Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 15: Die Avengers ------------------------ «Sie wissen schon, dass ich ihm am liebsten den Hals umdrehen würde?» fragte Barton, als er auf den reglosen Loki hinuntersah. Melinda versteifte sich, schaffte dann aber ein gezwungenes Lächeln. Sie konnte den Mann ja verstehen. «Das wäre Mord, Agent Barton,» gab sie leise zurück. «Noch dazu an einem Wehrlosen.» «Wehrlos? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.» erwiderte Barton bissig. Genau wie er standen auch die übrigen Avengers um die Kapsel herum und betrachteten den Mann darin mit gemischten Gefühlen. Und genauso wie Melinda, Bruce und Tony hatten sie keine Ahnung, was sie tun sollten. Loki war gefährlich, das hatte er zur Genüge bewiesen. Und auch wenn er in seinem momentanen Zustand wohl wirklich nicht allzu bedrohlich sein konnte: dass er seine Kräfte wirklich eingebüsst hatte, konnte keiner der Helden wirklich ganz glauben. Und selbst wenn: machte ihn das tatsächlich harmloser? Oder war nicht vielleicht sogar das Gegenteil der Fall? «Seinen messerscharfen Verstand wird er wohl kaum eingebüsst haben,» fasste Natasha Romanoff die Gedanken aller zusammen. «Und der dürfte mit Sicherheit das Gefährlichste an Loki sein. Magie hin oder her.» «Wollen wir nicht erst mal abwarten, was passiert, wenn er aufwacht?» fragte Melinda und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. «Dann können wir immer noch besprechen, wie es...» «Falls er überhaupt wieder aufwacht.» warf Steve Rogers dazwischen. Es klang nicht angriffslustig, eher nachdenklich. Melinda musterte ihn überrascht. Von allen Anwesenden hatte er keinerlei Anzeichen von Genugtuung gezeigt, und auch jetzt wirkte er eher angespannt als befriedigt. Ein Gefühl von spontaner Dankbarkeit durchflutete sie... ehe sie wieder daran dachte, was er gesagt hatte. Doch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, versetzte Clint auch schon bissig: «Wir wollen hoffen, dass er's nicht tut. Dann wären alle Probleme gelöst!» Melinda konnte sich im letzten Moment eine entsprechende Antwort verkneifen, denn wieder musste sie sich eingestehen, dass sie Bartons Beweggründe nachvollziehen konnte. Wenn sie auch seine Meinung nicht im Mindesten teilte, verstand sie doch, dass er gar nicht anders empfinden konnte. Zu ihrer Überraschung blieben die übrigen Avengers jedoch stumm. Am nächsten Tag veränderte sich Lokis Zustand plötzlich. Melinda, die am frühen Morgen als erste nach ihm sah, bemerkte es allerdings nicht sofort. Erst als sie das erste Mal seit Tagen wieder sein leises Stöhnen vernahm, wurde sie hellhörig. «Loki,» sagte sie und beugte sich über die Kapsel. Er stöhnte erneut und schloss die Augen, ehe er sie nach einigen Sekunden wieder öffnete – und Melinda anschaute. Sie bemerkte sofort seinen fragenden, verwirrten Blick und erkannte auch, dass sein Gesicht wieder seine normale Farbe angenommen hatte. Ihr Herz tat einen Sprung. War er über den Berg? «Wo... bin ich...?» fragte er benommen und wollte sich aufrichten, stiess jedoch ans Glas der Kapsel. «Was..?» «Ganz ruhig!» versetzte Melinda hastig. «Es ist alles in Ordnung. Sie sind in Sicherheit.» Das hoffte sie zumindest. «Warten sie einen Moment – ich bin gleich wieder da.» Und ohne ein weiteres Wort huschte sie nach draussen, um Tony Stark zu holen. Wenige