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Bodyguard

von

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Während sie damit begonnen hatte in dem kleinen Wohnzimmer auf und abzulaufen und unbewusst eine Zigarette nach der anderen rauchte, suchte die Schauspielerin verzweifelt nach einer Lösung für das Problem. Töten oder selbst getötet werden. Das waren die Optionen. Aber waren das wirklich alle Möglichkeiten?

Es war 8 Uhr morgens, als sie schließlich eine Entscheidung getroffen hatte. Eigentlich hätte ihr die Entscheidung leichter fallen sollen. Bisher hatte sie immer gut damit gelebt, ihren eigenen Vorteil vor das Wohl anderer zu stellen. Warum nur war ihr die Entscheidung diesmal so schwer gefallen? Was hatte diese Undercoveragentin bloß mit ihr angestellt, dass es ihr gelungen war, eine eigentlich gewissenlose Schwerstkriminelle in eine solche Lage zu bringen?

Nun zumindest glaubte sie eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. Der Plan war mit hohen Risiken verbunden, sie wusste, dass sie viel riskierte und doch könnte ihre Idee funktionieren, wenn es ihr nur erst einmal gelang, die Dinge wie gewünscht ins Rollen zu bringen.

Als unscheinbarer junger Mann verkleidet, verließ die Schauspielerin schließlich das Haus, stockte erst einmal an einem Zigarettenautomaten ihren Vorrat an Zigarette wieder auf und begab sich dann auf die Suche nach einer Telefonzelle. Noch einmal sah sie sich um, dachte über diesen mehr als riskanten Schritt nach, atmete noch einmal tief ein und griff schließlich zum Telefonhörer.

„Und? Haben deine Kollegen gestern im Hafen das gefunden, was sie erwartet haben?“, ergriff sie schließlich das Wort, kaum das der Anruf entgegengenommen worden war.

Natürlich hatte jede Spur von der jungen Agentin gefehlt, erfuhr sie. Chris hatte es bereits geahnt, doch auf diese Art und Weise wusste sie nun auch, dass Gin nicht gelogen hatte, als er ihr gestern berichtet hatte, dass Jodie noch lebte und das es an ihr wäre, heute Nachmittag alles zu Ende zu bringen.

Knapp berichtete die Schauspielerin ihrem Gesprächspartner, warum gestern im Hafen letztlich jede Spur von der jungen Frau gefehlt hatte. Der Antwort ihres Gesprächspartners konnte sie entnehmen, dass dieser hin und her gerissen war, ihr entweder nicht zu glauben, oder aber ihr am liebsten den Hals umdrehen zu wollen.

„Nun, vielleicht bin ich gewillt euch in der Sache ein wenig unter die Arme zu greifen, aber natürlich nicht ganz umsonst, versteht sich. Ich habe einige Bedingungen. Geht ihr darauf ein, werden beide Seiten ihren Nutzen daraus ziehen.“

Einen Moment schwieg die Schauspielerin und lauschte der Antwort ihres Gesprächspartners. Obwohl hier gerade einiges auf dem Spiel stand, durfte sie sich unter keinen Umständen anmerken lassen, wie viel von der Entscheidung der anderen Seite abhing.

„Was geschieht, wenn ihr eine Zusammenarbeit ablehnt? Nun, das ist leicht. Deine Kollegin wird noch heute das Zeitliche segnen. Nicht mehr und nicht weniger.“

Erneut ließ sie den Mann am anderen Ende der Leitung ausreden und war froh, ihm gerade nicht persönlich gegenüberzustehen, schienen die Entführte und der Agent sich doch recht gut zu kennen, sodass sie keinen Zweifel daran hatte, dass ein direktes Zusammentreffen mit diesem Typen im Moment nicht sehr gut für sie geendet wäre.

„Nein, du musst dich nicht sofort entscheiden, ob sie leben oder sterben soll. Teile mir die Entscheidung ganz einfach heute um zehn Uhr persönlich mit. Oh und zwei Dinge noch : sind deine Leute bereit auf meine Bedingungen einzugehen, will ich, dass du die schriftliche Bestätigung mit Amtssiegel gut sichtbar vor dir auf den Tisch legst. Ich werde mich zu erkennen geben, sobald mir danach ist. Und haltet ihr euren Teil der Abmachung nicht ein, verspreche ich bereits jetzt, dass ihr kein Wort aus mir herausbekommen werdet und damit der Tod der Kleinen allein auf eure Kappe geht.“ Sie schmunzelte und lauschte der Antwort des Fremden.

