Miraculous Ladybug ~ Wahre Lügen von Sparkis ================================================================================ Kapitel 6: Neues aus der Gerüchteküche -------------------------------------- ~Marinette~ ---------------- „Marinette!“ rief ihre Mutter aus der Küche und die Bluenette rollte sich murrend im Bett herum. „Marinette? Willst du nicht Frühstücken!“ Tikki schlüpfte gähnend unter dem Kissen hervor, streckte sich und ziepte dann an einer Strähne der vom schlaf zerzausten Haare. „Marinette! Wach auf! Deine Mutter hat schon dreimal gerufen!“ Einem Zombie gleich erhob sich das Mädchen und wischte sich etwas Speichel vom Kinn. Für ihre Augen hätte sie Streichhölzer gebraucht, damit diese offen blieben. Nach ihrem nächtlichen Treffen mit Chat Noir im malerische Paris war ihre Kreativität so beflügelt gewesen, dass Marinette bis tief in die Nacht neue Skizzen angefertigt hatte. Jetzt bereute sie es. Ihr Körper fühlte sich an wie gegen eine Wand gerannt: schwer und kaputt. Mit hängenden Schultern schleppte sie sich schließlich nach unten und hockte sich, nach zwei gescheiterten Versuchen, da sie abrutschte auf einen Hocker am Thekentisch. Ihr Vater blickte sie über den Rand der Sonntagszeitung an und sah zu, wie seine Tochter Müsli in die Zuckerdose löffelte, statt umgekehrt. „Du siehst aus, wie dieses Mädchen aus dem Horrerfilm.“ Witzelte Tom Dupain. Marinettes Augen waren verständnislos. Ihre Mutter Sabine kam an den Tisch und räumte die Misere ihres Kindes weg. Gleich darauf hatte die Bluenette ein fertig gerichtetes Frühstück vor sich stehen. Nicht wacher aber satt und mit einer großen Tasse Kaffee, plus einen Teller süße Teilchen bewaffnet schlurfte die Bluenette wieder in ihr Zimmer und setzte sich auf ihren rosanen Drehstuhl. „Hmm riecht das lecker!“ der Marienkäfergeist schwebte herbei und setzte sich neben den mitgebrachten Teller. „Bedien dich Tikki.“ Knauschelte Marinette und nahm einen Schluck von dem bitteren Gebräu. Angewiedert verzog sie das Gesicht, nahm aber tapfer noch mehr in den Mund. Nachdem sie die Tasse abgesetzt hatte griff sie nach ihren neusten Entwürfen. Sie zeigten diesmal verschiede Leute als Models. Alya in einem sportlich angehauchten blauen Kleid, Nino lässig mit Kapuzenshirt, auf ein paar mehr Skizzen war Adrien abgebildet mit verschiedenen Kleidungsstücken. Marinette lächelte, so viele gute Ideen in so kurzer Zeit. Dann stutzte sie und zog das letzte Papier hervor, welches hinter all den anderen steckte. Ihre Wangen bekamen einen Hauch mehr rosa und ihr Lächeln veränderte sich. Zärtlich fuhr sie mit dem Finger die Linien nach und versank in den grünen Augen, die sie selber koloriert hatte. Sie hatte ihren schwarzen Stift ganz schön geschändet um diesen vielen Flächen einzufärben, die nun den Kater in einem molligen Wintermantel zeigten. Tikki kannte diesen Blick, schluckte aber jeglichen Kommentar grinsend hinunter, samt Puddingcreme. ~Adrien~ ------------- An einem anderen Ort in Paris saß das berühmteste Nachwuchsmodel Frankreich ebenfalls am Frühstückstisch. Allerdings allein. Lustlos trank er seinen Kaffee und kaute auf einem geschmacklosen Croissant rum. Alles was er serviert bekam galt als das Beste, was man für Geld kaufen konnte. Noch dazu sollten seine Mahlzeiten ausgewogen und gesund sein… aber sie schmeckten ihm nicht mehr. Enttäuscht legte er den Rest des Gebäcks auf den Teller zurück, als die Assistentin seines Vaters anklopfte und eintrat. Sie bemerkte, dass ihr Schützling wieder nicht richtig gegessen hatte: „Adrien, in letzter Zeit scheinst du keinen großen Appetit zu verspüren.“ Der blonde junge Mann sah auf sein Gedeck und dann Natalie an. „Sagen Sie Natalie, dürfte ich einen Wunsch äußern, was das Frühstück betrifft?“ Irritiert gingen die Augenbrauen der Frau mit dem strengen Dutt nach oben. Eindeutig wusste sie nicht, was sie davon halten sollte. „Äh… nun ja… um was handelt es sich?“ Adrien lächelte: „Könnten wir in Zukunft unsere Backwaren von der Boulangerie Dupain-Cheng beziehen?“ Einen Moment starrte die Assistentin seines Vaters ihn nur an. Hinter ihrer Stirn schien es zu arbeiten, dann machte sie sich Notizen auf ihrem Klemmbrett. „Darf ich fragen wie du auf diese Idee kommst?“ Ihre Augen waren immer noch auf ihre Notiz gerichtet als der Blonde antwortete: „Nichts besonderes. Die Bäckerei gehört den Eltern einer Klassenkameradin. Sie bringt öfters mal was mit und… ich dachte es wäre eine gute Idee einen kleineren Betrieb zu unterstützen.