Music Is Life von Phoenix-of-Darkness (Musik heißt: Leben - YuKa / SeBo) ================================================================================ Kapitel 5: No Matter What You Do -------------------------------- Rückblende: „Du lässt mich alleine…“ wisperte Kai. „Nein so darfst du das nicht sehen.“ „Aber es ist so….DU VERLÄSST MICH!!! DU WOLLTEST IMMER FÜR MICH DA SEIN. DAS HAST DU MIR VERSPROCHEN!!!“ Kai konnte nicht anders. Die Emotionen brachen aus dem kleinen Jungen heraus und entluden sich indem er seinen Bruder anschrie. Den Bruder, der eigentlich alles für ihn war. „DU BIST SO EIN LÜGNER, KAZUKI!! ICH HASSE DICH!!“ „KAAAAI!!!“ Kazuki streckte seine Hand aus. Doch es war vergebens. Er musste zusehen wie sein kleiner Bruder die Flucht ergriff und aus dem Zimmer rannte. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Er rannte und rannte. Dabei wusste er gar nicht wohin. Wohin mit sich, mit seinen Gefühlen, mit der Verzweiflung. Er wollte einfach nur noch fliehen. Der Silberhaarige verließ durch die offene Tür die Notaufnahme. Seine Füße trugen ihn durch die Gänge. Die Gänge, die um diese Uhrzeit nur schwach beleuchtet waren und alle gleich aussahen, sodass Kai jegliche Orientierung verlor. Der 6jährige hoffte, dass dies ein Albtraum sei und er bald aufwachen würde. Doch er spürte etwas Nasses auf seinen Wangen und seine Sicht verschwamm zunehmend. Dies hier war kein Traum. Es war Realität und Kai konnte die immer wieder kehrenden Tränen einfach nicht stoppen. Seine Schritte führten ihn in die Empfangshalle der Klinik. Hier war deutlich mehr los als in den Gängen, die er durchquert hatte. Das Licht hier war nicht gedämmt. Im Gegenteil - es war blendend und der Silberhaarige musste inne halten. Das grelle Neonlicht brannte in seinen verweinten Augen. Mit der rechten Hand vor diesen, versuchte Kai das Licht etwas abzuschirmen. Ziellos glitt dabei sein Blick umher. Die große Uhr der Halle zeigte, dass es kurz nach 5 Uhr war und der Klinikbetrieb schien langsam zu erwachen. Vereinzelte Patienten in Schlafanzug oder Trainingsanzug streiften herum und erkundigten sich bei der Empfangsdame über irgendwelche Dinge. Pflegepersonal kam in privater Kleidung herein - bereit die Frühschicht anzutreten. All dieser Trubel und das auch noch um diese Zeit. Erschöpft ließ sich Kai auf einen der Sessel in der großen Halle fallen. Er war müde und er wusste einfach nicht wohin. Der 6jährige fühlte sich allein gelassen und das obwohl genügend Personen um ihn herum waren. Vielleicht sollte er einfach hier bleiben und den Leuten zusehen. Eventuell würde ihn dies ablenken. Ein Motor heulte auf und das dazu gehörende Fahrzeug raste die Auffahrt zum Krankenhaus hinauf. Yuriy überholte die vielen Fahrzeuge, die durch die Schranke aufs Klinikgelände wollten. Dabei nutzte er den Umstand aus, dass es keine Vollschranke gab und somit eine Lücke vorhanden war, durch welche er mit seinem Motorrad passte. Eben jenes stellte er direkt neben dem Haupteingang ab. Das daneben stehende Schild mit dem Symbol des absoluten Halteverbots ignorierte er gekonnt. Der Rothaarige zog seinen Helm ab und ließ diesen an seiner Maschine zurück. Zielsicher und schnellen Schrittes steuerte er auf die Rezeption zu. Doch er dachte nicht daran sich brav hinten anzustellen und zu Warten bis er an der Reihe gewesen wäre. Er schob die Leute zur Seite, stellte sich unverblümt neben den Mann, welcher gerade an der Reihe war und ehe die junge Empfangsdame zu Wort kam, ergriff er jenes. „Wo ist die Notaufnahme!?