Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 38: Die Frucht der Verleugnung -------------------------------------- Asgard – 500 Jahre früher «Mein König, der Magier Mandrion ist hier.» Der soeben eingetretene Einherjar verbeugte sich tief vor Odin und den beiden ebenfalls anwesenden jungen Prinzen. «Genau wie Sie es verlangt haben.» Der Allvater nickte und wandte sich dann an seine Söhne. «Ich muss etwas Wichtiges mit dem Magier besprechen. Allein.» «Sicher, Vater.» Thor drehte sich ohne ein Wort des Widerspruchs um und verliess mit dem Einherjahr den Thronsaal. Loki hingegen blickte dem hereinkommenden Magier entgegen und zögerte. «Ist etwas passiert, Vater, dass du Mandrion so dringend sprechen willst?» Odin zog die Stirn kraus. «Wenn ich wollte, dass du das erfährst, hätte ich dich und deinen Bruder nicht gebeten zu gehen.» «Natürlich.» Loki deutete eine spöttische Verbeugung an und verschwand dann ebenfalls. Die flüchtige Handbewegung, die er beim Gehen ausführte, bemerkte Odin nicht. Genauso wenig Mandrion, der dem Prinzen einen ehrerbietigen Gruss entbot, ehe er nervös auf seinen König zuschritt. Odin hielt sich gar nicht erst mit langen Begrüssungsfloskeln auf. Sobald sich die Tür hinter Loki geschlossen hatte, kam er ohne Umschweife zur Sache. «Das Schwarze Element wird stärker. Inzwischen ist ES so stark, dass sogar ich ES spüren kann.» Der Allvater verhielt mitten im Schritt und starrte den Magier wütend an. «Warum hast du mich nicht längst gewarnt?» Mandrion erschrak zutiefst. Er hatte schon befürchtet, dass es um etwas Unerfreuliches ging. Aber das hier..? Hastig stiess er hervor: «I... ich wusste es nicht, Hoheit!» «Du wusstest es nicht?» Odins Stimme schwoll gefährlich an. «Du bist der grösste Magier am Hofe und wusstest es nicht?» Mandrion wurde blass und stotterte: «I... ich meine ich... war mir nicht... ganz sicher. Ich wollte... nicht...» Odin schnitt ihm mit einer raschen Handbewegung das Wort ab. «Spar dir deine Entschuldigungen, die nützen jetzt auch nichts mehr. Fakt ist dass du viel zu lange untätig zugesehen hast, wie das Böse unter uns wachsen konnte. Du hast zugelassen, dass die grösste Gefahr, die es für überhaupt gibt, in unserem Reich Fuss fassen konnte.» Er trat ganz nahe an Mandrion heran und fixierte ihn aus seinem einen verbliebenen Auge scharf. «Du wirst diesen Fehler umgehend korrigieren und ES dahin zurückschicken, woher ES gekommen ist! Du wirst ES aufhalten. Sofort!» «Aufhalten?» Der Magier wurde leichenblass und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. «Natürlich, was denn sonst? Du hast den unbesiegbaren Drachen in Muspelheim getötet. Da wirst du ja wohl auch das Schwarze Element überwältigen können, oder?» Mandrion versuchte, sich sein inneres Zittern nicht anmerken zu lassen. «N... natürlich, mein König. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um...» «Oh, es wäre besser wenn du das tätest...» schnitt ihm Odin erneut das Wort ab. Seine Stimme wurde gefährlich leise. «Denn solltest du versagen, wirst du den Rest deines Lebens im Exil verbringen. Und zwar in Muspelheim.» Mandrion wurde noch eine Spur bleicher. «J... ja, mein König.» Er schluckte hart. «Ich werde nicht versagen.» Odin lächelte düster. «Gut. Genau das hatte ich zu hören erwartet.» Mit einer hastig gemurmelten Verabschiedung stolperte Mandrion hinaus. Sobald er den Thronsaal hinter