“ Natalie sah ihn undeutbar an, schob ihre Brille zurecht und sagte: „Ich werde mich darum kümmern. Natürlich werde ich erst deinem Vater unterrichten. Nun zu deinen heutigen Terminen…“ Adrien lauschte, war aber mit seinen Gedanken woanders und lächelte zufrieden. ~Marinette~ ---------------- Interessiert blätterte Marinette durch ein Modemagazin. Dabei lümmelte sie auf der Chaiselongue. Tikki saß auf ihrer Schulter und linste ebenfalls auf die bedruckten Seiten. Bei den Artikeln mit und über Adrien blieben die Himmelblauen Augen jedes Mal hängen. Der Sonntag war ruhig und gemütlich vergangen. Die Bluenette hatte ihre Hausaufgaben erledigt, sehr viel mit ihrer Freundin Alya über deren Erkenntnisse und Theorien über den letzten Kampf von Ladybug und Chat Noir getextet, dann überraschend eine Email eines ehemaligen Schulkameraden bekommen, weiter an einigen Entwürfen gesessen und auch einen neuen Schnitt angefertigt. Am späteren Nachmittag hatte ihr Vater sie zu einer Revanche in Ultimate Mecha Stricke III herausgefordert. Nach dem Abendessen war das Mädchen wieder nach oben gegangen. Von unten hörte sie immer noch ihre Eltern angergiert spielen. Marinette lächelte. Sie hatte schon coole Eltern. Sie blätterte weiter und fand einen Artikel über eine Kollektion, die eindeutig von Ladybug und Chat Noir inspiriert war. Ein wenig war das Mädchen mit den schwarzblauen Haaren stolz darauf. Die Helden von Paris beflügelten die Fantasie der Menschen. Ein gutes Gefühl. Andächtig verweilten ihre Augen auf dem Foto, welches sie selber in ihrem Heldengewand und den Kater zeigte. Sie im Vordergrund, in der Mitte der Aufmerksamkeit und hinter ihr, halber verdeckt ihr ewiger Schatten. Ihr Partner. Ihr Verbündeter. Er blickte nicht in die Kamera, sondern auf ihre Rückenansicht. Keck grinsend und doch lag eine Sehnsucht in seinen Augen. Eine Sehnsucht die Marinette nur zu gut kannte. Sie ertappte sich dabei, wie sie das Foto von Chat Noir ebenfalls etwas zu lang anschaute und spürte, dass sie ihn eindeutig vermisste. Heute war er mit der Patrouille dran. Würde er sie danach wieder besuchen? Das Mädchen klappte das Magazin zu. Eigentlich wäre sie jetzt auch da draußen, doch da sie den Kater schon gestern getroffen hatte fehlte ihr nun der Grund sich aufzumachen. Sie schwang die Beine vom Sofa und schlenderte durch ihr Zimmer. Ihr Kwami rutschte auf das kleine Kissen und sah ihr nach. Mit dem Finger der rechten Hand fuhr sie die Konturen ihres Drehstuhls, des Schreibtisches und den Kästchen darauf nach. War das normal? Marinette hob das gerahmte Foto von ihrem Schwarm hoch und betrachtete es. Sie spürte die Wärme, die sein Anblick ihr verschaffte. Ihr Herz klopfte schneller in der Brust. Dann schloss sie die Augen und das Bild wandelte sich. Die klaren Umrisse des höflichen jungen Models verschwammen und fügten sich neu zusammen. In ihrem Kopf erschien das Gesicht eines anderen jungen Mannes. Frech und führsorglich zugleich. Die Bluenette riss die Augen auf und stöhnte. Ihr Herz schlug genauso schnell wie zuvor. „Ist alles in Ordnung Marinette?“ fragte Tikki vorsichtig und kam herüber geschwebt. Marinette starrte wieder auf das Foto und fasste sich an die Stirn. Sie hatte kein Fieber. Aber warum dann dieser Streich, den ihr Hirn ihr spielte. Ihre Schultern sanken und leise flüsterte sie ihrer Freundin zu: „Tikki… kann man in zwei Jungen gleichzeitig verliebt sein?“ Der kleine rote Kwami blieb in der Luft stehen. Sie schien angestrengt zu überlegen und sah dabei nicht glücklich aus. „Weißt du Marinette,“ sagte Tikki schließlich und setzte sich wieder auf die Schulter des Mädchens, „ich denke das Herz macht was es will. Und wenn es nun für zwei Jungen schlägt, warum solltest du das nicht genießen?“ Die Bluenette sah zu ihrer Gefährtin und lächelte matt. „Aber… der eine sieht mich nicht und der andere… liebt nur mein anderes ich…“ Jetzt wurde sie traurig. Doch zu Marinettes Überraschung kicherte Tikki. „Was ist so witzig?“ Der Marienkäfergeist hatte die Pfötchen vor den Mund geschlagen und feixte noch lauter. Es dauerte einen Moment ehe Tikki sich beruhigte und zu den vorwurfsvoll gefüllten blauen Augen blickte: „Ach Marinette… glaubst du das wirklich? Lass es darauf ankommen! Ich meine… warum glaubst du kommt er seit Wochen dich besuchen?“ Kleinlaut antwortete die Bluenette: „Weil… weil ich eine gute Freundin bin?“ Der Kwami sah sie sprachlos an und schüttelte dann den Kopf. Dann flatterte das kleine rote Geschöpf vor Marinettes Gesicht und stupste sie auf die Nase: „Tu dir einen Gefallen! Wenn er das nächste Mal kommt höre auf dein Herz… und vor allem auf seines. Sollte es genauso schnell schlagen wie deins hast du deine Antwort.“ Das Mädchen errötete und wandte sich scheu lächelnd ab. Und plötzlich hoffte sie, Chat Noir würde heute Abend vorbei kommen. Natürlich war er nicht gekommen. Dieser überhebliche, ewig Sprüche klopfende, dumme Kater. Marinette stampfte wütend zur Schule. Ausnahmsweise mal pünktlich erreichte sie den Klassenraum und wollte auf dem Absatz kehrt machte, als sie das Drama sah, welches sich dort abspielte. Wie eine Sirene jaulte Chloe auf ihrem Platz und schwamm in ihren eigenen Tränen. Sabrina riss panisch Taschentücher aus einem Spender. Kim, Max, Rose und Juleka standen vor der Schulbank und sahen ebenfalls nicht glücklich aus. Die Bluenette wandte sich um und wäre fast in Alya gerannt, die gerade ein Video davon machte wie Nino einen Monolog über Sehnsucht verfasste. Natürlich echt dramaturgisch mit einem Fuß auf der Schulbank und beide Arme Richtung unbesetzten Platz neben sich ausgestreckt. Als wäre das nicht schon genug spielten Mylene, Ivan, Nathaniel und Alix die begeisterten… gut in Alix Fall sarkastisch grinsende Zuschauer. Nur Lila saß unbeeindruckt auf ihrem Platz und wirkte gelangweilt. Marinette trat neben ihre beste Freundin und flüsterte in ihr Ohr: „Was ist den hier los?