Woods von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 2: Schlammpackung ------------------------- "Leute!", nur mit Tanktop und Herzchen-Hotpants bekleidet riss Jenny die Schlafzimmertür von Sophie und Lukas auf, sodass ihr in Eile gefertigter strohblonder Dutt dabei wippte. Lukas schoss sofort senkrecht in die Höhe während Sophie im Bett eine Etage über ihm noch im Traumland war. "Ben ist weg!" Lukas sah sie verschlafen aus seinen grün-braunen Augen an: "Hast du schonmal auf Klo nach geguckt?", nuschelte er und lies sich wieder auf die Matratze fallen. "man ich meins ernst er ist nicht da!", ihre schrille Stimme war genau das , was er gerade nicht so früh am Morgen brauchte. Pierre kam mit Zahnbürste im Mund dazu: "Was'n hier los?" Sophie's rote Mähne stand in alle Richtungen ab , als sie schließlich auch aufwachte: "Hab ich was verpasst?", murrte sie und rieb sich gähnend über die Augen. "Irgendwas riecht hier richtig gut...", Lukas kletterte aus dem Bett. "Becky macht Frühstück.", meinte Pierre, dann musste er schnell ins Bad, um die Zahnpasta auszuspucken. "Hallo?!Stimmt was nicht mit euch?! Wie könnt ihr an Frühstück denken?! Ben ist weg! Mein Freund ist verschwunden und wir sind hier mitten im Wald!", Jenny wurde fuchsteufelswild. In diesem Moment steckte Pierre wieder den Kopf aus dem Bad: "Chill mal du Zwerg. Der ist doch nur Joggen." "Woher willst du das wissen? Und nenn mich nicht Zwerg!", fauchte die 1,59m kleine Jenny. Was irgendwie absurd war, denn Jenny, als kleinste Frau, hatte mit Ben den deutlich größten Freund hier. "Na weil er mich um 5:30 Uhr gefragt hat, ob ich mit will und ich ihm nen Vogel gezeigt hab." "Also dann hätte er mir doch aber beschei-", sie brachte den Satz nicht zu Ende, weil jemand hinter ihrem Rücken gegens Flurfenster klatschte und sie vor Schreck aufschrie und einen Sprung nach vorne machte. Ben stand verschwitzt draußen in Sportsachen und lachte. "Siehst du...", grinste Pierre und rieb sich über einen seiner tätowierten Arme. "Ich bring ihn um.", waren Jenny's letzte Worte, ehe sie sich einen Bademantel überwarf und nach draußen stürmte. "Armer Ben...", Lukas ging zu Pierre ins Bad und besah sich das blonde Vogelnest auf seinem Kopf. Er hatte sich aber auch im Bett die halbe Nacht hin und her gewälzt. Später als alle einigermaßen ansprechbar waren und Ben sich geduscht hatte. Trafen sie sich in der Küche. Becky hatte Brötchen gebacken, Kaffee gekocht und den Tisch gedeckt. Verblüfft sah die Gruppe auf das Buffet das sich vor ihnen erstreckte. "Und deswegen ist sie meine Freundin.", sagte Pierre stolz in den stillen Raum hinein. Becky kicherte nur verlegen und ging mit der Kaffeekanne herum. Zu Hause machte tatsächlich auch Pierre oft mal das Frühstück. Aber das war das Geheimnis der Beiden. "Ich brauch erstmal eine Kippe.", Jenny griff sich nur eine Tasse Kaffee, die mit dem großen Smiley drauf und huschte wieder nach Draußen. "Meintest du nicht sie wollte aufhören?", fragte Lukas und setzte sich neben Ben. Der zuckte mit den Schultern: "Bisher war das leider nur Gerede..." Jenny's Zigaretten waren der Hauptstreitpunkt in Ben's und ihrer Beziehung. "Hattest du nicht Angst, dass du dich hier verläufst? Du warst ja schon echt lange weg.", Lukas begann sich ein Brötchen aufzuschneiden. "Ich find mich eigentlich überall relativ schnell zurecht. Komm doch morgen mal mit und reich mir mal bitte die Butter rüber." "Klar wieso nicht. Mal gucken.." "Kann man eigentlich auch irgendwo was einkaufen gehen?", erkundigte Sophie sich und schob sich einen Löffel Nuss-Nugat-Creme pur in den Mund. Pierre verzog angewidert das Gesicht: "Bist du eklig....naja