher“, antwortete er. Er drückte noch einmal dankbar ihre Hand und nannte dann das Passwort, um kurz danach im Porträtloch zu verschwinden. Ginny machte sich auf den Weg zu den Ländereien. Sie nahm den kürzesten Weg und glücklicherweise änderten die Treppen nicht ihre Richtung, sodass sie zügig aus dem Schloss entfliehen konnte.

 

Das Wetter an diesem Tag war wunderschön. Die Sonne schickte ihre letzten warmen Sonnenstrahlen und der Himmel erstreckte sich wolkenlos über den Horizont. Einige Schüler genossen das gute Wetter und verbrachten ihren Samstagnachmittag in der Sonne auf den Ländereien. Doch auch hier tummelten sich nur sehr wenige Schüler. Richtig, heute war das Hogsmeade-Wochenende. Das erklärte die Abwesenheit der Dritt- bis Siebtklässler. Ginny war gerade auf dem Weg zum See gewesen, als sie umkehrte und sich auf den Weg nach Hogsmeade machte. Vielleicht fand sie ja dort ein wenig Zerstreuung.

 

Am liebsten würde sie sich im Drei Besen die Kante geben, doch Madam Rosmerta schenkte keinen Feuerwhisky an Minderjährige aus und Ginny war leider erst sechzehn. Nach der Beerdigung hatten sie alle beim Leichenschmaus auf Percy angestoßen. Ihre Mutter hatte ihr der Umstände halber sogar ein Glas mit einem winzigen Schluck Feuerwhisky erlaubt. Ginny dürstete es nach mehr, mehr Alkohol, um den Schmerz zu betäuben.

 

Sie trug immer noch ihr schwarzes Trauerkleid. Die spätsommerliche Sonne schien heiß auf dem dunklen Stoff. Sie hatte nicht daran gedacht sich umzuziehen, aber das war auch egal. Scheiß drauf, wie sie aussah, und ob man ihr noch ansah, dass sie geweint hatte. Die Meinung der anderen interessierte Ginny im Moment herzlich wenig.

 

Sogar Bill und Fleur waren bei der Beerdigung gewesen. Bei dem Anblick von Fleurs dickem Bauch hatte Ginny lächeln müssen. Der eine geht, der andere kommt, hatte ihre Tante Muriel gesagt.

 

In diesem Moment kam ein Geistesblitz: Ginny wollte etwas für das Baby kaufen. Genau, das war eine tolle Idee! Zum Glück hatte sie ihre Handtasche mit dem nötigen Kleingeld dabei. Vielleicht etwas zum Spielen oder zum Anziehen. Sie würde sicherlich etwas Passendes finden. Bei dem Gedanken daran fühlte sie sich gleich ein wenig besser.

 

Als Ginny Hogsmeade erreichte stellte sie fest, dass das kleine Zaubererdorf ziemlich überfüllt war. Bei dem guten Wetter waren die Läden stark besucht. Viele nutzten noch einmal die Gelegenheit ein Eis zu essen oder sich mit Freunden in einem Café zu treffen. Große Menschenmassen machten Ginny zum Glück nichts aus.

 

Und so quetschte sie sich durch das Gedränge, auf der Suche nach einem geeigneten Laden, wo sie vielleicht hübsche Babykleidung finden mochte, bis sie endlich das gesuchte Geschäft erreichte. Wusste sie doch, dass sie sich richtig erinnerte. Sie war sich nicht mehr ganz sicher gewesen, ob sie diesen Laden in Hogsmeade oder in der Winkelgasse gesehen hatte, doch hier war es: Hexenbaby, das Geschäft für kleine Zauberer und Hexen.

 

Vor dem Schaufenster blieb sie stehen und bestaunte die Sachen. Unwillkürlich entfuhr ihr ein Seufzer. Ginny hatte schon immer eine Schwäche für Babys gehabt. Kleine süße Plüscheulen, schwebende Rasseln und winzige Zauberumhänge gaben einen kleinen Einblick auf das Innere des Ladens. Angefangen von Babynahrung, über Babykleidung, bis hin zu Babyspielzeug schien es dort alles zu geben. Es gab sogar einen Flugbesen für Babys.

 

Ginny legte eine Hand an die Scheibe und sah sich die Sachen weiter an, die so unglaublich niedlich waren. Wenn sie doch nur wüsste, ob Fleur einen Jungen oder ein Mädchen kriegen würde, dann würde es die Auswahl ein wenig einkreisen. Ihre Gedanken schweiften ab und sie fragte sich, wann sie wohl einmal Mutter werden würde.

