Tatsächlich schwul von Maginisha ================================================================================ Kapitel 10: Total gefickt ------------------------- Nick saß auf seinem Sofa und zappte sich durch die Programme. Es war mal wieder Sonntagnachmittag und somit nichts Gescheites zu finden. Er wollte gerade aufstehen, um sich einen Film aus seiner Sammlung herauszusuchen, als es an seiner Tür klingelte. Als er öffnete stand Alex vor der Tür. Sie hatte schon wieder leichte Pandatendenzen. „Ach Nick!“, schluchzte sie und warf sich ihm in den Arm. „Es war so furchtbar?“ „Komm erst mal rein.“ Er schloss die Tür und bugsierte Alexandra aufs Sofa. Im nächsten Moment saß er neben ihr und sie schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. „Was ist denn passiert?“ „Ich und Natascha haben uns gestritten.“ „Und worüber?“ „Über Sex.“ Nick schluckte. Irgendwie hatte er nicht das Gefühl, dass er dieses Gespräch führen sollte, andererseits konnte er es Alexandra auch schlecht verweigern. „Über Sex?“, fragte er nach und fand, dass seine Stimme fester klang, als er gedacht hatte. „Ja. Sie ist so … engstirnig. Wir wollten miteinander schlafen und als ich dann meinen Vibrator ausgepackt habe, ist sie ausgetickt. Sie hat mir vorgeworfen, gar keine richtige Lesbe zu sein, wenn ich so ein Ding benutzen würde. Schließlich wüsste sie auch ohne irgendwelche Phallusnachbildungen, wie sie mich glücklich machen könnte. Wir haben uns volle Kanne gezofft und haben auf dem Rückflug kein Wortmiteinander geredet.“ Alex löste sich aus seiner Umarmung, richtete sich auf und sah ihn an. „Meinst du das auch? Dass ich keine richtige Lesbe bin, nur weil ich mir gerne mal einen Dildo in meine Muschi schiebe?“ Alexandras große, blaue Augen blinzelten ihn unschuldig an, aber die Bilder, die durch Nicks Kopf schossen, waren so gar nicht unschuldig. Er spürte, wie sein Körper darauf reagierte und wollte Alexandra von sich schieben, doch die kam im Gegenteil noch näher. „Aber vielleicht hat sie ja recht. Vielleicht sollte ich es wirklich mal mit einem richtigen Schwanz in meiner Möse ausprobieren. Was meinst du, Nick, würde mir das gefallen?“ Alexandras Hand wanderte über seinen Oberschenkel in Richtung seines Schritts, wo sich inzwischen einen unmissverständliche Erhebung abzeichnete. Sie warf einen Blick darauf und schmunzelte. „Also doch.“ „Bitte, Alex, ich kann das erklären.“ Sie nahm die Hand von seinem Bein und legte ihm einen Zeigefinger auf den Mund. „Aber das brauchst du doch gar nicht, Nick. Ich mag zwar blond sein, aber ich bin nicht blöd. Ich sehe doch die Blicke, die du mir manchmal heimlich zuwirfst. Du stehst auf mich, oder? Meine Beine, meinen Po, meine Titten … würdest du sie gerne mal anfassen?“ Sie griff nach Nicks Hand und legte sie auf ihre Brust, die, wie Nick feststellen musste, völlig frei unter ihrem weißen Top lag. Unter seiner Berührung wurden ihre Brustwarzen hart und richteten sich auf. Sie stöhnte. „Oh, das fühlt sich gut an. Ich glaube, da muss ich mich revanchieren.“ Alexandra ließ ihren ausgestreckten Finger an seinem Oberkörper nach unten gleiten. Je näher sie seiner Erektion kam, desto nervöser wurde Nick. Er wusste, er musste das hier sofort stoppen, aber sein Körper reagierte nicht auf die panisch gebrüllten Befehle des winzigen Teils seines Gehirns, der noch funktionierte. Der Rest seiner grauen Zellen hatte bereits aufgegeben und beschlossen, sich in einen Teil seines Körpers zu begeben, wo sie mehr Spaß haben konnten. „Mhm, der ist größer, als ich gedacht hatte“, sagte Alexandra und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ihre Hand presste sich gegen die Stelle zwischen seinen Beinen und massierten sie mit festen Berührungen durch den Stoff. „Ich darf doch?