Beyond the Happy Ending von MsBlueLion ================================================================================ Kapitel 8: Die Wahrheit dahinter -------------------------------- Kapitel 8: Die Wahrheit dahinter   Der unterirdische See lag still, während in der Grotte vereinzelt das Geräusch eines herabfallenden Tropfens widerhallte. Mal lauter, mal leiser, aber nie in einem einheitlichen Rhythmus. Eine magere Anzahl an Kerzen beleuchteten in einem schwachen Schein das flache Ufer und die alte Steintreppe und ihre Flammen flackerten bei jedem kleinen Luftzug unruhig hin und her. Plötzlich kräuselte sich das sonst so ruhige Wasser, kleine Wellen schlugen über den glatten Stein hinweg, der das Becken wie ein massiver Ring umfasste und dann tauchte aus dem vermeintlich schwarzen Abgrund ein blasser Körper auf. Rinnsale strömten über die mageren Gliedmaßen hinweg, schmale Finger fuhren durch die Strähnen des nassen Haares und ein seufzender Atemzug erfüllte die trostlose Stille.   SeKain öffnete seine Augen, legte den Kopf in den Nacken und starrte stumm zu der felsigen Decke der Höhle hinauf, die sich über seine Gestalt hinweg spannte. Seine helle Haut schimmerte im Kontrast zu den sonst so dunklen Steinen um ihn herum und nur wenn man genau hinsah, konnte man das unbestimmte Muster schwarzer Linie erkennen, die sich über seinen gesamten Körper zogen. Fremdartige Zeichen. Unbekannte Symbole. Sie schmückten seine Arme und Beine, schlängelten sich wie ein einzelnes Tattoo über Rücken und Bauch hinweg und endeten knapp unter dem Schlüsselbein. Noch waren sie blass, fast unauffällig und zart, aber je mehr Energie und Kraft er gewinnen konnte, desto deutlicher würden sie werden. Langsam senkte er seinen Blick und watete zu der flachen Einstiegsstelle des Sees, das zuckende Feuer färbten ihn in einem roten Licht und zeichnete seine Muskeln und Sehnen mit markanten Schatten. Er trat aus der Quelle hinaus und ließ das überschüssige Wasser ungehindert über sich hinweg rinnen, während er nach einer größeren Kerze griff und sie auf eine kleine, erhobene Steinplatte stellte. Ein Luftzug streifte seine entblößte Gestalt und wirbelte die nassen Haarsträhnen umher, als er mit den Fingern schnippte und die Flamme am Docht zu wachsen begann, sich in einen dunklen, fast schwarzen Ton färbte und wütend pulsierte. Eine Art Pentagramm wurde auf dem glatten Felsen freigelegt, umrandet mit uralten Symbolen der schwarzen Magie, die von einigen deutlich neueren Sutren in ihrer Magie gebannt wurden. So mächtig. So zerstörerisch. Und bald frei von allen Fesseln.   Fast schon andächtig ließ er seine Hände über die eingeritzten Kerben streichen, spürte die Stellen, die bereits so viele vor ihm berührt hatten und streifte die unzähligen herausgebrochenen Ecken und Kanten. Wie lange war es wohl her, dass dieses Siegel erschaffen wurde? Sein Vater war vor unzähligen Jahren vor ihm hier und ihm voraus ging dessen Vater und hätte er selbst Kinder gezeugt, wären sie ihm gefolgt, wie er seinem Vater folgte. Doch seit einer Ewigkeit war es nur noch er, der diesen Stein berührte, die Magie darin kontrollierte und dem Ruf seiner Vorfahren folgte. Die Macht eines ganzen Volkes verzehrte nun seinen Körper, stärkte und näherte ihn mit jedem weiteren Tag, bis er das Ritual zur Wintersonnenwende erneut vollführen würde. SeKain trat einen Schritt von dem Stein zurück und starrte noch einmal zur Decke auf, als würde sein Blick durch das Felsmassiv hindurch gleiten können. Auf seinem Gesicht entstand ein Stirnrunzel, bevor sich die Ecken seiner Lippen zu einer kleinen Krümmung kräuselten und er seine weggeworfenen Roben aufhob und sie über seine nassen Schultern zog. Neumond. Nur noch drei weitere Zyklen, dachte er stumm und band sich den lockeren Stoff mit einem breiten Obi, ehe er zu den kühlen Steintreppen ging und mit einem letzten Blick auf das Pentagramm die Höhle verließ.   Es war so viel passiert, während seiner Abwesenheit. Gute wie auch schlechte Dinge, aber alle gemeinsam hatten nicht allzu viel Auswirkung auf seine Magie, auch wenn es für einen kurzen Moment so ausgesehen hatte, als würde mit der unausweichlichen Zerstörung des Juwels der vier Seelen auch seine harte Arbeit zu Nichte gemacht werden. Doch die Hauptlast der freigesetzten heilige Energie traf zum Glück nur einen seltsamen Hanyo, der offenbar unter dem Namen Naraku gelebt hatte und reinigte dessen gesamtes Wesen von diesem Planeten. Eine Schande, wenn er daran dachte, dass er das Miasma dieses Halbdämons tatsächlich zu seinem Vorteil hätte nutzen können.   