Beyond the Happy Ending von MsBlueLion ================================================================================ Kapitel 6: Vergiftet -------------------- N°6: Vergiftet   Er ging durch die Dunkelheit, in die Dunkelheit und aus der Dunkelheit. Es war nur er und würde es für immer sein. Sein Wesen war nicht enthalten, frei und treibend, die Barrieren um ihn herum waren nicht mehr existent. Die Freiheit erschreckte ihn, es gab nichts, woran er sich festhalten konnte und doch verspürte er danach das bittersüße Bedürfnis des Verlangens.   Und alles flog auseinander.   Es tat weh sich zu bewegen, weil er sich nicht bewegen konnte. Es war, als ob ein Netz aus Feuer unter seiner Haut kochte, krank und heiß sprudelte es in seinen Adern und verbrannte ihn von innen heraus. Wenn er gekonnt hätte, hätte er geschrien. Hätte dieses Gefühl in sich angeschrien, welches in seinem Körper wütete, sich über die Sehnen ergoss und die Muskeln in Flammen setzte. Er wollte das es aufhörte zu brennen, unaufhörlich, schleppend, zäh. Doch er konnte nicht atmen, er konnte nicht denken und hier an diesem Ort des absoluten Nichts, gab er nur ihn. Nackt und in seiner einfachsten Form, kitzelte ihn der fieberhafte Wahnsinn und er verlor sich in dem eisigen Griff des Todes, der ihn fest umklammerte. Inu Yashas Bewusstsein zog sich zusammen und versuchte diesen verzehrenden Schmerz zu lindern, aber er wickelte sich nur noch weiter um ihn und hielt ihn an seiner Stelle. Der Halbdämon verspürte die Notwendigkeit freizugeben. Grenzenlos zu sein und sich auszudehnen, bis er die Ecken des Universums erreichen konnte. Denn das Versprechen nach Freiheit war groß. Freiheit von den Menschen in seiner Umgebung, Freiheit von sich selbst. Er musste nur loslassen, einfach ausatmen und nie wieder einatmen. Und für den Moment glaubte er daran und ließ sich wieder treiben, fühlte wie Teile von ihm davon schwebten.   Frei – endlich frei.   ---------------------------------------------------------------------------------   Vergiftet.   Sieben Tage und sieben Nächte lang verwüstete ihn das Fieber. Tagelang nur zittern und keuchen, unfähig mehr als nur dünne Brühe zu essen, kaum mehr Nahrung als Wasser, um schlussendlich überhaupt nichts mehr essen zu können. Inu Yashas Augen rollten unter seinen Augenlidern, seine Haut war feucht und schweißnass und seine weißen Haarsträhnen klebten an seiner Stirn. Es war zu viel für ihn, sein Körper war blass und seine Sehnen zuckten vor Anstrengung, obwohl es nichts gab, mit dem sie hätten belastet werden können. Die Wunde an seiner Schulter war rot und blutig, aufgerissen von dem Stachel und verätzt von der Säure. Seine Adern stachen hervor, entblößt und gefüllt mit zwei Arten von Giften, die sich gegeneinander aufbäumten und versuchte, die Oberhand über den jungen Halbdämon zu gewinnen.   Inu Yasha würde sterben.   Rin seufzte leise und sah auf den leidenden Hanyo hinunter, als sie ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn legte. Augenlider teilten sich, ein kurzer weißer Blitz und dann waren sie wieder verschlossen, verloren für die Welt in einem giftigen Delirium. Es wiederholte sich tagtäglich, ein immerwährender Alptraum. Sie wusste genau, dass sie nicht viel für den Halbdämon tun könne, außer über ihn zu wachen und das Wissen anzuwenden, welches sie bei Kaede gelernt hatte. Aber dennoch war sie fest davon überzeugt, alles in ihrer Machtstehende zu tun, um irgendwie zu helfen. Das war sie ihm schuldig. Ihre braunen Augen wanderten über den sterbenden Hanyo, der von dem flackernden Licht in einen goldenen Schein getaucht wurde und für einen Augenblick starrte auch sie gedankenverloren in das Feuer und verfolgte das Züngeln der Flammen an dem trockenen Holz. Sie hatte Angst. Angst um den Halbdämon. Angst vor der Zukunft.   Denn was sie tun konnte, war nicht genug. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit Giften und so wie Inu Yasha im Moment aussah, war es nicht nur die toxische Substanz, die ihn quälte. Eine Infektion musste die Hitze tief unter seine Haut gebracht haben, eine abscheuliche und kranke Hitze, die ihn von innen heraus tötete. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie diese aufhalten sollte. Die Menschen im Dorf, die ähnliche Symptome zeigten, waren innerhalb weniger Tage gestorben, da selbst Kaedes Heilkräuter nicht stark genug waren, um die Qual zu lindern und hier, inmitten des Waldes, gab es keine Pflanzen die ihr nützlich sein könnten. Außerdem war Inu Yasha ein Halbdämon und die wenigen Male, in denen das junge Mädchen ihn verletzt gesehen hatte, hatte er den Schmerz und die Verletzungen immer hartnäckig ertragen und dagegen angekämpft. Aber vielleicht war er jetzt zu weit von seinem Bewusstsein entfernt, um dies tun zu können.   