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Wechselbalg

von

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Das Innerste geäußert

Und aufs Äußerste verinnerlicht...
 

Tick Tack...

Tick Tack...

Er konnte das vergehen der Zeit nur zu deutlich hören.

Sie rann ihm wie Wachs durch die Finger.

Was war, war vergangen was werden würde lag im Schatten.

Es war vorbei, endgültig vorbei.

Die Entscheidung war die richtige gewesen.

Sie war notwendig für das Überleben seiner Band.

Notwendig für sein Überleben.

Zerknüllt flog der nächste Entwurf einer Notation gegen die Wand.

Geisterhaft schwebten Texte an ihm vorbei.

Er konnte sie nicht greifen, sie waren da und doch entzogen sie sich ihm immer wieder.

Die Melodie war ihm so klar erschienen, nun brachte er sie nicht zu Papier.
 

„Das Innerste geäußert

Und aufs Äußerste verinnerlicht."
 

Gemurmelt verließen die Worte seine Lippen.

Er kannte den Text den er zu Papier bringen wollte.

Er kannte ihn schon lange und doch existierte er nur in seinem Kopf.

Tick tack, tick tack.

Die Zeit rannte, selbst wenn es erst Februar war.

Die Entscheidung war richtig gewesen.Nur wusste er nun nicht mehr weiter.
 

Ein Wechselbalg die Welt getauscht.

Und nun werden wir sehen.
 

Was sehen?

Wie er seine Band in den Untergang geführt hatte?

Die Welten tauschen, oh es wäre wundervoll.

Es gab nur diese eine Welt.

Nur diesen einen Lauf der Zeit.

Die Zeit die ihm verrann wie Wachs.

Was hatte er sich gedacht?

Es war die richtige Entscheidung.

Natürlich war sie es, die Band hätte kein weiteres Jahr überlebt.

Nicht so.

Aber wie sonst?
 

Ein Wechselbalg die Welt getauscht.
 

Es war eine Textzeile, eine auf die er so stolz war musste er zugeben, und doch erschien sie plötzlich als so viel mehr.

Eine getauschte Welt.

Er konnte sie nicht tauschen, aber plötzlich hatte er doch zumindest ein Gefühl dafür wer es könnte.

Wäre er dazu bereit?

Jetzt in diesem Moment, nach allem was er durch hatte?

Noch einmal ein solches Abenteuer, obwohl seine Pläne doch ganz andere waren?
 

Du hast dich den Kräften

Die so in dir zerrten

Doch mit aller Macht

Noch entgegen gestellt

Dich gewehrt und dagegen gestemmt
 

Es gab so viele die dagegen waren.

Gegen seine Entscheidung, aber auch gegen die des Mannes der ihn gedanklich nicht mehr losließ.

Sie beide hatten Entscheidungen getroffen die nicht begrüßt worden waren.

Verteufelt und als falsch waren sie gewertet worden.

Er wusste, dass sie ihre Entscheidungen dennoch beide nicht bereuten.

Sie waren notwendig gewesen, damit es weiter ging.

Allerdings hatte er im Gegensatz zu ihm selbst einen Plan für die Zukunft.
 

Der Weg in die Freiheit blieb wieder versperrt.

Denn dann bist du erwacht in der anderen Welt.
 

Die leise Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass es falsch war.

Er hatte seinen Weg gefunden, er freute sich darauf, er wollte es.

Die lautere Stimme sagte ihm, dass es eine Flucht war.

War sie es?

Er wusste es nicht.

Er kannte ihn so lange.

Er nannte ihn so lange seinen Bruder im Geiste.

Noch immer konnte er sich nicht vorstellen was wäre, wenn er fort wäre.
 

So verkehrt und so unendlich fremd.
 

Was wenn seine Überlegungen falsch waren?

Was er jetzt tat, dass tat er aus Freundschaft.

Wäre er zu mehr bereit?

Würde er seinen neuen Plan vom Leben dafür aufgeben?

Einfach so?

Für seinen egoistischen Plan?

Kopfschüttelnd versuchte er die aufkeimende Hoffnung in seinem Herzen zu vertreiben.

Er konnte ihn nicht wieder binden.

Nicht wenn sein Plan doch ein ganz anderer gewesen war.

Er wusste doch nicht einmal wie dieses Lied enden sollte.

Wie sollte er ihm eine Zukunft garantieren?

Wie wenn er nicht einmal seine eigene sichern konnte?
 

Langsam packte er seine Sachen.

