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Of being a fairy

Die Fee in Spe
von

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Unsichtbar

"Hast du deine Brotdose auch eingepackt?" Oliver rollte mit den Augen. "Ja, Mama, habe ich. Ich bin doch kein kleines Kind mehr", ächzte er vernehmlich und war schon halb zur Haustür heraus, als er noch einmal die Stimme seiner Mutter vernahm. "Sei vorsichtig unterwegs und hab einen schönen Tag!" Noch einmal rollte der junge Mann mit den Augen, ersparte sich aber jede Erwiderung. So wie seine Mutter ihn behandelte, könnte man glatt glauben, er sei erst sieben und nicht 17! Mehr als einmal hatte er sich darüber beschwert, doch stets waren die Klagen auf taube Ohren gestoßen. Irgendwann hatte Oliver dann aufgegeben. Sie meinte es ja nur gut, doch wann immer Nicole oder Thomas zu Besuch kamen, war es schon ziemlich peinlich, weil seine Mutter vor seinen ältesten Freunden wirklich kein Blatt vor den Mund nahm. Ungeniert hatte sie seine Freunde das letzte Mal ausgefragt, ob ihr "Kleiner" denn nun endlich eine Freundin habe. Oliver wäre am liebsten an die Decke gegangen.
 

Auf dem Weg zur Bushaltestelle kam er wie jeden Morgen an dem Mehrfamilienhaus vorbei, in dem sowohl Nicoles als auch Thomas' Familie wohnten und wie üblich erwartete Thomas ihn bereits. Sein Sandkastenfreund war schon immer ein Frühaufsteher gewesen, wie er im Buche stand. Ganz anders als Nicole, die sich immer erst auf den letzten Drücker aus den Laken schälte. "Moin. Hab' Nicoles Mutter eben schon getroffen. Nicole kommt gleich", begrüßte Thomas ihn grinsend. "Du schaust ja aus wie sieben Tage Regenwetter. War die Feier gestern so übel?" Fragend legte Thomas den Kopf schief. Oliver seufzte nur und schüttelte den Kopf. Zwar hasste er Familientreffen wie die Pest, woran auch sein Geburtstag nichts hatte ändern können, doch ausnahmsweise war das (noch) nicht das Problem. "Das Grauen kommt dieses Jahr erst am Wochenende. Meine Mutter macht ein Riesending draus. Keine Ahnung, wieso. Normalerweise drehen doch erst alle durch, wenn man 18 wird." Hilflos zuckte Thomas mit den Schultern, ehe er meinte: "Deine Familie ist eben ein wenig eigen." Ein wenig eigen war noch harmlos ausgedrückt, fand Oliver. Seine Familie hatte kräftig einen an der Klatsche.

Bevor er das jedoch laut ausführen konnte, stieß auch schon Nicole zu ihnen. Ihr Frühstück hing ihr noch in Form eines Toasts aus dem Mund und ihr etwas zerzaustes Haar ließ ahnen, dass Nicole heute wohl noch keine Bürste gesehen hatte, wenngleich ihr kurzes Haar eigentlich immer so wirr abstand wie jetzt. “Morgen Jungs, entschuldigt die Verspätung.” Thomas winkte ab, während Oliver praktisch zeitgleich scherzte: “Wie immer. Das haben wir einkalkuliert. Aber sag mal, welches Tier ist denn heute morgen auf deinem Kopf explodiert?” Eilig fuhr sich Nicole durchs Haar. “Keines”, brummte sie und schob sich dann eilig den restlichen Toast in den Mund. “Hab einfach verschlafen, das ist alles.” “Also doch wie immer”, bemerkte Thomas lachend, wofür er von Nicole einen leichten Schlag an den Hinterkopf kassierte.
 

So in die üblichen Frotzeleien und Scherze vertieft, fiel keinem der Drei auf, dass die kleinen Gänseblümchen am Wegesrand unvermittelt neue Blüten bildeten, während die Hecke, welche die Schüler passierten, trotz des Herbstes wie von Zauberhand ihre grüne Färbung zurück erlangte. Langsam nur, doch schnell genug, als dass ein geneigter Betrachter unweigerlich darüber hätte stolpern müssen, dass hier etwas außergewöhnliches geschah.

Weder das Trio noch die Anwohnerin, die mit ihrem Hund Gassi ging und doch nur auf ihr Handy starrte, hatten einen Blick übrig für das ungewöhnliche Verhalten der Pflanzen. Allein der Hund, kaum größer als eine Katze, blickte auf, bellte aufgeregt und schnüffelte begeistert in der Luft, die Nase den drei Freunden nach ausstreckend, den Blick fixiert auf den Quell der unsichtbaren Macht, die hier Einzug hielt.

Wenn es dem Blick eines Menschen auch entgehen mochte, für das Tier lag die Wahrheit offen. Er sah, war allen anderen entging. Ein paar durchscheinender Flügel, die in ihrer Form an einen Schmetterling erinnerten und doch gläsern anmuteten wie die einer Libelle. Das unsichtbare Zeichen eines Geschöpfes, das nicht von dieser Welt schien und doch enger mit ihr verankert war, als die meisten anderen Lebewesen. Wesen, die verborgen unter Menschen lebten, unerkannt und wie sich in diesem Moment zeigte: Unwissend.



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