Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 15: Ferienbeginn ------------------------ Reel behielt recht – die Englischprüfung am nächsten Tag war für ihn keine große Sache. 40 Minuten vor Abgabe war er bereits fertig und gab die Kontrolle wieder an Aiden ab, der den Bogen noch einmal durchblätterte und anschließend zufrieden zuklappte. Den Rest der Zeit verbrachte er damit sich mit Reel zu unterhallten. Dieser hatte ihm beigebracht ihre Verbindung zur Kommunikation zu nutzen ohne dabei tatsächlich sprechen zu müssen. Es war schwierig und anstrengend, aber Aiden konnte immer wieder Erfolge verzeichnen. Der Trick war seine Gedanken direkt an Reel zu adressieren, aber das klang leichter als es war, da dieser nicht in seinen Geist eindrang. So hätte Reel Aidens Gedanken zwar problemlos hören können, aber er hätte ALLES gehört und nicht nur was an ihn adressiert war. Der Dämon hatte ihm versprochen nicht ungefragt in seinem Geist herumzustochern, da es zum Einen auch für Reel mit Anstrengung verbunden und zum Anderen eine Art Vertrauensbeweis gegenüber Aiden war, den dieser sehr begrüßte. Ihre Unterhaltung während der Prüfung verlief daher von Aidens Seite aus eher holprig, aber er schaffte es schon besser per Gedanken mit seinem Dämon zu sprechen als noch vor einigen Tagen und damit war er schon zufrieden. So arbeiteten sie sich gemeinsam durch eine Prüfung nach der anderen. Bei der Sportprüfung achtete Reel darauf immer genau die Werte zu erzielen, die Aiden brauchte um grade so noch eine Eins zu bekommen. Das brachte ihm zwar einige irritierte Blicke des Lehrers ein, aber sonst schien niemand etwas zu bemerken. Alle waren viel zu sehr mit ihren eigenen Fitnesstests beschäftigt und beachteten Aidens Werte gar nicht. „So gut war ich in Sport noch nie“, stellte Aiden begeistert fest. „Kein Wunder. Du bist total untrainiert, Sunshine. Da müssen wir unbedingt mal was gegen machen.“ Aiden stutze. „Warum das denn?“ „Weil der Magier, der es auf dich abgesehen hat, bestimmt nicht so schnell aufgeben wird und es durchaus von Vorteil sein kann, wenn du und dein Körper ein wenig belastbar sind.“ Das sah Aiden ein. Er hatte den mordlüsternden Magier schon fast wieder vergessen. Es war einfach zu surreal. Andererseits war es ja mittlerweile auch zur Normalität für ihn geworden, sich sein Zimmer mit einem Dämon zu teilen, also sollte er sich auch an den Gedanken gewöhnen können, die Zielscheibe eines Hexers oder einer Hexe zu sein. Heute stand die letzte Prüfung an – Biologie. Wenn Aiden diese auch so gut wie die anderen schrieb, hatte er gute Chancen sein Ziel zu erreichen und auf dem Zeugnis dieses Jahr die von seinem Vater gewünschten Noten zu erzielen. Daher hatte sich Aiden mit Lukas verabredet, um mit ihm das Ende der Prüfungszeit mit einem Gaming-Abend zu feiern. Reel war davon nicht besonders begeistert gewesen, da es für ihn bedeutete sich nicht aus Aidens Körper lösen zu können, aber er hatte es ihm zuliebe kommentarlos hingenommen. Es klingelte, die Prüfungsbögen wurden eingesammelt und in Aiden machte sich Erleichterung breit. Er war gut mit den Aufgaben zurechtgekommen und blickte nun zuversichtlich der Notenverkündigung entgegen. Die fand an dieser Schule erst innerhalb der Sommerferien statt. Das Schuljahr wurde optimal ausgenutzt, alle Prüfungen in den letzten drei Wochen geschrieben und die Noten dann drei Wochen später gemeinsam mit den Zeugnissen entweder zu den Schülern nach