One Reason Why von Yuugii (Kaiba/Anzu) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Für mich gab es nie so etwas wie Freundschaft. Es war ein Wort. Vergänglich. Zerbrechlich. Aber vor allem unehrlich. Eine Lüge. Pure Heuchelei. Kein Mensch konnte einen anderen aufrichtig lieben, ohne dabei Hintergedanken zu haben. Es gab immer ein Motiv. Einen Beweggrund, der einen Mensch antrieb. Denn alle Menschen waren Egoisten, die in erster Linie immer nur an sich selbst dachten, an ihr eigenes Wohlergehen oder den Nutzen, den sie aus einer Beziehung zogen. Auch ich war da keine Ausnahme. So wägte auch ich stets die Vor- und Nachteile ab, vor allem bei geschäftlichen Beziehungen. War mir ein zukünftiger Geschäftspartner von Nutzen? Was würde mir eine Zusammenarbeit langfristig bringen? Gerade als Geschäftsführer der Kaiba Corporation konnte ich mir keine Fehltritte leisten und so musste ich jeden Schritt nach vorne mit Bedacht wählen. Persönliche Gefühle spielten keine Rolle. Niemand nahm Rücksicht auf eine Person, die sich selbst bemitleidete oder gar seine Schwächen nach außen zeigte. Nur wer stark und selbstbewusst war, wurde respektiert. Verantwortung bildet den Charakter. Worte, die mich seit meiner Kindheit begleiteten. Nur wer sich Herausforderungen stellte und siegreich hervorging, hatte ein Anrecht auf das Leben. Das war es, was man mir jahrelang eingeflößt hatte und nie hatte ich diese Art zu denken hinterfragt, sondern sie in mich aufgenommen, wie ein Schwamm, der Flüssigkeit einsog. Ohne nachzudenken, ohne je zu hinterfragen. Ich hatte die Lehren meines Stiefvaters Gozaburou übernommen und obgleich er schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilte, so waren es seine Worte und seine markerschütternde Stimme, die mich jede Nacht aufs Neue daran erinnerte, dass ich nicht versagen durfte und niemals unvorsichtig werden durfte. War es seine Stimme oder einfach nur mein Unvermögen mich auf andere Menschen einzulassen? Liebe, Hass, Freundschaft oder Rivalität. All diese Gefühle existierten in mir, auch wenn ich sie mir nicht wirklich eingestehen wollte. Ich hasste Schwäche. Ich konnte Menschen nicht respektieren, die immer wieder dieselben Fehler begangen und nicht einmal versuchten, sich zu ändern oder gar stärker zu werden. Chaotische, unordentliche und laute Menschen brachten mich aus der Ruhe und machten mich aggressiv. Menschen, die freiwillig ihre Schwächen offenbarten und mit ihren Predigten über Moral, Nächstenliebe und Freundschaft andere in ihren Bann zu ziehen versuchten und offensichtlich noch nie die harte Realität erlebt hatten und ihr ganzes Leben lang in einer zuckersüßen Wattewolke verbracht hatten, fernab von der harschen Welt der Erwachsenen, wo Gefühle keine Rolle spielten, sondern nur Macht von Wert war. Menschen, die sich vor harten Herausforderungen flüchteten und lieber die Rolle des Opfers annahmen und sich in Selbstmitleid sudelten, sodass sie ihre Probleme gar nicht erst in Angriff nehmen mussten, da sie eine bequeme Rechtfertigung für ihre Schwäche gefunden hatten. Es war beinahe beneidenswert, wie naiv und kindlich einige Leute sein konnten. Sie hatten eine Art von Weltanschauung, die ich nie gelernt hatte. Oder schon lange vergessen. Es fiel mir schwer diese Art zu denken zu nachzuvollziehen, denn ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, nach Vor- und Nachteilen zu suchen, dass ich nie in Erwägung gezogen hatte, dass menschliche Bindungen noch ganz andere Eigenschaften hatten. Die Liebe zu meinen Bruder Mokuba. Was wäre ich ohne ihn? Er war mein Fels in der Brandung. Er war es, der mich jeden Tag daran erinnerte, wofür ich mich jeden Morgen aus dem Bett quälte und er war es auch, der mir einen Grund gab, an die Zukunft zu glauben. Schon immer hatte ich arge Schwierigkeiten damit mit Verlust umzugehen. Als er ging, hinterließ er eine riesiges Loch in meinem Herzen, das ich einfach nicht füllen konnte. Verzweifelt hatte ich nach einem Ersatz gesucht. Nach irgendetwas oder jemanden, der ihn ersetzen konnte. Doch niemand in dieser Dimension konnte ihm das Wasser reichen. In meinem Frust suchte ich nach Wegen, ihn zurückzubringen oder zu ihm zu kommen. Und es war mir gelungen. Auch wenn mein Wiedertreffen mit ihm, meinem wahren Rivalen und meinem ersten Freund, sich verzögerte, so hatte ich mein Ziel dennoch erreicht. Als ich vor ihm stand und in seine voller Stolz strahlenden Amethyste blickte, wusste ich, dass es Zeit wurde, einen neuen Weg einzuschlagen und in Richtung Zukunft zu gehen. Unser letzter Augenblick hatte mir die Augen geöffnet. Seine warme und fast fürsorgliche Stimme, die mir alles Glück der Welt wünschte und mich darum bat, gut auf mich und ihn zu achten, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Er hatte akzeptiert, dass er kein Teil meiner Welt war und forderte mich dazu auf, den einzigen Yuugi Mutou meiner Welt als meinen neuen Rivalen anzuerkennen. Ich konnte dem nichts entgegensetzen. Selbst ich hatte seine Stärke in einem Duell erfahren. Wohl oder übel musste ich einsehen, dass Atem niemals wieder ein Teil meines Lebens sein würde und ich musste ohne ihn den Pfad in Richtung Zukunft ebnen. Trotzdem war ich zufrieden. Ich konnte ihn hinter mir lassen. Und eines Tages würde ich ihm voller Stolz entgegentreten können und ihm zeigen, was ich in meinem Leben erreicht hatte. Pyramiden? Antike Gemäuer? Die Ägypter hatten die Welt massiv beeinflusst, doch auch ich würde meine Spuren auf diesem Planeten hinterlassen und Atem zeigen, dass ich ihm in nichts nachstand. Doch in meiner Zeit fiel es mir schwer, nicht an ihn zu denken. Yuugi war nicht Atem. Er war liebenswert und freundlich. Stets achtete er auf das Wohlergehen seiner Freunde. Und so kam es, dass er auch auf mich zukam. Nun ich ging selten zur Schule. Als Firmenleiter galten nun mal Sonderregelungen für mich und ohnehin war der Schulstoff für mich schon längst bekannt. Doch die letzten sechs Wochen ging ich hin. Wollte ich Atems Bitte erfüllen und ein hütendes Auge auf Yuugi werfen oder sehnte ich mich einfach nur nach menschlichen Bindungen und einer Ablenkung, die mich vergessen ließ, wie sehr ich ihn vermisste? Auch Mokuba zuliebe wollte ich guten Willen zeigen. Er sorgte sich so sehr um mich, denn auch wenn ich es selbst nicht wahrnahm, so hatte er gesagt, dass man in meinen Augen tiefe Trauer und Einsamkeit erkennen würde. Spöttisch hatte ich gelacht. Einsamkeit? Trauer? Unsinn! Doch nicht ein Mann meines Formats. Ich hatte doch meinen kleinen Bruder und genug Aufgaben und Pflichten, die ich nicht vernachlässigen durfte. Das sagte ich mir immer wieder und ich wiederholte diese Worte wie ein magisches Mantra in meinem Kopf. Immer und immer wieder. Vollkommen egal, wie oft ich diese Worte aussprach und wie sehr ich versuchte, mich selbst von ihnen zu überzeugen, es blieb der kleine Zweifel in mir, der in mir wuchs und sich nicht ausrotten ließ. Furcht. Ja, ich hatte Atem verloren. Ich fürchtete mich davor, nun auch Yuugi zu verlieren. Aus irgendeinem paradoxen Grund suchte ich die Nähe zu ihm. Es waren nur sechs Wochen. 