Eine Schande, die nicht rückgängig gemacht werden kann, beschloss er gedanklich und war stattdessen froh darüber, dass die am Kampf beteiligte Priesterin offenbar ohne jegliche Anzeichen verschwunden war. Es wäre vermutlich kompliziert geworden, hätte er sich mit ihr ebenfalls befassen müssen, schließlich war ihm Midoriko immer noch ein Dorn im Auge. So jedoch konnte er seine Aufmerksamkeit auf diesen einen ganz besonderen Schatz lenken, den er vor nicht allzu langer Zeit entdeckt hatte. Denn wie war er doch enttäuscht zu erfahren, dass der große Inu no Taisho nicht mehr unter den Lebenden wandelte. Gestorben vor etwas mehr als zwei Jahrhunderten für eine menschliche Frau. Wirklich pathetisch. Der Hundedämon war einer der wenigen herausfordernden Gegner, die sein langes Leben bereichert hatten und nun zu erfahren, dass er für so etwas gestorben war... Nun, er konnte es nicht ändern. Aber dafür hatte er etwas anderes gefunden, was definitiv seine Neugierde geweckt hatte.   „Zwei Söhne“, murmelte er leise, als die Kerzen hinter ihm erloschen und den felsigen Gang in völlige Dunkelheit tauchten. Der General hinterließ also zwei Söhne, ein Daiyokai und ein Hanyo und beide machtvoll in ihrer Kraft. Wer hätte geahnt, dass dieses Spiel noch so spannend werden würde? Tatsächlich erinnerte er sich an das erste Mal, als er auf den Älteren der beiden gestoßen war. Er hatte ihn bei seinem letzten Erwachen gesehen, hatte diese rohe und unverbrauchte Macht gespürt, die bereits in dem halben Kind steckten. Damals ist er mir leider abhandengekommen...doch jetzt werde ich wohl die doppelte Freude haben. Und dieser Halbdämon... Ein seltsamer Ausdruck trat in seine Augen und er hielt für einen Herzschlag in seinem Schritt inne, bevor er unbeirrt die Stufen weiter nach oben stieg.   Interessant. Wirklich interessant.    ------------------------------------------------------------------------------    Mit dem Verlust des Mondes war der Himmel pechschwarz und das einzige Licht kam von dem flackernden Lagerfeuer, welches Rins schlafende Form erwärmte. Der grüne Kappa hatten sich an Ah-Uhn gelehnt, sein Stab kippte gefährlich in seinen Händen, als er verzweifelt versuchte wach zu bleiben, aber schon bald drang aus seinem Mund ein leises Schnarchen und er ergab sich der Müdigkeit, die sich über ihn hinweg zog. In einigen Metern Entfernung saß Sesshoumaru an der Basis eines Baumes gelehnt, Mokomoko wie eine übergroßes Kissen fest um die Schultern gewickelt und richtete den Blick in den dunklen Nachthimmel, seine goldenen Augen glimmten im roten Schein des Feuers und er lauschte aufmerksam auf jedes noch so kleine Geräusch in seiner Umgebung.   Seit seiner Begegnung mit SeKain, war der Anstieg der verpesteten Aura immer deutlicher geworden und egal welchen Weg er auch einschlug, er konnte dessen immerwährende Präsenz dauerhaft um sich spüren. Ganz so, als würde er sie verfolgen und dennoch hatte der er sich bis jetzt kein zweites Mal offenbart oder diese seltsamen Kreaturen nach ihnen geschickt. Es störte den Daiyokai. Dieser Mann war nichts, was er in all den Jahren seines Lebens bereits getroffen hatte und er musste schmerzlich zugeben, dass er bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Vorgehensweisen gegen ihn hatte. Wie seine Mutter ihm bereits voraussagte, konnte selbst er während ihres Treffens nicht feststellen, wie stark oder mächtig SeKain tatsächlich war. Aber anhand seiner Fähigkeiten diese Geschöpfe zu kontrollieren und den Einfluss, den er auf das Land und seine Bewohner hatte, musste er zwangsläufig mit einem ernstzunehmenden Gegner rechnen. Schon vor einiger Zeit war er zu dem Entschluss gekommen, dass nicht nur Yokai von gewalttätiger Natur waren, sondern sich auch die Menschen über die Jahrhunderte in dieser Hinsicht kaum gebessert hatten. Der einzige wahre Unterschied, den er sehen konnte, war das Ausmaß der Gewalt. Dämonen waren von Geburt an stärker und langlebiger und konnten in relativ kurzer Zeit große Land- und Lebensbereiche zerstören. Die Ningen waren vielleicht weniger effizient im Töten, aber darüber hinaus deutlich kreativer was ihre Art betrat.   Was also tun? Er wusste nur zu gut, dass jeglicher Angriff in seiner momentanen Position mehr als nur schwachsinnig wäre und er würde nur sein eigenes Leben aufs Spiel setzten, wenn er törichter Weise annahm, er könne den Menschen so einfach besiegen. Es würde mehr als nur seine Kampfkraft nötig sein, um diesen Mann tatsächlich in die Knie zu zwingen und selbst dann war es immer noch riskant, zumal in diesem Augenblick auch die Zeit gegen ihn zu laufen schien - denn mit jedem Tage der verstrich, rückte die Wintersonnenwende immer näher und bald würde SeKain auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen sein.   Ein leises Knurren drang über die Lippen des Daiyokai und ein fast unmerkliches Stirnrunzeln zierte sein ausdrucksloses Gesicht, als das Biest unter seiner Haut zu summen begann. Weder er noch sein Tier mochten den Gedanken, dass Naraku im Vergleich zu SeKain scheinbar nur eine marginale Bedrohung für die Welt gewesen war und Sesshoumaru musste sich eingestehen, dass er in diesem Moment die Weisheit und Anleitung eines viel älteren Wesens zu schätzen wissen würde. Denn Wissen war Macht und wie er in den letzten Jahren verstanden hatte, war es keine Schwäche, wenn er jemanden suchte, der über die eigenen Kenntnisse hinausging. Vielleicht wurde es Zeit, dass er dem alten Freund seines Vaters einen Besuch abstattete. Immerhin wurde Bakusen`O lange vor der Geburt des Inu no Taisho auf diese Erde gebracht und würde sicher auch lange nach seinem eigenen Tod noch dort sein. Und auch wenn es keine Garantie dafür gab, dass der Dämonenbaum tatsächlich eine Antwort auf seine Fragen geben würde, würde er trotz dessen die Chance nutzen und zu ihm gehen. Immerhin hatte er nichts zu verlieren.   