 

„Bist du dafür nicht noch ein wenig zu jung?“, ertönte neben ihr plötzlich eine Stimme.

 

Als Ginny zur Seite schaute stand Malfoy neben ihr, mit den Händen in den Hosentaschen. Ihr Magen machte einen Salto. Er schien allein zu sein, kein Crabbe oder Goyle, oder die nervige Parkinson. Das war ungewöhnlich. Hinter ihnen liefen nur die Passanten wie aufgescheuchte Hühner durch die schmalen Gassen von Hogsmeade.

 

„Das ist nicht für mich“, sagte Ginny. Und mit ein wenig Stolz in der Stimme fügte sie hinzu: „Ich werde Tante.“

 

„Na klasse“, raunte er. „Das hat die Welt gebraucht: noch einen Weasley.“ Als Ginny nicht darauf reagierte fragte er: „Was denn? Gar keine Widerworte?“

 

Sie seufzte. „Im Moment habe ich keine Kraft, um mich zu streiten. Ich hatte einen beschissenen Tag und ich–“ Sie verstummte, als ihre Stimme zu zittern begann. Sie spürte, wir ihr wieder Tränen in die Augen stiegen. Und sie wollte vor dem Slytherin auf keinen Fall anfangen zu heulen.

 

„Ich habe das von deinem Bruder gehört.“

 

„Und? Was willst du?“, fuhr sie ihn an. „Dich darüber lustig machen? Du wirst mir wohl kaum sagen wollen, dass es dir leid tut!“ Sie schnaubte entrüstet. Seit wann kannten Slytherins so etwas wie Mitgefühl? Gerade Malfoy trampelte gerne auf den Gefühlen anderer herum.

 

Er runzelte die Stirn. „Nein, ich wollte–“

 

Plötzlich wurde Ginny gegen Malfoy gestoßen. Ein Raunen ging durch die Menge und es entstand ein aufgeregtes Gedränge. Schreie ertönten, gefolgt von einem lauten Knall. In Sekundenschnelle entstand Panik. Ginny versuchte sich umzusehen, doch es fiel ihr schwer, bei all den Menschen, die sich gegen sie drückten, etwas zu erkennen. Die Menschen versuchten wegzukommen, aber es ging nicht voran.

 

„Was ist hier los?“, fragte Ginny besorgt. Erneut ertönte ein lauter Knall. Wieder schrie jemand. Sie sah in einiger Entfernung Rauch.

 

Plötzlich wurde sie weggezogen. Malfoy hatte sie bei der Hand gepackt und zog sie hinter sich her. Nur wenige Meter entfernt befand sich eine schmale Gasse. Sie quetschten sich durch die panische Meute von Leuten und nach wenigen Sekunden waren sie in der besagten Gasse.

 

„Was ist hier los?“, fragte Ginny nervös. Die Leute stürmten an der Gasse vorbei. Einige liefen auch in die Gasse hinein und rannten dann davon. Überall ertönten Schreie und Explosionen, die den Boden vibrieren ließen. Ein Heidenlärm brach aus. Malfoy versuchte einen Blick in die Straße zu werfen, in die Richtung, aus der die Explosionen kamen, doch die Menschenmenge hinderte ihn daran. Er drehte sich um. Er wirkte angespannt.

 

„Los, da entlang.“

 

Er ging die schmale Gasse entlang und Ginny blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Sie wusste nicht, wohin dieser Weg führte, doch hier gab es wenigstens kein Chaos.

 

Malfoy hatte inzwischen seinen Zauberstab gezogen. Am Ende der Gasse angekommen blickte er wieder vorsichtig um die Ecke. Ginny tat es ihm gleich. Sie keuchte, als sie das Dunkle Mal am Himmel sah. Der Totenkopf schwebte über den Dächern und grinste sie hämisch an.

 

„Todesser“, keuchte sie und klammerte sich hilfesuchend an den Slytherin neben sich. „Was machen die Todesser in Hogsmeade?“

 

„Ich weiß es nicht“, antwortete er. Malfoy schien nicht halb so geschockt zu sein wie Ginny, aber auch er wirkte beunruhigt. Kalte Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

 

„Was sollen wir jetzt tun?“

 

Erneut ertönte ein lauter Knall und dieser schien viel näher zu sein, als die vorigen. Rote Lichtblitze glänzten am Himmel und Malfoy drängte Ginny zurück in die Gasse. Sie glaubte noch, eine Kapuzengestalt zu sehen, bevor plötzlich alles um sie herum schwarz wurde, und ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wurde.

