Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 26: Lokis dunkle Seite ------------------------------ Der Sturz war endlos, und doch hatte Loki nicht wirklich das Gefühl, zu fallen. Es fühlte sich eher an, als würde er schweben. Als würde er ganz langsam und sanft nach unten in die Tiefe gleiten. In die schwarze, endlose Tiefe, die allerdings nichts Bedrohliches an sich hatte. Eher etwas Tröstliches. Etwas Vielversprechendes. Wäre da nicht der pochende Schmerz in seinen Schläfen gewesen, hätte Loki sich direkt gut fühlen können... War er tot? Er wusste es nicht. Eigentlich hätte er es sein müssen, obwohl er zumindest mit der kleinen Möglichkeit gerechnet hatte, dass seine Magie ihn schützen könnte. Doch der Tod bildete die grössere Wahrscheinlichkeit in diesem Spiel... Nur, wenn er tot war, warum fühlte er sich dann noch lebendig? Oder war das normal? War es so, dass man noch einen Körper hatte, wenn man starb? Hände und Füsse, Beine und vor allem einen Kopf, der sich anfühlte, als würde er gleich platzen? Nein, er musste noch am Leben sein. Oder zumindest in einem Zustand, der dem sehr nahe kam. Womit sich eine zweite, nicht minder wichtige Frage stellte: wo war er? Eine Stimme war in seinem Kopf, hallend, zischend und beinahe unangenehm laut. Zunächst verstand Loki kein Wort von dem, was gesagt wurde, dann nahm er einzelne Gesprächsfetzen wahr: «...müsste tot sein... spüre Zorn... nützliches Werkzeug...» Wer war das? Träumte er, oder war das echt? Sprach da jemand mit ihm... über ihn? Jemand antwortete. Eine dunkle, unheimliche Stimme, die Loki einen Schauer den Rücken hinunterjagte. Er versuchte sich aufzurichten und merkte, dass er wieder auf den Boden gedrückt wurde. «Liegenbleiben... verletzt...» sagte die erste Stimme. Es klang nicht besorgt oder gar mitfühlend, eher ungeduldig. Lokis Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, die allumfassend schien. Nirgends gab es auch nur das kleinste Licht. Er stöhnte und versuchte zu sprechen. Es kam nur ein weiteres Stöhnen heraus. Da beugte sich ein Gesicht über ihn. Gross, bläulich-violett schimmernd, mit funkelnden Augen und einem breiten, seltsam vernarbten Kinn... Das Wesen kam ihm ganz nahe und lächelte. Ein düsteres, unheimliches Lächeln. «Du bist stark.» Diesmal verstand Loki die Worte. «Stärker, als man es dir ansieht. Das ist gut. Sehr, sehr gut...» Wieder dieses grausame Lächeln. In Loki schrillten sämtliche Alarmglocken. Doch die nächsten Worte waren beruhigend und vielversprechend. Trügerisch vielversprechend. «Du bist in Sicherheit, Junge.» sagte der violette Riese. «Hier bei uns wirst du alles finden, was du dir wünschst.» Eine riesige Hand näherte sich seinem Gesicht und... ...Loki wachte schweissgebadet auf. Er keuchte und brauchte ein paar Minuten, um zu realisieren, wo er war. Doch die Erinnerung liess sich nicht so schnell abschütteln wie die Bettdecke, die er zurückstreifte, um sein Gesicht im angrenzenden Bad unter den eiskalten Wasserstrahl zu halten. Sein Sturz vom Bifröst vor rund zwei Jahren. Der endlose Fall ins Nichts. Und dann Dunkelheit... und Thanos. Warum träumte er ausgerechnet jetzt von ihm? Loki war sich zu sehr seines überirdischen magischen Sinnes bewusst, um das als blossen Zufall abzutun. Er zitterte und wusste, dass er dringend frische Luft brauchte. Ein kurzes Schnippen mit den Fingern, dann war er angezogen, eine weitere Bewegung mit der Hand, und er stand draussen vor der Tür. Die Strassen lagen menschenleer vor ihm. Es war drei Uhr morgens. Ohne besonders Ziel stapfte er los. Vielleicht würde ihm die kühle Nachtluft helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber schon nach wenigen Metern wusste Loki, dass es sinnlos war. Die Erinnerung an seine dunkelste Zeit umklammerte ihn wie eine Faust. Dieser riesige Zorn damals! Der Hass auf all jene, die er 'Familie' genannt hatte! Und der unbändige Wunsch, das sein zu können, was ihm seiner Meinung nach zustand: ein Herrscher... Thanos hatte ihm das alles so deutlich angesehen, als hätte er es offen ausgesprochen. Auch wenn der Titan selber keine magischen Kräfte besass, war Loki damals in seiner Wut ein offenes Buch für ihn gewesen. Er hatte es nicht nötig gehabt, in Lokis Gedanken eindringen zu können, um sie klar zu erkennen. Die Verlockungen waren aber auch einfach zu gross gewesen. Eine ganze Welt – zwar nicht Asgard, aber immerhin die Erde – für ihn als Verbündeten. Die Bedingung geradezu lächerlich einfach: das Beschaffen eines der Infinity-Steine, der in der Umhüllung