Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 1: Das Urteil --------------------- Der grosse Thronsaal war in eine gespenstische Stille gehüllt. Kein Laut war zu hören – weder von Frigga, die am Fusse des mächtigen goldenen Thrones stand noch von dem alten weissbärtigen Mann, der stolz und kerzengerade darauf sass. Odin wartete ruhig und einer Statue gleich darauf, dass die Saaltüren sich öffneten und sein Sohn hereingeführt wurde, und wäre nicht der dunkle Schatten auf seinem Gesicht gewesen, hätte man ihn für gänzlich unberührt halten können. Melinda konnten die beiden natürlich nicht sehen. Nicht einmal Frigga mit ihrer Magie. Ein Glück, denn sie hätten kaum einen Menschen hier haben wollen. Doch der Tarnanzug funktionierte wie immer perfekt – was die junge Frau nicht wunderte, denn schliesslich hatte ihn Tony Stark persönlich entworfen. Aber obwohl ihr klar war, dass sie keiner sehen konnte, weil der Anzug sie unsichtbar machte, war sie sich doch nur zu sehr darüber im klaren, dass man sie immer noch hören konnte... sollte sie denn so unvorsichtig sein und irgendwelche Geräusche von sich geben. Ein lautes Knarren riss Melinda aus ihren Gedanken: die breiten Türen zum Saal schwangen sich auf! Sie holte tief Luft und spannte jeden Muskel in ihrem Körper an. Das hier war die Stunde ihres grössten Triumphes, und sie wollte sie geniessen. Leider war es auch die Stunde ihres grössten Schmerzes... Er war, wie ihr schien, noch etwas blasser als gewöhnlich, aber ruhig, als er, flankiert von zwei Wachen, hereingebracht wurde. Die Szene wirkte gespenstisch und hätte absolut geräuschlos sein können – wäre da nicht das Klirren der Ketten zu hören gewesen, die der Gefangene trug. Ziemlich viele Ketten, wie Melinda mit Genugtuung feststellte: nicht nur an Händen und Füssen, sondern auch um den Hals hingen sie schwer an seinem Körper. Ihr Herz tat einen Sprung vor Freude... doch leider blieb es vor Schreck auch einen Moment lang stehen. Ihn so zu sehen tat – sie hätte sich selbst dafür ohrfeigen können – unerwartet weh! Frigga riss die junge Frau aus ihren widersprüchlichen Gedanken, als sie einen Schritt nach vorne trat und ihren Sohn ansprach. «Loki...» begann sie, wurde von diesem jedoch unterbrochen. «Hallo Mutter,» meinte er gleichmütig, «habe ich dich stolz gemacht?» Melinda glaubte, sich verhört zu haben. War er verrückt? Wusste er nicht, wie gefährlich, ja geradezu wahnsinnig es war, in seiner Situation so etwas Zynisches zu sagen? Oder machte er sich – was wohl wahrscheinlicher war, wir ihr schlagartig klar wurde – lustig über die Anwesenden? Über Odin, genauer gesagt, denn sie konnte er ja nicht sehen und Frigga schaute er nur kurz an, ehe sein Blick zu seinem Vater schweifte. «Mach es bitte nicht noch schlimmer, Loki» sagte Frigga leise und lenkte damit die Aufmerksamkeit ihres Sohnes wieder auf sich. «Schlimmer?» Loki zog eine Braue hoch, und Melinda musste sich extrem zusammen reissen, um keinen Mucks von sich zu geben. Verflixt, warum sah er immer noch so atemberaubend gut aus? Sogar jetzt, in einer solchen Situation? «Definiere das genauer!» «Loki, bitte...» Man merkte Frigga an, dass es ihr ähnlich ging wie der unsichtbaren Zuschauerin: dass sie nicht fassen konnte, wie man in einem solchen Moment noch derart ironisch sein konnte. Doch Odin hinderte seine Frau an weiteren Worten und verlangte, mit dem Gefangenen