“, fragte sie und begann den obersten Knopf zu lösen. Nein, schrie Nicks Kopf. „Ja sicher“, sagte sein Mund. Sie glitt vom Sofa zwischen seine Knie und nahm jetzt beide Hände zur Hilfe, um seine Hose zu öffnen. Sie hakte ihre Finger unter den Stoff seiner Shorts und zog sie vorsichtig nach unten. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe und ließ ihn nicht aus den Augen. Als seine Erektion sich vor ihr aufrichtete, seufzte sie glücklich. „Oh Nick, der ist wunderbar. Wie konnte ich mir so was nur so lange entgehen lassen?“ Nick schluckte und fand endlich seine Stimme wieder. „Du … du willst das doch gar nicht., Du stehst auf Frauen.“ Alexandras Augen blitzen auf, während ihre Finger sich um seinen Schwanz schlossen. „Aber ich stehe auf dich, Nick.“ Sie öffnete den Mund und ließ ihre Zunge hinausgleiten. Langsam näherte sie sich dem festen Glied in ihrer Hand und dann leckte sie sehr, sehr langsam einmal vom Ansatz bis zur Spitze. Ein erstickter Laut drang aus Nicks Mund. „Alex ...“ „Sch, genieß es. Du brauchst nichts zu sagen.“ Ihre roten Lippen schlossen sich um die sensible Spitze und sie begann zu saugen. Nicks Finger glitten erfolglos auf der Suche nach Halt über das glatte Leder des Sofas. Er öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, während sein Kopf auf die Lehne zurücksank und er mit weit aufgerissenen Augen an die Decke starrte. Das passierte doch gerade nicht wirklich. Es musste ein Traum sein. Ein dreckiger, obszöner Traum geboren aus den niederen Windungen seines Selbst, die er erfolglos versucht hatte zu verdrängen. Wenn er sich anstrengte, würde er es beenden können, noch bevor das Ergebnis des Traums es notwendig machte, dass er das Bett neu bezog. Er musste es nur wollen.   Angestrengt stemmte er sich gegen die Wirkung des Traums, der ihn fest umklammert hielt. Er kniff die Augenlider zusammen und versuchte aufzuwachen, aber es klappte nicht. Stattdessen spürte er, wie Alexandras Zungenfertigkeit ihn weiter und weiter in Richtung eines unwiderruflichen Höhepunktes trieb. Und es fühlte sich so gut an. Feucht und warm schloss sich ihre Mundhöhle um seine pulsierende Härte, die in die Berührung eintauchte, wie ein Verdurstender in einen Pool voll mit frischem, klaren Wasser. Instinktiv half er ihr, seine Hose noch ein wenig weiter nach unten zu ziehen, sodass sie jetzt auch seine Hoden in das Spiel miteinbeziehen konnte. Sie rollte sie zwischen den Fingern, strich mit den Fingernägeln darüber. Als sie begann, den Bereich dahinter mit sanftem Druck zu massieren, wäre er beinahe sofort gekommen. Gerade noch rechtzeitig zog sie sich von ihm zurück und ließ ihren Atem kühlend über die sengende Hitze zwischen seinen Beinen streichen. „Oh Gott, Alex!“ Er spürte sie lächeln, während sie ein wenig an der empfindlichen Haut des Hodensacks knabberte. „Es gefällt dir also?“ Eine Pause, ein kurzes Lecken über den Schaft. „Soll ich weitermachen?“ „Ja. Ja!“ Nick war inzwischen nicht mehr zu einer anderen Antwort fähig, so sehr er sich auch wünschte, dass es nicht so wäre. Er war schon viel zu weit oben, um noch umzukehren. In seinem Inneren tobte ein wütender Sandsturm, der endlich in die Freiheit entlassen werden wollte. Sein ganzer Körper kribbelte und seine Lippen waren trocken und taub. „Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Es war das beste, was Nick je gefühlt hatte. Alexandras Finger, die sich fest um seine Erektion schlossen und in einem schnellen Rhythmus zu pumpen begannen. Dazu Ihr Mund, der ihn mit geschickten Zungenschlägen immer weiter und weiter in die Höhe katapultierte, bis er schließlich