 
 

***

 

Sie landeten auf etwas Weichem. Als Draco sich aufrappelte, fand er sich plötzlich in seinem Zimmer wieder. Verwirrt schaute er sich um. Tatsache, er lag in seinem Bett! Und neben ihm lag das Weasley-Mädchen …

 

Was bei Salazar hatte er getan?

 

Draco blinzelte, als könne er das Bild vertreiben, doch er musste sich eingestehen, dass er tatsächlich bei sich zuhause war.

 

Scheiße!

 

„Wo sind wir?“, fragte Weasley perplex neben ihm.

 

Er starrte sie an, als wäre sie ein Geist.

 

„In meinem Zimmer.“

 

Was bei Merlin sollte er jetzt tun?

 

Draco fluchte laut.

 

Er sprang von seinem Bett und lief in seinem Zimmer umher. „Ich bin appariert“, gestand er schließlich atemlos. Beim Anblick der Todesser hatte er nicht lange überlegt und war verschwunden. Und das aus nur einem Grund: Er wollte nicht mit ihr zusammen gesehen werden. Nicht jetzt, nicht nachdem er einer von ihnen geworden war.

 

Verdammt!

 

Weasley sah sich in seinem Zimmer um. Sie zitterte immer noch am ganzen Körper. Langsam setzte sie sich an die Kante seines großen Bettes und strich ihr Kleid glatt. „Und ich dachte, dieser Tag könnte nicht noch schlimmer werden.“

 

Nur ein Malfoy konnte hier rein apparieren, dafür sorgten die Schutzzauber. Sonst wäre schon längst der Alarm ausgelöst worden. Seit dem Tag seiner Volljährigkeit durfte Draco endlich apparieren. Er hatte es seitdem noch nicht oft getan und war deswegen an das übelkeitserregende Gefühl, das sich in seinem Magen ausbreitete, noch nicht gewöhnt.
 

„Wieso sind wir hier?“

 

Die Antwort war einfach: „Das ist der erste Ort der mir eingefallen ist.“

 

Hoffentlich waren seine Eltern nicht zuhause. Ganz tolle Idee ... Die Blutsverräterin mit nach Hause zunehmen. Sein Vater würde ihm den Kopf abreißen!

 

„Aber was–“

 

„Sei still, ich muss nachdenken“, unterbrach Draco sie. Und nach einigen Sekunden rief er plötzlich: „Wicked!“

 

Mit einem lauten Plop tauchte eine Hauselfe aus dem Nichts auf. Sie reichte ihrem Meister gerade bis zu den Knien und trug ein altes Geschirrtuch.

 

„Oh?“, hauchte die Hauselfe, die sich natürlich wunderte, weshalb Draco zuhause war, da er eigentlich in Hogwarts sein sollte. Doch Wicked hatte gelernt, keine Fragen zu stellen.

 

„Sind meine Eltern momentan zuhause?“

 

„Nur ihre Mutter, Sir. Ihr Vater hat vor Stunden das Haus verlassen.“

 

Draco nickte. Damit war zu rechnen gewesen. Er konnte sich schon gut vorstellen, wo sein Vater gerade war. Was dachten sich die Todesser dabei, Hogsmeade anzugreifen und das an einem Tag, an dem Hogwartsschüler dort waren? Sein Vater kannte schließlich die Zeiten für die Wochenenden.

 

Und weshalb hatte man ihn vorher nicht eingeweiht?

 

„Wo ist meine Mutter gerade?“

 

„Sie ist im Salon.“

 

Wickeds Blick fiel auf Weasley, die immer noch auf seinem Bett saß. Ihre Augen wurden größer.

 

„Du hast sie niemals gesehen. Hast du mich verstanden, Wicked? Du wirst niemanden erzählen, dass sie hier war. Das ist ein Befehl!“ Ansonsten wäre es das Letzte, was sie tun würde. Bei Hauselfen kannte Draco keine Gnade.