42 Tage, die mein Leben veränderten. Doch es war nicht Yuugi, der mir immer näherkam. Es war seine dümmliche Freundin Mazaki Anzu, die regelmäßig zu mir kam und mich ansprach. „Wie geht es dir, Kaiba-kun?“ „Mein Privatleben geht dich nichts an, Mazaki. Hast du nichts Besseres zu tun?“ Ich stieß sie von mir. Mit Worten. Mit Gemeinheiten. Stets zeigte ich ihr die kalte Schulter und versuchte sie irgendwie zu verletzen und dennoch schien ihr dies nichts auszumachen. Als wäre sie immun gegen meine spitzzüngigen Bemerkungen. Sie plapperte ungehalten weiter. Sie war Klassensprecherin und somit war es ihre Pflicht die Hausaufgaben und Facharbeiten ihrer Mitschüler einzusammeln. Sie organisierte das Schulfest und half dem Lehrer beim Verteilen von Materialien. Sie war äußerst beliebt in der Klasse und wirklich ausnahmslos jeder mochte sie. Selbst ich konnte mich nicht davon freisprechen, sie als sehr fleißige Frau anzuerkennen. Wenn es etwas gab, das mich beeindruckte, dann war es Kompetenz und Intelligenz. Eigenschaften, die sie mit jedem Vortrag, den sie vor der Klasse hielt, bewies. Sie mochte einen kümmerlichen, gar zurückgebliebenen Freundeskreis haben, doch sie war alles andere als auf den Kopf gefallen. Sie zeigte Mut und Selbstbewusstsein. Selbst die dummen Sprüche ihrer Mitschüler brachten sie nicht aus dem Konzept. Ohne sich ablenken zu lassen, hielt sie ihre Rede vor der Klasse und bewies wahre Führungskompetenzen. Sie wusste sich zu behaupten und selbst wenn ich sie als Person nicht ausstehen konnte und mir einredete, dass ich sie hasste, so konnte ich ihre Qualitäten nicht ignorieren. Ja, ich wollte sie hassen. Dieses selbstgefällige Mädchen, das sich mir ungefragt aufdrängte. Jeden Morgen kam sie etwas früher und erledigte ihre Aufgaben. Ein solches Pflichtbewusstsein imponierte mir. Selbst einige meiner besten Mitarbeiter schafften es nicht, ihre Aufgaben ordentlich zu erledigen und machten immer wieder Fehler aus Nachlässigkeit, doch Anzu, dieses unscheinbare brünette Mädchen, bewies wahres Verantwortungsgefühl – eine Eigenschaft, die selbst vielen Erwachsenen fehlte. Da ich auch jeden Morgen früher kam, um vor dem Unterricht noch einige E-Mails abzuarbeiten, kreuzten sich unsere Wege häufiger und jedes verdammte Mal hatte sie Dreistigkeit, mich anzusprechen und mich von meiner Arbeit abzulenken. „Du siehst heute aber blass aus! Alles in Ordnung?“ „Ich brauche dein geheucheltes Mitleid nicht. Wird dir das nicht langsam lästig, immer so zu tun, als würde dich das Wohlergehen Fremder interessieren? Muss doch anstrengend sein, immer die Samariterin zu spielen und sich als Heilige feiern zu lassen.“ Sie wirkte überrascht. Ich hatte mit einem spitzen Pfeil genau auf ihr Herz gezielt und hatte gehofft, dass sie mich nun endlich alleine lassen würde, doch sie hob einfach nur die Augenbraue, sah mich ungläubig an und verschränkte die Arme. Sie schien nachzudenken, nach den richtigen Worten zu suchen. Vermutlich fiel es ihr schwer, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden und nun suchte sie verzweifelt nach einem Konter, doch mit Kaiba Seto war nicht zu spaßen. Ob in einem Spiel, einem Duell oder einem Wortgefecht – stets ging ich als Sieger von dem Feld. Und in meiner Arroganz und in meiner Überzeugung, sie überrumpelt zu haben, schlich sich ein überhebliches Lächeln auf meine Lippen und in mir bauschte sich das Gefühl der Schadenfreude auf, denn ich wusste, dass ich einen wunden Punkt getroffen hatte und genoss es, sie aus der Bahn geworfen zu haben. Die beliebte Klassensprecherin hatte meinen Worten nichts entgegenzusetzen. „Du bist doch kein Fremder. Nach all den Jahren müsstest du doch langsam mal verstanden haben, dass wir Freunde sind. Es tut mir aufrichtig leid für dich, dass du glaubst, mich mit fiesen Sprüchen von dir stoßen zu können, denn es beweist, dass du einfach nur Angst hast, dich zu binden. Aber keine Sorge, ich behalte deinen Kryptonit für mich.“ Sie zwinkerte, wandte sich zum Gehen und ließ mich auf meinem Platz zurück. Empört starrte ich ihr eine Weile hinterher. Ich fühlte mich gedemütigt und beleidigt von ihr und wenn sie glaubte, dass sie so mit mir sprechen konnte und ungeschoren davon kam, hatte sie sich geschnitten. Zügig erhob ich mich von meinem Platz und lief ihr hinterher, doch als ich zur Tür kam, war es Yuugi, der mir entgegen kam. Lächelnd begrüßte er mich und wünschte mir einen wunderschönen guten Morgen und das in einer solch liebevollen Stimmlage, dass sich mein Magen umdrehte und ich glaubte, dass mein Frühstück sich gerade seinen Weg in Richtung Freiheit bahnte. Yuugi und Anzu waren beide so widerlich zuvorkommend und freundlich. Doch Anzu hatte Mumm und wagte es immer wieder mich herauszufordern und im Gegensatz zu Yuugi hatte sie genügend Selbstbewusstsein meinem beißenden Sarkasmus entgegenzutreten und mir ebenso den Spiegel vorzuhalten, wie ich es bei ihr und ihrem Gutmenschentum versuchte. Yuugis süßes Lächeln war so widerlich ehrlich, dass ich nicht anders konnte, als mich mit ihm zu vergleichen, da wurde mir umso bewusster, wie kaltherzig und abscheulich ich war. Und obwohl ich zu Yuugi und seinen Freunden so gemein war und kein einziges gutes Haar an ihnen ließ, kamen sie immer noch auf mich zu und beharrten auf eine Freundschaft, von der ich mir sehr sicher war, zu dieser nie zugestimmt zu haben. Eigentlich wollte ich Anzu hinterher, doch ich verdrängte das Verlangen ihr die Meinung zu sagen und ging an meinen Platz