Also badete Rin seine Haut und versuchte vergeblich, sein Fieber zu kühlen und ihn mit der mageren Suppe zu füttern, die sie mit den wenigen Zutaten aus dem Wald herstellen konnte. Für seinen Schmerz gab es nichts. Noch einmal befeuchtete sie das Stückchen Stoff, drehte das Wasser heraus und legte es über seine Stirn, ein paar Haarsträhnen hatten sich über sein Gesicht verirrt und sie strich diese mit einem traurigen Ausdruck sanft beiseite. Sie wollte nicht das er starb, aber sie fühlte sich so nutzlos und am allerschlimmsten war dieses ständig nagende Gefühl der Schuld an ihrem Herzen. Es war ihre Schuld, dass der Halbdämon verletzt wurde, dass er ihr seinen Haori gegeben hatte und dadurch so schutzlos gegenüber dem Skorpion war. Wenn sie nur nicht so unachtsam gewesen wäre... Es hatte sie viele Bitten und Überredungen gekostet, Sesshoumaru davon zu überzeugen, sie in eine kleine Höhle zu führen, den bewusstlosen Hanyo über Ah-Uhns Rücken gelegt und einen entsetzt dreinblickenden Jaken an seiner Seite. Der Daiyokai hatte ihr die volle Verantwortung für seinen jüngeren Bruder übertragen und sie angewiesen, den Unterschlupf nicht zu verlassen, bevor der Hanyo nicht gestorben sei, ehe er spurlos verschwand und bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auftauchte. Der kleine Kappa hatte sich beschwert, aber niemand achtete auf ihn und am Ende wurde er mit einem tödlichen Blick zum Schweigen gebracht, bevor er den scharfen Befehl erhielt bei ihr zu bleiben. Seitdem hockte Jaken missmutig am anderen Ende der Höhle und warf immer wieder böse Blick in ihre Richtung oder murmelte leise Worte, die sie einfach ignorierte.   Ihre Finger griffen nach dem kleinen Dolch, den sie zufällig in einer Innentasche von Inu Yashas Haori gefunden hatte und sie drehte die Waffen zum wiederholten Male in ihren Händen. Die schlichte Schönheit faszinierte sie, obwohl sie nicht genau sagen konnte warum. Der Griff passte seltsam gut in ihre Hand, nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht und das eingravierte Muster erinnerte sie an die unzähligen Blumenfelder im Frühling. Obgleich sie keine Ahnung von Waffen hatte, war sie sich sicher, dass die Klinge scharf und tödlich war, aber sie traute sich nicht die umhüllende Scheide vollständig abzuziehen, weil sie das Gefühl hatte etwas zu öffnen, was ihr nicht zustand. Schließlich war es gut möglich, dass der Dolch ein Geschenk von Inu Yasha an Kagome gewesen war und nun, da die Priesterin nicht mehr da war, hielt er es als Erinnerungen fest bei sich und wäre sicher nicht froh darüber, wenn jemandes anderes die Klinge nutzen würde.   Rin konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem die junge Miko für immer gegangen war. Sie hatte den schmerzhaften Blick in den Augen des Halbdämons gesehen und obwohl sie noch jung war, verstand sie seinen Verlust. Als er in den folgenden Tagen nicht auftauchte, war sie fast bereit gewesen nach ihm zu suchen, doch Kaede hatte sie nicht gehen lassen wollen. „Gib ihm Zeit“, waren ihre Worte und obwohl es ihre Sorge nicht linderte, vertraute sie auf die Vorahnung der alten Priesterin. Dann tauchte Inu Yasha eines Nachts einfach wieder in ihrer Hütte auf, stiller und verschlossener als sonst und er hatte sie angeblickt und gemeint: „Kagome ist dort, wo sie immer hätte sein sollen.“ Und ab diesem Zeitpunkt ging alles wieder seinen gewohnten Gang, auch wenn sie sehen konnte, dass der Hanyo nie diesen traurigen Ausdruck in seinen Augen verlor. Er hatte drei Jahre lang auf Kagome gewartet. Drei Jahre, in denen ein anderer bestimmt schon längst weitergezogen wäre. Doch Inu Yasha blieb standhaft und glaubte daran, dass Kagome eines Tages wieder zu ihm zurückkehren würde und als sie dann plötzlich wieder da war.... sie hatte ihn wahrscheinlich noch nie so glücklich gesehen - und gerade deswegen schmerzte es sie daran zu denken, dass er am Ende die Miko für immer loslassen musste.   Während sie unter Kaedes Obhut stand, fand sie sich ziemlich häufig in der Gesellschaft des Hanyo wieder. Anfänglich war sie von seiner rauen Art etwas irritiert, war er doch so anders zu Sesshoumarus stillem Auftreten, aber irgendwann hatte sie einfach angefangen darüber hinauszusehen und sie erkannte, dass Inu Yasha unter seinem unhöflichen Verhalten noch so viel mehr versteckte. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum sie schlussendlich eine seltsame Freundschaft zueinander aufbauten oder weil es sich der Halbdämon heimlich zur Aufgabe gemacht hatte über sie zu wachen, wenn er glaubte niemand würde es bemerken. Denn von all den Dingen, die Rin über Inu Yasha gelernt hatte, war sie sich einer Sache ganz sicher: Der Hanyo war viel einfühlsamer und emotionaler, als es auf den ersten Blick schien und in gewisser Weise ähnelten sich die beiden Brüder in dieser Hinsicht wahrscheinlich mehr, als es ihnen lieb wäre. Denn wo Sesshoumaru seine Emotionen hinter einer kalten Maske streng verborgen hielt, versteckte Inu Yasha sie hinter einer Front seines impulsiven Charakters und das Mädchen zweifelte nicht daran, dass Dämonen in solchen Dingen weitaus komplizierter waren, als dass Menschen jemals ein tieferes Verständnis dafür entwickeln könnten.   Was auch immer das tiefere Wesen der Hundedämonen war, sie würde es vermutlich nie vollständig erkennen können.   ---------------------------------------------------------------------------------   Ein leises Keuchen riss Rin aus ihren Gedanken und sie blickte überrascht zu Inu Yasha, dessen rissige Lippen sich teilten, bevor ein fast lautloses Wort aus seiner Kehle drang. „M-Mutter.“ Ihre Kehle wurde staubtrocken und sie konnte den Stich der Traurigkeit nicht verhindern, wie sie auch ihre eigenen Tränen nicht aufhalten konnte, still zu fließen. Ein Zittern durchlief ihren Körper und sie presste die Zähne fest zusammen, in dem mageren Versuch stark zu bleiben. Wie sie sich wünschte jemand wäre in diesem Moment bei ihr, um sie in den Arm zu nehmen, dass jemand anderes auf dem Sterbebett lag, als ein ihr liebgewonnener Freund. Doch hier saß sie, allein in einer kahlen Höhle und versuchte verzweifelt die Nässe auf ihren Wangen abzuwischen und das Schluchzen aus ihrem Mund zu unterdrücken. Ohne Erfolg. Rin strich mit dem Handrücken über Inu Yashas erhitzte Haut und drückte dann die Stirn auf seine Brust, sein Haori bald feucht von ihren Tränen. Niemand hatte es verdient allein zu sterben, vor allem nicht Inu Yasha.   