„Wie ihr wissen wollt, ob ihr ausgerechnet jemandem wie mir vertrauen könnt? Nun, sagen wir, ihr habt gar keine andere Wahl. Das Leben deiner Bekannten hängt von unserem kleinen Deal ab. Wir sehen uns dann um zehn Uhr im Café auf dem Marktplatz in Beika.“

Mit diesen Worten beendete die Kriminelle das Telefonat, verließ rasch die Telefonzelle und tauschte im Bad eines Restaurants ihre derzeitige Tarnung, gegen die Rolle eines Oberschülers aus, um sicher zu gehen, auch weiterhin unerkannt zu bleiben.

Kurz schloss sie die Augen. Ob der erste Teil des riskanten Plans aufgehen würde, würde sich in knappen zwei Stunden zeigen. Sie wusste, dass sie trotz mehrfacher Absicherungen viel zu verlieren hatte und so vieles schief laufen konnte und dennoch wusste sie auch, dass für ihre eigentlichen Gegner ebenso viel auf dem Spiel stand.

 

Den ganzen Tag über war das Wetter trüb und verregnet geblieben. Obwohl das Hallendach den gröbsten Regen abhielt, war es mehr als nur frisch im Inneren der Halle. Der Wind pfiff durch die morschen Holzbretter, aus welchen das Gebäude vor vielen Jahren zusammengezimmert worden war und ließ die junge Frau frösteln. Hier und da waren mit der Zeit Löcher im Dach entstanden, welche von den Hafenarbeitern nur grob geflickt worden waren, da sich scheinbar niemand so recht für die Instandsetzung der alten Lagerhallen zuständig fühlte. Zwar hielt das alternde Gebäude dem gröbsten Regen stand, doch durch einige Lecks in der Decke tropfte es dennoch. Pfützen hatten sich auf dem staubigen Asphaltboden gebildet, doch für den schlechten Zustand des Gebäudes hatte die Blondine derzeit kein Auge.

Ihr war eiskalt, was nicht nur am Wetter lag, sondern viel mehr an der Tatsache, dass sie auf dem Boden der Halle saß und von vier zwielichtigen, bewaffneten Gestalten umgeben war.

Ihr Kopf schmerzte noch von dem Schlag, der sie gestern Abend vorübergehend ins Reich der Träume geschickt hatte. Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie sich im Kofferraum eines Wagens wiedergefunden und nach einer schier endlosen Autofahrt in Angst und Schrecken, hatten ihre Entführer sie schließlich in einer abgelegenen Ecke der Stadt in ein unbewohntes Gebäude gezerrt, wo sie sie bis zum nächsten Mittag festgehalten hatten. Sie hatte versucht wenigstes irgendeine Information aus den beiden Gestalten herauszubekommen, doch war dieses Vorhaben nicht unbedingt von Erfolg gekrönt gewesen.

Noch genau so unwissend und verstört wie zuvor, war die Blondine am frühen Nachmittag erneut zum Wagen gezerrt worden und hatte sich nach einer weiteren unfreiwilligen Fahrt im Kofferraum erneut im Hafengelände wiedergefunden. Wenn sie nicht alles täuschte, dann hatten die Fremden sie sogar in die gleiche Lagerhalle gebracht, aus welcher sie sie gestern erst noch entführt hatten, nur mit dem Unterschied, dass dort diesmal bereits zwei weitere Personen auf sie warteten.

Mit Schrecken hatte sie den großgewachsenen Silberhaarigen erkannt, welchem sie vor einigen Wochen bereits auf dem Laubengang vor Chris Appartement beinahe in die Arme gerannt wäre. Diesmal war der Mann in Begleitung eines bulligen Typen, dem man deutlich ansah, dass er zwar Muskeln, dafür aber wenig Verstand hatte.

Die vier Kriminellen hielten sie hier fest, mindestens einer richtete immer eine Waffe auf sie, um sie auf jeden Fall von einem Fluchtversuch abzuhalten. Wirklich viel hatte sie auch jetzt nicht in Erfahrung bringen können, doch dass sie in Schwierigkeiten war, war mehr als nur offensichtlich.

