Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 46: Rachegelüste und Milchshakes ---------------------------------------- Wütend starrte sie den großen Spiegel vor sich an, durch den sie bis eben noch ihr Opfer beobachtet hatte und aus dem ihr nun lediglich ihre Reflexion entgegenblickte. Schon wieder war einer ihrer mühevoll platzierten Spione von dieser vermaledeiten Stümperin zerstört worden. Wenn das so weiter ging, würde sie bald neue anbringen müssen. Mit einem tiefen Seufzen lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und sah resigniert die Zimmerdecke an. Sie musste das hier zu Ende bringen. Koste es was es wolle. „Für meine Fibi“, flüsterte sie leise zu sich selbst und ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte extra einen Rachedämon beschworen um seinen Tod so qualvoll wie möglich zu gestalten. Hatte alles an Macht genutzt, was sie hatte aufbringen können, um einen möglichst hochrangigen und grausamen Vertreter seiner Art rufen zu können, und was hatte es ihr gebracht? Noch mehr Schwierigkeiten! Warum meinte es das Schicksal nur so verdammt schlecht mit ihr? Wie konnte es denn sein, dass sie – ausgerechnet sie – an einer so simplen Aufgabe scheiterte? Und warum um alles in der Welt musste auch noch jeder von ihrem Versagen wissen? „Na, versaut dir ein Laie mal wieder die Tour?“, hörte sie hinter sich wie auf Stichwort eine hämische Stimme. „Ich verstehe wirklich nicht, wie man eine so einfache Sache dermaßen gegen die Wand fahren kann. Das grenzt ja schon an fortgeschrittene Unfähigkeit. Aber was soll man auch von einem Halbblut erwarten? Eigentlich hätte es niemanden überraschen dürfen, dass -“ „Es hat aber alle überrascht“, schnitt sie dem Mädchen, das sie so verächtlich titulierte, das Wort ab. „Und weißt du auch warum es alle überrascht hat? Weil es das erste Mal ist, dass ich nicht makellos perfekt bin. Von dir ist man nur Gewöhnliches gewohnt, darum erwartet man von dir, dass du scheiterst. Aber bei mir ist es schon eine Überraschung, wenn ausnahmsweise mal nicht alles nach Plan läuft.“ Verdutzt starrte das unhöfliche Mädchen sie an, bevor sie wütend Luft durch die Nase ausstieß und zu ihr an den Spiegel kam. „Nicht nach Plan? Süße, du hast auf ganzer Linie versagt. Dein dämonischer Attentäter war nicht nur unfähig, sondern hat sich sogar von seinem Ziel – einem einfachen Schüler ohne magische Ausbildung – bannen und zum Wachhund machen lassen. Dabei gibst du doch immer damit an, dass Beschwörungen deine Begabung seien, dir jedes Ritual gelänge und dir jeder Dämon unterläge. Oder irre ich mich da, Miss Perfekt?“ Herausfordernd stachelten sie die grünen Augen an und die junge Halbblut-Hexe wollte grade zu einer schlagfertigen Antwort ansetzten, als ihr Streitgespräch jäh unterbrochen wurde. „Meine Damen, dürfte ich Sie fragen, was Sie so spät noch hier zu suchen haben?“ Eine Frau mittleren Alters in Bleistiftrock und Blazer stand im Türrahmen und musterte die Mädchen streng. „Ähm... Also... Wir haben nur...“ „Ich arbeite an meiner Abschlussprüfung. Es ist mir erlaubt diesen Raum bei Bedarf dafür zu nutzen. Was Miss Chavon hier tun, ist mir allerdings ein Rätsel.“ Provokant sah nun auch sie das Mädchen neben sich an und in deren Augen funkelte der reine Hass. „Dann wird mich Miss Chavon nun am besten begleiten, nicht war?“ Auffordernd ruhte ihr strenger Blick auf der jungen Hexe, bis diese mit einem aufgesetzten, erzwungenen Lächeln den Raum verließ. „Du darfst dich nicht aus der Ruhe bringen lassen“, riet die Frau ihr. „Gib die Kontrolle niemals auf. Magie tut nicht das, was du von ihr willst. Sie tut das, wozu du sie zwingst! Bewahre Ruhe, behalte die Kontrolle, fokussiere dich auf dein Ziel. Deine Prüfung ist im Grunde leicht, du hast sie dir nur etwas schwerer gemacht. Du machst das schon ganz richtig. Das Ziel beobachten und eine Angriffsfläche finden. Zugegeben mit einem Dämon dieses Kalibers als Hindernis dürfte das knifflig werden. Aber du schaffst das.