zurück, nur um im nächsten Moment mich mit Yuugi konfrontiert zu sehen, der fröhlich über seinen neuen Highscore in einem Onlinespiel erzählte. Jeden Morgen sahen wir uns. Wir diskutierten und stritten. Ich fuhr wie gewohnt meinen Laptop hoch, anstelle mein Postfach zu öffnen, linste ich vorsichtig zur Eingangstür und wartete darauf, dass meine Kontrahentin erschien. Sie verspätete sich. Ich rümpfte die Nase. Letzten Endes war sie nichts weiter als ein normales Mädchen. Das Gefühl der Enttäuschung machte sich in mir breit. Warum nur hatte ich so fest damit gerechnet, dass sie kommen würde? Es waren bereits fünf Minuten vergangen. Zehn Minuten. In einer Viertelstunde würden die ersten Schüler und Schülerinnen hier auftauchen und somit war unser Morgenritual nicht mehr möglich. Es war bereits zur Gewohnheit geworden. Es war ein kleiner Wettkampf zwischen uns. Wer schaffte es seinen Gegenüber zuerst zum Schweigen zu bringen? Ich wäre nicht Kaiba Seto würde ich einer solchen Herausforderung kampflos entsagen. Mein Stolz verbot es mir, mir nicht mit ihr zu messen. Auf keinen Fall sollte sie glauben, dass sie mir überlegen war. Doch es störte mich ungemein. Dass sie nicht hier war und sie mich einfach warten ließ. Pünktlichkeit gehörte zu den wichtigsten Eigenschaften eines Geschäftsmannes und auch hielt sehr viel davon. Das Einhalten von Terminen und Verabredungen war enorm wichtig und ich konnte es nicht leiden, wenn mein Zeitplan durcheinander geriet. Ich hielt inne. Genau genommen war das hier keine Verabredung. Es war purer Zufall, dass wir uns hier jeden Morgen begegneten. Ich hörte Stimmen im Flur. Schritte, die näher kamen. War es Anzu? Was sie wohl zur ihrer Verteidigung zu sagen hatte? Wie konnte ich ihr ihr Zuspätkommen vorhalten und sie damit ärgern? Erst jetzt wurde mir bewusst, dass es sich um mehrere Personen handeln musste. „Lasst mich endlich los!“ „Ach komm schon, Anzu-chan! Du bist doch das Mädchen für alles. Ist doch nichts dabei, nur den Rock hoch und einmal knipsen!“ Wie von einer Tarantel gestochen erhob ich mich von meinem Platz und eilte in den Flur, wo ich Anzu mit zwei Jungs aus der Parallelklasse sah. Es war offensichtlich, dass die beiden sie bedrängten und in einem Anflug von Zorn konnte ich nicht anders, als einen von ihnen am Arm zu packen und ihn von ihr wegzureißen. Erschrocken sah er mich an. Es war ein Leichtes für mich ihn mit einer Hand hochzuheben. Er hatte keine Chance sich zu befreien. In meinem Blick legte ich all den Hass, der sich sonst stets in diesen Tiefen meiner Seele zu verstecken versuchte. Wie konnte es diese Mistkerle wagen, ein Mädchen zu belästigen? Hatten sie denn keinen Anstand? Ich schleuderte den einen Kerl einige Meter von mir weg und warf ihm einen eiskalten Blick zu. Verschwindet, bevor ich wirklich wütend werde, hatte ich geknurrt und die beiden rannten den Flur entlang und flüchteten über die Treppe in das untere Stockwerk. Erleichtert atmete Anzu aus und kam mir näher. „Danke, Kaiba-kun. Du warst mir eine große Hilfe.“ „Pah, bilde dir nichts darauf ein. Das hier hat nichts mit dir zu tun. Ich hasse Männer, die glauben, sie könnten sich alles nehmen, was sie wollen. Eine Frau muss man mit Taten überzeugen, wenn man sie für sich gewinnen will und sich nicht aufdrängen wie ein unzivilisierter Wilder, der mit seiner Keule seine Beute erschlägt. Ein solches Verhalten ist einer modernen Gesellschaft inakzeptabel.“ „Trotzdem hast du mir geholfen und dafür bin ich dankbar. Hoffentlich lassen sie mich ab jetzt in Ruhe. Einige Jungs in unserem Jahrgang sind einfach nur abscheulich. Ich bin froh, dass ein gut gebildeter und wortgewandter Gentleman mir geholfen hat und nicht alle Männer so sind.“ Sie zwinkerte. Ich blickte ihr finster hinterher und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Es war ja nicht so, dass das, was sie da sagte, nicht wahr war. Es fühlte sich nur eigenartig an, dass ausgerechnet sie diese Eigenschaften an mir lobte. Ich war es gewohnt, dass sie mir den Spiegel vorhielt und meine negativen Eigenschaften betonte, umso überraschender war es, dass sie mich auf diese Weise lobte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ein ehrliches Lächeln, das sich gut anfühlte. Ich war froh, dass ich ihr helfen konnte und dass sie zur mir aufsah. Dieser eine Moment, diese wenigen Minuten, als sie nicht erschien und ich ungeduldig auf ihr Erscheinen wartete, machte mir bewusst, wie sehr ich ihre Gegenwart genoss und dass sie still und heimlich dieses tiefe Loch in meinem Herzen gefüllt hatte. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Die Tage vergingen. Der Schulabschluss kam näher und ich wusste, dass der Tag des Abschieds bevorstand. Unser Ritual würde dann der Vergangenheit angehören und der Gedanke, dass ich nun auch sie verlieren würde, ließ mich nachts nicht mehr schlafen. Ich hatte bereits Atem verloren. Wer, wenn nicht dieses naive Mädchen, würde sich mir in Wortgefechten messen? Wer würde mir die Stirn bieten und ungefragt in die Tiefen meiner Seele vordringen? Selbstverständlich hatte ich Yuugi als meinen Rivalen anerkannt. Doch unsere Rivalität bezog sich hauptsächlich auf Duel Monsters und andere Spiele. Yuugi hatte nie die Absicht, mich zu belehren. Er akzeptierte mich so wie ich war und das schätzte ich genauso an ihm wie ich es verabscheute. Manchmal wünschte ich, er wäre mehr wie Atem. Egoistischer, selbstbewusster und bewaffnet mit einer scharfen Zunge. Anzu war in der Lage meinen Sarkasmus zu widerstehen und schaffte es jedes Mal aufs Neue mich mit einer klugen Antwort in Verlegenheit zu bringen und auch wenn ich es ungern zugab, so waren es ihre spitzzüngigen Bemerkungen und Belehrungen, die mich tatsächlich zum Nachdenken anstachelten und mir Seiten meiner Selbst aufwiesen, die ich selbst nicht erkannt hatte oder zu verleugnen versuchte. So sehr ich daran glauben wollte, dass menschliche Bindungen einen Zeichen von Schwäche waren, so erinnerte sie mich daran, dass es eben diese Bindungen waren, die mich zu dem gemacht hatten, wer ich heute war. Sie hatte recht. Atem hatte mein Leben verändert und nur dank ihm konnte ich meine Vergangenheit hinter mir lassen. Und was wäre ich nur ohne meinen kleinen Bruder, der mir ohne Scheu seine Meinung sagte und mir stets den richtigen