Hause geschickt oder ihnen im Internat überreicht. In der vierten Ferienwoche fand für alle, die wollten und es sich leisten konnten, eine Klassenfahrt statt. Die fünfte Woche war wieder frei und in der sechsten fanden sich die meisten Schüler bereits wieder im Internat ein um sich auf das neue (im Falle von Aidens Klasse: das letzte) Schuljahr vorzubereiten. Aidens Euphorie kannte kaum Grenzen. Nicht nur das die Ferien anstanden und er endlich mal wieder seine Mutter und seine Schwester sehen würde, in diesen Zeitraum fiel auch noch seinen 18. Geburtstag. Er konnte nur sehr selten nach Hause fahren, da seine Familie quasi am anderen Ende des Landes wohnte und die Zugverbindungen sehr teuer waren, aber seine Mutter hatte extra Geld zurück gelegt damit Aiden zu seinem Geburtstag heim kommen konnte. „FREIHEIT!“ Auch Lukas war von der allgemeinen Freude über die beendeten Prüfungen erfasst worden. Mit einem breiten Grinsen und beschwingten Schritten hüpfte er nahezu durch den Schulflur. Nach dem Essen gingen sie sofort auf Lukas‘ Zimmer. Aiden hätte vorher eigentlich gern noch seine Sachen auf sein Zimmer gebracht und kurz mit Reel gesprochen, aber Lukas zog ihn gleich mit sich. „Du fährst zu deinem Geburtstag nach Hause, oder? Dann bist du volljährig, wenn du wiederkommst und kannst mir die ganzen P18 Games holen. Wie cool ist das denn?“ Aiden lachte auf und antwortete sarkastisch: „Genau Lukas. Das ist ja auch der einzige Vorteil wenn man 18 ist.“ „Ja gut. Vielleicht nicht der einzige, aber auf jeden Fall ist es einer.“ „Wann fährst du heim?“, fragte nun Aiden. „Schon morgen“, gab Lukas schuldbewusst zu. „Ich wollte dir eigentlich schon früher Bescheid geben, aber das ist während der Prüfungen irgendwie untergegangen. Du sahst immer so gestresst aus und da wollte ich dich damit nicht auch noch belasten.“ Aiden sah etwas unglücklich aus. Er war nicht darauf gefasst gewesen sich schon morgen für die Dauer der Ferien von ihm verabschieden zu müssen. „Schade. Aber da kann man nichts machen. Vielleicht sehen wir uns ja sogar schon zur Klassenfahrt wieder. Mein Vater meinte, dass er sie mir bezahlt, wenn ich in den Prüfungen gut abschneide. Quasi als Belohnung.“ Das war zwar nicht so ganz die Wahrheit, aber auch nicht all zu weit von ihr entfernt. Sein Vater wollte ihm die Fahrt tatsächlich bezahlen wenn Aiden gut Abschnitt, aber das hatte nichts mit einer Belohnung zu tun. Sein Vater erhoffte sich lediglich, dass Aiden auf diesem Wege Beziehungen zu den anderen Schülern knüpfte und festigte, da ihm diese später im Berufsleben von Nutzen sein konnten. Schließlich war es zu vermuten, dass viele seiner Mitschüler irgendwann einmal hohe Positionen in Wirtschaft oder Politik bekleiden würden. Aber eigentlich war Aiden der Grund auch egal. Er freute sich einfach nur über die Aussicht seinen besten Freund doch schon nach nur vier Wochen wiederzusehen. „Das wäre ja absolut genial. Du musst mir unbedingt Bescheid geben, sobald du da was weißt.