“ Ohne ihr Smartphone abzuwenden wandte sich die Rothaarige um: „Oh Marinette, hab ich das tatsächlich vergessen, dir gestern zu schreiben?“ Noch immer ratlos nickte das Mädchen mit den Zöpfen. Alya beendete die Aufnahme ohne ihren Freund darüber in Kenntnis zu setzen, der gerade erst richtig in Fahrt geriet und legte einen Arm um ihre Freundin, während sie zusammen zu ihrem Platz in der zweiten Reihe schlichen. „Bitte versprich mir tapfer zu sein!“ wisperte das Mädchen mit der Hornbrille und die Bluenette nickte. „Adrien kommt die nächsten Wochen nicht zur Schule. Sein Vater hat ihn quasi wegen der Fashion Week gesperrt.“ „WAS! Aber das kann er doch nicht machen!“ geschockt sprang Marinette auf, bereute es sofort, weil wegen ihrem Aufschrei alle sie nun ansahen. „Marinette Dupain-Cheng,“ schniefte Chloe nasal von vorne, „deine kläglichen Versuche die Aufmerksamkeit auf dich zu lenken, scheitern erneut an deiner Gewöhnlichkeit.“ „Oh hört wer da spricht,“ stichelte Alya sofort zurück „Madame die es wissen muss. Heute schon einen Spiegel gesehen?“ Jeder erwartete nun den Fortgang dieses Wortduells, doch stattdessen heulte die Blonde wieder auf und machte damit weiter ihre Tonnenschwere Schminke mit Tränen und Rotz aufzulösen. Dazu jammerte sie „Adri-Cherie… oh Adri-Cherie… verlass mich nicht!“ Lila rollte genervt mit den Augen. „Hey, habt ihr den letzten Akumakampf gesehen?“ meldete sich plötzlich Alix zu Wort und augenblicklich gesellten sich alle zum ersten Schreibtisch, an dem normalerweise Adrien und Nino saßen. Gut, alle bis auf Lila und Sabrina, da letztere damit beschäftigt war ihre beste Freundin vor dem ertrinken zu bewahren. Natürlich war Alya jetzt in ihrem Element: „Natürlich! Ich konnte zwar nicht dabei sein,“ ein kurzer finsterer Blick zu Marinette, die schuldbewusst die Hände in den Schoß krallte, „aber habe jeden Filmschnipsel zusammengetragen, den ich im Netz finden konnte. Natürlich habe ich auch etliche Foren durchwühlt. Alles nun katalogisiert auf meinem Ladybug Blog!“ „Das war schon heftig.“ Meinte Ivan mit dumpfer Stimme und drückte seine Freundin etwas an sich. Mylene nickte: „Meine Mutter hat eine Bekannte, die unter den Einfluss des Akumas geriet. Sie sagt, sie kann sich an nichts mehr erinnern. Hat sich aber voll erschrocken, als sie die Bilder am nächsten Tag im Fernsehen gesehen hat. Sie will sich bald einem Aidstest unterziehen… aber das geht frühestens in sechs Wochen.“ Plötzlich betretene Stille. An die unangenehmen Folgen hatte bis jetzt keiner gedacht. Nino hüstelte: „Wir müssen fast froh sein, dass diesmal nur Erwachsene betroffen waren… ich will mir gar nicht vorstellen, dass Kinder…“ „Halt den Rand Lahiffe!“ fauchte Alya und ihr Freund verstummte. „Aber…“ vorsichtig ergriff Marinette das Wort „…meint ihr nicht der Glücksbringer von Ladybug hat alles wieder ins Reine gebracht?“ Skeptisches aber auch hoffnungsvolles Gemurmel bei ihren Klassenkameraden. „Hoffen wir das Beste!“ flüsterte Juleka und wischte sich ihre violett gefärbten Strähnen hinter die Ohren. Rose kuschelte sich an sie. „Das ist alles so tragisch!“ piepste die Blonde in ihrer rosa Kleidung. „Dieser Akuma wollte Liebe mit… entschuldigt das Wortspiel… mit Trieben ersticken. Dabei ist wahre Liebe viel schöner! Nur Liebe sollte einander so in Ekstase bringen!“ Sie drückte die Hand ihrer Freundin und Juleka lächelte verständnisvoll. Absolute Zustimmung bei allen. „Pah!“ Alle um Marinette wandten den Kopf zu Lila, die angewidert wirkte: „Eure tolle Heldin Ladybug kann auch nicht alles. Ich meine habt ihr gesehen, was passiert ist, nachdem sich Chat Noir für sie geopfert hat? Total hilflos war der Käfer da. Statt von Anfang an zu verhindern, dass sowas passiert hat sie es sicherlich genossen, den Kater als willenlosen Sklaven zu haben. Von wegen die haben nichts miteinander!“ Chloe knallte die Hände auf den Tisch und richtete sich auf. Aus verheulten Gesicht schrie sie über die Bänke: „Wage es nicht so über Ladybug zu reden! Du weißt nicht in was für einer Situation sie war…“ „Du auch nicht!“ schoss das Mädchen mit dem langen braunen Zopf zurück „Wo warst du eigentlich? Du absolut unverzichtbare Queen Bee?“ „Reden wir gar nicht über die Ohrfeige?“ Max stand mit einem Tablett da und hatte ein Foto von der genannten Situation geladen. Es gab sogar ein gif. Markov, der kleine von Max programmierte Roboter mit künstlicher AI surrte neben ihm durch die Luft: „Ich kann zu 87% analysieren, dass dabei verletzte Gefühle im Spiel waren!“ „Ladybug hat ihm ganz schon eine verpasst!“ Kim legte die Arme in den Nacken und grinste dämlich. „Ganz ehrlich… wer kann es ihr verübeln.“ Nathaniel sah nicht von seinem Block hoch. „Naja, das war schon ungewöhnlich.“ Meldete Alix sich wieder zu Wort. „Solche Gefühlsausbrüche kennt man von Ladybug gar nicht.“ Zustimmendes Gemurmel. Unbehaglich rutschte Marinette auf ihren Hintern hin und her und hörte zu, wie alle ihre Reaktion bewerteten. Sie hatten ja Recht. Das war nicht typisch für sie gewesen und deswegen bereute sie es zutiefst, dass es in der Öffentlichkeit passiert war. Ihre Wangen hatten sich gerötet. Dagegen konnte sie gar nichts tun und bangte, dass es jemand bemerkte. „Hoffentlich ist es jetzt nicht zwischen den Beiden aus!