Er würde kein Wort darüber verlieren.

Seine Gedanken waren manchmal nicht geordnet.

Er würde ihm nichts bieten können.

Sein Wille allein war nun einmal manchmal nicht genug.

"Aber mit ihm zusammen könnte ich es schaffen.

Mit ihm zusammen sehe ich das Licht."

Murmelte er leise, ehe er sich vor seinen eigenen Gedanken erschrak.

War es so?

Er nickte sich selbst zu.

Er war sein Wechselbalg.

Er war seine Rettung.

Würde er vielleicht auch seine sein?

Er wusste, dass die Musik sein Leben war.

Eine Professorenstelle war schön und gut.

Es war ein sicheres Einkommen.

Aber es war keine Musik.

Es war keine Erfüllung.

Es wäre keine für ihn und er kannte ihn lange genug um zu wissen, dass es auch ihn nicht erfüllen würde.
 

Ich sah das Licht.

Du sahst mein Herz.
 

An seinem Zielort angekommen hatte er die Gedanken verdrängt.

Das meinte er zumindest, als er das Studio betrat.

Allerdings hätte er doch in all den Jahren lernen müssen, dass seine Wunschträume ihre eigene Realität hatten.

„Lutz?"

Vorsichtig uns leise hatte sein Name seine Lippen verlassen.

So unsicher war er lange nicht mehr gewesen.

Das Studio um ihn herum war nur noch das Notwendigste.

Der Blonde hatte bereits einen Nachmieter.

Er war dabei alles was er besaß nach England zu Schiffen.

In sein neues Leben.

Die aufmerksame Musterung riss ihn aus seinen Gedanken.

Er kannte ihn lange genug, er spürte dass etwas nicht stimmte.

Er schüttelte den Kopf.

Die Kisten hatten ihn umgestimmt.

Einer seiner längsten Weggefährten war auf dem Weg in ein neues Leben.

Er konnte nicht versuchen ihn zu halten.
 

Und bald schon packte Furcht die beiden Seelen.
 

Der Blonde war sturer als er.

Er hätte es wissen müssen.

„Asp!"

Ein Knurren nur.

Er zuckte zusammen.

Schüttelte erneut den Kopf.

Die tiefblauen Seelenspiegel ließen ihn nicht frei.

Sie kannten einander zu lange.

Sie konnten einander lesen.

Er konnte ihm nicht verheimlichen, dass seine Gedanken für ihn wichtig gewesen waren.

Inzwischen starrte er ihn an.

Unwohl wandte er sich hin und her.

Er wollte es ihm nicht sagen.

Er konnte ihm seine Zukunft nicht mit seiner eigenen Ungewissheit zerstören.
 

Wir sollten uns unsagbar viel erzählen

Zu zweit entlarvt, als Teufelsbrut
 

„Jetzt sprich schon."

Scheinbar desinteressiert spielte er an seinen Reglern.

Die unterschwellige Spannung seiner Muskeln entging ihm nicht.

Sie kannten einander zu lange.

Sie konnten einander zu gut lesen.

„Bleib."

Nur ein Flüstern.

Der Blick des Blonden schoss in die Höhe.

Suchte seine Augen und doch wich er ihm aus.

Er wusste, dass er viel zu viel forderte.

„Wozu?"

Einen langen Moment schwieg er.

Ja wozu eigentlich?

Dafür seinen Traum zu leben?

Erneut schüttelte er den Kopf.

Es war noch fair.

Er konnte das nicht von ihm verlangen.

Dennoch hörte er sich selbst sprechen.

„Bleib bei mir."

Erneut wurde er gemustert.

Er fühlte wie die tiefblauen Augen sich in sein Profil brannten.

Er wartete nicht auf eine Antwort.

Er selbst schien zu überlegen.
 

Was du dir wünschst bedenke gut!

Denn manches Mal da kann es in Erfüllung gehen!
 

„Wozu?"

Die Antwort war nur ein Flüstern.

Eine Gegenfrage.

Dieselbe Frage, die er ihm schon beim ersten Mal nicht beantworten konnte.

Er zuckte mit den Schultern.

Wozu?

Nicht wozu, sondern warum.

Weil er ihn brauchte.

Nachdem er sich bereit erklärt hatte einen Teil seines Albums mitzuproduzieren war es ihm nur noch klarer geworden.

Er brauchte ihn.

Er war so lange eine Konstante gewesen.

Er wollte - Nein er durfte ihn nicht verlieren.

„Ich brauche dich."