alleine zu sprechen. Er sagte «Gefangener» und nicht Sohn, und das erste Mal huschte so etwas wie Unsicherheit über Lokis Züge. Nur ganz kurz, ehe er nach vorne trat und die Beine zusammenschlug, sodass die Ketten aneinanderstiessen und einen metallisch-schrillen Ton von sich gaben. «Ernsthaft, ich frage mich, warum hier alle so ein Theater veranstalten!» versetzte er lachend. «Weisst du wirklich nicht, wie schwerwiegend deine Verbrechen sind?» fragte Odin schneidend scharf und neigte sich ein wenig nach vorn. «Wo du auch hingehst: überall herrschen Chaos, Tod und Verderben.» 'Perfekt auf den Punkt gebracht', dachte Melinda, und eine Welle von bitterem Zorn stieg in ihr auf. Wenn Loki auf diese Worte jetzt mit einem seiner üblichen spöttischen Sprüche reagierte, würde sie nur mit äusserster Mühe ruhig bleiben können. Doch Odin war noch nicht fertig: «Und das alles nur, weil Loki einen Thron will!» «Es ist mein Geburtsrecht!» erwiderte dieser in überraschend ernstem Ton. Odin lehnte sich wieder zurück und holte tief Atem. «Dein Geburtsrecht...» hob er an, und seine Stimme erfüllte den ganzen Raum, «...war es zu sterben! Ausgesetzt auf einem nackten Felsen... als ein Säugling.... Und hätte ich dich nicht mitgenommen, dann würdest du jetzt nicht hier stehen und mich hasserfüllt anblicken können!» Das sass – und wie! Melinda sah, wie Loki leer schlucken musste und ganz flüchtig die Augen schloss. Ein Zittern lief durch seinen Körper, und sosehr sie sich selbst auch dafür hasste: sie konnte ihm nachfühlen, was für ein Schock diese Sätze für ihn sein mussten. So etwas vom eigenen Vater zu hören... Auch wenn es sein Adoptivvater war: Melinda durfte ja nicht vergessen, dass Loki über tausend Jahre alt war und somit auch über tausend Jahre lang in Odin den leiblichen Vater gesehen hatte. Aber der Moment der Unsicherheit währte nur kurz, ehe Loki sich wieder in sein altes Selbst zurückwandelte und herausfordernd sagte: «Wenn du mich hinrichten lassen willst, dann sei so gut und schwing deine Axt gleich! Nicht, dass ich unsere kleinen Gespräche nicht liebe...» Er hielt inne, neigte ein wenig den Kopf und schloss gleichgültig «Nein, eigentlich liebe ich sie nicht!» Melinda blieb schon wieder fast das Herz stehen, doch Odin ging gar nicht auf diese Worte ein. «Frigga ist der einzige Grund dafür, dass du noch am Leben bist,» entgegnete er schneidend scharf, «und du wirst sie nie wiedersehen. Du wirst den Rest deines Lebens auf jenem Planeten verbringen, den du erobern und unterjochen wolltest. Und zwar wie seinerzeit Thor ohne deine Kräfte und Fähigkeiten – doch anders als bei ihm wird es für dich keine Hoffnung auf eine Rückkehr geben!» W..was..? Die junge Frau konnte nicht verhindern, dass ihr ein leises Keuchen entfuhr. Doch da sie nicht die einzige war, wurde es nicht bemerkt: es ging im entsetzten Atemholen Lokis unter. Er stockte einen Moment, trat einen halben Schritt zurück und öffnete seinen Mund... doch noch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Odin bereits fort: «Natürlich kann es gut sein, dass ich dich damit gerade zum Tode verurteilt habe. Denn es ist kaum anzunehmen, dass die Menschen dich besonders herzlich empfangen werden. Und dafür, dass sie dich wiedererkennen, werde ich sorgen – indem ich dich genau da absetze, wo Thor mit dir nach Asgard aufgebrochen ist. Es wird also wohl nicht lange dauern, bis