Ihre Finger verkrampften sich um den roten Stoff des Feuerrattengewandes und das Mädchen konnte den leisen Herzschlag unter sich fast nicht mehr hören, wie auch das Heben und Senken des Oberkörpers immer langsamer wurde. Ihre Hände streiften nach oben, schlangen sich vorsichtig um den Hals des Halbdämons und umarmten ihn fest, während Rin ihren Kopf an den heißen Nacken presste. „Bitte Inu Yasha... stirb nicht“, flüsterte sie schniefend und hoffte irgendwie darauf, dass sie die Krankheit aus seinem Körper drängen könnte, wenn sie ihn nur lange genug halten und nicht loslassen würde. So war das plötzlich heftige Aufflackern des Feuers die einzige Warnung die sie erhielt und als sie sich aufrichtete, war er nahe genug, um sie beide zu töten. Doch Sesshoumaru stand einfach nur regungslos am Eingang der Höhle, als wäre er die ganze Zeit dort gewesen. „S-Sesshoumaru-Sama.“ Der Name kam etwas ungläubig über Rins Lippen und für einen Augenblick konnte sie sich nicht entscheiden, was sie tun sollte. Also verweilte sie in ihrer fast schon beschützenden Position und schenkte dem Daiyokai trotz der Tränen ein Lächeln. „Er ist dem Tode nahe.“ Die kühle Feststellung ließ das erleichterte Gefühl im Körper des Mädchens schwinden und sie nickte leicht müde, als sie wieder auf den Halbdämon starrte. Es gab eine abrupte Bewegung von links, den Ansatz einer schrillen Stimme, aber so schnell wie es begonnen hatte, war es auch wieder vorbei und Jaken lag zusammengesunken in der Ecke, wo er die letzten Stunden geschlafen hatte. Ah-Uhn hob nur einen seiner Köpfe, ein sanftes Schnauben ertönte als Begrüßung, bevor er sich wieder zusammenrollte und seine Augen schloss.   „Sesshoumaru-Sama....“ , begann Rin wieder leise und konnte die kalten Goldaugen auf sich spüren, „I-ich kann nichts für Inu Yasha tun... sein Fieber steigt die ganze Zeit und er ist halb verhungert, weil ich ihn durch seinen geschwollenen Hals nicht zum Essen bringen kann... Und das ist alles nur meine Schuld!“ „Sei nicht töricht, Rin. Du trägst keine Schuld an der Schwäche des Hanyo.“ „Aber es ist!“ Ihr plötzlicher Ausbruch überraschte sie beide, obwohl es der Hundedämonen nicht zeigte. Doch das Mädchen achtete nicht darauf, denn im Augenblick war sie zu überwältigt von ihren eigenen Emotionen und sie wurde sich schlagartig bewusst, dass sie in ihrem jungen Alter nicht wirklich damit umgehen konnte. Ihre Standhaftigkeit der letzten Tage begann zu brechen. „Ich meine... wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er nicht verletzt wurden. Egal was ich tat, alles war nutzlos. Ich bin für seinen Tod verantwortlich!“ Sesshoumarus Blick wurde härter und er schritt in den kleinen Unterschlupf hinein, seine Gestalt füllte fast die komplette Höhle. „Wenn er stirbt, dann nur, weil er aufgehört hat zu kämpfen. Er traf seine eigene Entscheidung, als er sich dazu entschlossen hatte dem Yokai entgegen zu treten, obwohl er in diesem Moment schutzlos war. Es ist seine Dummheit, die ihn das Leben kostet.“ „Das ist nicht wahr!“ Rin wäre fast aufgesprungen, doch sie wollte sich nicht aus ihrer Position lösen und schüttelte nur heftig den Kopf. „Es ist nicht wahr... Inu Yasha hat mich beschützt, wie er jeden seiner Freunde beschützen würde. Er hat mich beschützt, wie er Kagome beschützen würde und daran gibt es nichts falsches.“ Ihre wässrig braunen Augen starrten in ausdrucksloses Gold, die Tränen rannen weiter über ihre Wangen. „Er beschützte mich so, wie Ihr mich immer beschützt habt.“   Sesshoumaru schwieg und blickte auf das menschliche Kind, welches er vor mehr als vier Jahren in seine Obhut aufgenommen hatte. Nur das an seiner Stelle kein Kind mehr saß. Längst waren die Tage des stummen und gebrechlichen Kindes vorbei. Rin war zu einem jungen Mädchen herangewachsen, welches sich nicht länger mehr nur um Blumenfelder kümmerte. Sie lernte auf eigenen Beinen zu stehen und auch wenn sie manchmal noch ein wenig wackelte, begann sie ihren Verstand dort zu nutzen, wo es wichtig war. Das junge Mädchen, welches Tenseiga einst aus einer scheinbaren Laune heraus gerettet hatte, war älter geworden, erwachsen. Und sie hatte das erste Mal seit ihrer gemeinsamen Reise den Mut entwickelt, ihm zu widersprechen. Gleich zweimal. Irgendwo in ihm verspürte er das zufriedene Gefühl des Stolzes. Kinder wurden doch so seltsam schnell alt.   ---------------------------------------------------------------------------------   Ein erstickender Aufschrei riss beide aus ihrer stillen Betrachtung, Inu Yasha drehte den Kopf und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Sein ganzer Körper spannte sich an, Fäuste ballten sich und Krallen kratzten nutzlos über den glatten Stein. Ein Zittern erfasste ihn, der Schweiß begann augenblicklich zu fließen und ein Geräusch, welches einem kläglichen Wimmern am ähnlichsten klang, brach aus seinen Lippen hervor. Feuchtigkeit begann unter seinen Wimpern zu glitzern und dann lief die erste und einzige Träne – er war gefangen in einem fieberhaften Alptraum. Rin keuchte erschrocken auf und versuchte die windende Gestalt des Halbdämons möglichst ruhig zu halten und verpasste dabei den sich verengenden Blick des Daiyokai. Inu Yasha war schwach. Unter normalen Umständen hätte er sich wenig für diese Erkenntnis interessiert, immerhin war der Junge nur die Hälfte von ihm. Aber dies waren keine normalen Umstände und Sesshoumaru wurde wütend. Der Hanyo war nach all den Kämpfen stark genug geworden, um dem Gift seiner Säureklauen zu widerstehen und das schädliche Skorpiongift mit den befindlichen Toxinen in seiner Blutbahn zu verbrennen und doch würde er im Nachhinein an einer einfachen menschlichen Infektion sterben. Für einen Moment streifte seine Hand Tenseiga, doch das Schwert blieb schmerzhaft stumm und würde nicht auf seine stille Anfrage reagieren. Es war erniedrigend daran zu denken, dass ein Sohn des Inu no Taisho auf eine solche demütigende Art und Weise zu Grunde gehen würde, dass selbst das Schwert des Himmels ihn für unwürdig hielt.   