“ Perplex sah die junge Rezeptionistin ihn an. Sie musterte ihn abschätzend von oben bis unten. „Können Sie nicht warten bis Sie an der Reihe sind!?“ Das war alles was er als Antwort erhielt und als wäre dies nicht schon genug, schaltete sich auch noch eine ältere Kollegin der Dame ein. Wenn Yuriy sie hätte beschreiben müssen, so hätte er sie 1:1 mit Fräulein Rottenmeier aus Heidi verglichen. „Wie wäre es, wenn Sie erst einmal ihr Fahrzeug aus dem Halteverbot fahren würden!? Das Schild steht immerhin nicht umsonst dort. Die Jugend von heute hat einfach keine Manieren mehr.“ Der rothaarige Russe verdrehte entnervt die Augen. „Ich wiederhole mich nur ungern! Wo ist die verdammte Notaufnahme!?“ Yuriy hatte keine Lust auf Spielchen und somit wurde seine Wortwahl schärfer und lauter. Auch seine Faust fand den Weg lautstark auf den Tresen. Er wollte zu Kazuki. Allerdings schienen die zwei Damen an der Rezeption keine Notiz von seiner Anspannung zu nehmen. Sie nahmen ihn nicht mal ernst. Im Gegenteil - sie wandten sich von ihm ab und den brav wartenden Leuten zu. Sie blendeten ihn völlig aus. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Der rothaarige Russe knirschte mit den Zähnen. Seine Kiefer mahlten vor Wut aufeinander. Als außenstehende Person konnte man zusehen, wie die Beherrschung des jungen Russen flöten ging und der Mann, welcher direkt neben Yuriy stand, war schlau genug den Rückzug anzutreten. „VERDAMMT, MEIN FREUND WURDE HIER EINGELIEFERT!!! ER HATTE EINEN SCHWEREN UNFALL UND SIE IGNORIEREN MICH HIER!!!“ Er konnte seine Wut nicht zurück halten. Diese zwei Puten in Kostüm raubten ihm den letzten Nerv. „SAGEN SIE MIR JETZT ENDLICH WO DIE VERFICKTE NOTAUFNAHME IST!!!“ Allerdings führte sein kleiner Ausbruch nicht zur Lösung seines Problems. Es verschlimmerte die Situation nur. Denn ‚Fräulein Rottenmeier‘ griff zum Telefon und informierte den Sicherheitsdienst. Als sie den Hörer wieder auflegte, bedachte sie den Rothaarigen mit einem abfälligen Blick. Dieser lautstarke Disput zwischen Yuriy und den Damen am Tresen, war auch dem 6jährigen nicht entgangen. Ab dem Moment, in welchem der Rothaarige die Eingangshalle betreten hatte, hatten sich die roten Augen an ihn geheftet. Kai saß zwar einige Meter entfernt, doch dieser Mann hatte sofort seine Aufmerksamkeit erregt. Interessiert verfolgte der Rotäugige den Streit - lenkte dieser ihn doch von seiner eigenen Situation ab und im Gegensatz zu den zwei Rezeptionistinnen, entging seinem Blick die Anspannung des Rothaarigen nicht. Dem Silberhaarigen blieb nicht verborgen wie Yuriys Fingern nervös auf dem Tresen trommelten und auch das gelegentliche herum kauen auf der Unterlippe entging ihm nicht. Ebenso sah er auch die Blicke des Rothaarigen, welche verloren umher streiften auf der Suche nach einem Hinweis, wo sich die Notaufnahme befand. Kai warf einen Blick über seine Schulter hinter sich. Er selbst hatte nicht auf den Weg geachtet. Dennoch war er der Meinung diesen eventuell zusammen zu bekommen und wenn er damit einem anderen helfen konnte zu seinem Freund zu kommen, warum nicht!? Alles war besser, als weiter hier herum zu sitzen. Daher wischte Kai sich mit dem Ärmel die letzten Tränenspuren weg und erhob sich. Doch gerade als er auf den Fremden zu gehen wollte, traf die gerufene Security ein. „Würden Sie uns bitte nach draußen begleiten!?