Die Augen des Daiyokai schmälerten sich und er lauschte auf das unebene Muster von Schritten, die in seinen Ohren widerhallten und sich in langsamen Zügen immer wieder um das kleiner Lager bewegten. Äste knackten und rauschten, es gab einen verpassten Schritt und gleich darauf einen raschelnden Krach, als die Person stolperte und zu Boden fiel. Er konnte die gemurmelten Flüche und das leichte Zähneklappern deutlich hören und seine Lippen kräuselten sich an einer Ecke seines Mundes leicht nach oben, als die Geräusche wieder näher auf den Lagerplatz zukamen. Wirklich, man könnte meinen Inu Yasha hätte im Laufe seines Lebens gelernt, dass Menschen nicht dafür gemacht waren, in vollkommener Dunkelheit durch den Wald zu laufen. Und dennoch war der Halbdämon kurz nach der eingelegten Pause zwischen den Bäumen verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Doch Sesshoumaru konnte es dem Jüngeren wenig verübeln, schließlich waren die Erinnerungen an den letzten Neumond für beide noch deutlich genug und wenn sein kleiner Bruder dadurch seine Nerven beruhigen konnte, würde er sich nicht einmischen.   Denn zu sagen, dass die Stimmung innerhalb der kleinen Gruppe in den letzten Tagen angespannt war, wäre eine eindeutige Untertreibung. Das Klima war praktisch unter den Gefrierpunkt gesunken und wahrscheinlich hatte sogar die Unterwelt eine bessere Atmosphäre, als momentan zwischen ihnen herrschte. Es war nicht schwer zu erraten, dass Inu Yasha noch immer mit dem Gedanken um seine Schuld zu kämpfen hatte und seit er fast sein Leben aufgegeben hätte, hielt er sich strickt von dem Daiyokai fern und mied jeglichen Kontakt, den er zu seinem Geschwister haben könnte. Selbst sein Austausch mit Rin war auf ein Minimum reduziert worden und die meiste Zeit verbrachte er in den schützenden Ästen der Bäume, als würde er sich vor der Welt verstecken.   Normalerweise hätte das Verhalten des Halbdämons Sesshoumaru wenig gestört, jedoch weigerte sich sein Verstand hartnäckig, ihm auch nur ein paar Stunden lang Frieden von dem Gespräch mit dem Jüngeren zu bieten. Der Zustand des Hanyo war milde gesprochen inakzeptabel. Inu Yasha sollte dreist, herablassend und ein irritierend schwer zu tötender Geist auf dem Planeten sein. In der Vergangenheit hatte der Daiyokai gedacht, sein Bruder würde nie auf die Idee kommen, sein eigenes Leben so leicht wegzuwerfen oder sogar um den Tod bitten und in gewisser Weise hatte das Durchhaltevermögen auch ein Großteil seiner Persönlichkeit ausgemacht. Nun aber war sich Sesshoumaru sicher, dass die letzten Monate seinen jüngeren Bruder weitaus mehr betroffen und verändert hatten, als es vielleicht den Anschein gemacht hatte.   Und dies ließ ihn tatsächlich ein leichtes Gefühl des Zweifels verspüren. Es war von vornherein klar gewesen, dass der Halbdämon nie freiwillig mit ihm gehen und gegen SeKain kämpfen würde und zugegeben wäre auch er dieses Bündnis nie von selbst eingegangen. Dass Inu Yasha am Ende einer Lebensschuld erlag, war nichts was er bevorzugte, aber in diesem Augenblick doch recht begrüßte. Aber dennoch stellte sich ihm nun die Frage, ob den Jungen mitzunehmen tatsächlich eine gute Idee gewesen war. Er hatte den Hanyo vor ihrer ersten, zufälligen Begegnung einige Monate lang nicht mehr gesehen und wäre wahrscheinlich vollkommen zufrieden damit gewesen, dass ihre Leben nach dem Tod dieses Spinnenhanyos wieder getrennte Wege gingen. Schließlich war diese seltsam gekleidete Priesterin wieder aufgetaucht und nach Rins Erzählungen war sein Bruder mehr als nur glücklich darüber. Was war also hatte diese Veränderung ausgelöst? Vermutlich hätte er sich schon früher darüber wundern sollen, warum ausgerechnet Inu Yasha ohne seine menschlichen Anhänger durch die Lande ziehen sollte, vor allem ohne dieses Mädchen. Aber am Ende war es ihn für den Moment schlicht egal gewesen. Jetzt jedoch hatte das eigentümlich Verhalten des Jüngeren seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nicht zuletzt, weil er immer öfter die tödlich dämonische Seite in der Aura des Halbdämons fühlen konnte.   Dies könnte tatsächlich zu einem Problem werden.   Ausgehend von dem Wissen, welches einst Bakusen`O mit ihm teilte und seiner eigenen Nachforschungen, war ihm bekannt wie das Yokaiblut in dem Hanyo reagiert. Es schützte ihn, sobald er sich nicht mehr selbst schützen konnte und verwandelte ihn in eine unkontrollierbare Bestie. Und eben dies war der springende Punkt. Jedes Mal, wenn er das gefährliche Knistern und das raue Brummen über die Haut des Jüngeren fließen sehen konnte, befand sich der Halbdämon nie in Lebensgefahr. Tatsächlich trat es bereits dann in Erscheinung, wenn sich Inu Yashas Gemütszustand nur ein wenig zu weit in Richtung animalischer Züge beugte und im Gegensatz zu Sesshoumaru selbst, hatte sein kleiner Bruder keinerlei Ahnung, wie er diesen Drang kontrollieren sollte. Ihm blieb nur Tessaiga.   