“ Aiden nickte und nahm seinen Controller auf. Lukas hatte bereits die Disc eingelegt und das Spiel gestartet. Aiden wollte jetzt nicht an seinen Vater und auch nicht an die Prüfungen denken. Er wollte sich einfach nur zusammen mit Lukas an der Konsole solange die Stunden um die Ohren schlagen bis es Nachtruhe wurde und er rüber in sein eigenes Zimmer gehen musste – und genau das taten sie auch. Nur zum Abendessen machten sie dieses Mal eine kurze Pause. Als Aiden dann doch wieder in sein eigenes Zimmer musste, warf er sich sofort rücklings aufs Bett und griff nach seiner PS Vita – Hauptsache er dachte nicht an die Prüfungen. Er war zuversichtlich sie gut geschrieben zu haben, aber dennoch war er nervös wenn er daran dachte, wie viel von deren Ergebnis abhing, daher war nun Ablenkung geboten. Nach einiger Zeit wurden seine Hände, die noch immer seine Konsole hielten, plötzlich energisch zur Seite geschoben. Reflexartig ging Aiden ins Pause-Menü und spürte im selben Moment auch schon wie Reel seinen Kopf auf seiner Brust ablegte. Teils etwas genervt, teils belustigt betrachtete Aiden den Dämon und fragte ihn mit einer Stimmlage als würde er mit einem kleinen Kind sprechen: „Fühlst du dich vernachlässigt? Brauchst du Aufmerksamkeit?“ Reel konterte in einem kindlichen aber fordernden Ton: „Ja! Beachte mich gefälligst!“ Aiden musste leise lachen. Mehr oder weniger bereitwillig legte er seine Konsole bei Seite und wandte sich seinem aufmerksamkeitsbedürftigen Dämon zu. Zärtlich fuhr er ihm durch die Haare und kraulte seinen Rücken, was dieser mit einem zufriedenen Summen quittierte und seine Arme enger um Aidens schmalen Körper schlang. Besitzergreifend krallten sich seine Finger in dessen hellblaues Oberteil und dieser drückte seinerseits seinen Dämon enger an sich. Er hatte Reel in letzter Zeit – und besonders heute – tatsächlich ziemlich vernachlässigt und nun holte er das nach. Aiden schuldete ihm eine Menge – ohne seinen Dämon hätte er die Prüfungen niemals so gut überstanden und dafür war er ihm unglaublich dankbar. Auch rechnete er es Reel hoch an, dass er widerstandslos zugelassen hatte, dass Aiden den Tag heute mit Lukas verbrachte. Er hatte fast schon mit einigen bissigen Kommentaren oder einem ungeduldigen Gefühl im Hinterkopf gerechnet, aber Reel hatte sich tatsächlich brav zurückgehalten. Mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen strich er weiterhin durch die schwarzen Haare und spielte ab und an mit einer Strähne. Nach einer Weile griff er wieder nach seiner PS Vita und begann von neuem zu spielen. Mit Reel auf der Brust war das mehr als umständlich, aber Aiden arrangierte sich damit, wobei er ihm zwischendurch immer wieder den Nacken kraulte um Reel ruhig zu halten. Irgendwann musste er ihn dann doch hochscheuchen um duschen zu gehen. Lukas würde morgen recht früh vom Internat abgeholt werden und Aiden wollte sich unbedingt noch von ihm verabschieden. Reel knurrte ihn leise an, aber Aiden ließ sich davon nicht groß beeindrucken und fuhr ihm zur Entschuldung noch einmal durch die schwarzen Haare, als Reel sich dann doch endlich widerwillig aufgesetzt hatte. Die Aussichten darauf bald endlich wieder nach Hause zu können, beflügelten Aiden nahezu, auch wenn seine Laune durch die Sorge um die Prüfungsergebnisse und seine Sorge Reel mit nach Hause nehmen zu müssen, getrübt wurde. Dennoch schlief er in dieser Nacht verhältnismäßig ruhig. Reel saß – wie er es die letzten Nächte meistens getan hatte – auf dem unteren Ende des Bettes. Endlich konnte er wieder entspannt ein Buch zur Hand nehmen und musste sich nicht auf eine von Aidens Prüfungen vorbereiten, doch aus irgendwelchen Gründen konnte er sich nicht so recht auf 'Tintenherz' konzentrieren. Geräuschlos schlich er zum Schreibtisch und holte sein Zeichenbuch wieder hervor. Nachdem er durch die bereits gefüllten Seiten geblättert und jede Zeichnung erneut betrachtet hatte, schlug er