Murmelte er leise.

Der Produzent hob eine Augenbraue.

Ungläubig.

Offensichtlich nicht überzeugt.

Was brachte ihm auch eine deutsche Band die er produzieren sollte?

Nichts, gar nichts.

Wieder schüttelte er den Kopf.

„Alexander Frank Spreng!"

Lutz fauchte ihn nahezu an.

Er zuckte zusammen.

„Bleib bei mir, spiel mit mir."

Er erstarrte.

Er hatte es tatsächlich ausgesprochen.

Er hatte es doch nie vor gehabt.

Er wollte seinen Bruder im Geiste nicht zu seinem Schicksal verurteilen.

Er hatte es getan.

Sein Gegenüber schwieg.

Kein Wunder.

Er hatte ein ganz anders Leben geplant.
 

Du sahst das Licht

Ich sah dein Herz.
 

Die Zeit verrann wie Wachs.

Gleichzeitig haftet sie wie Kaugummi.

Es war still.

So still, dass er den Atem seines Gegenübers hören konnte.

Auch ohne ihn anzusehen wusste er, dass der Blonde den Blick durch den Raum wandern ließ.

„Schmeißt du deinen Bassisten nun auch noch, ohne darüber nachzudenken wie es danach weitergeht?"

Man musste ihn gut kennen, um das perfekt verborgene Schmunzeln in seiner Stimme zu hören.

Er kannte ihn gut genug.

„Tossi bleibt. Meinen Gitarristen zu schmeißen reichte an Aufregung."

Leicht nickte Lutz in die vage Richtung der Gitarre, welche noch von den letzten Aufnahmen hier stand.

„Søren."

Er nickte nur, wenn der scheinbar immer gut gelaunte Virtuose sich auf seine Band einlassen würde nur zu gern.

Andererseits hatte er sich auch auf Umbra eingelassen.

Weil Lutz ihn gefragt hatte.

Weil Lutz da gewesen war.

Die beiden hatten eine merkwürdig perfekte Harmonie, wenn sie zusammen spielten.

Eine vollkommen blinde Harmonie, sie musste sich nicht einmal bewusst sein, dass der Andere da war.

Langsam suchte er den Blick der ihn fragend musterte.

„Ich brauche aber auch jemanden der Mandoline spielen kann."

Sein Blick war zu lange an dem kleinen Instrument hängen geblieben

.Es erstaunte ihn noch immer, dass der blonde Hühne das filigrane Instrument scheinbar mühelos beherrschte.

Lutz schnaubte.

„Weil eine Mandoline für eine Gothicband essentiell ist, nicht war?"

Er hätte gerade gern einen Wikipedia Eintrag umgeschrieben um genau diese These zu belegen.

Dennoch schüttelte er leicht den Kopf.

Nur für einen Moment grinsten sie einander an.

„In meiner Definition schon."

Lutz nickte nur abwesend.

Nervös beobachtete er, wie der Produzent die Mandoline holte und zu spielen begann.
 

Wir tauschten stetig Weck-

Und Wiegenlieder
 

Vorsichtig setzte er sich weiter auf.

Sein Blick war starr auf das Instrument gerichtet.

Das war es.

Genau das war sie Melodie die er so lange gesucht hatte.

Diese Melodie, die sich ihm immer und immer wieder entzogen hatte.

Die Gänsehaut kroch in kleinen Wogen über seine Haut.

Es war etwas, was Lutz nicht wissen konnte.

Er hatte die Fragmente mit niemandem geteilt.

Bisher hatten sie mit Angstkathedrale auch genug zu tun gehabt.

Noch wusste doch niemand von Wechselbalg.

Wenn man nicht einmal wusste wie es weitergehen sollte, sollte man nicht damit hausieren, dass man eine Idee für eine neue Single hatte.

Vor allem nicht, wenn man zur Hälfte vom musikalischen Talent von geliehenen Studiomusikern lebte.
 

Das Innerste geäußert ….
 

„Hast du nen Stromschlag bekommen?"

Lutz riss ihn irritiert aus seinen Gedanken.

Er musste ihn wohl tatsächlich angestarrt haben, als hätte ihn der Blitz getroffen.

Er schüttelte den Kopf.

Etwas was er heute bereits sehr häufig getan hatte.

Sonst war er doch nicht so auf den Mund gefallen.

Heute schien es ihm sehr oft an Worten zu fehlen.

„Erde an Asp. Was hast du?"

Er hatte erneut den Faden verloren.