“ Yuriy wandte sich um. Vor ihm standen zwei Security Männer. Einer muskelbepackter als der Andere und ihr Auftreten machte deutlich, dass sie Widerworte nicht kannten. Wer würde sich auch mit diesen beiden wandelnden Schränken anlegen? Vermutlich niemand der hier anwesenden. Niemand – außer einem gewissen Rotschopf. Finster sah er zu einen der beiden auf. „Nein verdammt, ich begleite Sie nicht nach draußen, um es mal mit Ihren Worten zu sagen!! Ich muss zu meinem Freund!! Aber diese zwei Stockenten dort, scheinen mich nicht zu verstehen. Es ist wirklich wichtig.“ Inständig hoffte der Russe, bei den beiden Personen vor sich Gehör zu finden. Allerdings schienen die beiden auf `Befehle‘ programmiert zu sein. „Wir bringen sie jetzt raus.“ Die beiden Security Männer ließen nicht mit sich reden und als einer der beiden laufenden Schränke Yuriys Oberarm ergriff, machte sich dieser schon für eine handgreifliche Auseinandersetzung bereit. Diese Bereitschaft schienen sie zu spüren, denn mit ernstem Blick sahen die beiden Männer ihn an. Yuriys Oberarm fühlte sich an, als sei er in einen Schraubstock geraten. Doch er wollte nicht klein bei geben. Er wollte zu Kazuki und kein Riese der Welt würde ihn davon abhalten. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und die Muskeln in seinen Oberarmen spannten sich an. „Bratischka!“ Yuriy zuckte zusammen und sah nach unten. Soeben hatten sich zwei kleine Arme um seine Körpermitte gelegt. Hatten die zwei Schränke jetzt noch einen Zwerg als Kollegen? Mit hochgezogener Augenbraue folgte er den kleinen Armen zu seinem Besitzer. Sein Blick traf auf zwei rote Kinderaugen, die ihn ernst ansahen. „Wo warst du denn so lange? Wir haben ewig auf dich gewartet!“ Irritiert sah der rothaarige Russe den Jungen an. Wer war dieses Kind? „Ähm…“ Doch Yuriy kam nicht dazu weiter zu sprechen, denn der Silberhaarige stellte sich vor ihn und wandte sich an die Muskelpakete. „Bitte lassen sie meinen Bruder los. Wir müssen ganz schnell zu seinem Kumpel, bitte!!!“ Mit flehendem Blick sah der 6jährige die beiden Security Männer an und anscheinend zeigte sein Blick Wirkung. Die beiden ließen von Yuriy ab und ehe der Rotschopf reagieren konnte, bedankte sich der kleine Junge vor ihm bei den beiden. „Aber macht keinen Unsinn!“ raunte einer der beiden und der Kleine nickte. Irritiert stand der Rothaarige hinter dem kleinen Wuschelkopf. Er fragte sich was das Ganze sollte und wer dieses Kind überhaupt war. Zu wem gehörte er und warum half dieser Junge einem Fremden, wie ihm? Jenes Kind wandte sich ihm zu. Doch anstatt eine Erklärung für das Schauspiel zu bekommen, schnappte sich der 6jährige Yuriys Hand und zog ihn mit sich. „Komm! Ich bring dich zur Notaufnahme.“ Völlig überrumpelt folgte er dem Jungen, welcher seine Hand fest umschlossen hielt. Sie liefen von einem Gang zum Nächsten, überquerten Flure, und ließen Fahrstühle hinter sich zurück ohne, dass ein weiteres Wort zwischen ihnen fiel. Kai spürte die fragenden Blicke des rothaarigen Russen hinter sich. Doch er musste sich konzentrieren. Denn immerhin wollte der Mann hinter ihm so schnell wie möglich zur Notaufnahme. Er hatte gespürt, dass es dem Rotschopf sehr wichtig war und deshalb musste er sich an den richtigen Weg erinnern. Aufmerksam sah er sich um, ohne dabei den Kopf zu auffällig, suchend zu bewegen und dann, ja dann erkannte er den Warteraum vor der Notaufnahme in der Ferne. Seine Augen fingen an zu strahlen. „Da vorne ist es, los!“ Rief Kai freudig und beschleunigte seine Schritte. Yuriy stolperte kurz hinterher. „H..hey jetzt warte doch mal!!