Only Love von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 4: Vielleicht --------------------- Das erste Mal seit Langem wollte Kakashi nicht sterben. Es hatte schon eine gewisse Ironie, dass er – nun, da er das Gefühl hatte, dem Sterben nah zu sein – es lieber verhindern wollte. Tenzou und er hatten abtrünnige Shinobi, die mit allerlei gefährlichen Substanzen experimentierten und handelten, bis in die Wüste Sunas verfolgt. Sie hatten die Ninja stellen und erledigen können, aber im Kampf war Kakashi von mit Gift präparierten Senbon getroffen worden. Ein brennender und stechender Schmerz war ihm mit einem Mal durch den Körper gefahren und wie er vor Schmerzen auf die Knie gefallen war, hatte er Tenzous erschrockenen Ausruf hören können. Er war in Windeseile bei ihm gewesen, doch Kakashi hatte schon befürchtet, was dann folgte, denn das Gift hatte sich anders angefühlt, als sämtliche Gifte, mit denen er bis dato Bekanntschaft gemacht hatte. Und wie erwartet half das Standardgegengift, welches zur Anbu-Ausrüstung gehörte, nicht. „Wir sind nicht weit von Konoha weg. Halte durch, Sempai!“ Tenzous Stimme hatte schon lange nicht mehr so von Angst ergriffen geklungen. Bereits seit einiger Zeit hatte er eine geradezu stoische Gelassenheit angenommen, die es beinahe vergessen ließ, dass er mal diese unsichere Schüchternheit besessen hatte, die Kakashi zuweilen amüsant gefunden hatte. Tenzou war erwachsener und selbstbewusster geworden in den vergangenen drei Jahren, aber ohne seine positiven Eigenschaften zu verlieren. Dafür bewunderte Kakashi ihn im Stillen und Heimlichen ungemein. Als Tenzou ihn vom Boden aufgehoben und abgestützt hatte und mit ihm in Richtung Konoha aufgebrochen war, hatte Kakashi noch die Hoffnung besessen, dass sie es wirklich bis Konoha schaffen könnten. Natürlich war es anders gekommen. Ein plötzlich aufgekommener Sandsturm hatte sie gezwungen, ihren Weg zu unterbrechen und in einer Höhle Schutz zu suchen. Tenzou hatte Kakashi auf dem Boden der Höhle niedergelassen, ihre beiden Anbu-Masken entfernt und Kakashi einen Schluck Wasser gegeben. Es war in diesem Moment, in dem Kakashi das von Angst erfüllte Gesicht des Anderen sah, dass er – obwohl er mit dem Aufkommen des Sandsturms eigentlich schon jegliche Hoffnung aufgegeben hatte – wusste, dass er hier und jetzt nicht sterben durfte. Er wollte und konnte dies Tenzou nicht antun. „Der Sandsturm ist gleich vorbei, Sempai. Wir schaffen es noch. Wir schaffen es noch.“ So wie Tenzou klang, wusste er um die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage. „Tenzou ...“, presste Kakashi kraftlos hervor, „wenn ich es nicht-“ „Nein, Sempai“, unterbrach er ihn, „wir werden es rechtzeitig schaffen. Der Sandsturm wird gleich vorbei sein. Dann ist es nicht mehr weit bis Konoha.“ „Wenn ich es nicht schaffe“, hatte Kakashi sagen wollen, „dann gib dir nicht die Schuld daran.“ Der Satz wäre höchstwahrscheinlich eh umsonst gewesen, denn Kakashi war sich sehr sicher, dass Tenzou sich die Schuld daran geben würde. In dieser Hinsicht waren sie sich zu ähnlich. Kakashi schaffte ein schwaches Lächeln. „Ist es etwa … neuerdings gestattet, seinen Vorgesetzten einfach zu unterbrechen … Tenzou?“ Und er liebte den Ausdruck, der sich nun auf dem Gesicht des Jüngeren bildete, denn Tenzou zuckte erschrocken zusammen und starrte ihn mit großen, reumütigen Augen an. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht-“ Auch wenn es weh tat, Kakashi musste lachen. Und er erhielt wieder einen Ausdruck, den er an dem Anderen liebte. Tenzou schmollte für einen Moment, ehe er den Kopf schüttelte und dazu „Ach, Sempai“ seufzte. Kakashi wusste schon seit einiger Zeit, dass er Tenzou liebte. Er hatte nicht schlagartig eine große Epiphanie gehabt oder lange darüber nachgegrübelt und war dann zu diesem Ergebnis gekommen. Vielmehr war es ein kurzer Gedanke gewesen, ein beinahe nüchterner Einfall. War das Liebe? Vielleicht. Seit Tenzou in sein Team gewechselt hatte, hatte Kakashi gerne mit ihm Zeit verbracht (was ihm schon verdächtig vorgekommen war, denn eigentlich verbrachte er nie gerne Zeit mit irgendjemandem). In der Nähe des Anderen fühlte er sich unbeschwerter, ruhiger, sicherer und lebendiger. Kakashi hatte sich schon gefragt, wie das sein konnte; wie er sich die Nähe eines anderen Menschen wünschen konnte; aber er hatte nie darüber mit sich gerungen. Der Gedanke, was das wahrscheinlich war, kam ihm, als er sich nach einem Training von Tenzou verabschiedet hatte