Weg wies? Blitz und Donner tobten außerhalb meiner Villa ihr Unwesen. Das Licht hatte ich bereits gelöscht. Müde und erschöpft lag ich in meinem Bett, versuchte endlich einzuschlafen, doch es gelang mir nicht. Waren es die Geräusche des Sturmes oder die Furcht davor, erneut einen wichtigen Rivalen zu verlieren, die mir den wertvollen Schlaf raubten? Die Antwort kannte ich nicht. Nein. Ich wollte sie nicht wahr haben. Kleine Regentropfen, scharf wie eine Messerschneide, prallten laut gegen das eiskalte Glas. Wieder und wieder erleuchtete der Blitz mein Zimmer. Hätte ich es gewollt, hätte ich die Vorhänge zuziehen können, aber etwas in mir hielt mich davon ab. So blieb ich liegen, in meinem kalten, einsamen Bett. Der Sommer in Domino war unangenehm heiß. Schwüle Luft breitete sich tagsüber aus, während es nachts häufiger zu Gewittern kam. Ich mochte den Sommer nicht sonderlich, aber ich verabscheute ihn auch nicht. Die Sommeruniformen an der Domino High waren relativ luftig. Weitaus bequemer als die Designeranzüge, die ich zur Arbeit trug und mich einengten. Nun schon bald würde ich meine Schuluniform an den Nagel hängen und würde nur noch Anzüge tragen, wie es sich für einen ordentlichen Geschäftsmann gehörte. Immerhin waren es nur noch zwei Wochen bis ich die Schule endlich hinter mir lassen konnte. 14 Tage. Die Zeit war viel zu schnell vergangen. Der nächste Morgen begann wie üblich. Wieder hatte ich mir schlaflos eine Nacht um die Ohren geschlagen, hatte nicht die Möglichkeit ein Auge zuzutun. Meine Angestellten hatten bereits den Tisch gedeckt und das Frühstück serviert. Der herbe Duft von Kaffee riss mich brutal in die Realität, welcher ich mich nun stellen musste. Ich war mir nicht sicher, ob ich wach war oder einfach nur schlafwandelte. Das Umfeld war mir bekannt und doch fühlte es sich so unheimlich fremd an. Ich fühlte mich wie gerädert. Hektisch griff ich nach einer Tasse, schüttete mir die heiße, schwarze Flüssigkeit hinein, wobei einiges auf dem Tisch landete. In den kleinen Pfützen spiegelte sich mein Gesicht. Es wirkte anders. So verändert. Ich war nicht mehr als mein eigener Schatten. Wieso nur fiel es mir so schwer, mich zu konzentrieren und Haltung zu bewahren? Es war nicht so, als würde ich Yuugi und Anzu niemals wiedersehen. Sie verschwanden ja nicht einfach, doch ich wusste, dass ich es aufgrund meines falschen Stolzes nicht schaffen würde, sie ohne guten Grund anzusprechen. Und was für einen Grund hätte ich, den ich hätte vorschieben können, um sie erneut wiederzusehen? Mazaki Anzu, ich fordere dich dazu auf, mit mir zu streiten! Das war ja wohl kaum eine angemessene Art eine junge Dame anzusprechen. Yuugi konnte ich jederzeit zu einem Duell herausfordern, doch mir fiel einfach kein akzeptabler Grund ein, auf sie zuzugehen. Sie war keine Duellantin. Sie spielte auch keine Spiele. Sie unterstützte Yuugi zwar und begleitete ihn und dessen Freunde zu offiziellen Turnieren, doch sie hatte nie selbst teilgenommen und es war offensichtlich, dass sie sich zwar Duel Monsters durchaus interessierte, aber dieses Kartenspiel nicht mit derselben Leidenschaft spielte, wie Yuugi oder der blonde Idiot, der dem König der Spiele wie eine lästige Fliege folgte. Ich konnte keinen Grund vorschieben, um sie außerhalb der Schulzeit oder nach dem Abschluss erneut wiederzusehen und somit musste ich mir eingestehen, dass unsere besondere Bindung nach diesen 14 Tagen vorbei sein würde. Sollte ich sie fragen, ob sie sich auch nach unserem Abschluss mit mir treffen wollen würde? Es gab ein japanisches Sprichwort, an das ich denken musste: „Fragst Du, brauchst Du dich nur einen Augenblick zu schämen, fragst du nicht, schämst du dich bis an dein Lebensende.“ Schon einmal hatte ich bereut, weil ich im entscheidendem Augenblick nicht die richtigen Worte fand. Ich hatte Atem aufgrund meiner eigenen Feigheit gehen lassen und ich hatte eine Dimension durchbrochen, nur um diesen Fehler gutzumachen. Ich hatte die Grenzen von Logik und des Menschenmöglichen durchbrochen, nur um ihn wiederzusehen. Doch warum konnte ich mich nicht dazu durchringen, ihr zu sagen, dass ich sie gerne in meiner Nähe hatte und auch zukünftig diese Gespräche mit ihr führen wollte? Was wäre, wenn ich diese Chance nicht ergriff und mir erneut Vorwürfe machen würde, weil ich aufgrund meiner Feigheit, Anzu aus meinen Leben gehen ließ, obwohl ich wusste, dass ich sie bei mir haben wollte? Ungeduldig saß ich auf meinem Platz und wartete darauf, dass meine brünette Kontrahentin erschien. Pünktlich wie ein Uhrwerk kam sie durch die Tür hinein. Heute hatte sie einen großen Sportbeutel dabei und trug anstelle ihrer Uniform einen Sportanzug. Verwundert betrachtete ich sie. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte oder warum sie in diesem Aufzug erschien. „Kaiba-kun, heute fährt der Tanzklub nach Shinjuku. Das ist meine letzte Chance ein Stipendium zu bekommen. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich die nächsten zwei Tage nicht hier sein werde.“ „Moment, du meinst doch nicht etwa die Tokyou Opera?“ „Genau die! Wir werden vor einem großen Publikum tanzen. Wir sind zwar nur stellvertretend für eine andere Tanzgruppe dort, da diese kurzfristig absagen musste, aber im Publikum werden einige Juroren sitzen.“ „Du möchtest also Tänzerin werden. Das wusste ich gar nicht.“ „Ich möchte nach Amerika und an der State University in Brockport ein Tanzstudium absolvieren. Es ist ein ziemlich teures College, aber es ist mein Traum.“ „Muss es denn ausgerechnet Amerika sein? Ich verstehe nicht, warum du nicht hier in deiner Heimat studieren kannst. Träume in allen Ehren, aber die Realität nimmt keine Rücksicht auf eine Träumerin.“ „Ach, was weißt du schon!“ „Amerika ist ein großes und gefährliches Land. Eine junge Dame wie du ist gefundenes Fressen. Eine naive Japanerin wie du lässt sich doch sicherlich schnell übers Ohr hauen. Und dann wird dir keiner helfen.“ „Du siehst auch immer nur das Schlechte in den Menschen. Ich lasse mir doch nicht von dir meinen Kindheitstraum ausreden. Ich habe jahrelang in Amerika gelebt und weiß genau, was ich will.“ „Du warst in Amerika? Ich hatte mich schon gewundert, warum die beinahe akzentfrei Englisch sprichst.