eines sogenannten 'Tesserakts' verborgen war und sich seit Jahrhunderten auf Midgard befand. Loki hatte dieser Versuchung nachgegeben – zumindest beinahe. Ein winzig kleiner Rest von Verstand hatte ihn davon abgehalten, Thanos seine ganzen Fähigkeiten zu offenbaren. Und ein noch kleinerer Rest von Verstand hatte ihn dazu bewegt, seine gesamte magische Kraft auch nicht einzusetzen, als er sich aufgemacht hatte, die Erde zu erobern. Denn hätte er das getan, das wusste er genau, wäre sein Vorhaben auch gelungen. Seine dunkle Seite hatte damals fast die Oberhand gewonnen... Aber zum Glück nur fast. Doch die plötzliche Angst, die sich seiner jetzt bemächtigt hatte, liess sich nicht abschütteln. Loki wusste, dass der Hang zum Griff nach Macht immer noch in ihm schlummerte. Dass der dunkle Dämon in ihm noch lange nicht völlig besiegt war. Und dass er sich nicht der Illusion hingeben durfte, nie wieder für solche Verlockungen, wie Thanos sie ihm geboten hatte, empfänglich zu sein. Ein Piepen in seiner rechten Jackentasche riss Loki aus seinen düsteren Gedanken. Er brauchte eine Sekunde, um zu realisieren, was es war. Da er seine Zivilkleidung trug, lag immer noch das Handy in der Tasche, das ihm Melinda gegeben hatte. Sie hatte darauf bestanden, dass er es möglichst immer bei sich trug, und er hatte das Ding ihr zuliebe eingesteckt – und dann vergessen. Ein Blick auf das Display zeigte ihm, dass es auch tatsächlich Melinda war, die ihn anrief. Mist, er hatte gehofft, sie nicht geweckt zu haben, als er sich rausgeschlichen hatte. «Wo bist du?» erklang ihre besorgte Stimme. «Das Bett war auf einmal leer.» 'Das kommt davon, wenn man nicht mehr alleine schläft' fuhr es Loki durch den Kopf. Laut sagte er nur «Ich hatte schlecht geträumt. Musste etwas Luft schnappen.» «Um drei Uhr morgens?» «Warum nicht?» gab er lockerer zurück, als er sich fühlte. «Dann hab' ich wenigstens meine Ruhe und brauche auch kaum zu befürchten, dass ich von irgendwem erkannt werde.» «Hast du wieder von Thanos geträumt?» Loki erstarrte. Woher wusste sie das? Er hatte ihr nie von Thanos erzählt. Und was meinte sie mit 'wieder'? Doch er wollte das jetzt nicht diskutieren. «Leg dich wieder hin,» sagte er sanft. «Ich komme auch gleich zurück. Versprochen.» «Ich nehm' dich beim Wort.» Sie gähnte, und Loki hörte, wie sie sich umdrehte, ehe sie ihr Handy ausmachte. Als er schliesslich wieder neben ihr im Bett lag, stellte er zufrieden fest, dass sie bereits wieder tief und fest schlief. Ihn selbst floh der Schlaf allerdings für den Rest der Nacht. Warum dieser Traum von Thanos? Oder hatte er gar schon öfter von ihm geträumt und wusste es bloss nicht mehr? Er hatte, wie er am nächsten Morgen erfuhr. Eine Woche war jetzt seit ihrer zweiten Rückkehr aus Sokovia vergangen: Thor war mit dem Gedankenstein nach Asgard zurückgekehrt, und Loki war bei Melinda eingezogen. Obwohl es ihm eigentlich nicht recht war, ihr – wie er zumindest dachte – derart zur Last zu fallen, hatte er keine grosse Wahl gehabt. Sehr zur Freude von Melinda, die sich nichts sehnlicher wünschte, als Tag und Nacht mit Loki zusammen zu sein. Doch obwohl sie es genoss, machte sie sich inzwischen ziemliche Sorgen, denn Loki redete fast jede Nacht im Schlaf von Thanos. Sie hatte ihn auch mehrfach darauf ansprechen wollen, sich aber nicht getraut aus Angst, damit irgendwelche Probleme loszutreten. Doch an diesem Morgen schenkte sie ihm reinen Wein ein. «Wenn es um Thanos geht, sind Probleme absehbar», gab Loki säuerlich zurück, als sie ihm ihre Furcht gestand. «Ganz egal ob man von ihm spricht oder nicht.» Und dann erzählte er ihr von seiner Zeit bei Thanos – und seiner Angst, dass die dunkle Seite in ihm irgendwann wieder die Oberhand gewinnen könnte. Melinda schmiegte sich ganz fest an ihn und sah ihm tief in die Augen. «Das wird sie nicht, hörst du. Ich werde das nicht zulassen.» 'Wäre schön, wenn es so einfach wäre', dachte Loki, aber um sie nicht zu beunruhigen, zog er sie einfach an sich und meinte neckisch: «Dann darfst du aber nie mehr von meiner Seite weichen.» «Da kann ich mir Schlimmeres vorstellen.» hauchte sie zurück und küsste ihn leidenschaftlich. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihrer Umarmung. Steve Rogers war am Apparat, als Melinda den Hörer abnahm. «Es ist etwas passiert,» sagte Steve kurz angebunden. Die Agentin hörte die Anspannung aus seiner Stimme deutlich heraus. «Könnt ihr bitte so schnell wie möglich in den Stark Tower kommen?» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)