 

Das wusste Wicked, die ob der drohenden Stimme ihres Meisters anfing zu zittern. Die kleine Hauselfe schüttelte heftig mit dem Kopf. „Niemals gesehen, Sir! Ich sage kein Wort!“ Sie verbeugte sich mehrmals tief. Die Hauselfe hatte offensichtlich große Angst vor einer Bestrafung.

 

„Verschwinde“, sagte er barsch und Wicked verschwand mit einem lauten Plop.

 

Draco raufte sich die Haare. Eine lästige Angewohnheit, die er von seinem Vater hatte. Der Slytherin hatte stets die Kontrolle, doch in diesem Moment war er total überfordert. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und er versuchte eine Lösung zu finden, für den Schlamassel, in den er sich hineinkatapultiert hatte.

 

Hilfesuchend sah er zu der Gryffindor, als wüsste sie eine Lösung, doch sie saß weiterhin nur stumm auf seinem Bett, den Tränen nahe. Und irgendwie rührte ihn dieser Anblick.

 

Er ging auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Sie bemühte sich die Fassung zu bewahren, doch es wollte ihr nicht gelingen. Die blanke Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Erst die Beerdigung ihres Bruders und dann der plötzliche Angriff. Die Kleine war völlig fertig mit den Nerven.

 

„Wir müssen zurück“, sagte sie entscheiden.

 

„Bist du verrückt? Dort herrscht das reinste Chaos.“

 

„Aber … Die Todesser … Wir müssen den anderen helfen.“

 

Draco hätte lachen können. In dieser Situation sorgte sie sich tatsächlich um andere. Sie war eine wahre Gryffindor. Dann liefen ihr die Tränen über die Wangen und sie begann zu schluchzen. Bevor er darüber nachdenken konnte beugte er sich schon zu ihr hinab und nahm ihr Gesicht in die Hände. Mit den Daumen wischte er ihre Tränen weg. Ihre hellbraunen Augen sahen ihn durch tränenverschmierte Wimpern an und dann presste er seine Lippen auf ihre. Er küsste sie fest und versuchte ihr ein wenig Halt zu geben. Sie wehrte sich nicht dagegen, sondern ließ es einfach geschehen. Als er sich von ihr löste sah er ihr tief in die Augen. Die Hände noch immer an ihren geröteten Wangen.
 

„Ich komme gleich zurück. Okay?“ Fragend sah er sie an. Ihr Gesichtsausdruck war leicht überrascht, der Mund noch leicht geöffnet. Sie nickte.

 

„Warte hier“, sagte er, während er durchs Zimmer schritt. An der Tür angekommen fügte er noch hinzu: „Und rühr bloß nichts an!“

 

Dann verließ er das Zimmer und eilte durchs Manor. Draco atmete einmal tief durch. Na toll, jetzt hatte er es noch schlimmer gemacht.

 

Als er im Salon die Tür öffnete saß seine Mutter am Kamin mit einem Buch in der Hand. Überrascht sah sie auf. „Draco? Was machst du denn hier?“

 

„Wo ist Vater?“, fragte Draco ohne ein Wort der Begrüßung oder Erklärung.

 

Narzissa schien verwirrt. „Bei der Arbeit. Wieso fragst du?“

 

Ihr Sohn blickte sie ernst an. „Die Todesser haben gerade Hogsmeade angegriffen.“

 

Ihre Augen weiteten sich leicht und sie stand schnell auf. „Ist das wahr? Ist dir etwas passiert?“ Besorgt musterte sie ihren einzigen Sohn, doch der winkte ab. Als würden die Todesser ihm etwas antun. Abgesehen davon trug er den Mondstein bei sich.

 

„Wieso wusste ich nichts davon?“, fragte er barsch. Es war unfair es an ihr auszulassen, denn sie konnte schließlich nichts dafür, doch im Moment war er zu aufgewühlt, um sich zu beherrschen.

 

„Nun, das musst du wohl deinen Vater fragen“, antwortete Narzissa kühl. „Wie du weißt, werde ich nicht in seine Pläne eingeweiht. Meines Wissens nach ist er“ und sie betonte die folgenden Worte streng „bei der Arbeit.“

 

Draco schnaubte.