da gibt es so einen Laden, da müssen wir allerdings fast 2 Stunden zurück in dieses eine Dorf fahren. Ich glaub aber dass wir mit unseren Vorräten auskommen." Jenny kam zurück, legte kurz die Arme um Ben's Hals, gab ihm einen Kuss und setzte sich dann auch an den Tisch. Nach dem Frühstück hatte irgendwie jeder eine andere Idee. Wirklich viel unternehmen lies sich hier allerdings nicht. Sie befanden sich tatsächlich in völliger Abgeschiedenheit. Irgendwo im Nirgendwo traf hier definitiv zu. Sophie wünschte sich von Jenny ein Umstyling und wollte auch mal endlich ausnutzen, dass Jenny Kosmetikerin war. Pierre und Becky hatten sich in ihr Zimmer verzogen und ...naja sie hatten ein imaginäres Bitte-Nicht-Stören-Schild an die Tür gehängt. Sie stritten es vorher noch ab, aber jeder wusste was sie da drinnen machten. Übrig blieben Lukas und Ben. "Ich wollt nochmal ein bisschen nach draußen. Kommst du mit?", Ben öffnete die schwere Holztür. "Klar ich hätt jetzt sonst nur mein Buch weiter gelesen.", nickte Lukas, der sich vorgenommen hatte während ihres Aufenthalts zwei Romane durch zu bekommen. Sophie machte sich immer darüber lustig, dass er eigentlich am liebsten zu Hause auf der Couch lag , Tee trank und sich durch Bücher wälzte. So richtig viel gemeinsam hatten sie irgendwie nicht. Durch den Wald zu gehen gestaltete sich etwas abenteuerlicher als gedacht, denn der Pfad auf dem sie gingen, war teilweise sehr schmal geworden und auch mal beinahe zu gewachsen. "So bei Tag ist es aber schon ganz schön hier.", Lukas sah eine Tanne nach oben, die unten ganz kahl war und deren Nadeln erst weit über seinem Kopf begannen. Ben nickte: "Die Luft ist auch ganz anders. Ich liebe es." "Jenny nicht so, oder?" "Ach was, merkt man das?", Ben grinste. Sie liefen ein Stück weiter über Moos und kleine Ästchen, die unter ihren Füßen knackten. "Ich glaub Sophie hat vorher auch was anderes erwartet...ein Wellnesshotel im Wald oder so..aber wenn sie erstmal angekommen sind dann-", Lukas sah nicht nach vorne und war plötzlich verschwunden. "Lukas?!", Ben drehte sich um. Da war niemand mehr hinter ihm. "Hier unten!", rief Lukas, der einen Abhang runtergerutscht war und sich auf halber Höhe an einer dicken Wurzel festhielt. Um wieder hochzukommen war es zu steil und viel zu rutschig. Ben trat vorsichtig oben bis an die Abbruchstelle heran: "Was machst du da?" Lukas sah ihn verlegen grinsend und voller Matsch an: "Och nur so abhängen. Ich glaub ich hab den See gefunden. Kannst du mir wieder hoch helfen?" Hätte Lukas diese Wurzel nicht zu fassen bekommen wäre er direkt ins Wasser gefallen. Allerdings sah es unter ihm absolut nicht tief genug dafür und auch ziemlich felsig aus. Das hätte ziemlich weh getan. Ben kniete sich hin und streckte den Arm nach unten aus. Ihre Fingerspitzen berührten sich kurz, dann löste sich die Wurzel weiter aus der Erde und Lukas rutschte ein Stück tiefer. Jetzt wurde er doch etwas nervös: "Schnell!" In dem Moment als Lukas' Hand abrutschte schmiss Ben sich nach vorne und bekam ihn gerade eben noch zu fassen. Der Ruck der folgte hätte ihn beinahe mit die glitschige Wand runter gezogen. Unter großer Anstrengung zog er seinen Freund wieder nach oben. Danach lagen sie beide auf dem Rücken auf dem Waldboden und atmeteten schnell. "Danke...", japste Lukas und rieb sich über die Stirn, wobei er nur noch mehr Schlamm verteilte. Ben sah ihn an: "Du siehst vielleicht scheiße aus..." Das lies Lukas sich nicht gefallen, griff in den Dreck und warf eine ordentliche Ladung Matsch nach Ben. Lachend rangelten sie über den Boden. Lukas blieb nach Luft schnappend unter Ben liegen und hob abwehrend die Hände