Doch Sesshoumaru würde nicht zulassen, dass dies die letzte Schlacht war, die der Hanyo in dieser Welt schlagen würde. Der Halbdämon hatte noch immer seinen Zweck und nach alldem, was er zuvor beobachtete hatte, schien Rin tatsächlich eine Freundschaft zu ihm entwickelt zu haben und würde es sicher nicht gut verkraften, ihn sterben zu sehen. Seine goldenen Augen wurden härter und er starrte zu dem Mädchen, von dem die Angst in Wellen abzurollen schien, bevor er wieder zu seinem Halbbruder blickte. War er nicht derjenige gewesen der dafür sorgen wollte, dass der Hanyo sich nicht selbst umbrachte? Oh Inu Yasha würde tief in seiner Schuld stehen. Sehr tief. „Rin.“ Ihr Name reichte aus, damit ihr Kopf sofort zu ihm schnappte und er konnte den Hoffnungsschimmer in den braunen Augen deutlich sehen. „Wenn du ihn retten willst, bereite etwas Brühe vor die er schlucken kann und geh frisches Wasser vom Fluss holen.“   „Sofort Sesshoumaru-Sama!“ Und zurück war das Kind, welches ohne Zweifel jedem seiner Befehle folgen würde. Schnell wischte sie sich ihre eigenen Tränen von ihrem Gesicht und sprang dann auf, um die mageren Reste der Suppe in einem kleinem Topf zu erwärmen, den sie neben anderen Dingen von Kaede als Abschiedsgeschenk erhalten hatte, ehe sie mit einer Schüssel hinaus zum Fluss verschwand. Der Hundedämon näherte sich dem Halbdämon, sobald das Mädchen verschwunden war und ließ seinen kühlen Blick über dessen Körper laufen. Die einst sonnengebräunte Haut war tödlich blass, der Hanyo schnappte hechelnd nach Luft und seine Augen waren zwischen dichten, schwarzen Wimpern kaum sichtbar; blind und nicht sehend in seiner Betäubung. Sesshoumaru hatte ihn noch nie so gesehen. Er fand es unpassend. Der Daiyokai beugte sich nach unten, sodass sein Mund nur noch wenige Zentimeter vor einem der Welpenohren entfernt war und sprach dann mit einer Stimme, die kaum über ein flüstern hinausging: „Du wirst erst sterben, wenn ich es dir erlaube, kleiner Bruder. Nicht früher. Ich habe deinen Tod für mich beansprucht und ich bin der Einzige, der dich töten kann. Vergiss das nicht.“   Sesshoumaru heizte das Lagerfeuer noch einmal an. Die Flammen schlugen nun fast bis zur Decke der kleinen Höhle und erzeugten eine brennende Hitze auf der Haut. Ah-Uhn wurde gemeinsam mit einem bewusstlosen Jaken nach draußen geschickt, denn der Hundedämon hatte wenig Geduld in diesem Moment auch mit dem nervigen Kapps umgehen zu müssen. Alles was dem Halbdämon im Moment helfen würde war Wärme und der Daiyokai zog das rote Gewand von seinem Bruder. Binnen weniger Minuten, begann der Hanyo zu schwitzen, obwohl sein Körper zitterte, als ob ihm kalt wäre. Doch die Infektion musste noch hinauskommen. Sesshoumaru roch an der einfachen Brühe, ein paar wilde Kräuter, Pilze und Nüsse, die der Wald im Herbst zu bieten hatte. Es würde niemanden groß ernähren können, aber für Inu Yasha war dies vollkommen ausreichend. Wenn er Glück hatte, würde ihm das genügend Energie geben, damit sein dämonisches Blut die Krankheit abwehren konnte. Mit einem letzten unzufriedenen Blick auf den Halbdämon, fragte sich der Daiyokai wütend, wann er zu einem Kindermädchen für seinen kranken Halbbruder geworden war, eher er einen Schluck der Flüssigkeit in den Mund nahm und Inu Yashas Kopf am Nacken nach oben hob. Er drückte mit seiner verbliebenen Hand den Kiefer ein Stück weit auf, bevor er seine Lippen auf die des Hanyo drückte und die Suppe langsam nach unten fließen ließ, während er seinen Hals massierte, um das Schlucken zu erleichtern.   Es dauerte fast eine viertel Stunde, ehe die Schüssel zur Hälfte geleert wurde und mehr als einmal musste Sesshoumaru den Drang unterdrücken, den Jüngeren einfach zu erwürgen, weil er ihn zu einer solch erniedrigenden und mühseligen Arbeit zwang. Als er den Kopf schließlich wieder senkte, bemerkte er die feine Schweißschicht, welche sich durch die Hitze selbst auf seiner Haut gesammelt hatte und er knackte mit den Fingerknöcheln, als er einen Schritt zurücktrat. Inu Yasha hatte sich während der Prozedur kein einziges Mal bewegt und das trieb ein fast unmerkliches Stirnrunzeln auf das Gesicht des Hundedämons. Er war kein Yokai der Schwäche tolerierte und dies war der Hanyo, der Naraku getötet und es gewagt hatte, ihm ein Arm abzuschneiden. Dies war sein Halbbruder, der sein Leben für andere opferte, der drei Jahre lang unerbittlich auf das eine Mädchen gewartet hatte und immer der dumme, treue Wachhund eines menschlichen Dorfes gewesen war. Und jetzt lag der laute und dreiste Idiot still, krank und verletzlich nur wenige Zentimeter vor ihm im Sterben. Sesshoumarus Lippen kräuselten sich, er war mehr als nur unzufrieden.   Im selben Augenblick kam Rin zur Öffnung der Höhle hinein, das Wasser schwappte ein wenig hin und her, tropfte aber nicht auf den Boden. Ihr Gesicht war leicht gerötet, vermutlich war sie schnell gelaufen und die Wärme in der Höhle machte es ihr nicht einfacher, wieder zu Atem zu kommen. Mit einem sanften Ausdruck stellte sie die kühle Flüssigkeit neben den Halbdämon und richtete dann ihren Blick auf den Daiyokai, der ihre Bewegungen mit stummer Miene verfolgte. „Geh dich ausruhen, Ah-Uhn wird dich warmhalten.