“ „Mein Vater muss aufgrund seiner Arbeit oft ins Ausland. Kurz bevor ich in die Mittelschule kam, musste er wegen eine Großauftrag nach New York, also sind meine Mutter und ich mitbekommen. Ich weiß noch, als wir zum ersten Mal zum Broadway gingen und ich die hübschen Tänzerinnen auf der Bühne sah. Da wusste ich, dass ich das später beruflich machen möchte und seitdem trainiere ich jeden Tag dafür. Es ist nichts Großes oder gar Besonderes, aber es ist mein Traum, der nur mir allein gehört.“ „Das Tanzen ist also deine Leidenschaft. So wie Duel Monsters meine Leidenschaft ist. Verstehe.“ „Wir sehen uns, Kaiba-kun. Ich muss jetzt los, sonst fahren die anderen noch ohne mich.“ „Viel Erfolg, Anzu.“ Es waren nur zwei Tage, doch es war ein Vorgeschmack dessen, was mich zukünftig erwartete. Es war ungewohnt ruhig, wenn sie nicht da war. Beinahe sehnsüchtig hoffte ich darauf, dass sie durch die Tür hineinkam, mir einen Guten Morgen wünschte und mir unsinniges Zeug erzählte, von dem ich eigentlich gar nichts hören wollte. Ich vermisste sie. Ihre Präsenz. Den Duft von Aprikosen, der an ihr haftete und ihr ehrliches Lächeln. Ich wollte sie von mir stoßen und redete mir ein, wie grässlich und störend ihre Stimme war, obwohl sie in Wirklichkeit sanft und wohltuend war. Ich wollte ihre Stimme hören und mehr erfahren. Ich wollte wissen, wie das Vortanzen war und ob sie ihrem Traum näher kommen konnte. Am Mittwoch war sie zurück. Es waren nur zwei Tage. Zwei Tage, die mir klarmachten, wie sehr ich es genoss, mit ihr zu reden. Ich hatte meinen Laptop vor mich gestellt, ihn jedoch nicht hochgefahren, sondern wartete ruhig darauf, dass die Brünette durch die Tür hineinkam. Und wie immer kam sie pünktlich. Ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Es huschte ungefragt über meine Lippen. Genauso schnell wie es gekommen war, verschwand es wieder. Immerhin wollte ich Haltung bewahren und es war nicht meine Art Schwäche zu zeigen. „Guten Morgen, Kaiba-kun!“ „Schon zurück? Es war so schön ruhig ohne dich! Eine Wohltat, dich nicht jeden Morgen ertragen zu müssen.“ „Ach, glaube mir, es hat mir auch gutgetan, zwei Tage nicht dein griesgrämiges Gehabe um mich haben zu müssen. Deine ständige Negativität und dein ewiger Pessimismus können echt anstrengend sein, weißt du? Ich frage mich ja wirklich, wie Mokuba es mit dir aushält.“ „Das ist kein Pessimismus, sondern Realismus. Nicht, dass ich erwarte, dass jemand wie du den Unterschied kennt.“ „Eine optimistische Lebenseinstellung ist trotzdem weitaus gesünder und viel stressfreier. Wenn du immer die Augenbrauen runter ziehst und so böse dreinschaust, kriegst du ganz schnell Falten. Oh! Warte! Ich glaube, ich sehe da sogar schon die ersten grauen Haare!“ Mit einem breiten Grinsen zeigte sie auf meinen Pony. Genervt verdrehte ich die Augen und zuckte dann mit den Schultern. „Optimisten wie du sind Träumer, die sich in kindischen Visionen verlieren und ernsthaft denken, dass sie mit dem Glauben allein Berge versetzen könnten. Da kannst du noch so sehr meine grauen Haare zählen, das täuscht auch nicht darüber hinweg, dass deine Lebenseinstellung naiv und weltfremd ist.“ „Und trotzdem bin ich weitaus gelassener als du, weil ich nicht immer erst eine Kosten/Nutzen-Rechnung abwägen muss, um eine Entscheidung zu treffen. Mal ganz davon abgesehen, dass zwischenmenschliche Beziehungen und Freundschaften nicht mit Logik oder gar Gleichungen zu lösen sind. Ich bin lieber eine Träumerin als ein ewiger Brummbär.“ „Ich hoffe doch sehr, dass besagte Träumerin beim Vortanzen punkten konnte und ihr Stipendium bekommen hat.“ „Besagte Träumerin hat dieses Ziel erreicht und das sogar ganz ohne komplizierte Berechnungen. Nur mit ihrer Vision und ihrem Willen.“ „Glückwunsch, Anzu.“ Ich lächelte. Ich freute mich für sie. Sie kicherte amüsiert und erwiderte dann mein Lächeln. Sie erzählte mir von dem Vortanzen. Es war das erste Mal, dass ich einer anderen Person so lange zugehört hatte, ohne sie zu unterbrechen. Stolz erzählte sie von ihrer Performance und wie sie alles gegeben hatte. Sie hatte alles gegeben und wurde für diese Mühe belohnt. Auch das musste ich ihr lassen. Disziplin und Passion waren ebenfalls Eigenschaften, die ich lobte. Ich wollte sie hassen. Doch ich konnte es einfach nicht mehr. So sehr genoss ich ihre Anwesenheit und ihre zarte Stimme. Der Duft von Aprikosen stieg mir in die Nase. Ich mochte den Sommer nie sonderlich, doch diesen Moment würde ich für immer in meinem Herzen wahren. Unsere Zeit war vorbei. Die ersten Schüler betraten die Klasse und somit musste ich mich bis zum nächsten Morgen gedulden, um sie wieder nur für mich zu haben. Yuugi trat nun verschlafen in die Klasse. Sie kam auf ihn zu und ermahnte ihn, dass er doch nicht immer bis spät in die Nacht Videospiele spielen sollte und die Schule ernster nehmen sollte. Yuugi erwiderte nichts. Er ließ sich von ihr unterbuttern und zeigte keinerlei Anzeichen sich ihr entgegenzustellen und auch nur ein Gegenargument zu bringen. Folgsam nickte er und entschuldigte sich. Dabei war Yuugi mittlerweile Jahrgangsbester. Ich hatte immer gewusst, dass er nicht dumm war, sondern einfach nur desinteressiert. Nachdem ich ihn dazu aufgefordert hatte, sich mit mir schulisch zu messen, hatte er sich ordentlich ins Zeug gelegt. Yuugi hing mit dem Kopf in den Wolken, träumte auch im Unterricht gerne vor sich hin oder malte kleine Kreaturen auf seinen Schreibblock, während er geheime Nachrichten mit Jounouchi tauschte. Mehr als einmal hatte ich die beiden beobachtet und jedes Mal enttäuscht den Kopf geschüttelt. Dass Jounouchi die Intelligenz fehlte, sich mehr als fünf Minuten zu konzentrieren, war mir bewusst, aber es grämte mich, dass er Yuugi mit seinem Verhalten ebenfalls herunterzog. Zumindest hatte ich das geglaubt. Auch wenn Yuugi sich im Unterricht nicht so viel beteiligte, so waren seine Noten sehr gut und er wurde bereits von den Lehrern dazu aufgefordert, die Schulabschlussrede zu halten. Yuugi musste ja nicht wissen, dass er nur gefragt wurde, weil ich zuvor abgelehnt hatte. Am Tag unseres Abschlusses hatte ich ein wichtiges Meeting, das mit meinem neuen Virtual Online Game zu tun hatte. Dies konnte ich auf keinen Fall verschieben, da ich Deadlines einhalten musste. Fragend hob ich eine Augenbraue. Ich belauschte Yuugi und dessen Freunde schon länger, doch es hatte keiner nach ihrem Vortanzen gefragt. Interessierte sie das schlicht und ergreifend nicht oder wussten sie gar nichts davon? Oder hatten sie dies vielleicht am Vortrag besprochen? Die Antwort kannte ich nicht und ich würde sie auch niemals erfahren, weil ich niemals den Mumm aufbringen würde, sie zu fragen. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- „Guten Morgen, Kaiba-kun“, hörte ich ihre Stimme. Sofort stellte ich meine Arbeit am Laptop ein. „Morgen, Anzu“, erwiderte ich und warf ihr einen abwartenden Blick zu. „Fleißig wie immer, nicht wahr? Machst du zwischendurch auch mal Pause oder arbeitest du rund um die Uhr?“ „Oh bitte, kommt jetzt eine Predigt über das körperliche und seelische Wohlergehen und wie wichtig es ist, Pausen einzuhalten?“ „Nein, das hast du ja jetzt schon übernommen. Gut, dass du Einsicht zeigst und dir meine Worte zu Herzen genommen hast.“ Sie grinste amüsiert und legte ihren Kopf leicht schief, sodass ihre Haare über ihre Schultern fielen und ihr Gesicht einrahmten. Genervt stöhnte ich. Verdammt. Sie hatte mich erneut überrumpelt und hatte meine eigenen Waffen gegen mich ausgespielt. Ganz schön clever von ihr. Das musste ich ihr lassen. „Ich höre dein Geplapper seit fast fünf Wochen jeden Morgen. Es ist ja unmöglich, dir nicht zuzuhören, wo du dich mir ja immer ungefragt aufdrängst“, erwiderte ich Schultern zuckend. „Oh, das tut mir aber leid für dich. Der große, starke Firmenleiter kann sich nicht gegen eine Frau behaupten. Gut, dass ihr keine Frauenquote in deiner Firma habt, ansonsten müsstest du deine Position bald aufgeben“, sagte sie mit gespielt mitleidiger Stimme. „Die wenigsten Frauen haben so ein starkes Selbstbewusstsein wie du.“ „War das jetzt ein Kompliment?“ „Du hörst doch ohnehin nur das, was du hören willst, oder?“ „Richtig. Aber um das Thema zu wechseln, ich wollte dir etwas mitteilen. Wie du ja sicher weißt, werden wir nächste Woche die Abschlussfeier haben. Ich hörte, dass du nicht teilnehmen würdest und ich finde das bedauerlich, verstehe aber auch deinen Standpunkt. Du bist ein Firmenleiter und hast Pflichten zu erfüllen.“ „Worauf willst du hinaus? Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man lange um den heißen Brei herumredet. Komm auf den Punkt.“ „Das bedeutet, dass wir uns nicht mehr sehen werden und ich fände es wirklich schade, wenn sich unsere Wege einfach trennen würden. Ich werde nur eine Woche nach dem Schulabschluss nach Amerika fliegen und dort mein Studium anfangen und das bedeutet, dass wir uns sehr lange nicht mehr sehen können. Na ja...“ Sie druckste verlegen umher. Ihre Wangen nahmen einen Rotschimmer an. „Anzu. Sag mir einfach, was du zu sagen hast und gut ist.“ „Hier“, begann sie und übergab mir einen kleinen Zettel. Verwirrt wendete ich das Papier in meinen Händen und betrachtete den Text. Sie hatte mir ihre E-Mail Adresse aufgeschrieben. Misstrauisch sah ich sie an. „Ich würde auch gern zukünftig dir jeden Morgen auf die Nerven gehen und dir den Tag vermiesen“, sagte sie lächelnd. „Und du glaubst wirklich, dass ich das zulasse und dir jetzt meine E-Mail gebe und dir die Möglichkeit gebe, mich weiterhin jeden Morgen von der Arbeit abzulenken?“ „War es wirklich so schlimm für dich?“ Ich hatte keine Antwort parat. Es waren die angenehmsten fünf Wochen meines Lebens und allein der Gedanke, dass diese unbeschwerte Zeit bald ihr Ende nehmen würde, versetzte mir einen schmerzhaften Stich ins Herz. Ich würde es vermissen. Diese morgendlichen Diskussionen. Ihre Stimme. Ihr Lachen. Ihr amüsiertes Lächeln. Ihre azurfarbenen Augen, die jeden Morgen mit unglaublicher Lebensfreude strahlten und mich ansteckten. Ich wollte sie nicht mehr missen, nicht mehr aus meinem Leben gehen lassen, doch noch immer hatte ich keinen Grund, den ich hätte vorschieben können, um sie wiederzusehen. Was gab mir das Recht sie wiederzusehen? Was war es, was uns verband? Wir waren Konkurrenten. Wir nahmen in einem Diskurs stets die gegenüberliegenden Seiten ein und verteidigten unsere Standpunkte, ohne je einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wir hatten kaum etwas gemeinsam. „Ja“, antwortete ich und bereute diese Antwort zutiefst. Es war eine Lüge. Ich ließ sie aus meinem Leben gehen, weil ich Angst davor hatte, ihr meine wahren Gefühle zu offenbaren. Die Angst davor, Schwäche zu zeigen und angreifbar zu sein, fesselte mich jeden Tag aufs Neue und in diesem Moment wusste ich, dass ich selbst den Schlüssel zu diesen Fesseln, die mein Herz und meine Seele festketteten, von mir gestoßen hatte. Ich konnte niemanden die Schuld geben. Es war mein Stolz und meine Arroganz, die mich dazu brachten, diesen Schlüssel ins Meer zu werfen und ihm dabei zuzusehen, wie er langsam zum Meeresboden hinabsank. Es gab kein Zurück mehr. Meine Worte hatten sie verletzt. Enttäuscht sah sie mich an. Ihre fein geschwungenen Augenbrauen verweilten in der Höhe und mit großen Augen sah sie mich an. Ihre Lippen bebten. Es war ihr anzusehen, dass sie zum ersten Mal keine Antwort parat hatte. Es gab nichts, das sie hätte erwidern könnten, denn ich selbst war es, der mit dieser Antwort diese besondere Bindung, die wir hatten, unterbrochen hatte. Ich schämte mich zutiefst für meine Worte. Für mein abscheuliches Verhalten ihr gegenüber. „Es tut mir leid, Kaiba-kun“, hauchte sie und senkte den Blick. „Es tut mir leid für dich, dass du mich nach all der Zeit immer noch nicht als Freundin anerkennen kannst. Yuugi und ich – wir werden auch zukünftig hinter dir stehen und ich möchte, dass du weißt, das völlig egal, was geschieht, ich für dich da sein werde, wenn du Hilfe brauchst. Du magst das vielleicht nicht so sehen und vielleicht hasst du mich sogar, aber ich sehe dich als guten Freund an und werde weiterhin daran glauben, dass irgendwo in deinem kalten Herzen, ein warmes Funke steckt und du auch eine gute Seite an dir hast“, waren ihre letzten Worte an mich, dann entfernte sie sich von mir. Ihr umklammerte den Zettel in meiner Hand, als wäre er mein einziger Halt auf dieser Welt. Sie glaubte auch weiterhin an mich. Es war einfach meine Art, die Menschen von mir zu stoßen, die ich schätzte. Ich konnte nicht anders, denn es war zu schwer für mich, aus diesem bekannten Muster auszubrechen. Stets wiederholte ich dieselben