“ sagte Ivan und tauschte einen Blick mit Mylene. Auch sie, quatsch alle schienen denselben Gedanken zu haben. Schnell, sag was! Dachte Marinette. Zerstreu dieses Gerücht bevor es sich verbreitet. Doch es war ausgerechnet Chloe die sie verteidigte: „Was redest du? Das ist lächerlich! Absolut lächerlich! Die ganze Situation wird Ladybug zu viel gewesen sein. Schließlich ist sie auch nur ein Mensch. Natürlich wäre mir so etwas nie passiert!“ „Gut gesagt Chloe!“ jubelte Sabrina und reichte der Diva weitere Taschentücher. Die Bluenette war in diesem Moment ihrer Rivalin sehr dankbar. Lila machte ein abfälliges Geräusch. Einen Moment herrschte Stille, dann sagte Alya: „Ich denke das Beste wird sein wir warten ab, was Ladybug und Chat Noir selber zu all dem sagen. Es bring jetzt echt nichts sich darüber den Kopf zu zerbrechen, bevor die Beiden kein Statement abgeliefert haben. Und natürlich könnt ihr das sofort auf dem Ladybug Blog lesen, wenn ich etwas herausgefunden habe!“ Erleichtertes und erneut zustimmendes Gemurmel. „Na wenn das jetzt geklärt ist, können wir ja mit dem Unterricht beginnen. Bitte geht auf eure Plätze.“ Überrascht wandten sich alle Madame Bustier zu, die in der Türe stand und aufmunternd lächelte. Nach einem Blick auf die Uhr, die zeigte, dass sie bereits seit zehn Minuten Französisch hatten kamen sofort alle ihrer Bitte nach und der Schultag konnte beginnen. Marinette sah zu ihrer Freundin, die gerade ihr Mäppchen hochholte und nahm sich vor, sie bald als Ladybug aufzusuchen und ihr ein Interview zu geben. Vielleicht konnte sie Chat Noir dazu überreden mitzukommen. Es wäre gut die vermutete Uneinigkeit gemeinsam zu zerstreuen. Dann konzentrierte die Bluenette sich wieder auf den Schulstoff. Erst in der Pause realisierte Marinette, was Alya ganz am Anfang des heutigen Morgens zu ihr gesagt hatte. Adrien war nicht da. Ihr leuchtender Stern, der den grauen Schulalltag erhellte, war nicht da. Wie Chloe lag Marinette nun auf ihrem Schreibtisch und versank im Elend. Nino hatte aus seiner Verzweiflung heraus angefangen einen Adrien aus Pappe zu basteln. Im Moment lag ein schäbig zusammen geklebter Kopf auf dem Tisch. War es überhaupt erlaubt, einen schulpflichtigen Jungen einfach wochenlang aus dem Unterricht zu nehmen? Wenn der Vater Gabriel Agreste hieß wohl schon. Das Mädchen mit den Zöpfen seufzte lautstark, gleichzeitig mit Chloe. „Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“ witzelte Alya „Du bist mit Chloe einer Meinung?“ Ein empörter Laut war die Antwort und Marinette stütze die Stirn in die Hände: „Das ist eine Katastrophe… Adrien wird seinen Anschluss verlieren!“ Alya zog skeptisch eine Augenbraue hoch: „Echt jetzt? Das ist deine einzige Sorge? Das der Klassenbeste, der uns alle um Längen voraus ist, den Anschluss verliert?“ Die Rothaarige tippte eifrig auf ihrem Handy herum ehe sie weiter sprach: „Ich habe gehört, dass Direktor Damocles wohl den aktuellen Schulstoff und auch den nächsten per Email verschickt hat. Also ist das wohl eher nicht der Fall… und selbst wenn… du wärst ne miserable Nachhilfelehrerin.“ Die Bluenette sah ihre beste Freundin von schräg unten an: „Von wem?“ Doch Alya lachte nur: „Informantengeheimnis!“ Aus ihr würde sie also nichts rausbekommen. Marinette legte wieder die Stirn in die Hände und lauschte ihren Gedanken. Sie versuchte ihre Gefühle einzuordnen, die mit dem Ausbleiben von Adrien richtig gedämpft waren. Dazu mischte sich ihre Enttäuschung, dass der Kater sie gestern versetzt hatte. Alles in allem konnte man sagen sie fühlte sich mies und wollte nur noch zurück ins Bett, sich in ihre Decke einmummeln und die Welt Welt sein lassen. Doch noch lag schier ewiger Unterricht vor dem Mädchen mit den schwarzblauen Zöpfen. „Hast du noch Kleber?“ Marinette schreckte hoch und blickte in Ninos braune Augen. Einen Moment wusste die Bluenette nicht was sie tun sollte, kramte aber dann in ihrem Rucksack und rückte das verlangte Bastelmaterial heraus. Nino bedankte sich und bearbeitete weiter braune Pappe. „Woher hast du den ganzen Kram eigentlich?“ fragte dessen Freundin mit verschränkten Armen. Und während die Beiden eine Debatte über Recycling starteten schweiften Marinettes Gedanken in die Ferne. Über die Dächer von Paris zu einer Villa gar nicht weit entfernt, in der sie ihren blonden Prinzen vermutete. Bewacht von einem bösen Zauberer, einer Hexe und einem Bergtroll. Darauf wartend von einer Prinzessin im rosanen Kleid gerettet zu werden. Über diese Vorstellung musste Marinette schmunzeln. Wenn sie jemanden rettete, dann gewiss nicht in einem rosanen Kleid, sondern in einem hautengen roten Suit mit schwarzen Tupfen. Gott wie gern würde sie ihn retten… ~Adrien~ ------------- Auch Adrien war mit seinen Gedanken woanders. Er saß bereits den ganzen Morgen über seinem Schulstoff, alleine in seinem Zimmer. Fast alleine musste man fairerweise erwähnen, auch wenn Plagg keine besondere Bereicherung heute schien. Der kleine schwarze Kwami sortierte bereits seit Sonnenaufgang seine Käsesammlung, lauthals und voller Schwärmerei. Jedes Stück wurde nach Geruch, Größe und Farbe verlesen. Normalerweise wäre der blonde junge Mann etwas genervt gewesen, doch heute bemerkte er das Theater in seinem Rücken gar nicht. Mit dem