Jodie wusste, dass der Silberhaarige ein Bekannter von Chris war, welche wiederum ein Mitglied einer Verbrecherorganisation war, wie sich herausgestellt hatte. Es war kein Kunststück zu kombinieren, dass die vier Personen, welche sich derweil mit ihr in der Lagerhalle aufhielten, ebenfalls zu der kriminellen Gruppe gehörten. Die junge Agentin fürchtete, dass diese ganze Angelegenheit sehr übel für sie enden würde, auch wenn die Kriminellen ihr bisher sämtliche Informationen vorenthalten hatten. Obwohl diese Typen ihr noch nicht verraten hatte, was genau mit ihr passieren sollte, so konnte Jodie sich bereits denken, dass diese Leute sie hier festhielten, weil sie den Köder für irgendjemanden spielte.

„Noch fünf Minuten, dann ist 16 Uhr.“, ergriff der stämmige Typ das Wort, nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr riskiert hatte. „Meinst du, dass sie hier auftauchen wird, Aniki?“

„Das wird sich gleich zeigen.“, antwortete Angesprochener nur.

„Ein Auto nähert sich der Lagerhalle.“, informierte derweil Korn den Rest der Gruppe. Der Scharfschütze war auf einige gestapelte Container geklettert und spähte von seinem Platz aus aus dem Fenster der Halle, dessen Scheibe bereits vor einer ganzen Weile zu Bruch gegangen sein musste.

„Kannst du erkennen wer am Steuer sitzt, Korn?“, rief Chianti ihrem Kollegen zu. Die junge Frau mit den orangeroten Haaren stand derweil hinter der Agentin und hielt den Finger am Abzug ihrer Waffe, für den Fall, dass die Gefangene auf die Idee kommen sollte, irgendetwas unüberlegtes zu tun.

„Warte...“ Der ältere Schütze spähte durch das Visier seines Gewehrs. „Vermouth. Sie ist pünktlich. Ich wusste gar nicht, dass sie einen Geländewagen fährt.“

Während drei der Kriminellen ihre Aufmerksamkeit nun auf den Eingang der Lagerhalle richteten, stupste Chianti die Agentin mit dem Lauf des Gewehrs an. „Wenn das mal keine hübsche Geschichte ist. Hier hat alles angefangen und hier wird nun auch alles enden. Mach dich schon einmal bereit, dass deine liebe Freundin gleich zu Ende bringen wird, was sie gestern angefangen hat.“ Sie lachte.

Der Blondine schnürte sich die Kehle zu. Sie hatte gewusst, dass die ganze Sache nicht gut für sie enden würde, nun wusste sie auch, welches Ende diese Typen für sie geplant hatten.

Die Schauspielerin hatte sie gestern gehen lassen wollen, wovon ihre Kollegen jedoch Wind bekommen und dafür gesorgt hatten, dass das Ende der jungen Agenten sich lediglich um einige Stunden verzögerte. Jodie wusste, dass Chris ihr gestern eigentlich nichts hatte tun wollen, doch wie die Sache heute aussehen würde, wo vier weitere Verbrecher anwesend waren, die nur darauf warteten das endlich Blut floss, war die Frage.

Draußen vor der Halle erstarb das Motorengeräusch, dann war zu hören, wie sich eine Autotür öffnete und kurz darauf wieder schloss. Lange dauerte es nicht, da trat die Amerikanerin schließlich in die Lagerhalle, den Kragen ihres Mantels zum Schutz vor dem Regen hochgeschlagen.

„Du bist also pünktlich hier aufgetaucht. Und, wie hast du dich entschieden?“ Jodie fand, dass bereits der Klang von Gins Stimme etwas Unheilvolles hatte.

Sie konnte nicht anders, als die andere Blondine anzustarren, in der Hoffnung, irgendwie aus ihrer Mimik schlau zu werden, doch die Gesichtszüge ihres ehemaligen Schützlings waren nur kalt und unergründlich.