als dieser versuchte seinen eigenen Schlamm an ihm abzureiben. Schließlich liesen sie voneinander ab. "In der Anzeige stand: Romantischer Waldsee läd zum Baden ein.", zitierte Ben. "Was...??? Die Todesfalle da???", Lukas war fassungslos. Beide mussten laut loslachen. Wirklich kein Aspekt hier war so wie beschrieben. Das Haus nicht, das Grundstück nicht, die Umgebung nicht. "Die haben uns richtig verarscht.", war Ben's nüchternes Fazit. Lukas grinste nur und schmierte ein letztes Mal Schlamm über Ben's Hals. Der stieß ihn sofort weg: "Man lass den Scheiß." "Das ist gut für deine Haut. Schlammpackung. Frag mal Jenny.", Lukas hatte schon Bauchschmerzen vor Lachen. Danach wanderten sie noch eine Weile hin und her, bis ihnen ein gewaltiger, umgestürzter Baum den Weg versperrte. Ben war sofort oben, war allerdings auch größer und sportlicher als Lukas. "Wer bist du? Tarzan?", fragte dieser von unten und versuchte unbeholfen ebenfalls hoch zu kommen. Ben streckte die Hand aus und zog Lukas dann derart schwungvoll nach oben, dass dieser gegen ihn prallte und beide auf der anderen Seite runterfielen weil Ben das Gleichgewicht verlor. Ehe sie sich versahen lag Lukas auf Ben drauf, vorher stießen ihre Köpfe natürlich gegeinander. "Fuck...", stöhnte Ben und hielt sich den Kopf. Ihre Nasen berührten sich beinahe. "Sorry...", nuschelte Lukas verlegen. "Runter! los!", Ben schob Lukas von sich und rappelte sich auf, dann half er Lukas auf die Beine. "Ich glaub der Wald mag uns nicht...", stellte Lukas fest. "Ich weiß nur, dass ich Hunger habe und dass wir besser langsam zurück gehen sollten." Das klang so erstmal ganz gut. Klappte allerdings nicht, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits komplett verlaufen hatten. Natürlich zog Lukas erstmal reflexartig sein Handy aus der Tasche. Aber damit hatte er hier ja keinen Empfang. "Nimm du mal , du bist viel größer als ich.", war seine einzige Idee. Doch Ben winkte ab: "Quatsch...das bringt nichts..." "Der Baum da kommt mir bekannt vor.", war Lukas sich kurz darauf sicher. Seine sonst so weichen, blonden Haare, waren von Schlamm verklebt. "Der sieht genauso aus wie die fünf, die daneben stehen..", nahm Ben ihm die Illusion. Tatsächlich irrten sie noch einige Stunden hin und her. "Wenn es gleich dunkel wird flipp ich aus....", stöhnte Lukas, der es nicht zugeben wollte, aber langsam richtig Angst bekam. Ben klopfte ihm beruhigend auf die Schulter: "Ich weiß jetzt wo wir sind...in 20 Minuten sind wir wieder beim Haus." "Wirklich?", Lukas Augen leuchteten erleichtert auf. "Klar.", log Ben, der absolut keinen Schimmer hatte wo sie sich befanden und Lukas nur beruhigen wollte. Glücklicherweise fand er kurz darauf tatsächlich den Weg wieder. Als Lukas das auch bemerkte umarmte er Ben überschwänglich. Ben drückte ihn kurz an sich und schob ihn weg: "Ist ja gut...lass mich los..." Dann stapften sie noch durch ein Brombeergestrüpp, zerkratzten sich etwas und kamen schlamm verkrustet auf die anderen zu, die schon besorgt vor dem Haus standen. "Wir sind hier nicht zum Survival Training ihr Spinner!", rief Pierre ihnen lachend entgegen. Nur wer ihn kannte konnte ihm ansehen wie viele Sorgen er sich bereits gemacht hatte. Sophie fiel Lukas um den Hals: "Man ich hatte schon richtig Angst, dass ihr nicht mehr wieder kommt. Geht's dir gut?" Jenny dagegen wich Ben weiträumig aus: "Geh du erstmal duschen bevor du mich wieder anfässt mit deinen schlammigen Pranken!" Lukas umarmte seine Freundin, sah dabei aber zu Ben. Das Joggen morgen würde wohl ausfallen. Das war heute definitiv erstmal Waldspaziergang genug gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)