Kurz wollte er den Kopf schütteln.

Hielt sich gerade noch davon ab.

„Diese Melodie."

Brachte er leise hervor.

Er sollte es erklären, aber ihm fehlten die Worte.

Der Blonde zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, fiel mir gerade ein."

Kurz überlegte er, ob er es wirklich aussprechen sollte.

Sie kannten einander so lange.

Lutz wusste wie seltsam er war.

Er wusste, wie seltsam der Blonde sein konnte.

Sie hatten einander nie dafür verurteilt.

Vorsichtig zog er ein zerknittertes Blatt aus der Tasche.

Wortlos reichte er es dem Produzenten.

Seit die Melodie das erste Mal durch seinen Kopf gegeistert war trug er es bei sich.

Es war nur ein Fragment.

Nur der Anfang, mehr hatte er nicht zustande gebracht.

„Was ist es?"

Er konnte die Überraschung in den Augen seines Freundes sehen.

Dieses Mal zuckte er hilflos mit den Schultern.

„Es war vor einigen Wochen einfach da."

Murmelte er, Lutz nickte und griff nach einem Stift.

Fragend sah er ihn an und wartete auf seine Erlaubnis.

Nickend willigte er ein und lehnte sich nach vorn um mitlesen zu können.

Eine Weile schrieb der Produzent konzentriert, dann stand er auf und holte Sørens Gitarre.
 

Genau das war es.

Es war sie Melodie, die er doch nie zu fassen bekommen hatte.

„Wie heißt es?"

Langsam ließ er den Blick zwischen dem Blatt und Lutz hin und her wandern.

„Wechselbalg"

Die Melodie war perfekt.

Lutz schien noch nicht zufrieden.

Auch er musste eingestehen, dass noch etwas fehlte.

„Ich habe eine Idee."

Schon war der Produzent aus dem Raum.

Der Sänger blieb verwirrt zurück.
 

…und tasten staunend durch den Spalt…
 

Eine halbe Stunde später kam Lutz zurück.

Eine Gitarre in der Hand, die er bei seinem Freund noch nie gesehen hatte.

Wenn er ehrlich war hatte er nicht einmal gewusst, dass er weit besser spielte als er es vermutet hätte.

Auf der Bühne war er immer nur Bassist gewesen.

Er hatte einmal erwähnt dass er Gitarre spielen konnte.

Wie gut, dass hatte er ihm verschwiegen.

Erst als er sich wieder fokussiert fiel ihm auf, dass der Blonde nicht allein war.

Das Grinsen des kleineren Gitarristen war ansteckend.

Fragend blickte er zwischen den beiden hin und her.

Seine stumme Frage wurde jedoch ignoriert.

Lutz schnappte sich nur das Blatt und reichte es dem Lockenkopf.

Einige Minuten war es still, ehe die beiden sich mit Fachbegriffen bewarfen von denen der Sänger nicht alles verstand.

Musiker war nun einmal doch nicht gleich Musiker.

Gitarristen untereinander sprachen anders miteinander.

Außerdem fiel ihm auf, dass es keine ganzen Sätze waren.

Kurz huschte ein Grinsen über seine Lippen. Sie hatten tatsächlich eine besondere Chemie miteinander.
 

Rasch waren beide Gitarren verkabelt.

Søren nahm die Melodie spielend auf.

Wüsste er es nicht besser, er hätte ihm nicht geglaubt, dass er sie doch gerade nur ein einziges Mal gelesen hatte.

Nach der zweiten Wiederholung stieg Lutz mit ein.

Vollkommen synchron erklangen die beiden Sechssaiter.

Ihm war nie bewusst gewesen, dass verschiedene Gitarren direkt nebeneinander tatsächlich so verschieden klingen konnten.

Sie taten es.

Nicht störend, harmonisch, einander ergänzend.

„Du brauchst keinen Mandolisten, du brauchst einen zweiten Gitarristen."

Statuierte Lutz voller Ruhe.

Er musste ihn wohl schon wieder ansehen als hätte ihn der Blitz getroffen.

„Ich muss dringend das Mischpult prüfen, irgendwo muss da ein freies Kabel liegen."

Kurz begannen sie beide zu lachen.

Es war befreiend, er hatte lange nicht mehr ehrlich gelacht.

Vor allem hatte er lange nicht mehr mit Menschen gelacht, die er voller Stolz seine Freunde nannte.