eine noch leere Seite auf und setze den Stift an. Kurz zuckte sein Blick zu dem schlafenden Aiden. Reel blätterte erneut durch seine alten Zeichnungen und sah dann wieder zu seinem kleinen Internatsschüler. Dann begann er zu zeichnen. In den groben Linien könnte man schnell den Oberkörper und Kopf einer Person erkennen, die im Bett lag und schlief. Als es daran ging die Gesichtszüge zu verfeinern und die Haare zu zeichnen, zögerte Reel erneut, schüttelte seine Schwäche jedoch entschieden ab. Entschlossen setzte er denn Stift an und verlieh der schlafenden Gestalt Aidens seligen Gesichtsausdruck, aber die schmalen Züge und langen Haare einer ganz anderen Person. Und so füllte eine weitere Darstellung dieser Person die weiße Seite des Buches, über die Reel nun behutsam strich und ein liebevolles Lächeln huschte über seine Lippen. „Er ist zwar nicht du, aber ganz unähnlich ist er dir nicht“, flüsterte er der Zeichnung leise zu. Aidens Wecker riss ihn aus dem Schlaf. Er hatte nun eigentlich Ferien, aber er hatte seinen Wecker an gelassen um heute noch mit Lukas frühstücken zu können. Reel saß an seinem üblichen Platz, die Beine übereinander geschlagen und einen Roman in den blassen Händen. „Guten Morgen, Sunshine.“ Reel wirkte recht gut gelaunt, was Aiden auf die abgefallene Anspannung nach Abschluss der Prüfungen schob. Als Aiden versuchte aus dem Bett zu klettern, hielt Reel ihn unvermittelt fest und zog ihn zu sich. Kurz schlang er seine Arme um ihn und schmiegte sich an seine Brust. Erst als Aiden die Umarmung erwiderte und Reel den Kopf kraulte, ließ er wieder von ihm ab. Reel schien heute wirklich ungewöhnlich gut gelaunt. Ein deutliches Lächeln lag ihm auf seinen Lippen, welches Aiden nicht so recht einzuordnen wusste, doch er entschied sich dazu es einfach hinzunehmen und nicht weiter nachzufragen. Bei dem Dämon war das meistens die bessere Wahl. Als Aiden von seinem Zimmer auf den Flur trat, lief er Lukas quasi in die Arme. „Morgen, Aiden. Du sieht ja richtig fröhlich aus. Freust du dich so sehr mich loszuwerden?“, witzelte er und grinste seinen besten Freund an. „Aber absolut! Wenn du weg bist, dann kann ich endlich mit meinen anderen dutzend Freunden abhängen, die ich hier am Internat habe“, antwortete er sarkastisch. Lukas war Aidens einziger richtiger Freund hier. Die meisten waren ganz nett zu ihm (zumindest war das der Fall gewesen bis durch Reel die Gerüchteküche zu brodeln angefangen hatte), aber als „Freund“ hätte er hier sonst niemanden bezeichnet. Der Speisesaal war ziemlich leer. Bis auf die Schüler, die heute abgeholt wurden oder eh früh aufstanden, nutzen alle den ersten Ferientag um auszuschlafen. Auch Mara war nirgends zu sehen. Nach dem, was Aiden so mitbekommen hatte, würden sie und ihre Schwester erst etwas später abgeholt werden, da ihre Mutter einen wichtigen Geschäftstermin hatte und ihr Vater im Ausland war. Mara war die einzige Person von der er gehofft hatte, dass sie möglichst früh nach Hause fuhr, aber Aiden war das Glück eben selten hold. Beim Essen erzählte Lukas auf Aidens Nachfrage wohin er diese Ferien so mit seinen Eltern reisen würde. Üblicherweise war es ein Abenteuer-Urlaub – dieses Mal drei Wochen Afrika. Aiden war kein Freund von großer Hitze, daher beneidete er ihn nicht um diese Reise, aber dass er selbst vermutlich der einzige Schüler dieser Schule war, der seine Ferien ohne Urlaub im Ausland verbringen würde, bedrückte ihn schon ein wenig. Andererseits