Der Daiyokai neigte leicht den Kopf und ließ seinen Blick über das schlafende Lager schweifen. Das Schwert war die gesamte Zeit über an der Seite des Halbdämons oder in unmittelbarer Nähe zu ihm. Es hätte daher gar nicht möglich sein können, dass sich das Tier in dem Blut des Hanyos erhob und sich so präsent nach außen hin zeigte. Zudem glaubte er wenig daran, dass die Klinge seines Vaters in irgendeiner Weise beschädigt war, denn wenn es eine Sache gab, auf die der Jüngere mit Sicherheit aufpassen würde, dann wäre es das Schwert. Wo also mag dann der Fehler liegen? Und war sich sein Bruder überhaupt bewusst darüber, dass sein Dämonenblut außer Kontrolle geraten könnte? Sicher würde selbst Inu Yasha die Veränderung in seinem Blut gespürt haben, aber ob er es auch tatsächlich verstanden hatte, war eine andere Sache. Sesshoumaru schloss für einen Augenblick die Augen und drückte seine eigenen, aufreibenden Nerven nach unten, bevor er seine goldenen Pupillen zum schwarzen Wald hinwandte. Seine Ohren zuckten, er stieß ein leises Schnauben aus und wartete gespannt auf den kommenden Fluch.   „Fuck!“   Hn, wie vorhersehbar – Der Jüngere war ein weiteres Mal zwischen dem Unterholz zu Boden gegangen. Nun, offenbar wollte dieser törichte Welpe seine eigene Schwäche nicht anerkennen und anstatt zu ihrem Lagerplatz zurückzukehren, stolperte er durch Gestrüpp und Blattwerk und verletzte sich noch ernsthaft. Hatte er nichts gelernt? Mit einem zugestandenen, mentalen Seufzer erhob sich der Hundedämon und warf einen letzten, prüfenden Blick auf das schlafende Mädchen, bevor er im Schatten der Bäume verschwand.   ------------------------------------------------------------------------------   Der Wald wollte ihn ganz eindeutig töten. Wirklich. Er wollte ihn Tod sehen!   Inu Yasha konnte in der bedrückenden Dunkelheit fast nichts sehen und verließ sich vollkommen auf seinen latenten Orientierungssinn, um zu vermeiden, dass er sich zu weit von dem aufgeschlagenen Lager entfernte. Und trotzdem hinderte ihn das nicht daran, bei jeder Baumwurzel zu stolpern oder in jeden Dornenbusch zu fallen, der ihm in die Quere kam. Nur der wage Schein des Lagerfeuers lenkte ihn in die richtige Richtung und eine gewisse Erleichterung durchströmte ihn, als er sich sicher war, endlich wieder näher zu kommen. Immerhin war er zu dieser Zeit nur ungefähr so fit, wie es ein Mensch nur sein könnte und das Wetter hatte ihn kalt, nass und schmutzig zurückgelassen, während er hier und da von kleinen Kratzern blutete. Ganz zu schweigen davon, dass seine Nerven in den letzten Stunden bis zur Paranoia ausgefranst waren und er sich seit der Dämmerung in höchster Alarmbereitschaft befand. Oh ja, er wusste, dass Sesshoumaru keinen Angriff auf ihn plante, aber eher würde er sich noch einmal in Narakus Hände begeben, bevor er ernsthaft darüber nachdachte in Sicherheit zu sein. Und mal ernsthaft, wer sollte es ihm nachtragen? Seit seinem – im Nachhinein betrachteten sehr dämlichen – gefühlsvollen Ausbruch, hatte er den Älteren mit jeder seiner Faser gemieden und war jeglicher Konfrontation aus dem Weg gegangen, um sich nicht noch einmal mit seinen eigenen Worten oder seiner Dummheit befassen zu müssen.   Bis heute konnte er nicht sagen, was ihn eigentlich genau zu seiner Tat veranlasst hatte und heimlich schob er den Grund immer noch seinem angeschlagenen Gesundheitszustand zu. Vielleicht war ja das Gift Schuld daran, welches sich damals noch immer in seinem Systemen befand oder das Fieber hatte seinen Verstand einfach vollkommen benebelt. Tatsache war jedoch, dass er Sesshoumaru keinen Grund geben würden, ihn am Ende doch noch zu töten. Denn wenn er ehrlich war, war er lieber lebendig als tot. Der Halbdämon seufzte und strich sich das schwarze Haar aus seinem Gesicht. Seine dunklen Augen kniffen sich ein wenig zusammen und er versuchte angestrengt in der Finsternis herauszufinden, wohin er nun als nächstes treten konnte, ohne wieder in irgendein Geäst zu stolpern – als er den Kopf nach oben riss und verschwommen blinzelte. Hatte sich gerade etwas bewegt? Es hat sich so angefühlt wie...   Kühler Atem strich über seine Schulter und Inu Yasha schrie auf, griff nach Tessaiga und schwang das Schwert, während er sich drehte. Sein Puls schoss augenblicklich in die Höhe, Adrenalin flutete seine Adern und er suchte blind nach seinem Angreifer. „Wer zur Hölle ist dort? Zeig dich, damit ich dir persönlich in den Arsch treten kann!