“ Er blieb stehen und so war auch Kai gezwungen innezuhalten. Fragend wandte sich der kleine Junge um und ließ die Hand des Russen los. „Was ist? Du wolltest doch zur Notaufnahme. Dein Freund liegt doch hier, oder?“ Yuriy hockte sich vor den Jungen und sah ihm eindringlich in die Augen. Dieser durchdringende Blick ließ Kai leicht schlucken. Er hatte das Gefühl, als würden die eisblauen Augen ihn durchdringen.“Warum hilfst du mir? Du kennst mich doch gar nicht. Was wenn ich jemanden was böses will?“ Ernst sah der Russe den Knirps vor sich an. Doch dieser fasste sich und erwiderte den ernsten Blick. „Ich glaube nicht, dass du etwas Böses vor hast.“ „Ach nein?“ Yuriy legte seine Finger um das Kinn des Kindes vor ihm und hob dessen Kopf ein Stück an. Er wollte mehr von diesen roten Augen sehen, welche ihn so entwaffnend ehrlich ansahen. „Nein!“ Ein trotziger Glanz schimmerte in dem Rot und der Ältere schnaubte belustigt. Der Kleine hatte Mut. Denn normalerweise hatten Kinder seines Alters Angst vor Yuriy und diesen Umstand hatte der Russe bis jetzt immer ausgenutzt. Doch dieser Junge hier war anders. Dieser ließ sich nicht so einfach einschüchtern und das obwohl er ihn nicht gerade zimperlich am Kinn gepackt hatte. Der Kleine hatte eine unsichtbare Grenze überschritten und mit seinem Handeln sich Yuriys Respekt verdient. Welcher 6jährige würde es auch sonst mit zwei Muskelprotzen aufnehmen, nur um einen Fremden zu helfen!? Der Ältere atmete durch und seine Finger lösten sich von dem Gesicht des Jüngeren. Kurz rieb sich Kai dieses. „Ich habe dich am Eingang beobachtet und es schien dir wichtig zu sein zu deinen Freund zu kommen.“ Aufrichtig blickten die roten Augen sein Gegenüber an und Yuriy musste lächeln. „Ja es ist mir wirklich sehr wichtig.“ Damit erhob er sich und wandte seinen Blick zur Notaufnahme. „Danke, dass du mich her gebracht hast. Diese zwei Puten haben mich ziemlich lange aufgehalten.“ Kai musste grinsen. „Ich fand, die eine sah eher aus wie ein Truthahn.“ Yuriy stockte, ehe er ein aufrichtiges Lachen sich nicht verkneifen konnte. Der Jüngere hatte dies so trocken raus gehauen und er war darauf definitiv nicht vorbereitet gewesen. „Du bist mir ja einer. Du weißt schon, dass man sowas in deinem Alter nicht sagen sollte.“ Kai murrte und zog dabei unbewusst eine kleine Schmollschnute. „Ja, ja…“ Er wusste, dass er manchmal vorlaut war. Seine Lehrerin in der Schule wurde auch nicht müde, dies immer wieder zu erwähnen. Dabei war sein Mundwerk manchmal einfach schneller als er selbst. Okay, diese Schnute war niedlich. Das musste sich selbst Yuriy eingestehen und er wuschelte dem Jungen kurz durch die Haare. „Keine Sorge! Ich verrate es niemanden. Du hast genau meinen Humor.“ Kai lächelte. Irgendwie mochte er den Älteren. Daher ergriff er erneut die Hand des Russen und ging mit ihm zu der großen Tür mit der Aufschrift „Notaufnahme“. Dort angekommen, betätigte der Silberhaarige die Klingel und kurz darauf steckte eine Krankenschwester ihren Kopf raus. „Ja bitte?“ Ihr Blick fiel auf den Silberhaarigen. „Ach du bist es. Wir haben schon nach dir gesucht. Du bist ja vorhin einfach so rausgestü-“ Doch der 6jährige unterbrach die Pflegerin. Er wollte nicht, dass der Mann neben ihm erfuhr, dass er von diesem Ort geflohen war und so fragte er: „Kann ich wieder rein?“ Die Schwester lächelte warm. „Natürlich!“ Sie ging zur Seite und ließ die beiden in den Bereich der Notaufnahme. Kai sah zu dem Rotschopf auf. „Hier ist dann die Notaufnahme. Hoffentlich findest du deinen Freund.