war „Zuhause“ der beste Urlaub den er sich nach 5 Monaten Internat vorstellen konnte. Aiden half Lukas dabei seinen Koffer und Rucksack die Treppen hinunter in die Eingangshalle zu schleppen und wartete mit ihm bis der dunkelgrüne Sportwagen seines Vaters vorfuhr. Aiden mochte Lukas' Eltern. Genau wie Lukas machten sie sich nicht viel aus ihrem Reichtum. Klar, sein Vater fuhr ein teures Auto, Lukas hatte immer die neusten Spiele-Konsolen und technischen Spielereien und seine Mutter gab Unmengen für ihren Garten und irgendwelche Gemälde aus, aber keiner von ihnen verhielt sich Aiden gegenüber hochnäsig. Sie waren ganz normale Menschen, nur das Geld für sie eben keine große Rolle spielte. Lukas hatte ihm gesagt, dass sein Vater sich zwar gewünscht hätte, dass er sich nicht unbedingt den einzigen „armen“ Schüler der Schule als Freund aussucht, aber als besonders schlimm hatte er es wohl nicht empfunden. Außerdem hatte Aiden nie das Gefühl, dass Lukas' Vater ihn nicht leiden konnte. Vielleicht lag das aber auch daran, dass Aidens Vater Geld und Einfluss hatte, aber Aiden machte sich sowieso keine großen Gedanken darüber. Immerhin war er mit Lukas befreundet und nicht mit dessen Eltern. Knirschend hielt der Wagen auf dem Kiesweg hinter zwei anderen teuren Autos, in die weitere Mitschüler einstiegen. Schnell verabschiedeten sich die beiden Jungs von einander, wechselten noch einige Worte mit Lukas' Vater – einem hochgewachsenen Mann mit markanter Kieferpartie – und dann verließ die dunkelgrüne Nobelkarosse auch schon wieder das Gelände des Internats und ließ Aiden allein zurück. Schweigend schritt er die Gänge entlang, durch die immer wieder die polternden Räder von Rollkoffern zu hören waren. Wieder in seinem Zimmer ließ sich Aiden schwer auf sein Bett fallen. Die Zugverbindung, die er rausgesucht hatte, fuhr erst in ein paar Tagen. Alles andere wäre zu teuer gewesen. „Hm. Und was mach ich jetzt noch 4 Tage lang ganz alleine?“ Reel materialisierte sich neben ihm auf dem Bett. „Hey! Was heißt hier 'ganz alleine'? Ich bin ja schließlich auch da.“ Reel klang fast ein wenig beleidigt und Aiden musst über diese Tatsache ein Lachen unterdrücken. „Als ob ich bei dir eine Wahl hätte“, versuchte Aiden den Dämon zu ärgern, doch dieser schien ihm das tatsächlich übel zu nehmen. „Ach Reel. So habe ich das doch gar nicht gemeint. Ich bin doch froh, dass du da bist und ich nicht ganz alleine bin.“ Entschuldigend wollte er mit den Fingern durch die schwarzen Haare fahren, doch Reel winkte ab und stand vom Bett auf. „Schmollst du jetzt etwa, Reel? Ich meinte doch nur, dass ich mit dir das Zimmer nicht verlassen kann. Dir sieht man sofort an, dass du kein Mensch bist“, versuchte Aiden die Situation noch zu retten. Reel sah ihn an und ein verstohlenes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Kurz schloss er die Augen und setze ein konzentriere Mine auf. Aiden konnte beobachten wie der schwarze Schatten sich langsam an Reels Körper anlegte und mit dessen festen Konturen verschmolz. Seine Haut nahm einen etwas natürlicheren Ton und seine Züge eine etwas menschlichere Form an und als er die Augen wieder öffnete, war das faszinierende Rot einem extrem dunklen Braunton gewichen. Reel sah nun tatsächlich wie ein Mensch aus. Wie ein ziemlich blasser, ganz in schwarz gekleideter Mensch, der lange nicht mehr beim Friseur war – aber wie ein Mensch. Diese Maskierung schien recht anstrengend gewesen zu