kam. Der Orgasmus überrollte ihn mit der Heftigkeit eines Tsunamis und er ergoss sich in schier unendlich scheinenden Wellen in Alexandras Mund, die jeden Tropfen gierig in sich aufnahm und schluckte. Schluckte! Oh fuck! Ein wunderbar unbeteiligter Teil seines abgeschalteten Gehirns registrierte dieses Detail und feuerte noch einen weiteren glühenden Impuls durch seinen Körper, bis er endlich vollkommen erschöpft in sich zusammenbrach. Er zitterte, er konnte nicht sprechen, vor seinen Augen tanzten flimmernde Punkte. Sein Mund fühlte sich an, als hätte er die Sahara darin spazieren getragen. Seine Zunge klebte an seinem Gaumen, seine Kehle war wie ausgedörrt und er versuchte erfolglos, irgendwie ein wenig Speichel zu sammeln, um wenigstens wieder ohne Schmerzen atmen zu können. Halb besinnungslos registrierte er, dass Alexandra sich aufrichtete und sich über ihn beugte. „Scheiße, was war das denn?“, bekam er krächzend heraus. „Das war der mit Abstand beste Blowjob, den du je bekommen hast“, sagte eine Stimme. „Und jetzt verrate mir mal, wer dieser Alex ist, dessen Namen du dabei die ganze Zeit gestöhnt hast.“   Nick riss die Augen auf und sah in Javiers zufriedenes Gesicht. Ein Schrei kam über Nicks Lippen und er tat das Einzige, was ihm in dieser Situation einfiel. Er stieß den anderen mit beiden Händen von sich. Taumelnd kam Nick auf die Füße, stolperte fast über seine geöffnete Hose, die er mit hektischen Bewegungen nach oben zog. „Was zum … ? Scheiße, was soll das? Was ist hier los?“ Javier, der auf dem Boden hockte, fuhr sich mit dem Daumen über den Mundwinkel. „Das ist doch ziemlich offensichtlich. Ich hab dir einen geblasen.“ Er grinste wie eine Katze, die neben dem Kanarienvogel auch noch den Goldfisch gefressen hatte. Nick hingegen fühlte sich, als hätte ihn jemand mit einem Eimer mit Eiswasser übergossen. Um ihn herum drehte sich alles und er registrierte entgeistert, dass er betrunken war. Dabei hatte er doch gar nicht … Dunkle Erinnerungen an einen Cocktail, dem er im allgemeinen Feiertaumel zugestimmt hatte, schoben sich in sein Bewusstsein. Dem ersten war ein zweiter gefolgt und dann … Nichts. Dunkles, nasses, hirnsaugendes Nichts. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er seinen Blick auf Javier. „Du hast mich abgefüllt, um mich dann … Was fällt dir eigentlich ein?“ Javier hörte auf zu grinsen, runzelte die Stirn und zuckte leicht mit den Schultern. „Ich wusste ja nicht, dass du in jemand anderen verknallt bist.“ Sein Ton war defensiv. „Alex hat wirklich verdammtes Glück.“ „Lass Alex da raus. Sie hat nichts damit zu tun.“ In dem Moment, in dem die Worte seinen Mund verlassen hatten, wusste Nick, dass er einen Fehler gemacht hatte. Javier sah ihn überrascht an. „Sie …?“ Es war wie ein Güterzug, der auf einen Abgrund zuraste. Nick wollte nicht hinsehen. Er wollte auch nicht weiterreden, aber es sprudelte einfach so aus ihm heraus. „Ja, sie, du verdammter Idiot. Ich steh überhaupt nicht auf Kerle. Krieg das endlich in deinen dämlichen Schädel rein. Ich bin verdammt nochmal nicht schwul!“ Hätte Nick ihm in diesem Moment eine reingehauen, hätte Javiers Reaktion nicht schlimmer ausfallen können. Er sah zu Nick auf, seine Unterlippe begann zu zittern und aus seinem Mund kam ein Laut, der Nick an ein verletztes Tier erinnerte. Aber Nick war viel zu wütend, um darauf Rücksicht zu nehmen. Er griff nach Javiers Jacke, die auf dem Sofa lag, und warf sie ihm an den Kopf. „Verpiss dich gefälligst aus meiner Wohnung, du miese, kleine Schwuchtel!“ Das gab den Ausschlag. Javier presste die Lippen aufeinander, kam auf die Füße und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. „Du bist so ein Arschloch, Nick Kaufmann.