sich gelassen hatte spürte er, wie seine Knie unter ihm nachgaben. Verzweifelt stützte er sich an der Mauer ab. Was sollte er nur tun? Das hier war eine Katastrophe..! Das Schwarze Element bannen..? Er wusste genau, dass er diese Aufgabe nicht erfüllen konnte. Zum tausendsten Mal verfluchte er seinen Hochmut, der ihn vor so vielen Jahrhunderten dazu getrieben hatte, Heldengeschichten über sich selbst zu verbreiten, die nicht der Wahrheit entsprachen. Hätte er trotz seiner begrenzten magischen Fähigkeiten nicht so sehr nach Ruhm und Ehre gedürstet hätte er sich niemals in diese hoffnungslose Situation hinein manövriert... In diese absolut hoffnungslose Situation, gegen einen Gegner ankämpfen zu müssen, der so unheimlich war, dass ihm beim blossen Gedanken daran schlecht wurde! Wenn wenigstens einer der richtig starken Magier noch am Leben wäre... Aber er selbst hatte dafür gesorgt, dass es keinen mehr davon gab. Mit der Beseitigung seiner Konkurrenten hatte er sich für alle Zeiten einen Namen als mächtigster Magier an Odins Hof verschafft. Ein wenig Gift hier, eine kleine List da, eine hübsche Falle dort - und alle seine 'Kollegen' waren aus dem Weg geräumt gewesen. Womit er sich die angenehmste und ehrenvollste Position in Odins Gefolge verschafft gehabt hatte... Eine wirklich sehr angenehme Position - zumindest solange es keine grösseren Gefahren als ein paar Kriege gegen Jotunheim oder einige Aufstände in Vanaheim gab! Aber das hier..? Wie hätte er je ahnen können, dass er zu so etwas gezwungen würde..? Immer noch heftig zitternd schleppte er sich langsam weiter. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er musste einen Ausweg aus dieser Zwickmühle finden. Das hatte er schliesslich noch immer geschafft! Seine grösste Stärke bestand darin, im entscheidenden Moment zu verschwinden... Er könnte einen der Fluggleiter stehlen und einfach abhauen. Das war zwar schändlich, doch immerhin würde er mit dem Leben davon kommen! Wenn er nur wüsste, wohin er gehen sollte. Nach Vanaheim? Aber nein, da würde der Allvater zuerst nach ihm suchen. Midgard vielleicht? Doch auch diesen Gedanken verwarf er gleich wieder. Die Erde war ein kleiner Planet voller kümmerlicher und unbedeutender Gestalten. Niflheim..? Nein, auch nicht! Aber er musste fliehen, ihm blieb keine andere Wahl. Wenn er daran dachte, wohin ihn der Allvater sonst verbannen würde... Muspelheim, die heisse Hölle mit dem nach wie vor höchst lebendigen Drachen... Demjenigen, den er nie getötet hatte! So ganz in seine verzweifelten Gedanken versunken bemerkte er die schlanke Gestalt, die lässig an einer Säule lehnte, erst, als sie ihn ansprach. «Lief wohl nicht allzu gut da drin, was?» meinte Loki spöttisch. Mandrion zuckte so heftig zusammen, als sei er eben geschlagen worden. «Mein Prinz...» Er versuchte, sich zusammen zu reissen. «Mein lieber Vater scheint dir einen ganz hübschen Schrecken eingejagt zu haben.» Loki stiess sich von der Säule ab. Langsam und geschmeidig wie eine Katze kam er näher. Immer noch lag ein feines ironisches Lächeln um seine Mundwinkel. «Kann es sein dass er etwas von dir möchte, das du nicht zu leisten imstande bist?» «M... mein Prinz, nein, wie kommen... Sie darauf?» Mandrion verhaspelte sich beinahe. Seine Gedanken begannen sich erneut zu überschlagen. «Wie ich darauf komme?» Lokis Grinsen wurde noch eine Spur breiter. «Ganz einfach: Ich habe eure kleine Unterhaltung belauscht.» Mandrions Augen wurden gross. Belauscht..? Wie konnte das sein? Er selbst hatte den Prinzen hinausgehen sehen... Loki vollführte eine rasche Handbewegung und der andere Magier begriff schlagartig: ein Lauschzauber. Der Prinz hatte sozusagen sein Ohr im Inneren des Thronsaals gelassen... Aber seit wann konnte Loki so etwas? Die grün-blauen Augen vor ihm funkelten unheimlich. «Nun sag mir, Mandrion: wie genau beabsichtigst du, das Schwarze Element zu bannen?» Der ältere Magier schluckte schwer. Eine Ausrede... Ihm musste schleunigst eine gute Ausrede einfallen! Doch noch während er überlegte, was er sagen konnte, spürte er instinktiv, dass er den jungen Mann vor sich nicht täuschen konnte. Dass Loki ihn durchschaut hatte – schon lange... Und so hörte er sich schliesslich vollkommen aufrichtig und verzweifelt antworten: «Ich weiss es nicht!» Loki musterte ihn einen Moment ruhig, ehe er nickte. «Das hatte ich mir fast gedacht.» Er wies hinter sich, deutete in die Richtung, wo seine luxuriösen Räumlichkeiten lagen. «Ich denke es wird Zeit, dass wir zwei uns auch ein wenig unterhalten.» Völlig benommen folgte Mandrion dem Prinzen. Eine halbe Stunde später wusste er zwei Dinge mit Sicherheit... Erstens: Loki würde ihn retten. Zweitens: Loki war gefährlich. Sehr gefährlich. Und ihm selbst blieb keine andere Wahl als den Prinzen noch gefährlicher zu machen... Mandrions Kopf rauschte, sein Herz klopfte wie verrückt... Was er da eben erfahren hatte – unglaublich! Die Macht des Prinzen war so gross wie er sie sich immer für sich selbst gewünscht hatte. Nein, sogar noch weitaus grösser. Nur eines gab es, dass er noch nicht beherrschte. Das einzige, in dem Mandrion wirklich unschlagbar gut war: dem magischen Hypnotisieren anderer. «Was verlangen Sie dafür, dass Sie das Schwarze Element an meiner Stelle bannen und somit meine Ehre retten» hatte er schliesslich fassungslos gefragt, als der Prinz ihm seinen Plan offenbart hatte. Als er begriffen hatte, dass der Gegner, gegen den Odin ihn antreten lassen wollte, sogar noch weitaus gefährlicher war, als er auch nur im Mindesten geahnt hatte. «Oh, eigentlich nichts,» war Lokis wegwerfende Antwort gewesen. «Nur eine Kleinigkeit.» Der Hypnose-Bann... Ein klein wenig hatte sich Mandrion gewundert, dass der Prinz noch niemanden gefunden hatte, der ihm diesen beibringen konnte. Bis ihm klar geworden war, dass er ja der letzte überlebende Magier war, der den Zauber beherrschte. Ihm war heiss und kalt geworden, denn natürlich hatte er sofort begriffen, welch gefährliche Waffe er dem jungen Mann damit in die Hände legte. Aber mangels einer anderen Wahl hatte er schliesslich eingewilligt. Und nun brauchte er nichts weiter zu tun als sich zu verstecken und abzuwarten, bis alles vorbei war... Also genau das, was er wirklich am Besten konnte! Asgard – 400 Jahre früher Der Kampf hatte rund hundert Jahre angehalten, aber nun war er endlich vorüber. Und er hatte sogar mit einem Sieg für Odin und seine Armee geendet, allen Widerständen zum Trotz und obwohl es lange nicht danach ausgesehen hatte. Erschöpft sank der Allvater auf seinen Thron und liess den Blick durch die noch leere Halle schweifen. Bald würde die Siegesfeier beginnen... Sie hatten es tatsächlich geschafft! Im Grunde genommen konnte er es selbst noch nicht ganz glauben. Er hatte gezweifelt, zuerst