Kugelschreiber tippte Adrien immer wieder auf sein Arbeitsblatt. Mit der anderen Hand stützte er seine Stirn, hinter der es arbeitete. Das er hier quasi wieder eingesperrt war, damit hatte sich der junge Mann abgefunden. Natürlich belastete ihn es jetzt mehr als früher, da er den Geschmack der Freiheit gekostet und sich durchgesetzte hatte, indem er nun zur Schule ging. Dort waren seine Freunde, dort war er mehr oder weniger ein normaler Schüler. Dort war er nicht allein. Und dort… war ein Mädchen, das ihn schon lange mit anderen Augen sah. Gut, es gab viele junge Frauen die für ihn schwärmten. Adrien hatte viele Verehrerinnen und teils auch aufdringliche Fans, weiblich und männlich. Aber über keinen hätte er sich je so den Kopf zerbrochen wie jetzt über Marinette. Gestern bei seiner Patrouille war er lange in der Nähe ihres Zuhauses auf einen Dach gesessen und hatte sie durch die Nacht und ihr Fenster beobachtet, sich nicht getrauend sie heute zu besuchen, nach ihrem Geständnis am Vortag und seiner anschließenden Aussprache mit Ladybug. Er war so Erleichtert gewesen und immer noch so dankbar, dass seine Lady ihm vergeben hatte. Das alles wieder zwischen ihnen gut war. Es bedeutete Adrien so viel, wo er doch diese junge Frau so sehr liebte. Er verzehrte sich nach ihrer Nähe, wäre gern jede Sekunde des Tages an ihrer Seite. Wenn sie es nur zulassen würde… Und jetzt hatte er erfahren, dass es jemanden, den er für eine gute Freundin gehalten hatte genauso ging… nur in Bezug auf ihn. Doch wie ernst war es Marinette mit diesen Gefühlen? War es eine Schwärmerei, weil er ein berühmtes gutaussehendes Model war, der Sohn ihres Vorbildes Gabriel Agreste? Das musste so sein! Oder fühlte sie mehr… war es tiefer… Adrien schnalzte den Stift auf den Tisch und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. Angestrengt massierte er sich die Schläfen, legte dann die Hände in den Nacken und starrte an die Decke. Was fand sie sonst an ihm, wenn nicht sein Aussehen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich jemand um seinetwillen in ihn verliebte. Beziehungsweise in seine Fassade, die er trug um seinem Vater zu gefallen. Das Bildnis des perfekten jungen Models, immer höflich, freundlich und… nett. Wie er sich selber dafür hasste! Er hatte die Fassade inzwischen so perfektioniert, dass er gar nicht mehr unterscheiden konnte wo Adrien anfing und Agreste Junior aufhörte. Doch wenn er die Maske anlegte, wenn er Chat Noir war, dann verspürte er wie die Hülle Risse bekam und seine eigene Persönlichkeit das Bildnis schließlich sprengte. Und doch akzeptierte Marinette ihn auch als Chat Noir in ihrer Nähe. Hatte ihn sogar in seiner schwächsten Stunde aufgefangen ohne eine Gegenleistung zu fordern. Seine Umarmungen und auch körperlichen Reaktionen akzeptiert… ihn nie weggestoßen. Sie war die beste Vertraute geworden, die sich Adrien wüschen konnte. Und doch hatte er jetzt Angst ihr wieder zu begegnen, jetzt wo er wusste wie sie fühlte. Und nicht einschätzen konnte, was das in ihm auslöste. Er hatte auch die Worte seines Kwamis nicht vergessen… wie sollte Adrien auch, so eindringlich wie diese gewesen waren. Dabei war der blonde junge Mann sich weiter sicher, wem seine Gefühle galten. Er liebte Ladybug! Allein Ladybug! Woher war dann dieser Gedanke gekommen, dass wenn er früher erkannt hätte mit welchen Augen die Bluenette ihn bedachte, er sich in sie verliebt hätte. Das war Quatsch! Absoluter Quatsch! Im selben Moment realisierte Adrien bereits, dass er im Begriff war sich selber zu belügen. Marinette löste etwas in ihm aus, anders und doch gleich wie seine getupfte Partnerin. Aber das war doch unmöglich! Man konnte doch nicht in zwei Menschen gleichzeitig verliebt sein. Außer man war Bigamist und von der Idee wollte der Blonde mega Abstand nehmen. Vielleicht etwas zu schnell stand Adrien auf und stellte sich an seinen Kicker Tisch. Von seinen Gedanken genervt ließ er die Männchen rotieren und donnerte die kleinen Bälle lautstark in die Tore. „Muss das so laut sein?“ Plagg sauste aus dem Schränkchen, welches er schon vor einer Weile in Besitz genommen hatte und stemmte die Ärmchen in die Seite. „Du erschreckst meinen Käse!“ „Wirklich?“ raunzte Adrien ohne aufzusehen „Deinen Käse?“ Das Geschöpf mit dem zu großen Katzenkopf legte die kleine Stirn kraus und gleitete durch die Luft herüber: „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Oder sollte ich besser fragen welcher Marienkäfer?“ Der Blonde bedachte seinen schwarzen Gefährten mit einem finsteren Blick, was diesen nur zum Grinsen brachte. „Aaaah es geht um die Bäckerstochter!“ An dem Kwami war ein Detektiv verloren gegangen, musste Adrien zugeben. Mit allen Pfeilen direkt ins Schwarze und in die offene Wunde. Mit einem letzten kräftigen Stoß wirbelten die Figuren an ihrer Stange mehrere Umdrehungen. Der junge Mann wandte sich ab und lehnte gleich darauf an einem der bodentiefen Fenster. Plagg folgte ihm und klang nun versöhnlich: „Ach Kleiner, du nimmst das alles zu Ernst! Ist doch schön für dich, wenn du noch bei jemand Herzklopfen bekommst, als nur bei einer die es dir ständig bricht. Und noch dazu mag die Bäckerstochter dich auch ohne Maske. Ist das nichts wert?