“ „Gleichfalls“, zischte er zurück und deutete auf die Tür. „Da geht’s raus.“ Javier sah aus, als wollte er noch etwas sagen. Dann aber drehte er sich nur um und stürmte hinaus. Nick konnte hören, wie er eilig seine Schuhe anzog und die Tür öffnete, die nur Sekunden später wieder ins Schloss krachte.   Nick stand vollkommen regungslos da. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust, das Blut rauschte in seinen Ohren und er fühlte sich, als müsste er irgendetwas durch die Gegend werfen, schreien, etwas kaputtmachen. Irgendein Ventil für seine Wut finden. Wie hatte Javier es nur wagen können, ihn einfach …? Er fühlte Übelkeit seine Kehle emporkriechen. Die Wut, die gerade noch durch seine Adern gekreist war, wich plötzlich einer bleiernen Schwere. Er schaffte es gerade noch, die zwei Schritte zum Sofa zurückzulegen, bevor er seine Beine ihm den Dienst versagten. Er wollte nur noch schlafen, aber sein Magen drängte ihn immer heftiger dazu, sich von seinem Inhalt zu trennen. Alkohol, Scham und Schuld vermischten sich darin zu einer ekelerregenden Brühe, die wieder und wieder gegen seine Speiseröhre schwappte. Irgendwann hielt Nick es nicht mehr aus. Er stürzte ins Badezimmer und übergab sich hustend und würgend in die Toilette. Als es vorbei war, sank er zitternd und schluchzend daneben zu Boden. Erst nach einer geraumen Weile war er wieder in der Lage, seine Glieder so weit unter Kontrolle zu bringen, dass er sich den Mund waschen und ins Schlafzimmer wanken konnte. Dort fiel er auf sein Bett versank endlich in einer gnädigen Bewusstlosigkeit.       Javier stürmte in die Nacht hinaus. Er wusste nicht, wohin er ging. Hauptsache weg von hier. Von einem Nick, der ihn so angesehen hatte, wie es bis jetzt noch niemand getan hatte. Oder fast niemand. Der eine oder andere der Typen aus der Schublade „homophobe Arschlöcher“ war durchaus nahe dran gewesen. Einmal hatte er sich sogar eine gefangen, nur weil er den falschen Typen angequatscht hatte. Als wenn dem davon der Schwanz abfallen würde. Aber mit Nick war es anders gewesen. Nick war … nett. Und zwar richtig nett und nicht wie in „nett ist der kleine Bruder von Scheiße“. Er war höflich, zuvorkommend, witzig. Letzteres konnte er zwar ganz gut verbergen, aber wenn man ihn mal so weit hatte, konnte er so richtig trockene Sprüche raushauen, die Javier zum Lachen brachten. Es machte Spaß, ihn aufzuziehen, denn auf diese ganze Sex-Sache reagierte er halt schon ziemlich eigenartig. Inzwischen wusste Javier ja auch, warum. Ursprünglich hatte er es für Schüchternheit gehalten. Vielleicht auch ein wenig Unerfahrenheit. Immerhin hatte er gewusst, dass Nick seit Ewigkeiten Single war. Das war neu und irgendwie anziehend gewesen. Die meisten Typen, mit denen er bisher in die Kiste gestiegen war, wussten ziemlich genau, was so abging. Gut, einige hatten sich hinterher als egozentrische Wichser rausgestellt, aber im Großen und Ganzen war er immer gut mit seiner Tour gefahren. Auffinden, aufreißen, abschleppen. Javier mochte Sex. Er mochte es, jemanden mit seinem Körper und seinen Fähigkeiten um den Verstand zu bringen. Er mochte es, wenn der andere ihm dabei süße Nichtigkeiten ins Ohr flüsterte. 'Du bist sexy' oder 'Du fühlst dich gut an' klangen so viel besser als 'Du kannst das nicht', 'Du passt hier nicht her', 'Du redest so komisch' oder auch 'Verpiss dich, du kleine Schwuchtel!' Er blickte auf und sah, dass ihn seine Schritte unbewusst zum Bahnhof gebracht hatten. Es war kalt und nebelig und die hellen Kegel der Lampen, die den Bahnsteig erleuchteten, war in dicke, weiße Schleier gepackt. Gerade als er nachsehen wollte, wann der nächste Zug kam, hörte er in der Ferne ein Signal und ein trübes Licht tauchte am Horizont auf. Mit quietschenden Bremsen blieb die rote Bahn kurz darauf vor ihm stehen und Javier stieg einfach ein, ohne vorher einen Fahrschein zu lösen. Sollten sie ihn doch kontrollieren. Es war ihm egal. Ihm war jetzt gerade alles egal.   