Not ever von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 1: Funken ----------------- "Hey! verschwinde! Das hier ist Privatgrundstück!", rief der Mann, der gerade hinter einem der großen Container aufgetaucht war. Sam ignorierte ihn und sah der Ratte hinterher, die jetzt im Schein des Vollmondes, übers Kopfsteinpflaster huschte und entkam. Der kleine Nager hatte eigentlich bereits auf seiner Speisekarte gestanden. Er seufzte leise. Aufkommender Wind zerzauste seine Haare, als er sich schließlich umdrehte. Von einer Sekunde auf die andere verschwand die Enttäuschung von seinem Gesicht und wich einer lange antrainierten Maske der Unschuld: "Oh wirklich? Oh mein Gott, das tut mir so leid. Ich bin neu in der Stadt....und es sieht hier alles noch ziemlich gleich für mich aus." Im Gegensatz zu manchen Vampirgeschichten verfügte er nicht über immense Kräfte und er konnte sich schon gar nicht in eine Fledermaus verwandeln. Eigentlich war er wie ein ganz normaler Mensch, nur dass er eben kein Mensch war und Blut benötigte um zu funktionieren. Außerdem konnte er sich nicht der Sonne aussetzen, das bedeutete, dass er den Tag über schlief. Seine Sinne waren möglicherweise schärfer ausgeprägt als die eines Menschen aber dann hörte es auch schon auf mit den Besonderheiten. Tatsächlich sah Sam in seinem Vampir-sein vor allen Dingen Nachteile. Neu in der Stadt war er wirklich, natürlich nicht so neu, wie er behauptete. Selbstverständlich wusste er genau wo er war. Und einen Job hatte er auch seit ein paar Wochen. Nachtwächter im Krankenhaus. Zwar hatte er beschlossen sich wenn möglich von Nagern zu ernähren, doch die Versuchung nicht doch einmal den ein oder anderen Blutbeutel auf der Arbeit abzuzweigen war schnell zu groß geworden. Aaron betrachtete ihn nach wie vor etwas argwöhnisch. "Wo wolltest du denn hin?", fragte er schließlich und durchbohrte Sam förmlich mit seinen eisig blauen Augen. Neben den ungewöhnlich hellen und stechenden Augen war außerdem auffällig dass Aaron eine große Narbe am Hals hatte , die bis zu seinem Ohr reichte. Seinem Ohr fehlte ein Stück so als hätte er sich da ordentlich was abgerissen. Sam musste kurz überlegen und hoffte dass man es ihm nicht allzu sehr ansah: "Ich..wollte in so einen Club...den Namen weiß ich nicht mehr. Jemand hat mich vorhin in diese Richtung geschickt." Den verwirrten und leicht naiven Blick eines verlorenen Dackels hatte er über die Jahrzehnte perfektioniert. Aaron's Körperhaltung entspannte sich. Dann sah er jedoch erneut skeptisch an dem anderen runter. Sam trug nur ein schwarzes Hemd und Jeans. "Ist dir nicht kalt so ohne Jacke?", Aaron zog seine aus und legte sie über Sam's Schultern. "Danke..", lächelte Sam. Es war nur ein kleines Lächeln, denn er hatte unglaublichen Hunger und Angst, seine Fangzähne könnten unkontrolliert hervortreten. Angestrengt versuchte er sich von dem Blut abzulenken, das heiß in Aarons Adern pulsierte. Sam sah zum Vollmond hoch und dachte an den Blutbeutel, der zu Hause noch auf ihn wartete. Eigentlich eine Notration, aber besser als die Halsschlagader dieses Fremden aufzureißen. "Ich glaube ich weiß welchen du meinst, da wollte ich nämlich gerade hin. Ich bring dich.", schlug Aaron vor. "Musst du nicht weiter arbeiten?", fragte Sam der ihn logischerweise für Wachpersonal hielt. "Nein ich habe Feierabend.", log Aaron. Er war hier kein Personal sondern eben in die Fabrikhalle hinter ihnen eingebrochen. Sam hielt mit einer Hand die Jacke zusammen und musste dann doch einmal fragen. "Was hast du mit deinem Ohr gemacht?" Aaron zuckte mit den Schultern: "Bei einer Prügelei wurde mir ein Stück davon abgebissen.." "Und die Narbe?" "Fragst du immer so viel?" "Entschuldige..." "Vielleicht erzähl ich dir das bei einem Drink?", tastete Aaron sich etwas vor um raus zu finden, ob er mit seinem Gefühl richtig lag und traf damit ins Schwarze. "Flirtest du grad mit mir?", Sam versuchte ein Grinsen zu unterdrücken, schaffte es aber nicht ganz. Irgendwie stimmte die Chemie direkt zwischen ihnen und dabei kannten sie sich gerade Mal...ja wie lange? 5 Minuten? 