“ Aufmunternd lächelte die Frau ihr zu und legte ihr ihre Hand auf die Schulter. „Wenn ich nur herauskriegen würde, wie er es geschafft hat sich diesen vermaledeiten, ungehorsamen Rachedämon dermaßen gefügig zu machen. Ich habe ihn korrekt beschworen. Das hab ich dutzende Male überprüft und er ist auch so mächtig, wie ich es kalkuliert hatte, aber trotzdem konnte Aiden ihn so mir-nichts-dir-nichts unter seine Kontrolle bringen. Nicht mal ich als seine Beschwörerin kann dieser widerspenstigen Bestie einen Befehl geben, also warum kann es dieser einfache Junge?“ „Tut mir leid, meine Liebe. Das weiß ich auch nicht. Ich habe ihn mehrfach überprüft. Er hat definitiv keine magische Begabung. Aiden Moore ist so gewöhnlich wie man es nur sein kann. Daher kann ich deine begonnene Prüfung auch nicht aufgrund unverhältnismäßiger Anforderungen abbrechen.“ „Und der Dämon? Der ist doch unverhältnismäßig.“ „Das ist schon richtig, aber den hast selbst mit in die Gleichung reingebracht. Er ist dein Verschulden.“ Sie seufzte geschlagen. Selbst wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie ihre Prüfung nicht abgebrochen. Sie hatte sich diese Aufgabe aus gutem Grund ausgesucht und sie hatte auch Aiden nicht zufällig gewählt. Sie würde ihre Rache bekommen. Koste es was es wolle. Ganz abgesehen davon, war sie noch nie vor einer Herausforderung davongelaufen und würde auch jetzt garantiert nicht damit anfangen. „Übrigens gibt es gute Neuigkeiten. Vielleicht heitert dich das ein wenig auf“, riss die Stimme der förmlich gekleideten Frau sie wieder aus ihren Gedanken. „Der Seelenträger ist vor wenigen Minuten hier eingetroffen.“ Die Augen der Frau glänzten in freudiger Erregung, die sich sofort auch auf die junge Hexe am Spiegel übertrug. „Der Seelenträger des Großmeisters? Wirklich? Darf ich ihn sehen?“ „Leider nicht, meine Liebe. Er wurde sofort zu den anderen Seelenträgern gebracht und dort eingeschlossen. Aber mach dir nichts daraus. Du hast das große Glück in einer Generation geboren worden zu sein, die die Auferstehung des Großmeisters höchstwahrscheinlich miterleben darf. Es fehlen immerhin nur noch 2 Träger zu seiner Vollendung.“ Die Lippen der Frau zitterten vor begeisterter Aufregung, doch das Mädchen verlor einen Teil ihres Enthusiasmus. „Ja, und einer davon ist seit dessen Tod verschollen und nie wieder aufgetaucht“, merkte sie wenig hoffnungsvoll an. „Sein nicht so pessimistisch. Seelen sind wie Magier – sie streben immer nach Vollkommenheit. Wenn alle übrigen Teile der Seele versammelt sind, wird der letzte Träger seinen Weg früher oder später zu uns finden. Er wird sich regen und wir werden ihn finden.“ Die Frau richtete ihren Blick auf den Spiegel, vollführte einige schnelle Handbewegungen und im nächsten Moment wurde die Reflexion der beiden Hexen von einem einem anderen Bild abgelöst. In schneller Folge prüfte die Frau jedes Bild, das die Siegel in der Schule liefern konnten. „Dir gehen die Spione aus, Liebes.“ „Ich weiß. Und dabei hab ich sie extra mit einem Schutzzeichen kombiniert, um Aiden daran zu hindern diesen lästigen Dämon einzusetzen. Und eigentlich ist der Plan auch aufgegangen. Er hat die Zeichen zwar bemerkt – was er als normaler Mensch ja eigentlich auch nicht können sollte -“, sie warf der älteren Hexe einen vielsagenden Blick zu. „- aber er hat sich den Zeichen nicht genährt. Ich konnte ihn damit sogar durch das Internat scheuchen, wie die miese, kleine Ratte, die er ist, aber Sophie musste ja unbedingt mitmischen. Wenn es nicht ausgerechnet Sophie wäre, hätte ich mir längst was für diesen Störenfried einfallen lassen, aber es musste ja ausgerechnet dieser über-neugierige Möchtegern sein.