“ Er trat vorsichtige rückwärts, das Schwert immer noch in verteidigender Haltung vor sich und suchte mit wildem Blick in all dem Schwarz nach etwas, was auf einen unbekannten Besucher hinweisen würde. Verdammt, das war keine Einbildung, oder? Wieder bewegte sich etwas, nur ein leises Rascheln in der Luft, aber trotzdem da. Seine Atemzüge wurden kürzer, heftiger und er schluckte die entstehende Panik irgendwie herunter, als er das Heft seiner Klinge stärker umklammerte. Was zur verdammten Hölle war das? Hier ist nichts außer... Der Halbdämon biss die Zähne aufeinander, richtete sich ein Stück weit auf und warf einen verstohlenen Blick auf alles, was sich bewegte. Nichts. Er roch vergeblich die Luft. Nur Wald, Holz, feuchte Erde und etwas Rauch des Feuers. Seine nackten Füße standen fest auf dem Boden, aber keinerlei Vibration berührte seine Fußsohlen. Und dennoch war er sich sicher, dass irgendetwas definitiv da sein musste. „Sesshoumaru?“ Es war ein Griff ins Blaue, der mit vollkommener Stille belohnt wurde. „Hör auf hier herumzuschleichen, du gruseliger Bastard!“ Erneut nichts als Ruhe und langsam konnte selbst er sein rasendes Herz nicht mehr ignorieren. Scheiße! Wenn es nicht Sesshoumaru ist, was ist es dann?   Plötzlich packte ihn eine Hand von hinten um den Hals und zog ihn zurück gegen eine dornige Rüstung, die sich trotz seiner Robe in seine Haut bohrte. „Ich kann deine Angst riechen, Inu Yasha. Deine leere Tapferkeit ist nicht überzeugend genug“, sagte eine sanfte Stimme neben seinem Ohr, der Atem ließ ein paar Strähnen sich leicht kräuseln und über seine Schulter streifen. Scharfe Krallen bewegten sich um seinen Nacken, der Griff fest, aber nicht tödlich. Es war…tatsächlich sein älterer Bruder. Der Halbdämon hätte fast erleichtert aufgeatmet, nicht weil er in dem Hundedämon keine Bedrohung sah, sondern weil er kein sinnloser Yokai war, der nach Nahrung suchte. Irgendwie ließ das Beute-Gefühl in seinem Körper langsam nach und schnaubte schwach, als er Tessaiga zurücksteckte, nach dem Handgelenk des Daiyokai griff und versuchte, dessen harten Griff zu brechen. Eine verschwende Anstrengung, wie er bald feststellen musste und trotzdem wollte er nicht wie ein Idiot dastehen. Also entschied er sich, sein Gesicht weit nach links zu drehen und wäre fast zusammengezuckt, als seine Wimpern die blasse Haut des Kiefers des Älteren berührten. „Würdest du mich loslassen?“ Fragte er flach und scheiterte an einem weiteren Versuch, seinen Nacken aus der rauen Behandlung zu ziehen. „Ich schwöre dir, du hast etwas für meinen Hals. Du nutzt jede Chance die du bekommen kannst, um – Ow!“ Fünf winzige Einstichstellen zierten seine Haut und bald schon spürte er das warme und nasse Gefühl seines eigenen Blutes. „Wirklich großartig. Jetzt wird erst recht jeder Yokai im Umkreis wissen, dass ich hier bin und meinen Arsch als Mitternachtssnack verzehren wollen!“ „Sei nicht lächerlich.“ Kam die platte Antwort und Sesshoumaru drehte seinen Kopf soweit, dass er Inu Yasha direkt anstarren konnte. „Niemand der schlau genug ist, würde sich freiwillig diesem Gebiet nähern.“   Der Hanyo blinzelte einen Moment, dann streckte er ein Stück seine Unterlippe hervor und schnaubte protestierend. „Oh ja? Nun, du hast vielleicht gerade keine Lust auf Menschenfleisch, aber ein Großteil der herumlungernden Dämonen tut es sehr wohl. Und die werden sich nicht von einem kleinen Lagerfeuer aufhalten lassen.“ Sein Gesichtsausdruck war entschlossen, auch wenn er sich sicher war, dass seine Worte für den Hundedämon wenig Bedeutung hatten. Sein Bruder senkte leicht den Kopf, um Inu Yashas Augen treffen zu können, obwohl der Jüngere ihn nicht wirklich sehen konnte, selbst wenn er so nah war. „Schwächt sich deine bereits magere Intelligenz gemeinsam mit deinen Kräften auf den Neumond? Kein Yokai würde sich einem überlegenen Raubtier näher, ohne einen Todeswunsch zu haben. Du kannst also ganz beruhigt sein und in deinem schwächlichen Zustand ungestört weiterleben, kleiner Bruder. Denn das Einzige, worum du dir wirklich Sorgen machen solltest, bin ich.“ Der Hanyo unternahm einen erbärmlichen Versuch, mit seiner menschlichen Kehle ein Knurren nachzuahmen, ein wütender Ausdruck zierte sein Gesicht und die Angst in seinen Adern verwandelte sich in Sekundenschnelle in pure Wut. „Du arroganter Vollidiot!“ rief er beleidigt aus und ehe er sich aufhalten konnte, drehte er sich irgendwie in dem schraubstockartigen Griff herum, starrte den Älteren an und tat das Einzige, was ihm in diesem Moment einfiel. Er schlug zu. Direkt auf Sesshoumarus Kiefer.   ------------------------------------------------------------------------------   Der Daiyokai knurrte guttural, als der Schock des Aufpralls nachließ und seine Hand schloss sich fester um den Hals des Halbdämons. Inu Yasha hatte ihn tatsächlich angegriffen. In seiner schwachen Form hatte es der Jüngere wirklich vollbracht, einen Treffer auf ihm zu landen und einen minimalen Riss auf seiner Lippe zu hinterlassen. Wie kann er es wagen?! Bevor der Hanyo überhaupt daran denken konnte, über das erschrockene Gesicht seines Bruders zu lachen, hatte der Hundedämon ihn ein paar Schritte zurückgeworfen und ihm aus blinder Vergeltung heftig ins Gesicht geschlagen, wobei seine messerscharfen Krallen die wesentlich zerbrechlichere Haut von Inu Yashas Wange trafen und tiefe Schnittwunden hinterließen. Blutgeruch erfüllte die Luft und die rote Flüssigkeit floss über das Kinn des Menschen, der bei dem scharfen Schmerz heftig einatmete und versuchte einen Aufschrei zu unterdrücken. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Panisch krabbelte Inu Yasha rückwärts und legte eine Hand auf die Wunde, um die Blutung zu stillen, während seine Augen weit aufgerissen waren und in der Dunkelheit nach seinem Bruder suchten. Fuck! Warum musste er immer die dümmsten Zeiten wählen, um Sesshoumaru wütend zu machen? In seinem jetzigen Zustand war das praktisch Selbstmord! Sein rechtes Auge schloss sich zitternd vor dem stechenden Schmerz in seiner Wange darunter und er sah sich vergeblich nach einem Fluchtweg um, ehe das Geräusch von raschelnder Seide seine Ohren erreichte.   Inu Yashas Kopf drehte sich herum und er erkannte in all dem Schwarz die fast leuchtende Gestalt des Älteren, der langsam wieder auf ihn zukam. Sofort zuckte er reflexartig weiter zurück, das Blut floss mittlerweile ungehalten über seinen Hals, seine Hand und über den Unterarm, von wo aus es von seinem Ellenbogen tropfte. Warum muss ich als Mensch auch so viel bluten? Sicher hätte er jetzt jede Art von Yokai in der Gegend angelockt, aber im Moment gab es nur ein Raubtier, welches ihm wirklich gefährlich werden konnte und dieses stand gerade keine zwei Meter von ihm entfernt. Jedoch schien Sesshoumaru nicht den Anschein zu machen, als würde er ihn angreifen. Seine goldenen Augen leuchteten gefährlich in der Nacht, als er die Form des Jüngeren am Boden betrachtete, ein fast wiederholendes Bild des letzten Neumondes – doch im Vergleich dazu, fühlte er sich dieses Mal ruhig und kontrolliert und obwohl sein Biest vor Wut und Missfallen rebellierte, konnte er seine rationalen Gedanken vollkommen frei fließen lassen. Er konnte es sich leisten, gnädig zu sein.   Während der Halbdämon die schweigende Gestalt des Hundedämons weiter betrachtete, kroch er vorsichtig immer weiter zurück, bis er seinen Rücken an einen rauen, schroffen Stamm eines Baumes gestützt fand. Seine dunklen Pupillen waren fest auf Sesshoumaru gerichtet, unfähig den Kontakt zu brechen und wegzuschauen. Fast staunend sah er dabei zu, wie der Daiyokai seine Hand hob und mit den Fingern langsam über den kleinen Schnitt an seiner Lippe fuhr, Inu Yasha dabei die gesamte Zeit über niemals aus den Augen lassend. Der Hanyo zuckte leicht beschämt zusammen, als sich bei dem Anblick seine eigene Wunde wieder wütend bemerkbar machte und er drehte schließlich das Gesicht, um den unlesbaren Blick der Älteren zu entgehen.   „Empfindlich, Inu Yasha?“, fragte Sesshoumaru kühl und trat einen Schritt auf ihn zu. „Du solltest stolz darauf sein. Kein einfacher Mensch schaffte es bisher, mir tatsächlichen eine Verletzung zuzufügen. Auch wenn sie noch so klein ist.“ Der Jüngere schluckte und presste seine Hand krampfhaft auf seine Verletzung. Der Schmerz lenkte ihn für einen Moment von seiner Angst ab und er atmete mehrmals tief durch, bevor er den Mut fand, seinen Arm zu senken und zu antworten. „Wenn du nicht jedes Mal deine Krallen in meine Nähe bringen würdest, wäre nichts davon passiert. Es ist deine eigene Schuld! Du... du hast es verdient.“ Selbst in der Dunkelheit konnte er immer noch nicht Sesshoumarus Gesicht erkennen und feststellen, wie der Ältere das Gesagte wohl aufnahm. Seine eigenen Worte waren wahr, aber sie klangen müde und es fehlte ihnen das übliche Feuer. „Versuchst du mich zu überzeugen?“ Der Daiyokai bewegte sich wieder, bis er vollkommen in Inu Yashas persönlichen Bereich eingetaucht war und den Halbdämon dazu veranlasste, sich schmerzhaft gegen den Baumstamm zu drücken. Er versuchte sich nicht zu winden, als Haare, die ihm nicht gehörten, in einer leichten Brise über seine Haut strichen und sich mit seinen eigenen, dunklen Strähnen vermischten. Dann war Sesshoumaru zu nah. Nah genug, damit selbst der momentane Mensch die berauschende und stürmische Macht riechen konnte, die unter dieser scheinbaren Rüstung purer Perfektion gefangen zu sein schien. Ein Gefühl des Schwindels erfasste ihn, er stieß die Luft aus und bemerkte kaum, dass der seidige Bariton seines Bruders direkt neben seinem Ohr lag und warmer Atem spöttisch über seine Haut strich. „Oder wolltest du dich selbst überzeugen? Du schreckst zusammen, als wärst du der Schuldige, kleiner Bruder.“   Inu Yasha hatte den Kopf leicht gesenkt, unsicher biss er bei den Worten die Zähne aufeinander und seine dunklen Augen funkelten wütend. „Ich fühle mich nicht schuldig! Als ob es mir wichtig wäre, mich wegen dir schuldig zu fühlen!“, spuckte er aus und versuchte verzweifelt die Tatsache zu verbergen, dass er tatsächlich ein solches Empfinden verspürt hatte. Doch als sich Sesshoumarus Gesichtsausdruck nicht änderte, fühlte er stattdessen eine unsichere Bitterkeit in sich aufsteigen, die sich schnell in kalten Zorn verwandelte. „Denkst du, ich fühle mich schlecht? Dass es mir etwas bedeuten würde, weil ich dich verletzt habe? Ich habe dir schließlich deinen gottverdammten Arm abgeschlagen und nur weil du mein beschissenes Leben gerettet hast, werde ich dir nicht weniger in den Arsch treten!