„Dir ist bewusst, dass ich meinen Gitarristen raus geworfen habe? Dir ist bewusst, dass ich nicht mal einen habe und besitzt die Dreistigkeit mit zu sagen, dass ich zwei Gitarristen brauche?"

Ein wenig ungläubig blickte er den Blonden an.

Manchmal glaubte er daran, dass der ihn absichtlich an seine Misere erinnerte.
 

Vom Stimmenklang gelockt kann keiner Widerstehen
 

Und plötzlich konnte er es sehen.

Das Blitzen in den blauen Augen.

„Da hast du deinen Leadgitarristen."

Vorsichtig wandte er den Kopf.

Unsicher suchte er den Blick des Älteren.

Søren sah ihn voller Ruhe an.

Offenbar nicht vollkommen abgeneigt.

Er hatte während ihrer Zusammenarbeit im Studio bereits bemerkt, dass der so sanft wirkende Gitarrist voller Überraschungen steckte.

Die Chemie in der Band stimmte.

Die Fans würden ihn lieben.

Das Lachen des Produzenten lenkte ihn von seinem Gedanken ab.

„Normalerweise ist er nicht so auf den Mund gefallen."

Nun lachte auch Søren.

Kopfschüttelnd schenkte er Lutz einen tödlichen Blick.

Der jedoch blieb davon unbeeindruckt.

„Søren könntest du dir vorstellen - also würdest du - vielleicht -"

Ungeduldig fiel Lutz ihm ins Wort.

„Du sollst ihm keinen verdammten Heiratsantrag machen. Du sollst ihn nur fragen, ob er sich für deine Band verpflichtet."

Entrüstet starrte er seinen langjährigen Freund an.

Søren lachte wieder, ließ sich dabei gegen den Blonden fallen.

Lutz nahm ihn lachend in den Arm.

Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass die beiden einander noch wesentlich länger kannten.

Seit ihrer Jugend.

Vielleicht spielten sie deshalb so perfekt zusammen.

Das Vertrauen ineinander war beinahe greifbar.

Etwas Vergleichbares hatte er mit Tossi.

Selbst wenn sie einander so viele Jahre weniger kannten hatte er eine ähnliche Bindung zu Lutz.

Aber die beiden hatten etwas Besonderes.

Etwas was sie nicht nur auf der Bühne so perfekt harmonieren ließ.

„Ich kürze das Mal ab. Ja ich spiele, aber nur wenn du mir einen zweiten Gitarristen gibst dem ich blind vertrauen kann, wenn wir spielen."
 

… das Äußerste verinnerlicht
 

Er konnte sein Glück kaum fassen.

Er hatte bei den letzten Aufnahmen gesehen, was Søren nebenbei spielte.

Das Talent und das Potenzial welches ihm gerade versprochen wurde, war mehr, so viel mehr, als er es jemals erwartet hätte.

Viel mehr als er es sich jemals hätte träumen lassen.

Einen Spielpartner auf den er sich blind verlassen konnte.

Ihm fiel nur einer ein.

Tief durchatmend stand er auf und schloss den Kleineren einfach in die Arme.

Was auch immer er eben noch hatte sagen wollen, er wusste es nicht mehr.

Erst nach mehreren Minuten löste er sich vorsichtig.

„Danke."

Mehr brachte er nicht über die Lippen.

Seine Stimme klang rau und brüchig.

Søren lächelte ihn nur an.

Kurz schien es, als würde er ganz genau verstehen, was er noch so alles gern gesagt hätte.

Für einen Moment hielten sie den Blickkontakt.

Schließlich brachte Søren wieder dieses ansteckende Grinsen zum Vorschein.

"Das wird ein interessantes Abenteuer."

Er konnte nur nicken.

Es würde definitiv interessant werden.

Wahrscheinlich auch ein Abenteuer, zumindest war es doch bisher immer eines gewesen.

Ehrlich lächelnd nickte er erneut.

Es würde ein wunderbares Abenteuer werden.
 

Langsam wandte er den Kopf.

Lutz tat als würde er tatsächlich ein Kabel suchen.

Selbst wenn sie beide wussten, dass es keines gab.

„Lutz." Betont langsam wandte der Blonde den Blick.

Jetzt galt es.

Er hatte es ihm bereits gesagt.

Ein drittes Mal würde er es nicht tun.

„Bleib. Spiel mit uns. Produziere uns. Egal was du willst, aber bleib. Ich brauche dich und das weißt du."

Voller Ruhe musterte der Produzent ihn.

Tick tack....

Tick tack...