 

„Bist du dir sicher, dass es Todesser waren?“, fragte Narzissa. „Vielleicht wollte nur irgendjemand Unruhe stiften und es den Anhängern des Dunklen Lords zuschreiben.“

 

„Das Dunkle Mal wurde heraufbeschworen und das kann nur ein Todesser.“

 

„Das erklärt aber immer noch nicht, weshalb du hier bist.“

 

Draco blinzelte. Er log seine Mutter ungern an, doch in diesem Fall konnte er ihr nur die halbe Wahrheit sagen und so erzählte er ihr die erstbeste Ausrede, die ihm einfiel. „Ich wollte nicht mit ihnen zusammen gesehen werden, damit man mich nicht mit ihnen in Verbindung bringen kann.“

 

Der paranoide Teil in ihm fragte sich, ob die anderen Slytherins eingeweiht waren – dass alle anderen Bescheid wussten, nur er nicht. Aber Crabbe und Goyle mussten heute nachsitzen und waren deswegen nicht in Hogsmeade, das wusste er. Und Theodore … Er versuchte sich zu erinnern. Die Slytherins waren zusammen nach Hogsmeade gegangen, unter ihnen auch Blaise und Pansy. Aber Theodore … Er war sich nicht sicher.

 

Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er mit Blaise und Pansy auf dem Weg zum Drei Besen war und als er Weasley gesehen hatte, hatte er seine Freunde schon mal vorgeschickt und ihnen gesagt, er würde gleich nachkommen.

 

Wenn einer von diesem Plan wissen sollte dann ja wohl er, schließlich war Draco der Kopf von allen, so etwas wie ihr Anführer. Wollte der Dunkle Lord nicht ihn mit einem besonderen Auftrag beauftragen? Das würde er wohl kaum vorhaben, wenn er nicht große Stücke auf ihn setzen würde. Die anderen drei waren viel zu inkompetent dafür.

 

Narzissa schien zu überlegen, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. Falls sie wusste, dass er log, ließ sie es sich nicht anmerken.

 

„Das war vielleicht eine gute Idee. Niemand soll Verdacht schöpfen.“ Sie schien über etwas nachzudenken. Für einen Moment wirkte sie ganz weit fern. „Ich begleite dich zum Kamin.“

 

„Das wird nicht nötig sein“, fuhr er schnell dazwischen, als sie Anstalten machte ihn aus dem Zimmer zu begleiten. „Ich werde apparieren.“

 

Wenn seine Mutter nur wüsste, wer sich momentan in ihrem Haus befand. Die Malfoys und die Weasleys waren seit Jahren verfeindet. Ihre Väter hassten sich bestialisch. Draco konnte sich noch gut an die Prügelei bei Flourish & Blotts vor einigen Jahren erinnern. Einfach peinlich … Die Weasleys waren zwar reinblütig, aber ließen sich mit Muggeln ein. Ein ultimatives No-Go in der Reinblüterwelt.

 

Der Feind in meinem Bett.

 

Es wurde Zeit, dass sie hier wieder verschwand.

 

Auf Narzissas blassem Gesicht zeigte sich das Andeuten eines Lächelns. „Ich vergesse ständig, dass du jetzt volljährig bist. Die Zeit vergeht so schnell.“

 

Draco, nicht ganz sicher, was er auf diesen Hauch an Gefühlen erwidern sollte, versuchte das Thema zu wechseln. „Ist Großmutter wach?“ Er musste sie dringend sprechen. Denn endlich war es ihm gelungen den Mondstein zu finden. Er hatte es nicht gewagt ihn in einem Brief zu erwähnen. Abgesehen davon wollte er noch über etwas anderes mit ihr reden. Seitdem Trelawney im Unterricht den Raben gezogen hatte musste er ständig daran denken. Das konnte einfach kein Zufall sein.

 

„Sie schläft. Sie schläft fast den ganzen Tag.“ Narzissa setzte sich resignierend in ihren Sessel. „Das geht schon länger so. Der Heiler hat ihr starke Schmerzmittel gegeben.“

 

Draco war nicht überrascht. Na, wenigstens lebte sie noch, dachte er bitter. Dann würde er das eben in den Weihnachtsferien nachholen, wenn er dann noch die Gelegenheit dazu haben sollte.

 

Letztendlich konnte er sich von seiner Mutter mit der Ausrede verabschieden, er wolle, wenn er schon einmal hier war, noch einige Sachen packen.

 

Als er zurück in sein Zimmer kam stand Weasley am Fenster und blickte hinaus auf den Garten. Das Manor musste ihr wie ein Palast vorkommen. Nun, das war es ja auch fast. Der Malfoyerbe wusste, dass die Weasleys arm waren und in einer Bruchbude hausten.