“ Der Hundedämon wusste, dass das Mädchen seit einer guten Woche nicht mehr anständig geschlafen hatte und wenn er die Infektion vollständig aus dem Körper des Hanyo herausholen wollte, musste er das Feuer noch einmal richtig Hochheizen, um sein Fieber zu brechen – etwas, was Menschen nicht verkraften würde. Sollte Inu Yasha zu Bewusstsein kommen, würde er sich von dort aus erholen können. „Ja, Sesshoumaru-Sama.“ Mit einer Verbeugung lief Rin zurück zum Ausgang, hielt dann aber noch einmal inne und drehte sich zu ihm zurück. „Ich danke Euch. Für alles.“ Der aufrichtige Ton in ihrer Stimme, ließ ihn den Kopf zu ihr drehen und sie schenkte ihm das gleiche strahlende Lächeln, welches sie ihm an dem Tag gab, als er sie in dem Wald nach den Verletzungen in ihrem Gesicht fragte. Er, verletzt durch die Windnarbe, noch unfähig sich zu bewegen und sie, ein kleines, verwaistes Mädchen, welches über eine solch einfache Frage tatsächlich lächelte. Für ihn. Seine Augen weiteten sich minimal, zu wenig als dass sie es bemerken könnte, ehe seine Maske zurück an ihren Platz rutschten. „Geh schlafen, Rin.“ Nichts weiter wurde gesagt, das Mädchen verschwand nach draußen und ließ den Daiyokai mit den Halbdämon allein.   ---------------------------------------------------------------------------------   Sein Bewusstsein kehrte schleppend langsam zu ihm zurück und doch konnte Inu Yasha nicht vollständig erwachen. Als würde er durch die Dunkelheit schwimmen, schaffte er es manchmal einen Teil seiner Umgebung wahrzunehmen, konnte beinahe die Kraft aufbringen, seine Augen zu öffnen, bevor er wieder in die tröstende Tiefe des Schlafes zurückfiel. Die Momente der Klarheit waren kurz aber stark, er fühlte sich überfordert mit den Empfindungen seines Körpers und konnte nicht einordnen, was richtig und was falsch war. Er fühlte sich heiß und zeitgleich kalt, seine Schulter brannte, obwohl er keine Ahnung hatte warum. Der Rest seiner Glieder war taub und kribbelte, während eine ungeheure Hitze über seine Haut kroch und sein Blut zum Kochen brachte. Aber so intensiv die Wahrnehmungen auch waren, so plötzlich verschwanden sie wieder und der Halbdämon vergaß alles um sich herum, bis er wieder erwachen würde.   Als er sich das nächste Mal der Außenwelt öffnete, wirbelte Sesshoumarus Duft durch seine Sinne und Inu Yasha war in diesem Augenblick klar, dass er sterben würde. Sein Halbbruder war viel zu nah und er viel zu schwach, um irgendetwas anderes tun zu können, als sich seiner Gnade auszuliefern und zu hoffen, dass der Ältere vielleicht ein wenig Sympathie zeigen und ihn wenigstens schnell töten würde. Panik überflutete ihn, obgleich er sich nicht bewegen oder sprechen konnte. Er wollte nicht sterben. Nicht so, nicht hier. Vielleicht hätte er eine Niederlage in einem Kampf gegen den Daiyokai verkraften können, aber das hier.... das war einfach demütigend. Er lag auf dem Rücken, sein verletzlicher Bauch und seine Kehle waren in einer Weise der Welt um ihn herum präsentiert, wie er es niemals hätte zu lassen können. Ein gefundenes Fressen für jedes Raubtier und Sesshoumaru war ein solches Raubtier. Wäre er stark genug gewesen, hätte er wenigstens versucht sich umzudrehen, aber er war so schwach, dass er nur nach Luft schnappen konnte.   Etwas lief über seine Schulter, die Verletzung brannte für einen Augenblick, bevor sich die Muskeln entspannten und locker wurde. Der warme, nasse Schwall kehrte immer wieder in ruhigen Bewegungen über seine Wunde zurück, federleichte Berührungen strichen über seine Haut, bevor sie wieder verschwanden. Niemals hörte Inu Yasha das metallische Geräusch eines gezogenen Schwertes oder das vertraute Zischen von Giftklauen, es gab keine Krallen die sich in seinen Körper bohrten, seinen Hals quetschten oder ihn zerrissen. Alles blieb ruhig und er erhielt nicht mehr Schmerzen als die, die bereits durch seine fiebrige Gestalt wallten. Es verwirrte ihn, sein Verstand konnte nicht begreifen was geschah und so ließ er sich zurück in das Nichts gleiten und hatte bald schon das Gefühl, dass er alles nur geträumt hatte.   Er wurde Sekunden, Minuten oder Jahre später wieder in die Wachwelt gezogen, als eine Flüssigkeit in seinen Mund floss und er verzweifelt versuchte sie zu schlucken - Wasser. Kaltes, klares Wasser, welches seinen brennenden und geschwollenen Hals beruhigte und ihn dazu veranlasste, mit seinem Mund nach mehr zu suchen. Doch er fand nur einen merkwürdig warmen Druck über seinen Lippen. Der Duft seines Halbbruders verweilte immer noch um ihn herum und sein Bewusstsein konnte nicht mehr länger unterscheiden, was ihm gehörte und was Sesshoumaru. Plötzlich fiel es ihm schwer wach zu bleiben, sein Versuch scheiterte und die Dunkelheit rollte wieder über ihn hinweg.   Er hatte die Zählung verloren, wie oft schlief und aufwacht, nur um wieder zu schlafen und aufzuwachen. Und immer, wenn er sich aus der warmen Geborgenheit hinaus kämpfte, war Sesshoumaru um ihn herum. Der Halbdämon verstand es nicht. Er wusste nur, dass seine Kraft langsam zu ihm zurückkehrte und dass die Hände, sich über seine Stirn bewegten und die Krallen, die seine Wangen berührten, ihm in diesem Augenblick nichts anhaben konnte. Es machte ihn seltsam glücklich.   