Fehler und lernte nichts aus diesen. Einmal mehr würde ich bereuen, im entscheidenden Moment nicht die richtigen Worte gefunden zu haben. Einmal mehr würde ich mich selbst hassen und so tun, als wäre all dies nie geschehen. Einmal mehr würde ich eine Maske aufsetzen und meine wahren Gefühle verbergen und mich selbst belügen, um meinen guten Ruf zu wahren. Die Tage vergingen. Wir sprachen kein einziges Wort mehr miteinander. Sie nahm Abstand und mit jedem Tag bereute ich meine Entscheidung mehr, doch ich hatte keinen Grund ihr entgegenzutreten. Am Tag des Schulabschlusses war ich wie geplant in meiner Firma und leitete eine Konferenz zu den wichtigsten Neuigkeiten. Jede Abteilung stellte ihre Fortschritte vor und ich war äußerst zufrieden mit den Ergebnissen. Auch die Expansion des Kaiba Parks nach Amerika war ein großes Thema. Wir hatten bereits einen Kaiba Park eröffnet, welcher unglaublich gut von den Kunden aufgenommen wurde, doch die Nachfrage war groß. Wir mussten weiter expandieren. All die Touristen, die von Nah und Fern anreisten, konnte ein einziger Park allein nicht stemmen. In vorherigen Konferenzen hatten wir bereits geklärt, dass wir ein großes Grundstück gekauft hatten und eigentlich stand dem Bau eines neues Parks nichts im Wege. Wir brauchten lediglich fähige Leute und jemanden, der die Planung dort übernahm. Mokuba war der Vizepräsident der Kaiba Corporation und hatte vorgeschlagen, sich nach Amerika versetzen zu lassen und von unserem Hauptquartier dort zu agieren, doch ich fuhr ihm ins Wort. „Mokuba, du machst erst deinen Abschluss zu Ende. Ich vertraue Kuwabata-san und dem Vorstand, dass sie hier alles regeln werden. Ich werde nach Amerika fliegen und mich um alles Weitere kümmern“, sagte ich und ließ keinerlei Widerworte zu. Mokubas Schulabschluss war nichts weiter als ein Vorwand. Am meisten überraschte meine spontane Reaktion mich selbst. Meine Reaktion war nicht rational und ich hatte genügend mit meinem Virtual Reality Online Game zu tun. Immerhin programmierte sich so ein Spiel nicht von selbst. Mokuba konnte meine Entscheidung nicht nachvollziehen und am Abend fragte er mich erneut, woher mein plötzlicher Sinneswandel kam. Ich brauche einen Tapetenwechsel, hatte ich ihm geantwortet, doch ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Ich möchte einfach mal andere Luft atmen, fügte ich hinzu und stöhnte genervt, als er immer noch nicht aufgab und nach meinen „wahren Beweggründen“ fragte und neugierig nach bohrte, ob mein Verhalten etwas mit einer Frau zu tun haben könnte. Erschrocken sah ich ihn an. „Sieh mich nicht so an. Du hast Anzus E-Mail Adresse auf deine Schreibtisch liegen lassen und außerdem hast du die letzten Tage jeden Tag diesen Zettel in deiner Hand gehabt und ihn mit finsterer Miene angestarrt. Nii-sama, ich bin dein Bruder und kenne dich besser als jeder andere.“ „Pah, so ein Unsinn! Ich komme nur nicht darüber hinweg, dass sie so dreist ist, tatsächlich zu glauben, dass ich weiteren Kontakt zu ihr haben möchte! Wie kann man nur so eingebildet sein? Wer denkt sie, wer sie ist?“, sprudelte es überheblich aus mir heraus und ich glaubte, dass ich nun endlich meine Ruhe haben würde und Mokuba das Thema endlich abhaken würde. Er schenkte mir ein vielsagendes Grinsen. „Nun sie ist offensichtlich jemand, der es schafft, meinem Bruder den Kopf zu verdrehen und ihm schlaflose Nächte zu bereiten“, kicherte er schadenfroh und verließ mein Büro, ließ mich einfach zurück, ohne mir auch nur die Chance zu lassen, mich zu rechtfertigen oder gar seine Behauptung mit wohlüberlegten Argumenten zu widerlegen. Pah! Mir den Kopf verdrehen? So ein Unsinn! Ich will nur nicht, dass sie denkt, dass sie mich besiegt hätte, nur weil sie das letzte Wort hatte. Und überhaupt, welch eine Unverschämtheit von ihr, mich zu belehren, als wäre ich ein kleines Kind, grummelte ich gedanklich und ließ mich auf meinen Bürostuhl nieder, seufzte genervt und zog unwillkürlich den kleinen Zettel aus der Schublade und betrachtete ihre feingeschwungene und saubere Handschrift. Es musste sie sehr viel Überwindung gekostet haben, mir ihre Adresse zu geben, wo ich ihr doch niemals den Anlass gegeben hatte, dass wir Freunde sein könnten. Glaubt sie wirklich, dass ich sie hasse? Ich wollte sie hassen... so sehr wollte ich es, doch ich schaffe es einfach nicht, setzte ich meinen Gedankengang fort und legte meinen Kopf in den Nacken, schloss meine Augen. Ich möchte sie wiedersehen und ihr sagen, dass sie sich gefälligst nicht anmaßen sollte, mich zu kennen. Ein warmer Funke? Was meinte sie überhaupt damit? Ihre poetische Art sich auszudrücken und mir mit emotionalen Argumenten entgegenzukommen, nervte mich unheimlich und beeindruckte mich nicht einmal im Geringsten. Logik und Wissenschaft schätzte ich weitaus mehr, als den kindischen Glauben an abstrakte soziale Konstrukte. Sie war einfältig und naiv. Sie wagte es, sich mir entgegenzustellen und ließ sich auch von meinem bitteren Sarkasmus nicht beeindrucken und forderte mich auf einer Ebene hinaus, auf der ich mich sonst in Sicherheit wägte, nur um mich im nächsten Moment ins Wanken zu bringen. Mit meinem Privatjet reiste ich nach Amerika und bezog meine Ferienvilla, während ich tagsüber in unserem amerikanischen Hauptquartier in New York den Ton angab und meine neuen Untergebenen Anweisungen gab. Als ich das gläserne Hochhaus verließ, atmete ich tief ein und wieder aus. Ich möchte andere Luft atmen, hatte ich gesagt, aber der Verkehr ist hier so dicht, dass die Luft vermutlich nur noch aus Abgasen und Smog besteht, dachte ich und stieg in meine Limousine und ließ mich zurück zu meiner Villa fahren. Am nächsten Tag hatte ich mir extra freigenommen, da ich etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Ich putzte mich heraus und zog meinen besten Anzug an, orderte meinen Chauffeur dazu an, mich zum John F. Kennedy International Airport in New York zu bringen. „Sir, sind Sie sich sicher? Soweit ich weiß, haben Sie heute keine geschäftlichen Termine“, entgegnete mein Chauffeur und sah mich unwissend an. „Ich bin nicht geschäftlich unterwegs, sondern privat“, meinte ich nur und setzte mich ohne weitere Erklärung in die Limousine. Selbstverständlich waren die Straßen voll. Wir brauchten über eine Stunde, um endlich in die