„Die Frage meinst du nicht ernst.“, ergriff Vermouth schließlich das Wort. „Wenn euch die bloße Existenz der Kleinen so beunruhigt, dann hättet ihr sie von mir aus schon längst erschießen können, anstatt mich bei diesem Dreckwetter hier her zu bestellen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber gut, wenn ihr unbedingt einen Beweis für meine Loyalität braucht, sollt ihr ihn bekommen.“

Bei dem gleichgültigen Tonfall der Älteren, lief es der FBI Agentin eiskalt den Rücken herunter. Jedes ihrer Worte war wie ein Schlag ins Gesicht. Zwar hatte Jodie angesichts der aktuellen Situation bereits befürchtet, dass Chris sich für ihre eigene Sicherheit und die Organisation entscheiden würde, doch so kalt und gewissenlos, wie die Schauspielerin hier gerade über ein Menschenleben – IHR Leben – entschied, fühlte sie sich schon fast wie ein Vieh auf der Schlachtbank. In den Augen der anderen Blondine, für die sie so viel empfand, nicht einmal den geringsten Hauch von Reue zu entdecken, schmerzte am meisten.

„Geh zur Seite, Chianti.“, forderte die Kriminelle, während sie eine Pistole aus ihrer Manteltasche zog und damit die andere Blondine ins Visier nahm.

„Von dir lasse ich mich sicher nicht herumscheuchen!“, giftete die Scharfschützin ihr Gegenüber an.

Chris blieb ganz gelassen und belächelte die andere Kriminelle lediglich. „Gut, dann beschwer dich nachher aber nicht bei mir, wenn deine Klamotten mit Blut versaut sind, nur weil du hinter der Kleinen stehen geblieben bist.“

Chianti schnaubte verärgert, ging nun allerdings doch einige Schritte zur Seite.

Alle Augen waren nun auf die am Boden kniende Agentin und die vor ihr stehende Schauspielerin gerichtet. Eine merkliche Anspannung lag in der Luft.

„Bevor es gleich zu spät ist : du willst lediglich, dass ich es zu Ende bringe und das Mädchen ausschalte, richtig, Gin?“, wandte Vermouth sich noch einmal an ihren Kollegen.

Der Silberhaarige nickte knapp. „Räum hier auf und beweise, auf welcher Seite du stehst.“

„Gesetz den Fall, dass du es überhaupt über dich bringst, wenn ich mich da an deine Worte und die Szene von gestern erinnere.“, höhnte Chianti derweil.

Das Herz der jungen Agentin raste. Sie blickte direkt in den Lauf der Waffe, hob den Blick ein wenig und vor Angst geweitete blaue Augen starrten geradewegs in eiskalte Grüne. Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie es sich wohl anfühlte, von einer Kugel getroffen zu werden. Wie würde es sein, langsam auf die andere Seite zu gehen? Würden die Schmerzen stark sein? Würde ihre Sicht langsam verschwimmen, ehe alles dunkel werden würde? Würde sie schließlich das Licht sehen, von dem so viele Leute nach einer Nahtoderfahrung berichteten? Diese Gedanken schossen ihr aktuell durch den Kopf und immer bewusster wurde sie sich der Tatsache, dass sie all das gar nicht herausfinden wollte!

„Dummes Geschwätz. Irgendwie musste ich den Kopf ja gestern wieder aus der Schlinge ziehen und das war der einfachste Weg.“, antwortete Vermouth der anderen Kriminellen nur, ehe sie auf die am Boden Kniende zielte und schließlich den Abzug der Waffe betätigte.

Ein Schuss fiel und ein Ruck verriet der jungen Frau, dass das Geschoss sie im Bauch getroffen haben musste. Angenehm war der Treffer zwar nicht gewesen, aber irgendwie hatte Jodie es sich dann auch wieder schlimmer vorgestellt, von einer Kugel getroffen zu werden. Es hatte sich eher so angefühlt, als hätte sie jemand mit einem Stein beworfen, oder ähnliches, doch als sie reflexartig an sich herunterblickte, sah sie den roten Flecken, welcher sich auf ihrem Oberteil ausbreitete. Sie war getroffen worden. Lag es vielleicht am Schock, dass die vermuteten Schmerzen ausblieben?

Wie gelähmt saß sie da und konnte nur zusehen, wie Chris zwei Schritte auf sie zuging. Die Ältere trat ihr ohne jede Vorwarnung heftig gegen die Schulter, was sie vornüberfallen ließ. Ein weiterer Schuss fiel und irgendetwas unangenehmes traf sie am Hinterkopf, ehe sie auch schon die rote Flüssigkeit bemerkte, die neben ihr auf den Boden sickerte.