War die Zeit bisher gerast, nun schien sie still zu stehen.

Er wagte es nicht zu atmen.

Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis Lutz den Blickkontakt brach.

„Zusammen?"

Fragte er kaum hörbar in die Richtung des anderen Gitarristen.

„Mit dir? Immer."

Die Antwort war genauso leise.

Langsam wandte Lutz sich wieder in seine Richtung.

„Ich hoffe sehr, dass ich die Vermietung des Studios rückgängig machen kann, ansonsten zahlst du die Provision für ein neues Domizil."

Wieder fühlte er sich wie vom Blitz getroffen.

Einen langen Moment starrte er den Produzenten an.

Schließlich ließ er sich eher in seine Arme fallen, als alles andere.

Dieses Mal konnte er die Tränen nicht unterdrücken.

Noch heute Morgen stand er vor dem Abgrund.

Noch heute Morgen meinte er die Band nicht retten zu können.

Nun jedoch war alles anders.

Nein nicht nur anders, es war gut.

Hatte er heute Morgen nicht gewusst wie er ohne einen Gitarristen weitermachen sollte, hatte er nun doch zwei.

Zwei verdammt gute Gitarristen.

Und einen Produzenten.
 

„Wechselbalg also - wie geht der Text?“

Neugierig musterten sie ihn nun beide.

Noch für einen langen Moment war er überwältigt von seinen Gefühlen.

Langsam fing er sich wieder.

Nahm sie schließlich doch beide erneut in den Arm.

Erfreute sich daran, dass sie das Kuscheln erwiderten.

War es das?

War dies die Zukunft für seine Band?

Er konnte es sich mehr als gut vorstellen.

Er hoffte auf diese Zukunft.

Mehr als auf vieles in den vergangenen Jahren.
 


 

 

Nicht mehr allein, für den Moment,

doch viel zu kurz auf unsren langen Wegen.

Wir kommen zu uns ganz getrennt,

wo uns die Winde

klirrend kalt entgegenwehen.
 

 

Blendend erwachte der Scheinwerfer zum Leben.

Erst Søren, dann Lutz.

Als hätten sie niemals etwas anderes getan.

Als würden sie schon immer an seine Seite gehören.

Als wäre diese Band schon immer die ihre.

Die Menschenmassen vor der Bühne feierten die Premiere der Single.

Sie feierten die Band, die aus der Asche wieder auferstanden war.

Sie feierten ihn und doch auch seine Band.

Als wäre es vollkommen natürlich hatten sie die beiden Gitarristen aufgenommen.

Aus den Augenwinkeln ließ er den Blick Streifen.

Sie fühlten sich wohl.

Offenkundig spielte jeder von ihnen für sich allein.

Wenn man sie kannte konnte man sehen, dass sie dem jeweils anderen immer ein Ohr zugewandt hatten.

Lutz behielt den Überblick.

Zwang Tossi und Oli in seinen Rhythmus.

Sorgte spielend dafür, dass Søren problemlos nur auf seine Notation achten musste.

Der schien zu wissen, dass er sich vollkommen auf den Blonden verlassen konnte.

Er konzentrierte sich auf die Melodie.

Die beiden arbeiteten perfekt zusammen.

Lutz war ein Uhrwerk seit er ihn kannte.

Er konnte loslassen.

Seine Band wusste ganz genau was sie tat.

Seine Band - die Worte machten ihn stolz.

Unendlich stolz.

Seine Band, seine Familie.

Die Zukunft erschien nun nicht mehr so dunkel, wie sie es gewesen war.

Sie konnten - nein sie würden es schaffen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CaroZ
2019-08-03T09:11:55+00:00 03.08.2019 11:11
Hallöchen,
über ASP-Geschichten freue ich mich immer, und diese war wirklich nett zu lesen. Ob es sich so abgespielt hat? Weit weg von der Realität kann es nicht sein ...
Liebe Grüße
Caro
Antwort von:  Wechselbalg
03.08.2019 23:07
Hallo,
Naja ob es sich wirklich so abgespielt hat weiß ich nicht, einige Fakten sind aus der Realität übernommen aber ansonsten habe ich mich tatsächlich sehr schwer damit getan eine persönliche Bindung zu beschreiben, welche sicherlich vorhande, aber für Außenstehende schrecklich schwer zu fassen ist....
Vielen lieben Dank für dein Kommentar, das ermutigt mich darin, dass es nicht doch kompletter Unsinn ist 😊
Liebe Grüße 😊



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