sein, denn Reel atmete schwer. Auf Aidens beeindruckten Gesichtsausdruck hin schenkte er ihm ein überlegendes Grinsen, welches den Blick auf seine Zähne freigab. Als Reißzähne konnte man sie zwar nicht mehr bezeichnen, aber Reels Eckzähne waren doch deutlich länger als es bei einem normalen Menschen der Fall war. Aiden unterdrückte ein Schmunzeln und sagte nichts weiter zu diesem kleinen Fehler. Sein Dämon in Menschengestalt wirkte so stolz auf seine Verwandlung, dass er ihm das jetzt nicht kaputt machen wollte. „Okay, damit hab ich nicht gerechnet. Willst du mir auch verraten, wie lange du das jetzt schon kannst?“ „Ich hab's mir in den letzten Nächten selbst beigebracht. Ich kann meine Messer aus meinem Schatten erschaffen und verschwinden lassen und ich kann mit meinen Fähigkeiten deinen Körper heilen, also wollte ich eigentlich nur ausprobieren, ob ich auch meinen eigenen Körper auf diese Weise beeinflussen kann. Und siehe da: es klappt. Allerdings ist das ziemlich anstrengend und schränkt mich stark ein. In meinem richtigen Körper kann ich mich viel besser bewegen und habe schärfere Sinne.“ Aiden umkreiste ihn und versuchte sich an den ungewöhnlichen Anblick zu gewöhnen, was ihm zum größten Teil auch ganz gut gelang. Reel sah nicht so viel anders aus, aber diese Augen – die dunklen Augen waren einfach nicht Reels und das irritierte ihn zutiefst. „Kannst du deine Augen wieder rot machen?“ Reel sah ihn fragend an. „Wieso? Du hast dich doch grade beschwert, dass ich zu unmenschlich aussehe.“ „Ja, aber das ist komisch. Vor mir brauchst du sie ja schließlich nicht zu verstecken.“ Reel sah ihn weiter eindringlich mit diesen falschen Augen an, die Aiden so störten. Er schien genau zu wissen, dass das nicht der eigentliche Grund für Aidens Bitte war. „Außerdem mag ich deine roten Augen viel lieber“, gab er sich schließlich peinlich berührt geschlagen, was Reel ein zufriedenes Schmunzeln entlockte. Schnell ließ er seine Augen wieder ihre natürliche Farbe annehmen und sah Aiden direkt an. „Besser?“ Aiden nickte. Langsam erschien Reels Schattenumhang wieder und auch sonst nahm sein Körper wieder die altbekannte Form an. „Das ist echt cool“, gab Aiden zu. „Ein bisschen muss ich das noch üben, aber ich denke ich kann die Verwandlung lang genug aufrechterhalten.“ „Du versuchst jetzt aber nicht Lukas zu ersetzten, oder?“ Reel warf ihm einen genervten Blick zu. „Sunshine, du gehörst mir. Wenn ich nicht wollen würde, dass du was mit ihm zu tun hast, dann könnte ich das problemlos verhindern. Wenn ich eine menschliche Form annehmen kann, kann ich mich ganz einfach freier bewegen und mich auch außerhalb deines Zimmers von dir lösen. Unseren maximalen Abstand müssen wir zwar trotzdem einhalten, aber es ermöglicht mir eine sehr viel größere Freiheit.“ Daran hatte Aiden noch gar nicht gedacht. Auf diese Weise könnte er Reel einfach mit in die Stadt nehmen und dieser konnte sich dort ungeachtet der anderen Menschen um sie herum frei bewegen, solange er in Aidens Nähe blieb. „Lass uns das morgen mal ausprobieren.“ Reel klang aufgeregt. Die Aussichten auf ein weiteres Stückchen Freiheit beflügelten ihn. Aiden war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Andererseits sah Reel nicht so aus, als würde er sich davon abbringen lassen und Aiden hatte eh nichts besseres vor, also gab er seinem Dämon nach und betrachtete dessen vor Aufregung leuchtenden, roten Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)