an Mandrion, weil er schon lange befürchtete, dass dieser nichts weiter als ein Hochstapler sein könnte. Und dann an sich selbst, als Mandrion ihm gesagt hatte, dass es nicht ohne seine Hilfe gehen würde. Beinahe hätte er den Magier bei diesem Eingeständnis bereits ins Exil geschickt. Beinahe... Hätte er nicht genau damals zu ahnen begonnen, dass es unmöglich Mandrion sein konnte, der da an seiner Seite kämpfte. Dass dieser Magier viel zu stark war, dass die Kräfte, die er einsetzte, einfach ein paar Nummern zu gross für ihn schienen. Fähigster Magier am Hofe hin oder her - solche Fähigkeiten hatte Odin noch nie zuvor bei ihm erlebt. Und Mandrion hätte sie ihm sicher längst offenbart... wenn er sie denn besessen hätte. So gut kannte ihn der Allvater. Der Magier war stolz und selbstgefällig und liebte es, mit seiner Kraft zu prahlen. Nie, niemals hätte er mit solch enormen Fähigkeiten hinter dem Berg gehalten. Doch wenn es nicht Mandrion war, der da an seiner Seite kämpfte, wer dann? Langsam, ganz langsam war eine unheimliche Ahnung in Odin aufgestiegen... Eine Ahnung, aus der in den letzten zwanzig Jahren Gewissheit geworden war. Doch so sehr der Allvater seinen Adoptivsohn inzwischen auch fürchtete: eines musste man Loki lassen... Er war gut. Verdammt gut! Nun war der Moment des Sieges da und Odin ging davon aus, dass Loki sich heute vor aller Welt als der eigentliche Retter zu erkennen geben würde. Dass er alle sehen lassen würde, dass er der Magier gewesen war, der in der Gestalt Mandrions das Schwarze Element gebannt hatte. Doch sein Sohn überraschte ihn... Die Siegesfeier begann und er stand seelenruhig neben Thor an Odins Seite und sah zu, wie Mandrion als Held gefeiert wurde. Ohne auch nur mit einer winzigen Andeutung darauf hinzuweisen, dass hier der Falsche geehrt wurde. Hatte er sich getäuscht? War es doch nicht Loki gewesen? Nein, Unsinn: er war sich absolut sicher. Loki hatte das getan, nicht der Magier, der jetzt als strahlender Held auf dem Siegerpodest stand. Hätte Odin auch nur eine Sekunde lang glauben können, dass so etwas wie Selbstlosigkeit die Motivation hinter Lokis Tun gewesen war, hätte er diese Siegesfeier auch geniessen können. Aber der Allvater kannte seinen Sohn gut... Zu gut! Und so wirkte sein Lächeln ziemlich aufgesetzt, seine feierliche Stimmung nur vorgetäuscht. Warum offenbarte sich Loki nicht? Was plante er? Bescheidenheit war ihm in absolut fremd – also was war der Zweck des ganzen Schauspiels? Ja, Odin hätte sich wesentlich besser gefühlt, wenn er es gewusst hätte. Doch mit den Jahren trat diese unruhige Frage in den Hintergrund. Und mit den Jahrhunderten ging sie schliesslich ganz vergessen. Was blieb war die Furcht vor dem Sohn, den er einst aus einem Tempel in Jotunheim mit nach Asgard gebracht hatte. Doch da der Allvater sich diese Furcht nicht eingestand und sie verdrängte, trat sie schliesslich soweit in den Hintergrund dass Odin am Ende sicher war, sie niemals empfunden zu haben. Dummerweisen wachsen Wurzeln, die man nicht herausreisst, weiter. So lange, bis sie Früchte hervorbringen. In diesem Fall die Frucht der Verleugnung. Vierhundert Jahre nach dem Sieg über das Schwarze Element war sich Odin sicher, dass er – und er allein – sein Volk aus dieser schrecklichen Gefahr gerettet hatte. Ein fataler Irrtum, in der Tat... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)