“ Damit lösten sich ihre Hände, „Dankeschön, Kleiner.“ und Yuriy bot dem Jungen ein High Five an, welches freudig angenommen wurde. Danach wandte sich der Rothaarige an die Schwester. „Bitte entschuldigen Sie, aber ich suche meinen Freund. Er wurde heute Nacht eingeliefert. Könnten Sie mir sagen wo ich ihn finde?“ Anders als bei den Rezeptionistinnen, versuchte es der Russe hier mit Höflichkeit und anscheinend funktionierte es. „Gern. Wie heißt ihr Freund denn?“ „Kazuki Sokolov!“ Dieser Name traf Kai wie ein Blitzschlag. Kazuki Sokolov war der Freund zu dem der Mann wollte? Aber was wollte dieser Mann von seinem Bruder? Hatte der etwas mit dem Unfall zu tun? Immer mehr Fragen schossen durch den kleinen Kopf und doch konnte er auf keine Antwort hoffen. Denn die junge Krankenschwester bat den Rothaarigen ihr zu folgen. Die Tür zum Schockraum ging auf und kurz flammte Hoffnung in Kazukis Augen auf. „Und?“ Doch ein Kopfschütteln seitens Boris, ließ ihn müde die Augen wieder schließen. Wo war sein kleiner Bruder nur hingerannt? „Es tut mir leid. Ich hab alle umliegenden Gänge abgeklappert.“ Boris ließ sich auf den Stuhl neben der bettenähnlichen Trage nieder. „Keine Ahnung wo dein kleiner Bruder hingelaufen ist.“ „Schon gut, Boris. Er wird sich schon nicht in Luft aufgelöst haben.“ Sergej, welcher bis eben an der Bettkante bei Kazuki gesessen hatte, erhob sich. Schwach öffneten sich die königsblauen Augen wieder. „I..ich muss mit ihm sprechen…“ Gedämpft durch die Sauerstoffmaske waren Kazukis Worte kaum hörbar. Jedoch konnte der blonde Hüne sich denken, was sein bester Kumpel gesagt hatte. „Ich werde zur Rezeption gehen und ihn aufrufen lassen. Sieh zu, dass du dir eine Kräfte einteilst und bei uns bleibst bis wir Kai gefunden haben.“ Sergej wandte sich ab. Kazuki wurde zunehmend schwächer und verlor immer wieder für wenige Sekunden das Bewusstsein. Wenn sie Kai nicht bald finden würden, konnte es zu spät sein. Er musste sich beeilen. Gerade als er die Türe ergreifen wollte, öffnete sie sich von außen. Seine Augen weiteten sich einen kurzen Moment und er war froh über den Anblick seines Bandkollegen. „Du bist hier!“ Es war keine Frage, lediglich eine überraschte Feststellung. Sergejs Gegenüber antwortete mit einem knappen Nicken. „Die wollten mich nicht her lassen. Aber egal, jetzt bin ich hier. Sag…wie geht es Kazuki?“ Besorgnis schwang in Yuriys Stimme und der Größere trat zur Seite, sodass der Rothaarige freien Blick auf seinen Freund hatte. Der Rotschopf erschrak und sah geschockt von seinem Partner zurück zu Sergej. „Seine Verletzungen sind zu schwer…“ „..nein..“ Es war nur ein Hauch seitens Yuriy…und doch hatten es alle Anwesenden in dem Raum vernommen. „Wi…wie lange denn noch?“ Das Sprechen fiel im schwer. Der Rotschopf hatte das Gefühl, dass seine Kehle sich zuschnürte. „Ein paar Stunden vielleicht noch…“ Sergej legte seine Hand auf Yuriys Schulter. „Kazuki brauch dich jetzt.“ Doch der Russe bewegte sich keinen Millimeter. Seine Augen ruhten auf Kazuki und dieser erwiderte den Blick. Der Blauhaarige wusste, dass sich Yuriy für sein Verhalten der letzten Tage schämte, jedoch war er selbst schon längst nicht mehr sauer. Daher hob er leicht seinen Arm und streckte seine Hand nach dem Rothaarigen aus. Mit dieser Geste bat er ihn stumm zu sich und Yuriy verstand. Langsam trat er an die Trage und ergriff Kazukis Hand. Diese Berührung ließ ihn innerlich erschaudern, denn die Hand des Halbrussen war eiskalt. „Kazu…verdammt, was machst du nur für Scheiße…“ Das Eis zwischen ihnen war gebrochen. Vergessen war der Streit, die Wut und der Frust. „…verzeih…mir..