 

Sein Eintreten ließ sie aufhorchen und sie drehte sich zu ihm um. Inzwischen weinte sie nicht mehr und sie wirkte wieder gefasst.

 

„Hat sie etwas gemerkt?“

 

Draco schüttelte den Kopf. „Nein, und damit es auch so bleibt, sollten wir jetzt wieder verschwinden.“

 

Weasley nickte. „Danke.“

 

Fragend sah er sie an.

 

„Du hast mich beschützt.“

 

Sie glaubte tatsächlich, dass sie deswegen hier waren? Weil er sie vor den Todessern beschützen wollte? Wie naiv sie doch war. Draco hatte lediglich versucht seine eigene Haut zu retten. Eine einfache Kurzschlussreaktion.

 

Sollte sie glauben, was sie wollte.

 

„Apparieren wir wieder?“

 

„Das ist wohl das Einfachste.“

 

Sie nickte erneut. „Und wohin?“

 

Draco überlegte. In Hogwarts konnte man nicht hinein apparieren, da das Gelände ebenfalls von Schutzzaubern umgeben wurde, so wie Malfoy Manor. Blieb nur Hogsmeade. Doch wo sollten sie apparieren, sodass niemand sie sah? Sie brauchten einen Ort, an dem ihr Auftauchen nicht auffallen würde.

 

„Wie wär’s mit der Heulenden Hütte?“, schlug Weasley vor und Draco verzog das Gesicht. An diesen Ort hatte er unschöne Erinnerungen. Ein schwaches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Schelmisch fragte sie: „Hat da etwa jemand Angst?“

 

Zur Antwort erhielt sie einen spöttischen Blick. „Die Hütte ist total verfallen und außerdem noch von oben bis unten verbarrikadiert. Wer sagt denn, dass man da auch heile wieder herauskommt? Die Hütte ist ein Rattennest.“ Er seufzte. „Aber ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl. Da dürfte sich zumindest keiner aufhalten.“ Er hielt ihr seine Hand hin. „Na los, komm her.“

 

Zögernd sah sie auf seine Hand.

 

„Wir müssen uns berühren, wenn du mitkommen willst“, erklärte er, während er sie ruhig ansah. „Sonst funktioniert es nicht.“ Minderjährige ohne Apparier-Lizenz konnten durch Seit-an-Seit-Apparieren mitreisen. Dies gelang aber nur, wenn Körperkontakt bestand. Draco konnte ihr ansehen, dass es sie nervös machte. Und das gefiel ihm.

 

Letztendlich nahm sie seine Hand und sie disapparierten. Ziel, Wille Bedacht. Eine Sekunde später befanden sie sich in der stockfinsteren Heulenden Hütte. Beinahe zeitgleich zückten sie ihre Zauberstäbe.

 

„Lumos.“

 

Draco rümpfte die Nase. Dies war kein Ort, an dem er lange verweilen wollte. Hier drin war alles kaputt und schmutzig. Die Fenster und Türen waren verbarrikadiert, aber dank Alohomora konnten sie eine Tür öffnen. Sie warfen einen Blick nach draußen. In Hogsmeade war wieder Stille eingekehrt, als wäre nie etwas geschehen. Nicht mal mehr das Dunkle Mal hing in der Luft.

 

„Es ist anscheinend vorbei.“

 

„Ich gehe zuerst, wenn es dir nichts ausmacht“, sagte sie entschieden. Selbstverständlich würden sie nicht gemeinsam sondern nacheinander zurück zum Schloss gehen. Die Gryffindor hatte es offensichtlich eiliger als er zurück ins Schloss zu kommen. Vermutlich kam sie fast um, bei der Sorge um ihre Freunde. Sie hatte gerade erst jemanden verloren und jetzt umgab sie erneut die Sorge, dass jemandem, an dem ihr etwas lag, etwas passiert sein könnte.

 

„Weasley.“

 

Sie war kaum zur Tür hinaus, als er sie noch einmal ansprach. Fragend blickte sie sich um.

 

Seine Stimme war kühl und er reckte arrogant das Kinn. „Das war eine einmalige Sache. Verstanden?“

 

Zuerst sah sie ihn verwirrt an, doch dann verstand sie, worauf er anspielte. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. Dann drehte sie sich um und ging.

 

„Verstanden.“ 



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