Augenblicke später kam sie mit ihm zurück. Stark musterte Loki genauso überrascht wie Melinda. «Sieh an,» versetzte er trocken. «Unserem Patienten scheint es besser zu gehen.» Über Lokis Gesicht huschte sekundenlang eisiges Entsetzen, als er Iron Mans Gesicht über sich sah. Doch dann flüchtete er sich in Bissigkeit. «Stark! Lange nicht gesehen. Aber ich hatte so 'ne Ahnung, dass sie Sehnsucht nach mir haben würden.» «Nicht wirklich,» gab Tony mit derselben Bissigkeit zurück. «Nur kann Melinda Crave sehr überzeugend sein, wenn sie will.» Er hob die Hand, als Loki etwas einwerfen wollte, und sagte rasch: «Ich öffne jetzt die Kapsel. Bleiben sie aber bitte noch einen Moment liegen, klar? Ihr Kreislauf wird sicher verrückt spielen, und wenn sie sich gleich aufsetzen, kippen sie uns sofort wieder um.» «Höre ich da etwa Besorgnis in ihrer Stimme?» Loki hätte beinahe gelacht, verkniff es sich dann aber, als er Melindas warnenden Gesichtsausdruck sah. Ihm war sowieso nicht nach Lachen zumute. Im Gegenteil: er hatte gerade die Hölle hinter sich... Und wenn er 'Glück' hatte, wohl auch noch vor sich! Zumindest konnte er sich an einer Hand abzählen, dass Tony Stark – von den übrigen Avengers ahnte er im Moment noch nichts, denn auch Bruce Banner hatte er bereits nicht mehr wahrgenommen – kaum allzu freundlich mit ihm umgehen würde. Als sich die Kapsel öffnete, versuchte Loki zwar, sich an Tonys Anweisung zu halten, aber seine Ungeduld liess ihn kaum mehr als einige Sekunden warten, ehe er die Beine über die Liege schwang und sich aufrichtete. Ein Fehler, den er gleich bereute: wie Tony es vermutet hatte, wurde ihm schwarz vor Augen, und er fiel sofort wieder zurück. Verflixt – während der letzten Stunden hatte er ganz vergessen, in was für einem schwachen Körper er jetzt feststeckte! Dass er nicht nur einige Stunden weggetreten gewesen war, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. «Ich sagte doch: nicht so hastig.» kam prompt Starks Kommentar, als Loki wie ein Stein auf die Liege zurücksank. «Schliesslich können gewöhnliche Menschen nicht gut fünf Tage ruhig liegen und dann aufspringen, als wäre nichts gewesen.» Das 'gewöhnliche' betonte er absichtlich mit leisem Spott, aber Loki bemerkte es gar nicht. «Wie bitte?» fragte er und sah dabei abwechselnd von Tony zu Melinda. «Fünf Tage?» «Ja, so lange waren sie... weggetreten.» warf die junge Agentin rasch ein, ehe Iron Man zu Wort kam. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, dass sich jetzt auch die übrigen Avengers, aufgeschreckt durch den Wortwechsel, langsam näherten. Sie beeilte sich daher, möglichst schnell hinzuzufügen, dass sie keine andere Möglichkeit gesehen hatte, als Bruce Banner um Hilfe zu bitten, da es ihm, Loki, so schlecht gegangen sei. «Und Banner hatte schliesslich die Idee, Tony dazu zu holen, der sie in diese Kapsel gesteckt hat, wo sie wenigstens einigermassen ruhig waren.» Sie musste Atem schöpfen, so rasch stiess sie die Sätze hervor. «Und das war ihre Rettung. Ich glaube nicht, dass sie das... Ganze ansonsten überstanden hätten.» «Wobei keiner von uns sicher ist, ob wir es überhaupt gut finden, dass du noch am Leben bist!» ertönte Bartons Stimme aus dem Hintergrund. Langsam schob er sich an den übrigen Avengers vorbei und blieb dicht vor Loki stehen. «Ich jedenfalls hätte dich mit Sicherheit lieber tot