“ Doch der Rotschopf schüttelte nur den Kopf. „Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen.“ Er umfasste die kalte Hand stärker. „Ich war so ein Idiot und das alles nur, weil ich eifersüchtig war.“ Träge blickten die königsblauen Augen auf. „W..wieso?“ Wisperte er leise. „Mir gefiel der Gedanke nicht, dass du mit ihm mehr Zeit als mit mir verbringen könntest. Das war idiotisch, ich weiß.“ Seufzend senkte Yuriy den Kopf. „Boris! Lass uns weiter suchen.“ Sergej wollte seinen beiden Freunden etwas Zeit für einander verschaffen. Außerdem hatten sie Kai nach wie vor nicht gefunden. Der Angesprochene nickte und erhob sich. „Wir finden ihn und bringen ihn zurück, Kazuki!“ Lächelte Boris aufmunternd, ehe er die Türe hinter sich schloss. Jedoch würden sie den 6jährigen so wohl nicht finden. Unbemerkt von allen, war Kai Yuriy gefolgt und hatte das Zimmer wieder betreten. Allerdings hatte er sich hinter dem Vorhang versteckt, welcher die Medikamentenkisten verdeckte und war so den Blicken der Anderen verborgen geblieben. „Nach wem suchen sie?“ Fragend sah Yuriy zu Kazuki und dieser griff mit der freien Hand an die Sauerstoffmaske um sie etwas runter zu ziehen. „…mein klei…ner Bruder…war auch…Unfall…ist weg…laufen…“ Der Halbrusse fing an zu zittern. Seine Zeit lief unaufhörlich ab und er schaffte es nicht mal mehr gescheit auf die Frage seines Partners zu antworten. Es brach Yuriy das Herz, seine Liebe so zu sehen und innerlich hätte er sich ohrfeigen können. „Ssshhh…“ Er beugte sich zu Kazuki und hob ihn vorsichtig etwas an, um ihn etwas weiter nach rechts zu legen. Dabei spürte er wie ausgekühlt der schwache Körper bereits war. „Die beiden werden deinen Bruder schon finden.“ Der Rothaarige legte sich neben seinen Freund und zog ihn an sich. Zaghaft lehnte sich Kazuki an Yuriy und spürte die Wärme, welche von ihm ausging. Es fühlte sich gut an und er genoss die Nähe seines Partners. I burn to make you understand One wrong word and it all may come crashing down For the fates are devious by heart They envy you your dreams, so they'll let you drown Leise drang Yuriys melodische Stimme an sein Ohr. Der Jüngere gab ihm Halt und wirkte zeitgleich wie Balsam für seinen geschundenen Körper. Sein Duft, seine Stimme, sein Herzschlag, seine Wärme – einfach alles, versuchte Kazuki mit seinen Sinnen zu erfassen. Sein Körper entspannte sich und das Zittern ließ langsam nach. Nur bei dem Rothaarigen konnte er sich fallen lassen – konnte die Schwäche zulassen und akzeptieren. Er schloss die königsblauen Augen und lauschte dem Gesang seines Liebsten. Wenn er doch nur die Zeit anhalten könnte. And there is no why, there is no how, it's like the sky, just one free flow But you're here right now, and this is your show, so take a bow, cos the show is on right... Die Zeit anhalten… was würde Yuriy für genau diese Fähigkeit geben. Er wollte Kazuki nicht verlieren. Nicht jetzt, nicht so. Ein Leben ohne den Halbrussen konnte er sich einfach nicht vorstellen. Doch genau dieses Leben schwand von Sekunde zu Sekunde. Er spürte wie die Wärme aus Kazukis Körper wich. Die kalten Hände auf seiner Brust wurden immer blasser und er konnte nichts dagegen tun. In seiner Verzweiflung hatte er einfach begonnen einen ihrer Songs zu singen. Der Rothaarige hielt den Halbrussen fest und bettete seinen Kopf in den