Und für Inu Yasha war dies Beweis genug, dass er tatsächlich sehr krank sein musste, um von solchen unmöglichen Dingen zu träumen.   ---------------------------------------------------------------------------------   Das Fieber brach endlich, als der Himmel in oranges Licht getaucht wurde und sich die Morgendämmerung über das stille Land legte. Inu Yasha Schüttelfrost hörte auf und an seiner Stelle begann echter Schweiß von seinem Körper zu strömen, als er plötzlich der erdrückenden Hitze in der Höhle erlag. Sein Herzschlag stabilisierte sich und seine Atmung wurde von Minute zu Minute ruhiger, das Rasseln in seiner Lunge hatte aufgehört und die tödliche Blässe verschwand. Als würde er seit einer langen Zeit das erste Mal wieder richtige Atmen können, ließ der Halbdämon die Luft um sich herum in seinen Körper strömen und sammelte seine neugewonnene Kraft, um endlich seinem Schlummer entkommen zu können. Goldene Pupillen erschienen unter schwarz flatternden Wimpern, Inu Yasha öffnete mit ein wenig Anstrengung seine Augen und fand eine Schale an seinen Lippen und seinen Kopf auf einem weiß gekleideten Oberschenkel gepolstert. Einen Augenblick lang musste sein Verstand noch um die Funktionen seiner Glieder ringen, bevor er automatisch den Mund öffnete und die Brühe in seine Kehle fließen ließ. Das Schlucken tat weh, wie es auch das Atmen tat, aber es war ein ganz anderer Schmerz, als den, den er in den letzten Stunden gefühlt hatte. Oder waren es Tage? Vielleicht schon Wochen? Er wusste nicht wie lange er geschlafen hatte, aber das bewusste Gefühl seiner steifen Muskeln, der salzige Geschmack auf der Zunge und die Wärme seiner eigenen Haut waren Beweis genug. Er war am Leben. Und dieses Wort hatte noch nie so süß für ihn geklungen.   „S-Stopp.“ Es dauerte eine Weile, bis er das Wort über seine Lippen bringen konnte, seine Stimme rau und heiser, weil er sie so lange nicht gebraucht hatte. Ein brennendes Husten schlich sich in seine Kehle, er zuckte bei dem kratzigen Gefühl zusammen und kniff für einen Moment die Augen zu, um die sich darin sammelnde Flüssigkeit zu unterdrücken. Sobald er sich etwas beruhigt hatte, schob der die Schale mit leicht zitternden Händen von seinem Gesicht weg, nur um inmitten der Bewegung innezuhalten. Lange schlanke Finger, die mit scharfen Krallen verziert waren, schlangen sich anmutig um die Schüssel. Zwei magentafarbene Streifen wickelten sich auf der blassen Haut um das schmale Handgelenk und ein Stück eines rot-weißen Ärmels gelangte in seine periphere Sicht. Und dies war der letzte Hinweis, den er brauchte. Mit den minimalen Energiereserven die er in seinem Körper gesammelt hatte, bäumte sich Inu Yasha auf und stieß aus seiner Position nach oben. Adrenalin schoss durch seine bereits missbrauchten Adern und er versuchte verzweifelt nach Tessaiga zu greifen, als sich seine Welt zu drehen begann. Doch er hatte es nicht erreichen können und stattdessen schlangen sich zwei kräftige Hände um seine Schultern und hielten ihn mühelos ruhig. Der Halbdämon keuchte schwach und wollte sich noch einmal aus dem Griff seines Bruders befreien, aber seine Körper erschlaffte und er lag wieder still, ausgelaugt von seinem sinnlosen Kampf um Freiheit. Große Augen starrten in stummen Entsetzen zu dem Daiyokai auf und er musste sich nun doch fragen, ob er gestorben und in der Hölle gelandet war.   Die flachen, goldenen Augen, die zurück starrten, zeigten deutlich Sesshoumarus Missfallen. Tatsächlich wirkte seine gesamte Gestalt höllisch. Das normalerweise makellose Haar war leicht zerzaust, ein dünner Schweißfilm bedeckte seine Haut, während seine Rüstung und seine Schwerter ordentlich an eine Wand gelehnt wurden waren. Alles was er trug war die rote und weiße Seide, der dunkle Obi und die schwarzen Stiefel. Selbst Mokomoko hatte sich hinter ihm über den Boden erstreckt und ohne das Fell wirkte der Daiyokai noch größer und schlanker. Inu Yasha konnte mit seinem frisch erwachten Bewusstsein die Änderung in dem Aussehen des Hundedämons nicht vollständig begreifen. Er blinzelte mehrmals, aber das Bild ging einfach nicht weg und je länger er aufblickte, desto deutlicher wurden zwei Tatsachen: Er war noch am Leben und er hatte auf Sesshoumarus Bein geschlafen!   „Ich bin tatsächlich in der Hölle“, entkam flüsternd seinen Lippen und er stöhnte dann gebrochen auf. Es konnte nur die einzig logische Erklärung dafür sein, warum der Idiot eines Bruders ebenfalls hier war und ihn offenbar wie ein Kindermädchen pflegte. Das war seine Strafe. Für den Rest seines nun unsterblichen Lebens, würde er von Sesshoumaru gequält werden, angefangen in diesem Augenblick. Dies ließ nur die Frage aufkommen, ob die Unterwelt es für eine gute Idee gehalten hatte, anstatt eines normalen Höllendämons einfach seinen Bruder als seinen persönlichen Foltermeister zu wählen oder ob der Daiyokai ebenfalls von dem beschissenen Dämon getroffen wurde - obwohl es in seinen Augen unmöglich war, dass der Ältere tatsächlich an einem so kleinen Yokai gestorben wäre und hatte er das Tier nicht eh in zwei Hälften geschnitten? Verwirrt blickte Inu Yasha immer noch zu dem Hundedämon auf, keine wirkliche Erklärung für das Ganze um ihn herum und die Stille machte ihn nur noch unbehaglicher, bis er schließlich den Mut aufbringen konnte, weiter zu sprechen. „Was ist passiert?