und sich auf dem Nachhauseweg so fühlte, als wäre er nicht vollständig; als würde ihm etwas Lebenswichtiges fehlen, sobald Tenzou nicht mehr in seiner Nähe war. Kakashi war nicht begeistert von diesem Gedanken. Im Gegenteil. Zum einen, weil er die starke Vermutung hatte, dass Tenzou auch in ihn verliebt war und zum anderen, weil daraus nie etwas werden würde. Dass Tenzou etwas für ihn empfand, hatte er schon länger vermutet. Nicht, dass der Jüngere etwas Auffälliges gesagt oder getan hätte, nein. Es war vielmehr die Art, wie er ihn ansah und wie er mit ihm umging. Tenzou bewunderte ihn offenkundig, aber – und auch hier hatte es keine große Epiphanie gegeben – Kakashi hatte das Gefühl, dass das nicht nur Bewunderung war, die ihm da entgegen gebracht wurde. Er wusste nicht, ob dies für andere auch ersichtlich war. Wenn er Asuma und Kurenai betrachtete, kam es ihm manchmal offensichtlich vor, dass zwischen den beiden eine Anziehung bestand, die sie wohl nicht öffentlich zeigen wollten; aber war es für andere auch bei ihm und Tenzou erkennbar?Und, vor allem, wusste Tenzou, was er für ihn fühlte? Dass Obito in Rin verliebt gewesen war, war immer zweifelsfrei erkennbar gewesen. Auch dass Rin in ihn selbst verliebt gewesen war, hatte Kakashi erkannt. Er jedoch war sich nie so ganz sicher gewesen, was er für Rin empfunden hatte. Zuerst hatte er jegliches Nachdenken darüber unterbunden, weil es sich nicht mit seiner strengen Regelkonformität vertrug. Dann war Obito gestorben und es hätte an Verrat gegrenzt, darüber nachzudenken. Vielleicht hatte Kakashi Rin geliebt. Mit ihrem Tod hatte das Nachdenken darüber jeglichen Sinn verloren. Tenzou aber lebte noch und so kam Kakashi nicht umher, sich immer wieder zu fragen, was wohl in dem Jüngeren vorging. Wenn Asuma Kurenai lange ansah und sie dies bemerkte, drehten beide daraufhin ertappt den Kopf weg. Wenn Kakashi bemerkte, dass Tenzou ihn ansah, erwiderte er den Blick und selbst dann sah Tenzou nicht weg. Genauso verhielt es sich anders herum. Vielleicht wusste Tenzou es. Und vielleicht wusste er auch, dass es nie zu etwas kommen würde. Vielleicht hielt er sich auch zurück, weil er spürte, dass Kakashi nicht bereit dafür war. Vielleicht hoffte er auch, dass irgendwann etwas passieren würde und wartete nur auf ihn. Kakashi konnte es nicht sicher sagen, allerdings machte er sich schon Gedanken darum, dass er – egal, was er tun würde - den Jüngeren enttäuschen würde. Kakashi lebte nicht für sein eigenes Glück. Der Sinn seines Lebens bestand darin, seinem Dorf zu dienen, das Andenken seiner verstorbenen Kameraden zu bewahren und sich für die zu opfern, die seines Schutzes bedurften. Ein Anbu liebte nicht, er tötete. Jederzeit würde er für Tenzou sterben, aber er würde ihn nicht umarmen, küssen oder sonst etwas von den anderen Dingen tun, die er sich bereits so oft vorgestellt hatte. Es ging nicht. Es war auch zu Tenzous Sicherheit. Menschen, denen Kakashi zu nahe kam, lebten gefährlich – und nicht sehr lange. Außerdem war Kakashi sich sicher, dass Tenzou jemand Besseren verdient hatte. Jemand, der nicht voller Fehler, Wehmut und Reue war. Kurz: Nicht ihn. Er würde es nie verstehen, was der Andere an ihm fand. Wahrscheinlich würde er es nun auch nie herausfinden. Kakashi fasste sich mit der Hand an die Brust und krallte seine Finger an dieser Stelle in seine Uniform, als ihm plötzlich das Atmen schwerer fiel. Alarmiert sah Tenzou ihn mit großen Augen hilflos an. „Halte durch, bitte, halte durch. Du darfst nicht sterben!“ Tenzou packte ihn sichtlich verzweifelt an den Schultern. „Stirb nicht! Bitte, Kakashi, stirb nicht!“ Vielleicht, dachte Kakashi, als er den Anderen ansah, vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Vielleicht hatte er in all seinen Überlegungen einen Denkfehler gehabt. Vielleicht war er einfach nur feige. Vielleicht hätte er Tenzou einfach mal küssen sollen. Vielleicht hätte er ihm wenigstens sagen sollen, was er für ihn empfand. Vielleicht wäre alles gut gegangen. Tenzou war anders, eine Ausnahme, etwas Besonderes. Und er hatte es verdient, geliebt zu werden. Mit sichtlicher Mühe hob Kakashi seine andere Hand und legte sie auf Tenzous Arm. Tenzou blickte zu der Hand und zu dem Älteren zurück. Sein Gesichtsausdruck verriet Kakashi, dass er die kleine Geste als das Größere verstand, das sie sein sollte. Kakashi schaffte ein weiteres, diesmal weitaus sanfteres Lächeln, ehe er das Bewusstsein verlor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)