blauschwarzen Haaren. Er konnte seine Liebe nicht retten. Doch er wollte für ihn da sein, ihn festhalten. Here and now with all dreams realized Would you choose still more time to do Don't fall down when it's time to arise No-one else can heal your wounds Zaghaft schob der 6jährige den Vorhang ein Stück zur Seite. Seine Finger umklammerten den dünnen Stoff und sein Blick lag auf dem Rotschopf. Er lauschte dem Gesang. Doch anders als Kazuki ließ ihn dieser Gesang nicht zur Ruhe kommen. Nein, er beschleunigte seinen Herzschlag und Kai konnte nicht mal genau sagen warum. Vor Stunden war er noch begeistert von Kazukis Gesang gewesen. Doch der Klang von Yuriys Stimme fesselte den Silberhaarigen regelrecht, sodass er für einen kurzen Moment alles ausblendete. Da war keine Angst, keine Verzweiflung – nur dieses Lied. //Das muss dieser Yuriy sein…// Dachte der Kleine sich und sah von dem rothaarigen Mann zu seinem Bruder. Once again taboo becomes your law What you want seems taken by another tide turning Away from our flower field where we used to lay beneath the sky, riding dreams to some other side Der Blick auf seinen Bruder holte Kai wieder in die Realität. War er bis eben noch eingehüllt von dieser Stimme, so traf ihn die Wahrheit hart. Sein großer Bruder hatte jede gesunde Hautfarbe verloren und der Brustkorb senkte sich im unregelmäßig, flachen Rhythmus. Die Angst und die Verzweiflung holten den 6jährigen wieder ein. Sie lösten erneut den Fluchtinstinkt aus. Jedoch wollte er nicht fliehen. Er wollte am liebsten zu dem Älteren rennen, zu ihm klettern und sich in dessen Arme schmiegen. Do they burn, the wishes whispered, like secrets, they yearn, just to be heard I'm done with questions, I have no answers, the choice is yours, cos the show is on right... In diesem Moment öffneten sich die königsblauen Augen. Müde sahen sie in Kais Richtung. Kazuki hatte die Anwesenheit seines kleinen Bruders gespürt. Kurz trafen sich ihre Blicke, ehe der Jüngere seinen Kopf senkte. Erneut sammelten sich Tränen in seinen Augen. Er musste sich für seine Worte entschuldigen. Er hasste seinen großen Bruder doch gar nicht. Er war nur so wütend gewesen und die Emotionen waren einfach aus ihm herausgebrochen. //Kai…// Kazuki war nicht mehr in der Lage zu sprechen, geschweige denn die Sauerstoffmaske von seinem Gesicht zu lösen. Wie sollte er nur seinem Bruder sagen, dass es ihm leid tat?! Er wollte ihm noch so vieles sagen, aber vor allem wie sehr er ihn liebte. Zaghaft hob Kai seinen Kopf. Ungehindert liefen ihm Tränen über die Wangen. //…es tut mir so leid…// Doch der Silberhaarige schüttelte nur den Kopf. Er hatte Kazukis Gedanken an dessen Blick ablesen können. Sie waren nun mal Brüder und verstanden sich auch ohne Worte. //Nein, mir tut es leid, nii-chan. Ich habe so viele böse Worte gesagt…// Schwach bildete sich ein Lächeln auf den Lippen des älteren Halbrussen. Kais ganze Körperhaltung zeigte ihm wie sehr es ihm leid tat. Die Finger waren in den Saum seines Oberteils gekrallt, die Schultern leicht nach oben gezogen und um ein Schluchzen zu vermeiden, biss der Kleine sich auf die Unterlippe. Kazuki jedoch, hatte nie angenommen, dass Kai ihn hassen würde. Immerhin wusste er, dass sein kleiner Bruder manchmal hitzköpfig reagieren konnte. Nichtsdestotrotz nahm er die Entschuldigung an und war froh, zumindest diesen Konflikt aus der Welt geschafft zu haben. Unverwandt sahen sie sich an. //Ich liebe dich, ototo-chan.