“   Sesshoumaru ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Stattdessen studierte er etwas in dem Gesicht des Jüngeren, bevor er sich tatsächlich dazu entschloss, etwas zu sagen. Ob er gefunden hatte was er suchte, konnte der Halbdämon nicht sagen, aber die Gesichtszüge des Daiyokai wurden wieder hart und abwertend und seine kühle Stimme vibrierte verächtlich in den Hündchenohren. „Du bist tief genug gesunken, damit durch ein solch einfaches Gift eine Infektion in deinen erbärmlichen Körper eindringen konnte. Seitdem ist eine Woche vergangen.“ Wenn Inu Yashas Augen noch größer werden könnten, so taten sie es in diesem Moment, bevor er schwach grinste. „Scheiße...Du musst jetzt enttäuscht sein, oder?“ Die Resignation in seiner Stimme war deutlich zu hören und er schloss wieder seine Lider, um den stechenden Blick des Älteren zu entgehen. Also war das doch alles nur eine Einbildung seines Fiebertraumes? Die Reinigung seiner Wunde, das kühle Wasser oder Sesshoumarus ständige Präsenz? Er dreht den Kopf und starrte zwischen halbgeöffneten Augen auf seine Schulter. Die Haut war noch immer wütend rot und eine frische Narbe spannte sich an der Stelle, an der der Stachel eingeschlagen war. Es würde dieses Mal wohl eine Weile dauern, bevor sein Körper wieder vollkommen unberührt von jeglichen Verletzungen war.... Das Einzige was fehlte war die Infektion und auch ansonsten war die Wunde sauber und trocken. Langsam und misstrauisch roch der Halbdämon subtil an der Verletzung und sein Kopf schnappte so hart zurück, dass er für einen Augenblick Sterne sah. Er schüttelte sich und versuchte das zu unterdrücken, was seine Sinne ihm sagten. Sein Atem stockte und er begegnete erneut den kälteren, schmalen Zwillingspupillen über sich. Rins verblassender Duft war um ihn herum, aber darüber hinaus lag Sesshoumarus Geruch überall auf seiner Wunde – und überall auf ihm.   Er wurde gepflegt von... seinem Bruder?   --------------------------------------------------------------------------------- Plötzlich krampfte sich Inu Yashas Magen zusammen und seine Welt begann sich in schwindelerregender Schnelligkeit zu drehen. „Oh fuck, ich glaube, ich werde krank.“ Er keuchte und konnte den widerlich sauren Speichel schmecken, der aus der Seite seines Mundes lief. Ein Ruck lief durch seinen Körper und er presste die Hand auf den Mund, um den überwältigenden Drang des Erbrechens zurückzudrängen. Seine Muskeln krampften, neuer Schweiß lief über seine Haut und er begann unkontrolliert zu zittern. Eine schmale Hand drang in sein Sichtfeld ein und mit weit aufgerissenen Augen versuchte der Hanyo von Sesshoumaru herunterzurollen, als er angestrengt keuchte und jegliche Farbe wieder restlos aus seinem Gesicht verschwand. Er war kreidebleich. „B-bleib weg von mir!“, brachte er in leisen Tönen panisch über die Lippen, seine Ohren vor Entsetzten so weit in das Haar zurückgesteckt, dass man sie kaum noch sehen konnte. „Nimm was du willst, aber geh weg von mir!“   Sesshoumarus Augen verengten sich leicht bei dem Anblick seines Bruders, der wie ein getretener Welpe vor ihm zurückwich. Der Angstgeruch hing schwer in seiner Nase und veranlasste ihn fast dazu, seine Zähne zu blecken. Inu Yasha hatte in einem Kampf noch nie ein solches Verhalten gezeigt, aber die alleinige Erkenntnis, dass der Daiyokai sich um die Verletzungen gekümmert hatte, schien eine solche Reaktion auszulösen. Es ärgerte den Hundedämon mehr, als ihm lieb wäre und er kehrte zu seinem kalten und ungerührten Gesichtsausdruck zurück, als er sprach. „Unhöflich wie immer. Offenbar ging es dir nicht schlecht genug, wenn du noch nicht einmal Dankbarkeit zeigen kannst.“ Seine Stimme war so flach und stoisch wie gewöhnlich, „Sag mir, wie willst du mich in deinem momentanen Zustand dazu bringen, zu gehen?“   Als hätten diese Worte etwas in dem Halbdämon ausgelöst, flackerten die zuvor ängstlich goldenen Pupillen mit einem wütenden Feuer auf. Ein wenig erstaunt sah der Ältere dabei zu, wie Inu Yasha sich trotz bebender Arme von Boden drückte, dann seine Beine unter seinem Körper vorzog und genug Kraft aufbringen konnte, um sich tatsächlich nach oben zu stemmen. Er schwankte, stolperte einige Meter nach hinten, fand dann aber das Gleichgewicht und hielt sich keuchend aufrecht. Sein Blick schwang kurz durch die Höhle, doch er konzentrierte sich nicht wirklich auf seine Umgebung. Nichts ergab für ihn Sinn. Sesshoumaru sollte sich nicht um ihn kümmern, sollte nicht so lange in seiner Nähe sein, ohne ihn zu töten. Die Welt um ihn herum drehte sich und eine bekannte Dunkelheit kroch an den Rändern seiner Sicht entlang. Er musste irgendetwas verpasst haben, irgendein Detail musste ihm fehlen. Welche Art von krankem Spiel war das hier? War er vielleicht am Ende wirklich verrückt geworden und das war alles nur eine Halluzination seines kranken Kopfes? Der Halbdämon taumelte erneut und wäre fast gestürzt, doch seine pure Willenskraft und das Adrenalin hielten ihn aufrecht. Die verweilende Hitze in dem kleinen Unterschlupf brannte auf seinem nackten Oberkörper, sein Haar hing strähnig und verfilzt über seinen Rücken.   Seine Nase zuckte verzweifelt, er versuchte irgendetwas anderes außer dem Daiyokai zu riechen und konnte den schwachen Duft des Drachens und der Kröte erkennen, Rins seltsam blumige Präsenz lag ebenfalls in der Luft. Wo zum Teufel war er überhaupt? Und wo war das Mädchen? Inu Yasha machte sich keine großen Illusionen über die Wahrnehmung seines Bruders. Für den Älteren war er schwach und wertlos, er hasste ihn bis auf das Blut, welches durch seine Adern floss. Er wurde für den Tod seines Vaters verantwortlich gemacht, obwohl er nur ein Neugeborenes war. Seine Augen begannen zu brennen und er drückte die beschämenden Tränen weit zurück. Der Halbdämon wusste, dass er sich beruhigen und nachdenken musste, aber mit Sesshoumaru so nahe an seiner Person und vor allem in seinem derzeitigen Zustand, lösten seine Sinne nur Alarm aus. Inu Yasha fühlte sich überarbeitet und schwächer, als er es jemals in seinem Leben gewesen war. Seine dämonische Seite drängte ihn zum Gehen. Das erste Mal tatsächlich vor der Gefahr wegzulaufen . Seine menschliche Seite schwieg aus Angst und seine Emotionen wallten immer wieder auf und nur ein klarer Gedanke schoss ihn durch den Kopf: Er wäre fast gestorben und Sesshoumaru hatte ihm das Leben gerettet. Der Boden unten seinen Füßen schien sich zu bewegen und kam abrupt näher, um seinen versagenden Körper zu begegnen.   