Er ließ sich auf einen der karierten Sitze plumpsen, lehnte den Kopf gegen die Scheibe und schloss die Augen. Seine Gedanken kehrten zum Anfang des Abends zurück, als alles noch in Ordnung gewesen war. Als er noch gehofft hatte, dass er und Nick …   Der Moment, als sich Nicks Arme um ihn geschlossen hatten, hatte Javier beinahe glücklich aufseufzen lassen. Es hatte sich so gut angefühlt, so richtig. Nicks Atem, der ihn im Nacken gekitzelt hatte, seine Hände auf Javiers Haut. Er hatte ihn küssen wollen. So sehr, dass er es fast getan hätte, obwohl ihm Nick gesagt hatte, dass er nicht sein Typ war. Nur ein winziger Rest von Stolz hatte ihn davon abgehalten. Er mochte schon dumme Sachen getan haben. (Mit irgendeinem unbekannten Typen ohne Kondom zu schlafen beispielsweise. Die Zeit danach war der Horror gewesen, bis er endlich das negative Testergebnis in Händen gehalten hatte.) Aber sich einem Kerl an den Hals zu werfen, der laut und deutlich Nein gesagt hatte, war unter seiner Würde. Hatte er gedacht. Bis sie angefangen hatten zu tanzen und Nick jedes Mal, wenn er Javier ihm zu nahe gekommen war, so eigenartig reagiert hatte. Ein bisschen, als wäre er ansteckend. Er wollte wenigstens noch etwas auf Tuchfühlung gehen können, so wie vor Nicks Geständnis. Sich ein wenig die Illusion erhalten, dass vielleicht doch noch was laufen würde. Also hatte er ihm einen Cola-Korn besorgt. Eine ganz leichte Mischung, bei der man den Alkohol nicht schmeckte. Und nachdem der erste nicht ganz die erhoffte Wirkung gezeigt hatte, noch einen zweiten. Dann war es besser geworden, sie hatten wieder gelacht und gescherzt wie am Anfang. Es hatte Javier gefallen, Nick zwischendurch immer wieder ganz kurz zu berühren. Nur ein bisschen, ganz zufällig beim Tanzen oder als sie zusammen diesen dämlichen Selfie gemacht hatten, zu dem er Nick ewig lang hatte überreden müssen. Dann waren auf einmal ein paar Dragqueens im Laden aufgetaucht und hatten die Partymeute ordentlich durcheinandergebracht. Eine von ihnen schien eine stadtbekannte Persönlichkeit zu sein und man hatte zu Ehren ihre Besuchs eine spontane Happy Hour auf Cocktails ausgerufen. Javier hatte Nick dazu gebracht, sich einen zu gönnen. Und kurz vor Ende der Zeit noch einen zweiten. Die Wirkung war durchschlagend gewesen. Nick war … anhänglich geworden. Er hatte angefangen, Javiers Zärtlichkeiten ein wenig zu erwidern, hatte enger mit ihm getanzt. Javier hatte sich zwar nicht getraut, ihn zu küssen, aber die Hände auf seinen Hintern zu legen und sich etwas in seine Umarmung zu lehnen. Es war gleichermaßen aufregend und beruhigend gewesen. Der dritte Cocktail war schließlich zu viel gewesen. Nick war müde geworden und hatte kaum noch die Augen offenhalten können. Also hatte Javier ihn in seinen Mantel gesteckt und nach Hause gebracht. In der Bahn hatte Nick auf seiner Schulter geschlafen und Javier hatte seine Hand gehalten. Und dann … Javier presste die Kiefer aufeinander, als er daran dachte, was danach passiert war. Er hatte Nick wirklich nur nach Hause bringen wollen, aber als er ihn auf dem Sofa abgeladen hatte, hatte er sich dazu hinreißen lassen, sich noch ein letztes Mal an ihn zu kuscheln. Er hatte seine Nase an Nicks Hals vergraben und diesen ganz speziellen Nick-Duft eingeatmet, der sich unter dem Geruch nach verbrauchten Aftershave und abgestandener Partyluft verbarg. Nick