“ Es verging ein Augenblick ehe Adrien traurig antwortete: „Aber… bedeutet das nicht, sie liebt die Illusion von mir?“ Plagg dachte nach und grinste dann schelmisch: „Nun ja… aber liebst du nicht ebenfalls die Illusion von Ladybug?“ Touche! Vielleicht hatte sein Kwami damit mehr Recht, als dem jungen Mann lieb war. Was genau liebte er an Ladybug? War es wirklich die junge engagierte Frau, die er hinter der Maske vermutete? Oder war das nur seine Vorstellung? Sein Wunschdenken? Sein Traum, sie werde irgendwann seine Gefühle erwidern und sie sich gegenseitig offenbaren? Hatte er sie nur auf ein Podest gestellt, dass es jedem anderen Mädchen unmöglich machte, ihr gleich zu sein? War Ladybug für den Blonden eine Art Mauer um sein Herz geworden, so dass nur sie Platz darin fand, obwohl sie beteuerte das nicht zu wollen? Adriens Kopf rauchte wegen all der Fragen und er stöhnte frustriert auf. Warum gab es keine Anleitung für Liebesangelegenheiten? Einen Leitfaden, der einem aus so verzwickten Situationen half? Jetzt vermisste der junge Mann seinen Schulalltag noch mehr als zuvor. Dort gab es wenigstens Ablenkung und seine Freunde. Zu gern hätte Adrien jetzt mit Nino geredet und noch viel lieber mit… Marinette. Jetzt vermisste er ihr offenes Lachen, ihre lieben Worte, ihren Duft und das Gefühl sie zu umarmen. Ein Schauer fuhr Adrien durch den gesamten Körper. Das war doch völlig verrückt! Er liebte Ladybug! Nur Ladybug allein! …und doch wollte er bei Marinette sein… Alles in Adrien schrie nach ihr. Genauso laut wie sonst nach seiner roten Partnerin. ~Plagg~ ------------ Plagg bemerkte die Verzweiflung seines Schützlings. Zu gern hätte er ihm gesagt: Mach dich nicht verrückt, ist eh dasselbe Mädchen! Aber das konnte er nicht. Meistens tat der schwarze Geist des Chaos als würde ihn das alles nichts angehen, doch eigentlich waren seine Gedanken viel tiefgründiger als er sich gab. Liebe war noch nie einfach gewesen. Weder in der Vergangenheit noch jetzt. Wichtig war nur herauszufinden, wie man mit den eigenen Gefühlen umgehen sollte. Als Kwami sollte er seinen Besitzer so gut es ging unterstützen ohne sich wirklich einzumischen. Eine Verantwortung, die Plagg schon immer zu anstrengend erschienen war, darum hielt der kleine Katzengeist sich möglichst aus allem raus. Doch mit seinem jetzigen Chat Noir hatte das Geschöpf Mitleid. „Ich hasse es zu arbeiten, aber wenn dich das so beschäftigt geh zu ihr!“ Adrien sah auf: „Zu wem?“ Resignierend rollte Plagg mit den Augen: „Dahin wo du jetzt sein willst! Ladybug… Bäckerstochter… mir isses gleich!“ Sein blonder Schützling hatte eine Hand ans Kinn gelegt, die andere in der Hosentasche und lief im Zimmer auf und ab. Dabei dachte er so angestrengt nach, dass es aus seinen Ohren rauchte. Zumindest gefiel Plagg diese Vorstellung. Doch bevor Adrien sich entscheiden konnte klopfte es an der Tür. Sowohl er als auch der Kwami erschraken, sahen sich kurz an, dann verschwand Plagg im weißen Hemd des jungen Models und dieser öffnete Natalie, die den Sohn ihres Chefs für die heutigen Termine abholte. Dann später, dachte sich das kleine schwarze Geschöpf und rollte sich entspannt zusammen. ~Marinette~ ---------------- Mit nicht gerade bester Laune schlurfte Marinette neben Alya her. Die Abwesenheit ihres Schwarms, die aufkeimenden Gerüchte über ihren Ausraster, der Überraschungstest von Madame Mendeleiev und immer noch fragte sich das Mädchen, warum Chat Noir gestern nicht vorbei gekommen war. Natürlich konnte sie letzteres ihrer besten Freundin nicht erzählen, also mussten die ersten drei Gründe für ihre schlechte Stimmung reichen. „Ach komm,“ Alya knuffte die Bluenette mit dem Ellbogen in die Seite, „die paar Wochen wirst du auch ohne diese fantastischen Limettengrünen Augen auskommen.“ Marinette grinste gequält. Natürlich hatte dieser findige Fuchs zumindest die eine Hälfte herausgefunden, warum sie so schlecht drauf war. Sie kamen an die Kreuzung wo die Mädchen sich trennen mussten um zu ihrem jeweiligen Zuhause zu gelangen und verabschiedeten sich. Gedankenverloren ging die Bluenette allein weiter. Reichte es nicht, dass sie sich wegen einem Kerl verrückt machte? Musste sie sich jetzt noch Sorgen um einen zweiten machen? Denn das war es was Marinette sich inzwischen wegen Chat Noir machte: Sorgen. Hoffentlich war ihm gestern auf seinem Rundgang nichts passiert! In den letzten Wochen hatte er sie stets danach besucht. Warum gestern nicht? War er verletzt worden und brauchte Hilfe? Womöglich lag er in irgendeiner Seitenstraße. Verwundet, angeschossen… vielleicht sogar… Halt! Nein! Stopp Marinette! Ihre Fantasie ging mit ihr durch. Dem Kater ging es sicher wundervoll! Er hatte sicher nur ne nettere Gesellschaft gefunden und sie einfach über. Gott sie machte sich wirklich verrückt. Vermutlich war einfach was dazwischen gekommen. Beziehungsweise war er ja gar nicht verpflichtet vorbei zu schauen. Das konnte doch nicht wahr sein… jetzt zerbrach sie sich mehr den Kopf über diesen Katzenohrtragenden Flegel als über Adrien. Wie tief würde Marinette noch sinken? Sie krallte die Finger in ihre Haare und knurrte, was die Passanten um sie dazu brachte, das Mädchen anzustarren. Peinlich berührt kicherte die Bluenette und schlug den