Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 17: Sorge um den kleinen Bruder --------------------------------------- «Thor!» Odin warf seinem Sohn einen forschenden Blick zu. Er hatte ihn soeben das dritte Mal angesprochen, ohne dass der blonde Hüne reagiert hätte. Jetzt, als Odins Stimme lauter geworden war, schreckte Thor endlich auf. «Ja, Vater?» «Was ist mit dir?» Odin neigte sich nach vorn und versuchte im Gesicht seines Sohnes zu lesen. Auch Frigga hatte ihr Besteck jetzt hingelegt und musterte die beiden Männer am Tisch fragend. «Du scheinst gerade ganz woanders zu sein.» «Es...» Lustlos stocherte Thor in seinem Essen. «...ich bin nur ein wenig müde, das ist alles.» Sein Ältester war noch nie ein guter Lügner gewesen, und auch diesmal merkte der Allvater sofort, dass Thor schwindelte. «Raus mit der Sprache, mein Junge: was ist los? Du bist schon seit Tagen so komisch.» «Frag mich bitte nicht, Vater,» antwortete Thor gequält. «Du wirst nicht hören wollen, was mich beschäftigt.» «Geht es um Loki?» Frigga, die wie immer ein feines Gespür hatte, insbesondere wenn es um ihre Söhne ging, legte ihre Hand auf Thors Arm. Betrübt stellte sie fest, dass er leicht zusammenzuckte – es sagte ihr genug. «Mutter, bitte...» «Loki?» Odin runzelte die Stirn. «Ich wünsche den Namen eigentlich nicht mehr zu hören.» Frigga zog scharf die Luft ein. «Er ist immer noch unser Sohn, Odin!» «Was mich anbelangt, so...» «Sprich es besser nicht aus!» So laut und bestimmt hatte Thor seine Mutter noch selten reden hören. Verwundert starrte er sie an. «Sag nichts, was du irgendwann bereuen könntest!» Um die Aufmerksamkeit seines Vaters wieder auf sich zu lenken, zwang sich Thor, zumindest einen Teil der Wahrheit preiszugeben. «Ja, es geht um Loki.» meinte er leise. «Ich mache mir... Sorgen um ihn.» Als er den verblüfften – und irritierten – Blick seines Vaters auffing, setzte er rasch hinzu: «Schliesslich weiss ich genau, wie es ist, auf Midgard als ganz gewöhnlicher Sterblicher leben zu müssen. Das ist nicht besonders lustig. Und in Lokis Fall...» Er brach ab und biss sich auf die Lippen. In Lokis Fall war es sogar noch weitaus weniger lustig, denn Loki würde von allen als Feind betrachtet werden. Er, Thor, hatte ja immerhin Unterstützung und sogar Freunde gefunden. Aber Loki würde wohl kaum soviel Glück haben. Doch das war natürlich bei weitem nicht alles. Was ihn weitaus mehr quälte, war das, was er Loki angetan hatte. Und da er es nicht mehr gewagt hatte, zu Heimdall zu gehen, wusste er auch nicht, wie es um Loki stand. Zwar hatten Melinda und sogar Iron Man und Bruce Banner versucht, ihm Hilfe zu leisten... Aber erstens wusste Thor nicht, ob sie es auch geschafft hatten, und zweitens bedeutete das ja sicher nur, dass sie ihn einfach nicht hatten elend krepieren lassen. Wo und was er inzwischen war - wenn er denn noch lebte! - wusste Thor nicht. Dass Loki als Gefangener von S.H.I.E.L.D. in irgendeinem Loch schmachtete, war dabei eine der grössten Wahrscheinlichkeiten. Doch noch andere, schlimmere Befürchtungen tobten in ihm. Trotzdem waren all die quälenden Vorstellungen immer noch besser als die Wahrheit, vor der sich der blonde Donnergott schlicht entsetzlich fürchtete. Er schalt sich selbst einen elenden Feigling, aber die Angst, von Heimdall etwas Schreckliches zu hören, überwog, und so zog er im Moment lieber die Ungewissheit vor... Auch wenn sie ihn aufzufressen drohte. Frigga stiess Odin unter dem Tisch mit dem Fuss an, und der Allvater wusste sofort, was sie von ihm wollte. Sekundenlang war er versucht, seiner Frau durch eine heftige Antwort klar zu machen, dass er gar nicht daran dachte, das Thema Loki auch nur einen Moment länger zu vertiefen, aber dann seufzte er in sich hinein und ergab sich in sein Schicksal. Er wusste, dass Frigga keine Ruhe geben würde. «Thor...» mit aller Gelassenheit, die er aufbringen konnte, und nachdem er sich heftig geräuspert hatte, wandte er sich an seinen Sprössling. «...wenn es dich beruhigt: ich habe Lokis weiteres Schicksal in seine eigenen Hände gelegt. Genauso wie damals das deine.» Thor sah seinen Vater völlig verwirrt an. Wovon redete er da? «Ich bin zwar absolut sicher, dass es nicht geschehen wird, aber es gibt für Loki – genauso wie damals für dich – zwei Möglichkeiten, seine Kraft und Magie wieder zu erlangen: die erste Möglichkeit ist natürlich diejenige, dass sie ihm zurück gegeben wird. Darauf, mein Sohn, kann er allerdings ewig warten. Doch er hat noch eine zweite Chance....» Odin hielt inne und seufzte diesmal laut und für alle vernehmlich. Einen Moment lang schienen seine Augen ins Nichts zu schweifen. «Ich liebe Loki noch immer, Thor. Auch wenn du mir das vielleicht nicht glauben wirst. Aber ungeachtet meiner Liebe zu ihm bin ich realistisch genug, um zu sehen, was