hatte irgendetwas gemurmelt und als Javier die Hand auf seinen Oberschenkel gelegt hatte, hatte er es gesehen. Nick hatte ganz eindeutig einen Ständer gehabt. Bei dem Anblick hatte irgendetwas in Javiers Kopf ausgehakt. Er war vom Sofa gerutscht, hatte sich auf die Knie sinken lassen und hatte … er verkniff sich jeden weiteren Gedanken daran. Gott, er war so dämlich gewesen. Als er Nick einen anderen Namen hatte stöhnen hören, hatte er gedacht, dass der einen Typen meinte. Er hatte trotzdem weitergemacht. Immerhin war dieser Alex ja noch nie auf der Bildfläche erschienen und vielleicht hatte Nick ja keine Chance bei ihm und würde sich stattdessen Javier zuwenden. Er hatte ja nicht geahnt, dass damit Alexandra gemeint gewesen war. Alexandra, die offensichtlich keine Ahnung von all dem hatte, sonst hätte sie Javier sicherlich nicht ermuntert, mit Nick auszugehen. Oder vielleicht doch? War das etwa alles ein abgekartetes Spiel? Er holte sein Handy heraus und öffnete den Chat mit Alexandra, die ihm Bilder aus Italien geschickt hatte. Wütend hämmerte er eine Nachricht in die Tasten.   Wusstest du eigentlich, dass Nick an dich denkt, während er sich einen runterholt?   Er überlegte kurz und fügte dann hinzu:   Der Wichser ist überhaupt nicht schwul.   Er wartete, dass die Nachricht gelesen wurde, aber es passierte nichts. Natürlich nicht. Immerhin war es irgendwann viel zu früh am Morgen. Stattdessen hielt der Zug an der Station, an der er aussteigen musste. Er beeilte sich, vom Sitz aufzuspringen, auch wenn ihm das einen komischen Blick vom Schaffner einbrachte, der gerade am andere Ende des Waggons aufgetaucht war, und riss die Zugtür auf. Er sprang auf den Bahnsteig, strauchelte und fiel auf ein Knie. Es tat weh und er spürte warme Feuchtigkeit an seinem Bein herablaufen. „Scheiße!“ Er hätte gerne noch ein bisschen lauter geflucht, aber als der Schaffner in der Türöffnung erschien und ihm irgendwas hinterher rief, zog er es vor, lieber die Flucht anzutreten. Er humpelte durch die menschenleeren Straßen mit den hohen Häusern der Innenstadt, bis er schließlich in das Wohngebiet mit den Einfamilienhäusern kam, in dem seine Tante wohnte. Er öffnete das Gartentor, schlich durch den Vorgarten und wollte gerade die Haustür aufschließen, als diese bereits nach innen aufschwang. In der Türöffnung stand seine Tante in einem geblümten, seidenen Morgenmantel und überschüttete ihn mit einem Redeschwall auf Spanisch. „Meine Güte, Javier, wo kommst du denn her? Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zutun vor Sorge. Warum hast du nicht angerufen? Was da alles hätte passieren können. Ist das Blut auf deiner Hose? Ich wusste ja, dass du nur Unsinn im Kopf hast.“ „Reg dich ab, Tante Nata. Ist nur ein Kratzer.“ Er wollte sich an ihre vorbeischieben, aber seine Tante hielt ihn am Arm fest und hob sein Kinn an. Sie musterte ihn mit energisch gespitzten Lippen. „Na wenigstens kein blaues Auge. Ich dachte schon, du hättest dich geprügelt. Komm erst mal rein.“ Er drückte sich nun endlich an ihr vorbei in den Flur mit den hellen Fliesen und schlüpfte aus seinen Schuhen. Die bereitgestellten Hausschuhe ignorierte er wie üblich. Er wollte sich schon der Treppe zuwenden, um nach oben in sein Zimmer zu verschwinden, als seine Tante ihn zurückrief. „Willst du mir nicht wenigstens sagen, wo du warst?“ „Aus.“ „Und mit wem?“ „Tante Nata!“ Ihre Augen wurden schmal. „Javier Felipe Ramos Navarro. Bei deiner Mutter magst du mit dieser Tour ja durchkommen, aber hier herrscht ein anderer Wind.“ Er lachte bitter auf. „Woher hast du den Spruch denn? Aus einem Buch mit dem Titel 'Wie werde ich eine besonders nervige, alte Schachtel'?