sich zumindest einer an dein Gesicht erinnern wird!» Einen Moment stockte Odin, dann holte er tief Luft, und der zornige Blick, mit dem er den Mann zu seinen Füssen mass, liess Melinda erzittern. "Nur zwei deiner magischen Fähigkeiten lasse ich dir - zum einen diejenige, alle Sprachen der Erde zu beherrschen. Du sollst genau verstehen können, was die Menschen zu dir sagen! Falls sie überhaupt etwas sagen..!" Erneutes Atemholen. "Und zum anderen die Magie, die dir ein asisches - oder in diesem Fall menschliches - Aussehen verleiht. Denn wenn du plötzlich wie ein Jotunne aussiehst, könntest du allenfalls unerkannt bleiben. Und das soll dir eben gerade nicht gelingen!" Odin hielt inne und erhob sich dann langsam. Seine Augen schienen Loki durchbohren zu wollen. "Doch jegliche andere Form der Magie wird dir genommen! Genauso wie die besondere Kraft, die dir als Ase und Jotunne natürlicherweise innewohnt. Wie schon gesagt: du wirst jetzt am eigenen Leib erfahren, was es heisst, als normaler Sterblicher leben zu müssen!" Loki erstarrte, und Melinda sah, wie auch der Rest von Farbe aus seinem Gesicht wich. Er musste zweimal Anlauf nehmen, ehe er leise fragte: «Und was ist mit Thor? Du machst diesen Trottel zum König, während ich auf Midgard verrotte?» War das jetzt etwa seine einzige Sorge? Schon wieder glaubte Melinda kaum, was sie zu hören bekam... Doch vielleicht war es ja nur der Versuch, sich die Erschütterung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Aber ganz verbergen konnte der Gefangene nicht, wie sehr ihn das Urteil schockte – die Frau meinte, deutlich erkennen zu können, dass er gerade seine ganze Kraft aufwenden musste, um ruhig zu bleiben. Entweder kümmerte es Odin nicht, oder er hielt sich ebenfalls gerade meisterhaft im Griff. Die einzige Antwort jedenfalls war: «Thor muss den Schaden reparieren, der durch deine Taten in allen Welten entstanden ist. Und dann... ja, dann wird er König.» Was würde Loki jetzt sagen? Atemlos und in kaum erträglicher Spannung wartete Melinda ab... Doch es kam nichts mehr. Der Verurteilte gab keinen weiteren Ton von sich, sondern liess sich wortlos von den Wachen in Richtung Bifröst abführen. Odin zögerte nur einen Moment, ehe er folgte. Was immer in ihm vorging: es war ihm nicht anzumerken. Wie benommen setzte sich Melinda ebenfalls in Bewegung. Natürlich musste sie zusehen, dass sie bei dieser «Reise» dabei war, denn wenn sie sich bis gerade eben noch ängstlich gefragt hatte, ob und wie sie jemals wieder nach Hause kommen sollte, hatte sie jetzt die Antwort. Loki war sozusagen ihre Rückfahrkarte zur Erde! 'Was Besseres konnte mir ja gar nicht passieren!' durchzuckte sie der zynische Gedanke... und dann stand sie auch schon in der Mitte des kuppelartigen, riesigen Bifröst. Hörte, wie Odin seinem Adoptivsohn die übernatürlichen Kräfte sowie seine magischen Fähigkeiten entzog, sah zu, wie ihm die Fesseln abgenommen wurden und schaffte es gerade noch, nahe genug an ihn heran zu kommen, um mit ihm in den Strudel gerissen zu werden. Als sie in einem hellen Lichtblitz durch die unendlichen Weiten des Alls geschleudert wurden, hallten Odins letzte Worte in ihr nach: «Möge dich auf Midgard das Schicksal ereilen, das du verdienst!» Ob er damit jedoch Lokis Tod meinte oder etwas anderes, blieb dahin gestellt... Hosted by Animexx e.V. 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