Nähe des Flughafens zu kommen. Als ich endlich aussteigen konnte, richtete ich mir meine Krawatte und strich mir meinen Anzug gerade. Ich schätzte mich glücklich, dass ich meine Persönlichkeit in Amerika nicht einmal ansatzweise so bekannt war wie in Japan. In meiner Heimat musste ich immer Security Guards mitnehmen, da ich keinen Schritt in der Öffentlichkeit wagen konnte, ohne von Fans aufgehalten zu werden. So hatte ich auch während meiner Schulzeit außerhalb des Schulgeländes mehrere Security Guards abgestellt, die dafür sorgten, dass keine Reporter oder Unbefugte das Gelände betraten. Es war äußerst wohltuend, sich frei bewegen zu können, ohne dass irgendwelche Reporter oder Journalisten angerannt kamen und Interviews führen wollten. Natürlich war ich mir im Klaren, dass ich schon bald mehr Bekanntheit erlangen würde, da weitere Fernsehauftritte geplant waren und ich als Leiter der Kaiba Corporation – eines der größten Spieleunternehmen weltweit – und als bekannter Profiduellant, der ebenfalls Aktien an dem Duel Monsters Spiel besaß und somit Mitspracherecht bei zukünftigen Entscheidungen das Kartenspiel betreffend hatte, kein unbeschriebenes Blatt war. Aber auch das störte mich nicht. Ich wollte, dass die Menschen mich anerkennend ansahen und meinen Namen niemals wieder vergaßen. Immerhin war ich Kaiba Seto. Ich warf einen Blick auf meine silberne Rolex und wurde langsam ungeduldig. Sie war zu spät. Der Flieger aus Japan hatte über eine Stunde Verspätung. Abwartend sah ich die herausströmenden Menschen an, die alle Richtung Ausgang liefen und möglichst schnell den Flughafen verlassen und ihre Zug- und Shuttlebus Anbindung erreichen wollten. Und dann sah ich sie. Langsam kam sie durch das Terminal näher. Sie wirkte müde und erschöpft. Ein Langstreckenflug aus Japan nach Amerika war anstrengend und die meisten Menschen verspürten einen Jetlag, da die verschiedenen Zeitzonen sie stark belasteten. Ich kam ihr näher und stellte mich ihr direkt in den Weg. Sie achtete nicht auf den Weg, hatte den Blick gen Boden gerichtet und sah sofort erschrocken auf, als sie in mich hineinlief und entschuldigte sich wie eine brave Japanerin mit einer leichten Verneigung und betonte, wie sehr ihr das Missgeschick leidtäte. Ich schmunzelte amüsiert. Sie war viel zu gut erzogen und unterwürfig. Wie sollte eine Frau wie sie in einer gefährlichen Metropole wie New York überleben? Die sonst so laute, mutige und selbstbewusste Mazaki Anzu, die nie ein Blatt vor dem Mund nahm, wurde zu einer schüchternen grauen Maus, sobald sie fremden Boden betrat. Sieh mal einer an, schoss es mir durch den Kopf. zurückhaltend und demütig kannst du also auch sein. Nur mir gegenüber zeigst du das nie. Das sind ja ganz neue Seite an dir. „Du bist zu spät, Anzu“, erwiderte ich nur und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Sofort hielt sie in ihrer Bewegung inne, hob ihren Blick und starrte mich ungläubig an. Sie erkannte meine Stimme sofort und ihre Augen weiteten sich. Verwirrt betrachtete sie mich. „Kaiba-kun?“, flüsterte sie kaum hörbar und musterte mich weiterhin. „Es ist nicht deine Art, dich zu verspäten.“ „Was machst du hier?“, fragte sie mit zittriger Stimme. „Das fragst du noch? Ich hole dich ab! Ich sagte doch, dass New York ein gefährliches Pflaster für eine junge, naive Dame ist. Es wäre unverantwortlich für einen Mann meines Formats, eine hilflose Dame allein durch die Straßen wandern zu lassen. Nicht auszumalen, was geschehen könnte“, meinte ich nur und verschränkte die Arme, vermied es sie anzusehen. Ich hatte einen Grund sie wiederzusehen. Es war nicht der beste Grund, aber er war gut genug, um mein Gewissen zu beruhigen und mir selbst einzureden, dass es in Ordnung war, auf sie zuzugehen. „Ich bin erwachsen genug, um auf mich selbst aufzupassen“, konterte sie und stemmte ihre Hände in die Hüften und warf mir einen herausfordernden Blick zu. Ich mochte es, wenn sie sich ärgerte. „Aber nicht erwachsen genug, um mit erhobenen Hauptes deinen Weg zu gehen“, spöttelte ich mit einem breiten Grinsen. „Du hast dich doch absichtlich mir in den Weg gestellt. Außerdem habe ich einen 12 Stunden Flug hinter mir und da ist es doch wohl selbstverständlich, dass ich etwas erschöpft bin. Nicht, dass das ein Perfektionist wie du das verstehen würde.“ „Offenbar hast du ja noch genug Kraft, mich anzumeckern.“ „Hat wohl mit deinem unverkennbaren Charme zu tun.“ „Ja, dem erliegt wirklich jeder. Aber wenn du fertig bist damit bist, dich aufzuregen, wie wäre es, wenn ich dich zum Kaffee einlade? Dein Gepäck habe ich schon abholen lassen und habe alles andere ebenfalls bereits geregelt“, entgegnete ich ihr und schenkte ihr ein Lächeln. „Ich weiß nicht, ob ich wütend darüber sein soll, dass du mich so bevormundest oder mich darüber freuen soll, dass du so hilfsbereit bist. Da mache ich mir fast Sorgen, dass du irgendwelche Hintergedanken hegst. Ist doch sonst nicht deine Art so zuvorkommend und nett zu sein“, meinte sie und sah mich misstrauisch an. Anstatt ihr zu antworten, ergriff ich ihr Handgepäck und drehte mich um, lief in Richtung Ausgang. Zögerlich folgte sie mir. „Nun, ich habe einen guten Grund für mein Verhalten“, begann ich, wagte es aber nicht, sie anzusehen, weil es mir selbst so unglaublich peinlich war, dies auszusprechen. „Eine gewisse Nervensäge meinte einmal, dass sie, völlig egal, was geschehen würde, für mich da sein würde, wenn ich Hilfe bräuchte und was wäre ich für ein Gentleman, dieses Angebot nicht zu erwidern? Und in einem fremden und gefährlichen Land wie Amerika, kannst du doch jede Hilfe gebrauchen, die du kriegen kannst.“ „Moment mal... ich soll diese Nervensäge sein? Und du bezeichnest dich selbst als Gentleman?“ „Ein Gentleman lügt nicht.“ Sie kicherte und nahm mein Angebot an. Ich wollte sie nicht mehr missen und ließ zu, dass sie mir auch weiterhin jeden Morgen auf die Nerven ging und meinen Tag auf ihre eigene, besondere Art und Weise versüßte. Jeden Morgen schickte sie mir eine Nachricht und auch wenn ich diese kindischen und kitschigen Emojis nicht leiden konnte, mit denen sie ihre Texte ausschmückte, hatte ich mich daran gewöhnt und wollte diese besondere Bindung, diese Freundschaft zwischen uns, nicht mehr missen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)