“ Seine Stimme war kehlig und rau, das Blut seiner Verletzung rann bei der heftigen Bewegung seines Kiefers schneller über seine Haut und ließ den Schmerz nur deutlicher hervortreten.   Plötzlich griffen Finger nach seinem Kinn und neigten seinen Kopf nach oben, bis seine Augen die seines Bruders trafen. Sesshoumaru starrte ihn einige Herzschläge lang an, sein Gesichtsausdruck ausdruckslos von der Grausamkeit, die Inu Yasha normalerweise nach seiner Tirade erwartete hätte, bevor die strahlend goldenen Augen zu seiner verletzten Wange hinab wanderten und dort verweilten. „Du bist in dieser Form so krankhaft zerbrechlich. Vielleicht steht dir die Menschlichkeit nicht so gut, wie ich ursprünglich vermutetet habe.“ Und ehe der Halbdämon überhaupt über die Bedeutung der Worte nachdenken konnte, glitt Sesshoumaru mit dem Daumen über die Wölbung seines Kiefers und verschmierte das sich sammelnde Blut, nur um es auf seinem Finger aufzufangen. „Andererseits hast du bis heute jeden Neumond so überlebt, nicht wahr?“ Der Daiyokai fuhr mit der Zunge über sein eigenes Fleisch und kniff die Augen leicht zusammen, als er den faden und doch prickelnden Geschmack eklatanter Menschlichkeit bemerkte. Er starrte in die dunklen Teiche von Inu Yashas Pupillen, lehnte sich noch ein kleines Stück näher und fragte dann fast unhörbar: „Wie?“   Wäre Inu Yasha nicht zwischen dem Baum und seinen Bruder eingeklemmt gewesen, hätte ihn diese Fremdartigkeit in dem Verhalten des Älteren sicher vollkommen umgeworfen. Niemand hatte ihn das jemals gefragt. Und die Vorstellung, dass es gerade der Hundedämon war, der diese Fragte stellte, war so unglaublich, dass ihm tatsächlich für den Moment die Worte fehlten. Unbehagen stieg in ihm auf, er riss seinen Kopf von diesem stechenden Blick ab und starrte in die dunkle Nacht hinein – starrte auf alles, was nicht Sesshoumaru war, bevor er in diesen goldenen Teichen noch ertrinken würde. „Wen... wen interessiert es?“, kam schließlich fast flüsternd über seine Lippen und ein leichtes Stirnrunzel zierte sein Gesicht. Es abzustreiten war einfacher, als wenn er darüber nachdenken musste. Er war nicht der Typ, der sich gern mit seiner Vergangenheit befasst, schließlich gab es nur wenig, worauf er zurückblicken und es schätzen konnte. Kikyo. Kagome. Nur ein paar Monate mit ihnen hatten einen großen Eindruck in seinem Leben hinterlassen und daran zu denken war fast immer mit Schmerz verbunden. Denn obwohl er äußerlich nicht viel gealtert war, lebte er bereits über zweihundert Jahre. Und dies bedeutete viele mondlose Nächte, die er zwischen Ästen oder feuchten Höhlen verbracht hatte, die Knie fest an den Körper gepresst, um das Zittern seines Körpers zu unterdrücken. Nächte, in denen Yokai ihn gefunden hatten, sein Fleisch mit ihren Klauen zerrissen und ihn fast töteten, bevor endlich die Sonne aufging und seine Verletzungen heilen konnte. Es waren Nächte kalter Tränen, die über seine Wange strömten, als er noch klein gewesen war und über den Verlust seiner Mutter klagte, verzweifelt auf der Suche nach ihrer Sicherheit, nur um am Ende niemanden zu finden. Im Nachhinein dachte er, dass genau dies sein Charakter geprägt hatte. Es gab ihm die Fähigkeit, vollkommen allein zu überleben. Doch wie sollte er dies Sesshoumaru sagen? Seinem perfekten, unerschütterlichen Bruder? Seine Gedanken und Ängste waren nichts, was er freiwillig an irgendjemanden preisgeben würde und ganz sicher nicht dem Älteren.   ------------------------------------------------------------------------------   „Es muss... schwierig gewesen sein.“, murmelte Sesshoumaru schließlich und richtete seinen unleserlichen Blick auf das glimmende Licht des Lagerfeuers, welches zwischen den Bäumen glühte. „Ich musste kämpfen, aber nie um das Recht auf Leben. Du musstest es tun. Rin jedoch vertraut darauf, dass ich sie immer aus dem Wege der Gefahr ziehe, dass sie nichts verletzten kann. Doch ich werde nicht für immer an ihrer Seite stehen und bevor das passiert, möchte ich, dass sie weiß, wie sie sich selbst retten kann. Deshalb habe ich nach einer Methode gesucht, um dich zu zwingen, sie an meiner Stelle zu unterrichte.“ Inu Yasha schnaubte leise und seine Erschöpfung holte ihn langsam ein. „Hör einfach auf sie zu retten“, kommentierte er hart und er biss sich auf die Zunge, als sich etwas in seinem Bauch krümmte. „Es sollte für dich einfach sein. Immerhin kannst du Leute wunderbar ignorieren, wenn sie Hilfe brauchen. Auch sie wird es irgendwann lernen.“ Die Worte auszusprechen waren schwer. Keinesfalls würde er dem Mädchen jemals eine solche Behandlung wünschen, aber anderes würde Sesshoumaru es wahrscheinlich nie in seinen Kopf bekommen. „Das tat ich bereits“  erwiderte der Daiyokai knapp und wandte seine Blick wieder dem Hanyo zu. „Ich habe zugesehen wie sich die Situation entfalten würde. Am Ende hast du sie gerettet.“ „Du – was?