gesehen.» In Lokis Augen schlich diesmal nur ganz flüchtig ein Hauch von Entsetzen, ehe er sich wieder im Griff hatte. Eigentlich hatte er schon geahnt, dass es nicht bei Tony Stark bleiben würde. «Was nicht ist, kann ja noch werden,» meinte er spöttisch und unternahm einen zweiten Versuch, sich aufzusetzen. Diesmal gelang es ihm sogar – dass ihm beinahe übel wurde und sich wieder alles vor seinen Augen drehte, liess er sich nicht anmerken. Nach wenigen Sekunden ebbte der Schwindel ab. Überrascht stellte er fest, dass sogar die Schmerzen in seinem Rücken relativ erträglich waren. Was immer Stark da mit ihm gemacht hatte: es hatte ihm wohl wirklich geholfen. Oder ihm sogar tatsächlich das Leben gerettet. Na wunderbar – damit stand er jetzt zu allem Überfluss auch noch in Iron Mans Schuld! Bartons Gesicht verzerrte sich bei Lokis Worten. «Sei bloss vorsichtig,» zischte er ihm zu. «Laut Melinda bist du deine Superkräfte samt deiner magischen Tricks los. Du solltest also dein Maul ein bischen weniger weit aufreissen, wenn du nicht herausfinden willst, wie gross meine Wut auf dich tatsächlich ist.» «Oje, jetzt krieg ich aber echt Angst!» Loki konnte es nicht lassen: auch wenn er wusste, dass es in der Tat wohl klüger wäre, den Mund zu halten, bedachte er Clint mit einem zynischen Lächeln. «Nur, sagen sie mir, Agent Barton: seid wann geht ihr Avengers denn auf Wehrlose los?» Clint stand kurz davor, zu explodieren, aber da legte ihm Natasha beschwichtigend die Hand auf den Arm und meinte gelassen: «Ihr Mundwerk funktioniert offensichtlich schon wieder bestens. Und wie sieht's mit dem Rest aus: wieder ganz der Alte?» Auch über ihr Gesicht huschte ein flüchtiges Grinsen. «Abgesehen natürlich von den besagten Superkräften, die ihnen angeblich abhanden gekommen sind...» Loki verdrehte die Augen, aber Bruce Banner wurde das hin und her jetzt zu dumm. «Kurz gesagt: wie fühlen sie sich?» fragte er und meinte es durchaus ernsthaft. 'Wie durch den Fleischwolf gedreht', schoss es Loki durch den Kopf. Aber laut sagte er nur: «Eigentlich ganz gut.» Er stockte einen Moment und fügte dann hinzu: «Danke.» «Wow!» Tonys Augenbrauen fuhren nach oben. «Wenn ich jetzt auf einem Stuhl sitzen würde, würde ich glatt runterkippen! Hat unser Ziegenpeter etwa gerade 'danke' gesagt..?» «Tony, bitte...» versetzte Melinda, aber Loki lachte nur. «Notieren sie's in ihrem Tagebuch, Stark. Allzu oft wird das nicht vorkommen.» Er gab sich gelassener und weitaus überlegener, als er sich fühlte. Genau genommen kam er sich momentan weder gross noch ruhig vor, sondern eher ziemlich klein. Er merkte, wie er unter dem ernsten Blick von Banner und vor allem von Steve Rogers zusammenzuckte und zu schrumpfen begann, und das erste Mal in seinem Leben stieg ein Gefühl in ihm auf, das er noch nie empfunden hatte: Scham. Er wusste genau, was er getan hatte. Es wäre ihm auch klar gewesen, wenn er es nicht in den – wie Melinda sagte, letzten fünf Tagen – in allen Einzelheiten durchlebt hätte... aber spätestens seitdem wusste er bis ins kleinste Detail, wie viele Verbrechen auf sein Konto gingen. Und wenn die Menschen vor ihm auch nur einen Bruchteil dessen wüssten, was er jetzt wusste, würden sie wohl wirklich kurzen Prozess mit ihm machen. Und er könnte es ihnen noch nicht mal verübeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)