“ Verzweifelt legte sie den Kopf in die Hände. „Das Schicksal hasst mich.“ „Na und? Schicksal ist etwas für Menschen. Hexen gestalten den Weg ihres Lebens selbst. Der Großmeister hat sogar den Tod bezwungen, also wirst du es ja wohl schaffen mit ein paar Schülern fertig zu werden. Aber vergiss eins nicht, Liebes. Wenn deine Deckung auffliegt, wirst du für den Zirkel nicht nur nutzlos, sondern auch zur Gefahr. Also reiß dich zusammen, übe dich in Geduld und errege keine unnötige Aufmerksamkeit. Ansonsten kann auch ich – bei allem Respekt vor deiner Mutter – dir nicht mehr helfen.“ Für Aiden kam die Welt so langsam wieder ins Lot. Reel war wieder bei ihm, Sophie half ihm mit den Bannzeichen und hielt ihm den Rücken frei, Shizuka fungierte bereitwillig als magisches Wikipedia und recherchierte betreffend Aidens Symptomen, und Lukas arrangierte sich um seiner Willen mit der neuen Situation und verbrachte wieder seine Zeit mit ihm. „Wollen wir heute nach dem Unterricht mal wieder in die Innenstadt? Ich könnte mal wieder ein paar Runden in der Arcade vertragen“, schlug Lukas auf dem Weg von einem Klassenraum zum nächsten vor. „Außerdem hat in der Mall ein neues Café aufgemacht, dass diese abgefahrenen Freak-Shakes verkauft. Da will ich unbedingt mal hin“, ergänzte Sophie mit leuchtenden Augen und enthüllte damit, wer wirklich die treibende Kraft hinter diesem Vorschlag war. Aiden druckste ein wenig herum. Er wollte seine Freunde wirklich gerne begleiten, aber „Eigentlich hab ich Reel versprochen, den Nachmittag heute mit ihm zu verbringen.“ „Na dann bring ihn halt mit“, schmetterte Lukas seinen Einwand ungerührt ab. Er wollte diesen Typen besser kennenlernen. Nicht weil er ihn besonders mochte – eher im Gegenteil – sondern weil er wissen wollte, mit wem genau sein bester Freund seine Zeit verbrachte und wie gefährlich dieser Reel tatsächlich war. Was war das überhaupt für ein bescheuerter Name? Reel. So heißt doch keiner! Aiden setzte bereits zu einer weiteren Ausrede an, als er die amüsierte Stimme seines Dämons in seinen Gedanken vernahm: „Das klingt doch als könnte es unterhaltsam werden. Und bei der Gelegenheit kann ich mir endlich ein besseres Bild von der kleinen Okkultistin machen.“ Reel hatte ihm bereits offengelegt, dass er sich mit Lukas den einen oder anderen Spaß erlauben würde, aber er musste dabei eine menschliche Fassade wahren, also würde er schon nicht übertreiben. Zumindest hoffte Aiden das. Im Zweifelsfall würde er ihn eben etwas runterregeln müssen. Außerdem wollte auch Aiden endlich mal wieder in die Stadt und Zeit mit seinen Freunden verbringen (und einen dieser Freak-Shakes probieren, die gefühlt jeder aus der Schule bereits in seinem Instagram-Profil hatte). „Okay, wenn es euch nicht stört, kommen wir mit.“ Sophie zwang sich dazu Aidens Lächeln zu erwidern, aber er durchschaute sie sofort. Sophie hatte Todesangst vor Reel und er konnte es ihr nicht verübeln. Die Tatsache, dass sie auch nur im entferntesten etwas mit Magie am Hut hatte, war für seinen Dämon schon Grund genug, um in seiner Aura dauerhaft eine unterschwellige Feindseligkeit mitschwingen zu lassen. Ganz abgesehen davon stellte sie durch ihr Wissen über Reels Existenz ein potenzielles Risiko dar, das keiner von ihnen abschätzen konnte, und abgerundet wurde Reels Einstellung ihr gegenüber von Sophies Verbindung zu Mara. Kurzum: Sie hatte einen wirklich schweren Stand bei ihm und Aiden bemitleidete sie dafür. Aber vielleicht würde es ja tatsächlich helfen die Wogen zu glätten, wenn die vier etwas Zeit zusammen verbrachten. Ein Verfluchter, ein Dämon, eine Okkultistin und ein Nerd auf einem Doppeldate – was sollte dabei schon schief gehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)