aus ihm geworden ist. Und darum bin ich überzeugt, dass er die zweite Chance nie nutzen wird. Weil er es gar nicht kann... Denn dazu ist er viel zu selbstsüchtig und zu machtgierig.» «Was für eine Chance?» Thors Stimme war nur ein Hauch. «Ahnst du es nicht?» antwortete Frigga an Odins Stelle. Sie lächelte ihrem Sohn zu. Ein trauriges und zugleich hoffnungsvolles Lächeln. «Sollte er sich als würdig erweisen, bricht er das Siegel, durch das seine Kraft und Magie verschlossen wurden – und erlangt beides zurück. Genau wie du in dem Moment, als du bereit warst, dein Leben für andere hinzugeben, wieder in deinen Status als Gott des Donners eingesetzt wurdest. Und das Recht, den Hammer Mjölnir zu schwingen, wieder erhalten hast.» Noch immer begriff Thor nicht ganz. «Was wollt ihr mir damit sagen..?» «Sollte das Wunder geschehen und dein Bruder das Leben anderer über sein eigenes stellen, würde er in diesem Augenblick alles zurück bekommen, was ich ihm als Strafe für seine Verbrechen entzogen habe. Seine Kraft und Magie würden dann in einem Augenblick wieder freigesetzt werden. Denn genau wie bei dir konnte ich ihm beides nicht wirklich nehmen... sondern nur versiegeln. Aber...» Odins Stimme schwoll an, «...im Gegensatz zu deiner Mutter bin ich leider absolut sicher, dass dein Bruder niemals zu so etwas wie Selbstlosigkeit fähig sein könnte! Und darum, mein lieber Sohn, wird er wohl dazu verdammt sein, sein Leben als gewöhnlicher Sterblicher auf Midgard zu fristen. Und zu beenden.» Frigga hatte eigentlich gehofft, dass ihr Sohn wenigstens ein bischen ruhiger würde durch diese Nachricht, aber sie musste feststellen, dass dem nicht so war. Später am Abend klopfte sie deshalb an die Tür ihres Ältesten. Sie fand ihn unruhig hin- und herlaufend wie einen Tiger im Käfig. Als er sie anschaute, lag ein derart gequälter Ausdruck auf seinem Gesicht, dass Frigga augenblicklich wusste, dass Thor ein Geheimnis hütete. Eines, das ihn offensichtlich derart belastete, dass er keine Ruhe fand. Sie liess sich auf Thors Bett fallen und befahl ihm, sich ebenfalls hinzusetzen. Dann nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und fragte ihn sanft, aber bestimmt, was er verheimlichte. Es gab zwei Familienmitglieder, vor denen Thor noch nie etwas hatte geheimhalten können: der eine war Loki. Und das andere Mitglied der Familie sass jetzt vor ihm und sah ihn mit diesen wissenden, klaren Augen an. Thors eigene Augen mischten sich mit Tränen – beschämt versuchte er sie wegzudrücken – ehe es schliesslich aus ihm herausbrach. «Es kann sein, dass ich Loki getötet habe, Mutter!» stiess er schwer atmend hervor. «Oder dass ich zumindest Schuld bin, dass er auf Midgard sterben wird. Denn ich habe... ich habe...» Und er senkte den Kopf und erzählte ihr von dem schlimmsten, was er in seinem Leben getan hatte: wie ihn seine Wut auf Loki derart übermannt gehabt hatte, dass er schliesslich zu dieser fürchterlichen Peitsche gegriffen hatte. Frigga liess ihn reden, ohne ihn zu unterbrechen. Sie hörte sich seine Selbstvorwürfe an, bis er keine Worte mehr fand. Dann hob sie mit dem rechten Zeigefinger sanft sein Gesicht. «Thor. Ich bin froh, dass du dich mir anvertraut hast. Denn so kann ich dir auch etwas anvertrauen. Es geht Loki – den Umständen entsprechend – gut.» Und völlig verdattert durfte Thor jetzt vernehmen, dass er nicht der einzige gewesen war, der sich bei Heimdall nach Loki erkundigt hatte. Nur dass seine Mutter, anders als er, jeden Tag zu allsehenden Wächter gegangen war – und darum auch genau wusste, was sich auf Midgard zugetragen hatte. Als sie ihrem Sohn nun berichtete, dass sein Bruder von Melinda Crave und schliesslich von Tony Stark und Bruce Banner wirklich gerettet worden war, musste sie es zweimal wiederholen, ehe Thor es fassen konnte. Er hatte zwar gehofft, dass sie ihm zumindest ein wenig beistehen würden - vor allem nach dem, was Heimdall ihm das letzte Mal berichtet hatte - aber so umfassend? Und ohne, ihn nachher bei S.H.I.E.L.D. zu melden? Das hätte er nie zu hoffen gewagt! Und als sie ihm noch erzählte, dass Loki sich jetzt in der Obhut der Avengers befand, hätte nicht viel gefehlt, und der Donnergott wäre vom Bett gefallen. «Du siehst also...» Frigga konnte sich ein flüchtiges, aber herzliches Schmunzeln nicht verkneifen, «...ganz so düster sieht es für Loki nicht aus. Und getötet hast du deinen Bruder auch nicht.» «Ich muss zu ihm, Mutter!» sagte Thor und sprang erregt auf. «Ich möchte ihn sehen, ihm sagen, dass...» «Du weisst, dass Vater das nicht zulassen wird.» unterbrach ihn Frigga. Als Thor eine heftige Antwort geben wollte, fügte sie mit einem wissenden Lächeln hinzu: «Noch nicht!» Und damit musste sich Thor wohl oder übel für den Moment begnügen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)