Doch anstatt auf glatten Stein zu schlagen, wurde seine zusammensinkende Gestalt von einem Arm aufgefangen, der sich wie eine Eisenstange unter seine Brust hakte und ihn in der Höhe hielt. Der Halbdämon hustete geschlagen unter dem harten Druck und hielt angestrengt die Augen offen, als er sich weigerte ohnmächtig zu werden. „Verdammter Skorpion. Ich hätte ihn dafür gleich nochmal töten sollen“ , murmelte er schwach eine völlig dumme und sinnlose Überlegung. „Und du bist so irritierender Idiot... und eine beschissener großer Bruder.“ Er hob und drehte kraftlos den Kopf an und starrte mit müden Augen nach oben, um in das immer perfekt teilnahmslose Gesicht des Älteren zu blicken. „Was willst du von mir?“ Die Frage klang beinahe wie eine verzweifelte Bitte, aber Inu Yasha würde nie eine Antwort darauf erhalten. Golde Pupillen drehten sich plötzlich nach hinten und wurden leer, als die letzte Kraft des Hanyo schwand und er den Kampf gegen die Bewusstlosigkeit verlor.   Der Drang zu Seufzen überwältigte Sesshoumaru und er konnte sich nur knapp davon abhalten, das erniedrigende Geräusch über seine Lippen zu lassen. Er lockerte seinen Griff um die schlaffe Gestalt und ließ Inu Yashas Körper weiter über seinen Unterarm fallen, bevor er ihn zurück zu seinem vorherigen Liegeplatz trug. Seine empfindlichen Ohren nahmen Geräusche von Bewegungen außerhalb der Hütte auf und er ahnte, dass Rin soeben erwacht war und innerhalb kürzester Zeit in der Höhle erscheinen würde. Der Daiyokai ließ den Jüngeren wieder auf das provisorische Lager fallen und nur wenige Sekunden später erschien das Mädchen am Eingang. Ihre Augen wanderten zwischen ihm und seinem Halbbruder hin und her und ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.   „Guten Morgen, Sesshoumaru-Sama.“ Rin sprach leise, vermutlich wollte sie den Hanyo nicht aufwecken, obgleich das in seinem jetzigen Zustand eher unwahrscheinlich war. Der Hundedämon schenkte ihr ein fast unmerkliches Nicken und sie trat zu dem liegenden Halbdämon, um sich neben ihn zu knien und ihn zu untersuchen. Ein Keuchen entkam ihren Lippen und sie lehnte sich über Inu Yashas Oberkörper, damit sie besser auf die Wunde starren konnte. „Es... es ist verheilt und seine Infektion...“ Sofort schoss ihr Blick zu ihm zurück und ihre großen, braunen Augen begannen zu glitzern und sich mit Dankbarkeit zu füllen. „Ihr habt ihn wirklich gerettet! Ich danke Euch, Sesshoumaru-Sama, auch im Name Eures Bruders.“ Rin schaffte es tatsächlich nicht zu weinen, schniefte aber ein paar Male, ehe sie sich aufrappelte, um den roten Haori über die nackte Haut zu ziehen. Nie verlor sie dabei das Lächeln und den hoffnungsvollen Gesichtsausdruck. Die Erleichterung schwebte um sie herum und mit der aufsteigenden Morgensonne, hatte der Daiyokai wieder einmal ihre kleine Welt verbessert. „Du bist glücklich.“ Der Hundedämon blickte nicht zu ihr, doch in seinen Worten schwang eine fast unmerkliche Frage mit. „Ja.“ Und mit dieser einfachen Aussage trat Sesshoumaru aus der erstickenden Wärme der Höhle, hinaus in die kalte Morgenluft. Frischer Wind streifte um seine Gestalt und er ließ seine Hand durch seine offenen Haaren gleiten, um die Strähnen wieder an ihren Platz zu bringen. Später, entschied er, würde er den Rest seiner Rüstung holen. Für den Moment jedoch, erlaubte er sich im Licht des neuen Tages zu stehen, nur bekleidet in seine Seide.   In dieser Nacht hatte er genug von Inu Yashas Verwundbarkeit gesehen. Jetzt würde der Halbdämon seine Kräfte wiedergewinnen und zu seinem unhöflichen Selbst zurückkehren können. Und sobald sich der Jüngere ausreichend erholt hatte, konnte der Daiyokai auch seine Forderung stellen und das wütende Feuer wieder in den Augen seines Bruder brennen sehen. Ihm war jetzt klar, dass er den Hanyo nie wieder in einer solch erbärmlichen Position haben wollte, auch wenn er sich fragen musste, warum ihn das plötzlich so sehr störte.   Doch seltsamerweise hatte er darauf keine Antwort, nur eine Erinnerung an eine einzelne Träne im Feuerlicht und den Geruch von Salz in der Luft.   Sesshoumaru wusste es nicht. Überhaupt nicht.   ---------------------------------------------------------------------------------   wichtige japanische Wörter:   Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen   Kami: Gott   Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft   Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden   Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)   Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.   Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur oder dem Willen (Yin) eines Individuums   dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren   Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden   Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt         Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)