“ Er sah die Ohrfeige kommen, wich ihr aber nicht aus, sondern wandte nur den Blick ab. „Sind wir fertig?“ Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Was ist los? Hat dir jemand was getan?“ „Nein.“ „Wer?“ Der Blick seiner Tante sprühte plötzlich Feuer, das sich jedoch nicht auf ihn bezog sondern auf denjenigen, der es gewagt hatte, ein Mitglied ihrer Familie anzugreifen. Er wollte nicht antworten, aber die Antwort rutschte einfach so über seine Lippen. „Nick.“ Ihre Blick wurde weicher. „Nick? Was ist mit Nick?“ Offenbar war der Wichser in ihren Augen über jeden Zweifel erhaben. Aus irgendeinem Grund machte Javier das rasend. „Ja Nick“, spuckte er ihr entgegen. „Der feine Herr Kaufmann ist nämlich gar nicht so lupenrein, wie du denkst. Er ist ein blöder Arsch und außerdem ...“ Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. „Außerdem ist er überhaupt nicht schwul. Das hat er alles nur erstunken und erlogen. In Wirklichkeit steht er auf Frauen mit dicken Möpsen.“ Seine Tante vergaß sogar, sich über seine Wortwahl aufzuregen. Völlig entgeistert sah sie ihn an. „Aber wieso … Woher weißt du das?“ Er sah zu Boden. „Muss ich dir das erklären?“ Sie verzog den Mund zu einem schmalen Strich. „Nein, das musst du nicht. Ob du es glaubst oder nicht, deine alte Tante kennt sich auch ein bisschen aus in der Welt. Und wenn du mir sagst, dass Nick nicht schwul ist, dann glaube ich dir das.“ Sie zog ihren Morgenmantel enger und seufzte schwer. „Geh ins Bett. Ich werde aufbleiben und mir einen Kaffee machen. Ich muss nachdenken.“ Sie ging in Richtung Küche davon und machte dort das Licht an. Er stand auf der Treppe aus weiß gestrichenem Holz und hörte, wie sie anfing mit Schränken und Schubladen zu hantieren. Aus irgendeinem Grund musste er dabei an das Abendessen bei Nick denken. In seinem Hals bildete sich ein Kloß. „Scheiße“, fluchte er noch einmal, drehte sich herum und stürmte nach oben. Er würde jetzt nicht anfangen zu heulen. Er war doch kein dämlicher, verliebter Teenager. Im Grunde kannte er Nick nicht einmal besonders gut.   Ohne sich auszuziehen ließ er sich auf das Bett fallen und starrte auf das Fenster, hinter dem immer noch finsterste Nacht herrschte, obwohl es bestimmt langsam so spät war, dass man es schon wieder früh nennen konnte. Er holte noch einmal sein Handy hervor, um zu sehen, ob Alexandra inzwischen seine Nachricht gelesen hatte, aber die doppelten Häkchen neben dem Text waren immer noch grau. Ganz kurz überlegte er, ob er die Nachricht zurückziehen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Diese Suppe hatte Nick sich allein eingebrockt. Sollte er doch zusehen, wie er sie wieder auslöffelte. Er zögerte, als er das Display betrachtete. Sein Daumen schwebte über dem Symbol für die Galerie. Mit einem grimmigen Schnauben rief er den Menupunkt auf, fand als letztes Bild den Selfie mit Nick und löschte ihn, ohne das Foto noch einmal anzusehen. Er wollte gerade wieder zum Hauptmenu zurückkehren, als automatisch nach dem erfolgreichen Löschen das vorherige Bild geöffnet wurde. Es war das Foto aus Nicks Kunstmappe. Javiers Finger zitterte, als er ihn in Richtung des kleinen Mülleimers schob. Er wollte dieses Bild nicht, wollte nicht diesen Blick, der bis tief in seine Seele zu dringen schien. Das hieß, eigentlich wollte er ihn schon, aber er wusste, dass er ihn nie bekommen würde. „Verdammte Scheiße“, fluchte er noch einmal nicht besonders kreativ und feuerte sein Handy irgendwo auf den Boden, wo es umgedreht liegenblieb und den hellen Teppich beleuchtete, der im Gästezimmer über dem Parkett lag. Javier starrte das Leuchten an, bis es irgendwann verlöschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)