// Here and now with all dreams realized Would you choose still more time to do Don't fall down when it's time to arise No-one else can heal your wounds „Sergej…hier haben wir schon gesucht!” Keuchend beugte sich Boris etwas nach vorne und stützte seine Hände auf seine Oberschenkel. Seit einer geschlagenen halben Stunde rannten sie durch das Krankenhaus und suchten nach dem Knirps. „Kai kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.“ Verzweifelt stemmte der Hüne die Hände in die Seiten. Doch der Lilahaarige sah die Sache etwas pessimistischer. „Na ja, da bin ich mir irgendwie nicht so sicher.“ Er richtete sich wieder auf. „Ich wüsste nicht wo wir noch suchen sollten. Du meintest doch, dass wir ihn an der Rezeption aufrufen lassen könnten.” Boris schloss zu Sergej auf. „Ja, dass schon. Aber eigentlich war das mein Notfallplan.“ “Ernsthaft?! Was könnte näher an einen Notfall kommen, als die derzeitige Situation!?” Der Blonde seufzte. Boris hatte ja Recht. „Na schön. Lass uns dorthin gehen.” The bigger the lies The more they want to believe them And like a vice Hold on to what they believe in Yuriy hatte die Augen seit Beginn seines Gesangs geschlossen und Kazuki tat es ihm gleich. Er genoss die Geborgenheit, die ihm sein Freund schenkte. Jedoch konnte der Halbrusse die Wärme des anderen nicht mehr spüren. Ihm war so verdammt kalt. Sein Kreislauf brach immer weiter zusammen. Sein Blut versackte in seinem Körper und Kazukis Herz hatte nicht mehr genug Volumen, das es durch seinen Körper pumpen konnte. Es schlug unregelmäßiger und setzte immer häufiger einen kurzen Moment aus. Here and now with all dreams realized Would you choose still more time to do Don't fall down when it's time to arise No-one else can heal your wounds Yuriy registrierte die länger werdenden Pausen zwischen den Piepen der Maschinen. Doch er wollte die Augen nicht öffnen. Er zog Kazuki enger an sich und hielt ihn fest. //Bis zum letzten Augenblick!// Seine Wange ruhte in den blauschwarzen Haaren und er atmete den Duft seines Freundes ein, während er sang. Dabei spürte der Rothaarige das letzte Einatmen seines Partners und das letzte Ausatmen. Die Muskelspannung ließ nach und Kazukis Körper sackte leblos zusammen – sein Herz war stehen geblieben. Kai sah das Zusammensacken seines Bruders. Instinktiv realisierte er was geschehen war und er schlug die Hände vor den Mund um nicht zu schreien. Er sackte auf die Knie und seine Tränen nahmen zu. Sein Bruder war gegangen. Here and now with all dreams realized Would you choose still more time to do Don't fall down cos I need you to rise No-one else can heal my wounds Die Stimme des Russen zitterte als er die letzten Worte sang. „Ka..zu..ki…“ Er bebte und sein Griff um den Körper des Halbrussen wurde stärker. Tränen liefen über sein Gesicht. Die medizinischen Geräte schlugen Alarm. Doch er realisierte sie gar nicht. Sie waren ihm egal, denn er hatte soeben die wichtigste Person in seinem Leben verloren. Anders als Yuriy, rissen die Alarme Kai aus seiner Starre. Er vernahm die hektischen Schritte auf dem Flur und stand auf. So schnell er konnte, verschwand er wieder hinter dem Vorhang. Der Silberhaarige presste sich an die Wand und die Türe zu dem Zimmer flog auf. Eine Scharr von Ärzten und Schwestern, stürmte in den Schockraum. Doch sie alle konnten nichts tun. Der 6jährige rutschte an der Wand herunter und zog die Beine an. Halt suchend schlang er seine Arme um seine Knie. „Zeitpunkt des Todes…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)