6 Minuten? "Möglicherweise. Und?" Sam zog es eigentlich eher zu einem Köstlichen Beutel 0 positiv. Aber er musste auch die Fassade aufrecht erhalten und hatte ja gerade noch erzählt, dass er eben genau da hin wollte. Noch dazu gefiel Aaron ihm auf Anhieb. Was durchaus selten vorkam. Die Narbe und das angefressene Ohr störten ihn wenig. Die beeindruckend eisig blauen Augen lenkten ohnehin davon ab. Außerdem kam es selten vor, dass er mal einen interessanten Mann traf, der größer war als er. Denn Sam selbst war auch nicht gerade klein und in Aaron hatte er endlich mal jemanden gefunden der um schätzungsweise einen Kopf größer war. Welche Blutgruppe der wohl hatte?Nicht drüber nachdenken... Aaron kannte den Türsteher und so konnten sie an der Schlange draußen vorbei und direkt durch die Tür gehen. Zielsicher bahnten die beiden sich einen Weg durch eine Masse von tanzenden Blutbeuteln. Einen Moment lang wurde Sam beinahe etwas schwindelig. Ohrenbetäubendes ...pulsierendes...Blut. Ein riesiges Buffet. Nervös fuhr er sich mit der Zunge über die Zähne und spürte seine Fangzähne. Für 3 Sekunden schloss er die Augen und war erleichtert, als er sie wieder zurück ziehen konnte. Aber er sollte sich hier nicht mehr all zu lange aufhalten. Nicht wenn er schon so hungrig war. Ihre Whisky Gläser wurden über den klebrigen Tresen geschoben. So ziemlich das einzige was er runter bekommen konnte. "Ich bin übrigens Aaron." Sam trank einen Alibi Schluck: "Sam. Danke, nochmal fürs Herbringen." "Gerne...ich hätte auch nichts dagegen dich wieder zu sehen.", gestand Aaron direkt. "Du siehst mich doch gerade.", schmunzelte Sam. "Du weißt wie ich das meine. Ich würde dich gern besser kennen lernen denke ich." Scheinbar ging es auch ihm so. Irgendwas passte einfach zwischen Ihnen. So als würden sie sich schon viel länger kennen und für dieses Gefühl, das er so lange nicht mehr gespürt hatte, verzieh Sam ihm sogar, dass Aaron unbewusst seine Ratte verscheucht hatte. "Darf ich fragen wo du wohnst? Die Stadt ist ja ziemlich groß.", wollte Sam wissen. "In einem Loft am Hafen. Und du?" "Am Stadtpark.", meinte Sam und wunderte sich darüber, dass er tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte. Scheiße.. "Was machst du so? beruflich zum Beispiel? Oder hast du noch nichts , weil du neu hier bist?" "Ist das ein Verhör?", grinste diesmal nun Sam, antwortete aber trotzdem. Was sollte es ihm schon schaden?: "Ich arbeite im Krankenhaus." Aaron nickte anerkennend und prostete ihm zu: "Sag nicht ich angle mir hier grad einen Arzt?" Sam lachte leise und sah in seinen Whisky, den er immer wieder etwas nervös in der Hand herum drehte: "Nein tut mir leid, da muss ich dich enttäuschen. Ich bin Nachtwächter. Ich sitze fast die ganze Zeit vor Überwachungsbildschirmen." "Du gefällst mir trotzdem." "Du mir auch.." "Zu mir oder zu dir?", grinste Aaron. "Du machst nur Spaß oder?", lächelte Sam etwas unsicher. "Natürlich.", lachte der andere. Sie fanden noch heraus, dass sie beide ziemlich naturverbunden waren und auf die selbe Musik standen. Es war wirklich merkwürdig wie schnell sich dieses Vertraute Gefühl aufgebaut hatte und wie es unaufhörlich immer noch weiter wuchs. Letztendlich war es nur das übermächtig werdende Verlangen, das Sam zum Aufbruch nötigte. "Ich muss gehen. Es hat mich gefreut. Ehrlich.", stellte er also knapp fest und stand auf. Ohne zu Zögern griff Aaron nach seinem Handgelenk, das überraschend kühl war: "Du lässt mich hier doch nicht mit leeren Händen stehen, oder?" Sam drehte sich noch einmal um. Ihre Blicke trafen sich. Dann gab er nach. Es war irgendwie unausweichlich gewesen. Er bereute es nicht. Es war ein guter Kuss. Ein wirklich....guter Kuss. Ein Kuss, der ihn dazu brachte seine Nummer auf eine Serviette zu schreiben und sie ihm zu reichen. "Meld dich..", lächelte er noch, dann verschwand er gespielt ruhig nach Draußen. Draußen jedoch begann er wie verrückt zu rennen um zu seiner Notration nach Hause zu kommen. Aaron sah ihm noch eine ganze Weile nach und rieb sich über sein lädiertes Ohr und den vernarbten Hals. Der Kuss war schön gewesen. Nur blieb ein leichter Eisengeschmack. Nachdenklich steckte er die Serviette ein und bestellte sich einen letzten Drink. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)