„Und? Bist du jetzt zufrieden?“, erkundigte Chris sich derweil bei dem Silberhaarigen. Kurz hob sie die Waffe, ehe sie sie erneut auf die am Boden Liegende richtete. „Tot ist tot, da stimmst du mir doch zu, richtig? Aber falls es dich glücklich machen sollte, habe ich hier noch weitere vier Kugeln übrig, mit denen ich sie durchsieben kann.“

Die Blondine hatte einen Fuß auf die reglos am Boden liegende Agentin gestellt. Jodie, die ihren ersten Schock langsam überwunden hatte, fiel es nun fast wie Schuppen von den Augen. Die Schauspielerin hatte sie erst in den Bauch, dann in den Hinterkopf geschossen – eigentlich sollte sie tot sein, doch das war sie nicht. Nicht einmal besondere Schmerzen hatten die beiden Treffer hinterlassen, lediglich ihre Schulter protestierte nach dem Tritt eben heftig.

Langsam registrierte sie, dass die rote Flüssigkeit, die von ihrem Oberteil und von ihren Haaren herabtropfte, sich kühl anfühlte. Würde es sich um ihr Blut handeln, dann sollte dies doch eigentlich warm sein, richtig? Wenn die rote Flüssigkeit jedoch nicht einmal Körpertemperatur hatte, dann konnte es sich doch eigentlich nur um Theaterblut handeln... Chris hielt sie am Boden fest, indem sie den Fuß auf sie gestellt und ihr Gewicht auf sie verlagert hatte. Jodie verstand, was die Kriminelle ihr mitteilen wollte. Die andere Blondine konnte gerade schlecht mit ihr reden, doch die Agentin wusste, dass sie nun so flach wie möglich zu atmen hatte und sich unter keinen Umständen bewegen durfte.

„Mehr als erschießen kannst du sie schlecht, richtig?“, äußerte Korn.

„Und ich hatte schon befürchtet, du wärst wegen der Kleinen da zur Verräterin geworden.“, meinte Vodka, sichtlich froh über das scheinbare Missverständnis. Für ihn war die Sache erledigt und die Anspannung fiel von ihm ab.

Gin hatte bislang geschwiegen, doch er sollte auch gar nicht mehr dazu kommen zu antworten.

Kaum das die Blondine einen Schritt weit von der leblosen Agentin zurückgetreten war, brach plötzlich die Hölle in der Lagerhalle los.

„Jodie! Nein!“ Der entsetzte Ausruf lenkte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden zum Eingang der Lagerhalle, durch welchen nun mehrere Agenten strömten. Schon fielen auf beiden Seiten die ersten Schüsse.

Die am Boden liegende Blondine war schockiert und hätte sich gern ein genaueres Bild über die aktuelle Lage verschafft, doch sie durfte sich aktuell nicht bewegen, wenn sie sich glaubhaft totstellen wollte. Sie blinzelte lediglich vorsichtig durch einige Strähnen, welche ihr über die Augen gefallen waren und erkannte so gerade noch, wie auch Shuichi Akai die Halle stürmte, mit einer Waffe ausgerechnet auf die über ihr stehende Amerikanerin zielte und den Abzug der Waffe mehrfach betätigte.

Jodie kam sich vor wie in einem Alptraum gefangen. Erst die Entführung und die vier Kriminellen, dann hatte sie schon befürchtet, dass ihr ehemaliger Schützling ihrem Leben nun ein Ende bereiten würde, doch die Blondine hatte sie durch eine gewagte Schauspieleinlage gerettet. Wie gerne hätte sie ihrem Kollegen zugerufen, um ihn davon abzuhalten, ausgerechnet auf Chris zu zielen, doch der Aufschrei blieb ihr in der Kehle stecken, als sie bemerkte, dass es dafür nun auch zu spät war. Die Ältere fuhr mehrfach zusammen, wurde herumgewirbelt und stürzte schließlich quer über sie, wo sie reglos liegen blieb.

„Ach du Schande!“, konnte sie Vodka rufen hören.

„Verdammt! Rückzug!“, verlangte Korn. Chianti schrie auf, als ein Schuss ihre Schulter traf, während Gin nur knurrte und einen FBI Agenten unter Beschuss nahm.

Einige Augenblicke, die Jodie wie Stunden vorkamen, tobte das Chaos noch weiter in der Halle. Immer wieder fielen Schüsse, gefolgt von Schreien. Sie selbst lag wie paralysiert auf dem staubigen Boden der Lagerhalle und hatte das Gefühl, alles nur durch einen dichten Schleier mitzubekommen.