Kragen ihres Blazers hoch um sich dahinter zu ducken. Hastig huschte sie die Straße entlang und blieb endlich in einer Einfahrt stehen. Resigniert aufseufzend, mit geschlossenen Augen lehnte sie mit dem Rücken an der Mauer. Das war doch verrückt! Marinette musste sich klar werden, was in ihr vorging. So konnte sie nicht weiter machen. Es hatte ihr stets gereicht ihren Klassenkameraden Adrien aus der Ferne zu beobachten. Auch wenn sie ihm zu gern näher gekommen wäre. Jemand wie Chat Noir, ein junger Mann hinter einer Maske, zwar ihr Partner auf den sie sich als Ladybug jederzeit blind verlassen würde, war quasi ein Fremder. Sie wusste nicht wer er war und das sollte so bleiben. Hatte sie das nicht selber beschlossen? Also war es gut so. Vielleicht war es genau das. Dieses Geheimnisvolle was das Mädchen mit den Zöpfen plötzlich so anziehend fand. Das und die verletzliche Seite, die sie neu an ihm entdeckt hatte. Entschlossen nickte Marinette. Genau, dies war nur eine gefährliche Schwärmerei. Die Versuchung des Unbekannten. Die Bluenette würde versuchen sich wieder komplett auf Adrien zu konzentrieren. Ihn kannte sie. War in ihn verliebt, seit er in ihre Klasse gekommen war. Er war greifbar… nun gut nicht wirklich, aber zumindest wusste Marinette seine Adresse. Wo sie gerade daran dachte… das Mädchen öffnete die Augen und sah sich um. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nicht gemerkt hatte, wohin sie gelaufen war. Nicht nach Hause… Marinette stand vor… der Villa Agreste. Der Bluenetten entfuhr ein Aufschrei. Wie ein verstörtes Huhn tänzelte sie vor dem schweren verschnörkelten Eisentor herum. Oh Gott! Warum war sie ausgerechnet hier her gelaufen? Wollte das Schicksal ihr einen Wink geben, dass ihre Entscheidung richtig war? Was sollte sie jetzt machen? Marinette konnte keinen plausiblen Grund finden um zu klingeln, aber andererseits einfach wieder gehen war auch doof. Sie könnte sich ja nach dem Blonden erkundigen… genau! Einfach so als… Freundin… quatsch Klassenkameradin… Wie ein zu muskulöser Bodybilder stellte sich die Bluenette vor die Klingel. Ihr ausgestreckter Finger zitterte dem Knopf entgegen. Da öffnete sich plötzlich das Eisentor. Mit einem erneuten Aufschrei brachte das Mädchen sich in Sicherheit und klebte wieder mit dem Rücken an der Wand und sah zu wie das Auto des Gorillas an ihr vorbei fuhr. Auf dem Rücksitz erkannte Marinette ihren Scharm. Einen Moment trafen sich ihre Augen und Adrien drehte den Kopf um den Blickkontakt solange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dann war der Wagen um die nächste Kurve verschwunden und die Bluenette sank auf ihre zitternden Knie. Knarrend schloss sich das Tor neben ihr, doch Marinette sah immer noch die Straße hinab. Langsam hob sie die Hände an ihre Brust, in der ihr Herz hämmerte als ob es herausspringen wollte. Sie hatte ihn gesehen und Adrien sich sogar nach ihr umgedreht. Nie hatte das Mädchen geahnt wie eine solche Kleinigkeit sie so unendlich glücklich machen konnte. Und für diesen Moment waren die Gespinste an Chat Noir komplett aus ihren Gedanken verschwunden. Wie ein Kind dem man eine große Tüte mit Süßigkeiten geschenkt hatte, tänzelte Marinette durch die Türe der Bäckerei. Sie trällerte eine Begrüßung und küsste ihre Eltern auf die Wangen, bereit sofort nach oben in ihr Zimmer zu schweben… doch ihre Mutter hielt sie auf: „Marinette! Liebes! Wir müssen mit dir etwas besprechen.“ Die Bluenette war so euphorisch um sich die Laune dämpfen zu lassen: „Was gibt es Maman?“ Sabine Cheng und ihr Mann wechselten einen schmunzelnden Blick ehe Tom Dupain mit der großen Neuigkeit herausrückte. „Marinette, wir möchten dich bitten ab morgen jeden Tag eine Lieferung auszutragen!“ Mit einem Mal verpuffte das verliebte Lächeln im Gesicht der Bäckerstochter und sie sah verwirrt zwischen ihren Eltern hin und her. Doch ihre Mutter lachte: „Du weißt wir würden dich nie um sowas bitten, wenn wir uns nicht einig wären, dass du uns gleich darum anflehen würdest es tun zu dürfen. Schließlich haben wir mal gesagt, dass Schule vorgeht und du nur in der Bäckerei helfen kannst, wenn es deine Leistungen nicht beeinträchtigt.“ Dann kramte die zierliche Chinesin eine Notiz mit einer Adresse aus dem Auftragsbuch und reichte sie ihrer Tochter. Ihr Mann sprach weiter: „Also ab morgen bringst du bitte jeden Tag eine Tüte Gebäck an diese Adresse. Leider musst du dazu sehr früh aufstehen, daher wäre es gut wenn du jetzt immer zeitig ins Bett gehst.“ „Frühstücken kannst du, wenn du zurück bist. Ist das ok Cherie?