“ Inu Yasha stockte in seiner Antwort, ehe eine Erinnerung langsam ihren Weg in sein Gedächtnis fand und sein Atem für einen Augenblick stoppte. Seine Augen wurden groß, als er an das panische Kind dachte, welches vollkommen allein und verängstigt durch den Wald geirrt war. Und der Bastard hatte sie die gesamte Zeit über beobachtete? „Du hast sie damals einfach allein im Wald gelassen? Bist du vollkommen verrückt?“   „Ich tat was nötig war“, intonierte sein Bruder leise. „Sie war nie in Gefahr.“ „Du verdammter Vollidiot!“, schnappte der Halbdämon und seine Stimme überschlug sich fast. „Selbst ich konnte dich überhaupt nicht spüren, obwohl ich während des Neumondes immer hyperalarmiert bin!“ „Du hast sie gerettet.“ „Und das ist deine Entschuldigung?“ Inu Yasha schien zu explodieren. „Sie ist immer noch ein Kind, verdammt! Im Gegensatz zu uns hat sie fast keinerlei Erfahrungen mit den Gefahren der Welt und du lässt sie in diesem Zustand blind in ihr Verderben stürzen?“ „Und wenn ich das nächste Mal wirklich nicht da bin, Inu Yasha?“ Sesshoumaru zischte leise und die Härte ließ den Jüngeren zusammenzucken. „Tenseiga kann eine Seele nur ein einziges Mal retten. Wenn du dich weigerst ihr zu helfen, habe ich keine andere Wahl als sie in einem Menschendorf zurückzulassen. Und du weißt sehr gut, was das für sie bedeuten würde.“ Ein erschrockener Atemzug entwich dem Hanyo und er schluckte schnell seine nächsten Worte, als er das Gesagte zu realisieren begann. Nicht nur, dass Rin vermutlich für ihr Leben unglücklich werden würde, wenn sie den Daiyokai nie mehr wiedersehen würde, Tenseiga kann auch nur einmal.... „Sie ist schon einmal gestorben.“ Flüsterte er langsam und ein Schauer schlich sich über seinen Rücken. Er hatte nie mit dem Mädchen darüber gesprochen, wie genau sie eigentlich zu seinem Bruder gekommen war und diese neue Erkenntnis ließ ihm schlecht werden. „W-Was ist passiert?“   Sesshoumarus Augen verengten sich leicht und ein wissendes Lächeln zerrte an seinen Lippen, als er sich nach vorn lehnte und seinen Mund direkt neben das Ohr des Menschen brachte. „Du hast eine Schwäche für Kinder in Not, nicht wahr kleiner Bruder? Zu Schade das du dich dazu entschlossen hast, ihr nicht zu helfen.“ Inu Yasha warf ihm einen schmutzigen Blick zu, antwortete aber nicht. Warum lehnte er diese Aufgabe von ganzem Herzen ab? Sicher nicht nur, weil der Daiyokai ihn zu manipulieren versuchte. Denn schließlich ging es hierbei um Rin und letztendlich tat der Ältere etwas, was über seinen eigenen Egoismus hinausging. Sesshoumaru würde nicht von seiner Hilfe profitieren, aber das Mädchen tat es und obwohl er dem Hundedämon immer noch sagen konnte, dass er sie selbst unterrichten sollte, verstand er die Bedeutung hinter den Worten des Anderen. Ein Dämon wie sein Bruder, der mit Macht und Stärke geboren wurde, musste nie um das nackte Überleben kämpfen. Stattdessen ermöglichte ihm sein Yokaiblut selbst im jungen Alter eine erstaunliche Verteidigung und alles was er tat, diente ihm in den meisten Fällen als Training. Und von der Art, wie leicht Sesshoumaru sein Gesicht aufgeschnitten hatte, wäre es sicher keine gute Idee, wenn er Rin etwas über das Kämpfen beizubringen.   „Warum fragst du nicht Sango?“ Fragte der Hanyo schließlich, um sein Zappeln zu beruhigen. „Sie ist ein Mädchen, sie ist menschlich und du hast bereits gesehen wie sie kämpft.“ Der Daiyokai runzelte leicht die Stirn. „Die Fähigkeiten der Dämonenjägerin sind passabel, aber ihr fehlt deine Erfahrung und sie ist mit diesem Mönch verbunden“, antwortete er einfach und ein gewisses Funkeln tauchte in seinen Augen auf. „Außerdem scheint sich Rin aus mir unerfindlichen Gründen tatsächlich um dich zu kümmern.“ Inu Yasha murrte genervt und verzog die Nase. „Klar, im Gegensatz zu Jemanden rede ich ja auch vernünftig mit ihr.“ Er neigte leicht den Kopf und versuchte eine bessere Position an dem Baumstamm zu finden, an dem er noch immer eingeklemmt war. Eigentlich war ihm insgeheim bewusst, dass das Mädchen ihn vor allem wegen der Ähnlichkeit zu seinem Bruder ausgesucht hatte – natürlich mit dem Zusatz seiner beiden flauschigen Ohren. Aber das müsste Sesshoumaru nicht wissen.   Doch bevor der Hundedämon seine Meinung zu diesem Thema ausdrücken konnte, wurden dessen Körper plötzlich vollkommen starr. Die goldenen Augen wanderten langsam in den hinteren Teil des Waldes, starrten einen Punkt an, den Inu Yasha nicht sehen konnte. Ein leises Knurren drang über die Lippen des Älteren und vibrierte in den Ohren des Menschens wieder, der sich sofort anspannte. Hatte er etwas Falsches gesagt? War Sesshoumaru beleidigt? Eine schleichende Kälte breitete sich jäh über seiner Haut aus, seine Nackenhaare stellten sich auf und seine Finger umfassten Tessaigas hartnäckig. Sein Blick zuckte zu dem blassen Gesicht seines Bruders, die scharfen Reißzähne schimmerten fast unheilvoll, aber seltsamerweise riefen sie in diesem Augenblick in ihm keine Angst hervor. Er schluckte schwer, bevor nur ein Wort über seine Lippen fiel.   „Sesshoumaru?“     - Fortsetzung folgt - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)