Das...das konnte doch alles nur ein böser Traum sein. Und das schlimmste an der ganzen Sache war, dass das Gewicht der reglosen Schauspielerin über ihr und deren warmes Blut, welches Jodie inzwischen über den ganzen Rücken gelaufen war, sie immer wieder daran erinnerte, dass ihre Kollegen ausgerechnet die Person, welche gerade noch alles riskiert hatte um die Agentin zu retten, niedergeschossen hatten.

Schließlich kehrte langsam Ruhe auf dem Schlachtfeld ein.

„Verdammt! Lasst mich los! Ich sagte loslassen, ihr Scheißkerle!“, hörte man die verletzte Scharfschützin keifen, welche von zwei FBI Agenten überwältigt worden war und trotz heftiger Gegenwehr aus der Halle geschleift wurde.

Auch die Polizei war inzwischen eingetroffen und nahm zwei weitere der Kriminellen in Empfang, welche nach dem Schusswechsel jedoch erst einmal eine Fahrt ins Krankenhaus gewonnen hatten.

„Drei von den Typen haben wir erwischt, aber der Anführer der Gruppe ist angeschossen entkommen.“, berichtete gerade jemand einem anderen Beamten.

„Auf unserer Seite gibt es drei Verletzte, aber zum Glück keine Toten.“, konnte Jodie eine andere Person sagen hören.

Langsam spürte sie, wie sie sich wieder bewegen konnte. Sie wand sich unter dem leblosen Körper über ihr und schaffte es schließlich, die andere Blondine ein wenig zur Seite zu rollen, sodass sie sich aufsetzen und mit zitternden Händen nach der Älteren greifen konnte.

Jodies Augen weiteten sich erschrocken, als sie sich nun endlich einen Überblick verschaffen konnte und das ganze Blut bemerkte, welches den Körper der Anderen förmlich bedeckte und zu einem nicht unerheblichen Teil auch über sie selbst gelaufen war.

„Chris...nein, bitte nicht...“, brachte sie mit brüchiger Stimme heraus, während sie spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten.

Dann war plötzlich Akai neben den beiden Frauen. Die vollkommen neben sich stehende Agentin warf ihm einen hilfesuchenden Blick zu, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, was er noch für die Schauspielerin tun könnte.

Kurz musterte er die ganze Szene und sah sich noch einmal in der Halle um, ehe er sich schließlich mit unbeweglicher Miene zu der Kriminellen herabbeugte, deren Oberarm packte und sie grob vom Boden hochzog. „Du kannst aufstehen. Deine Kollegen hat man schon aus der Halle geführt.“, stellte er unterkühlt fest.

„Nicht, Shu! Bist du wahnsinnig?! Sie ist schwer verletzt!“, fuhr Jodie ihn geschockt an, ehe sie überrascht registrierte, dass die blutüberströmte amerikanische Schauspielerin, welche bis eben noch wie tot dagelegen hatte, sicher auf ihren Füßen stand, kaum das Shuichi sie vom Boden hochgezogen hatte.

„Das ist nur Kunstblut. Sie hat mehrere Beutel davon am Körper getragen, daher hatte das Zeug Zeit sich ihrer Körpertemperatur anzupassen, ehe ich sie mit einigen harmlosen Geschossen erwischt habe und sie sich fallen gelassen hat.“, erklärte er ihr.

Bei seinen Worten fiel Jodie ein Stein vom Herzen. Sie sah hoch zu Chris, welche ihr nur einen schuldbewussten Blick zuwarf, jedoch keine Gelegenheit hatte mit ihr zu reden, da Akai sich erneut an die Kriminelle wandte. „Komm jetzt.“, verlangte er. Den Arm der Schauspielerin weiterhin in einem schraubstockartigen Griff haltend, zog er die Blondine schließlich aus der Halle.

Die junge FBI Agentin rappelte sich endlich vom Boden auf, blickte sich noch einmal etwas unschlüssig in der Lagerhalle um und wollte den beiden gerade folgen, als sich ihr zwei bekannte Personen eilig näherten – James Black und Andre Camel.

„Du machst ja Sachen.“, begrüßte Camel sie.

„Bist du verletzt?“, wollte ihr Vorgesetzter derweil besorgt wissen.



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