“ ergänzte ihre Mutter. Marinette hatte zugehört, doch ihre Augen hingen auf dem Zettel. Die Adresse die darauf stand war dieselbe, wie das Haus, vor dem sie bis vorhin sich noch herumgedrückt hatte. Mit einem Jubelschrei gab die Bluenette ihr Einverständnis und ihre Eltern grinsten wissend. ~Adrien~ ------------- Die Hand ins T-Shirt gekrallt, unter dessen Stoff sein Herz wie nach einem Marathon jagte, blickte Adrien in den Fußraum des Autos und versuchte sich zu sammeln. Marinette war vor seiner Tür gestanden. Was hatte sie da gewollt? Warum tauchte sie gerade jetzt auf wo er versuchte Abstand zu ihr zu halten? Zumindest versuchte er sich das einzureden, nachdem sein Kwami ihm vermutlich unwissentlich auf seinen Interessenskonflikt aufmerksam gemacht hatte. Wo wollte der Blonde sein? Bei Ladybug oder Marinette? Es war klar wem er den Vorzug gab, schließlich war Adrien schon ewig in Ladybug verliebt. Wie wundervoll Marinette auch war, sein Herz schlug für seine gepunktete Partnerin. Und doch verriet ihn das lebenswichtige Organ nun schändlich und brachte sein Blut in Wallung nach nur einem kurzen Blick in diese hellen Augen. Sein Bodyguard sah in den Rückspiegel und grunzte einen Laut der wohl ausdrücken sollte ob alles in Ordnung war. Schnell nickte sein Schützling und rieb sich die geröteten Wangen. Schluss jetzt! Er würde sich nun beruhigen und funktionieren, wie es von ihm verlangt wurde. Verrückt machen konnte er sich ab morgen wieder. Natalie hatte Adrien bevor er das Haus verließ noch mitgeteilt, dass sein Vater dem Vorschlag zugestimmt hatte. Also würde ab morgen das leckere Brot und Gebäck der Boulangerie Dupain-Cheng zum Frühstück auf das junge Model warten. So würde er seine Klassenkameradin zwar nicht sehen, aber irgendwie ihre Wärme schmecken können und sich dabei hoffentlich klar werden ob seine Entscheidung, sich vorerst von ihr als schwarzer Kater fern zu halten richtig war. Noch einmal atmete Adrien tief durch und setzte sich dann aufrecht hin. Die Maske des perfekten jungen Models angelegt und konzentriert auf seine heutigen Termine. ~Marinette~ ---------------- Das Display ihres Smartphones lachte sie aus. Feixend zeigte die Uhr eine Zeit weit nach Mitternacht an. Marinette lungerte über das Geländer ihres Balkons und sortierte gefühlt seit Stunden die Sterne am Himmel. „Marinette… du musst schlafen…“ flüsterte Tikki leise und das Mädchen nickte. Langsam stieß sie sich vom Eisen ab und tappte zu der Dachluke. Noch einmal sah die Bluenette über ihre Schulter ehe sie hinein rutschte und sich in ihr Bett legte. Er war wieder nicht gekommen. Dabei war seine Rundgangzeit lange vorbei. Marinette war niedergeschlagen und rollte sich unter ihrer Decke zusammen. Was hielt Chat Noir ab? Hatte sie das letzte Mal etwas Falsches gesagt? Gut wenn sie so darüber nachdachte war an diesem Samstag alles peinlich gewesen. Die Sache mit dem Kondom, wofür sie sich immer noch schämte, dann ihr Liebesgeständnis… aber er hatte sie doch gefragt! Was hätte sie sagen sollen? Am besten nichts. Doch hatte der Kater nicht selber schon öfters angeboten, dass sie mit ihm über alles reden konnte? Und dann als sie sich getrennt hatten in der Nacht, als Ladybug und Chat Noir war doch alles gut gewesen. Hatte ihr Partner nicht gleich wieder Annäherungsversuche gemacht? Also was war es? Was hielt ihn von ihr fern? Marinette vergrub das Gesicht im Kissen. Sie brauchte ihn. Heute besonders! Sie wollte mit ihm über das reden was passiert war. Den verkorksten Morgen, die Begegnung mit Adrien, auch wenn dieser nur an ihr vorbei gefahren war und die Überraschung ihrer Eltern. Sie wollte ihre Freude mit dem Kater teilen. Jetzt wo er wusste für wen sie schwärmte. Klar konnte sie das auch mit Alya tun… genaugenommen hatte sie den ganzen Abend mit ihrer besten Freundin telefoniert und getextet, aber es war eben was anders sich mit einem jungen Mann darüber zu unterhalten. Er konnte ihr besser sagen, was sich Adrien wohl in der Situation gedacht hatte, einfach weil sie vom selben Geschlecht waren. Von Alya hatte Marinette nur zu hören bekommen: „Jungen denken sich nie viel dabei!“ Hatte Rose nicht vor Jahren auch schon mal sowas gesagt? Als sie mit all ihren Freundinnen zusammen hier gewesen war um der Bluenetten bei einem haarsträubenden Plan zu helfen, endlich an ein Date mit ihrem Schwarm zu kommen? Ja aber wie reagierten Jungs denn nun? Chat Noir war ebenfalls männlich und konnte ihr vielleicht eine Antwort geben. Doch er war nicht hier und Marinette von dem Anblick der limettengrünen Augen aus dem vorbeifahrenden Auto ganz aufgewühlt. „Marinette…“ seufzte Tikki die mit auf dem Kissen lag, „…du musst wirklich schlafen…“ ihr kleiner Kwami klang müde. „Ja…“ flüsterte das Mädchen mit den schwarzblauen Haaren. „Gute Nacht Tikki!“ „Gute Nacht Marinette.“ Doch die Bluenette lag noch lange wach, ehe sie in einen unruhigen Schlaf fiel. Zum wiederholten Mal ging ihr Handywecker los und Marinette grummelte unwillig. Was sollte das? Es war doch viel zu früh… draußen dämmerte es erst. „Marinette!“ Die Stimme ihrer Mutter schreckte das Mädchen auf. Moment, wieviel Uhr war es überhaupt? Mit einem Schrei fuhr Marinette auf und in ihre Kleider. Stolpernd überwand sie die Stufen zur Galerie und krachte die Treppe zur Wohnung hinunter. Ihre Mutter lachte, als sie die Panik im Gesicht ihrer Tochter sah, welche nun ins Bad stürmte. Gleich darauf wurde der Bluenetten in der Bäckerei von ihrem Vater eine Tüte mit noch warmem Gebäck übergeben. „Komm rasch zurück! Damit du noch ruhig frühstücken kannst!“ Marinette lächelte gehetzt und rauschte aus der Tür. „In Ruhe Frühstücken?“ Sabine füllte gerade die Theken auf. „Reden wir hier von unserer Tochter?“ Tom Dupain grinste und schob ein Blech mit Baguettes in den Ofen: „Einen Versuch war es wert. Hoffentlich kommt die Tüte heil an!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)