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A Cats' Fishing Ground

von
Koautor:  Caracola

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2. Kapitel

Sie hasste Wasser. Das konnte sie gar nicht oft genug betonen. Und obwohl sie von oben bis unten voller Dreck gewesen war, hatte sie tatsächlich überlegt, ob es mit einer einfachen Katzenwäsche nicht auch ging.

Aber das hätte zu lange gedauert, also war sie am Ende doch finster vor sich hin starrend, unter die Dusche gestiegen, nachdem sie den Fischmann verarztet hatte, so gut sie konnte.

Grob hatte sie sich abgerubbelt, sich die Haare gewaschen und den Kerl noch viele weitere Male verflucht, der sie zu solchen Maßnahmen zwang, doch dann war sie doch erleichtert aus der Dusche gestiegen. Froh darüber, endlich den Gestank los zu sein.

Kurz kämmte sie sich ihre langen schwarzen Haare aus, wickelte sich ein Handtuch um und begann dann das Bad aufzuräumen.

Sie war zwar nicht gerade der sauberste Mensch, was Staub und verstreute Wäsche anging, aber Gestank konnte sie ebenfalls nicht leiden, weshalb sie sogar ihren Wischmob zur Hand nahm, der schon ewig in der Besenkammer verstaubte, und die Fliesen aufwischte. Dann flitzte sie damit über die Dielen in ihrem Flur. In ihrem Wohn-Essbereich machte sie anschließend eine Kehrtwende, um dann leise noch in der Rumpelkammer von einem Gästezimmer den Boden aufzuwischen.

Als sie damit fertig war, betrachtete sie ihren Patienten und ignorierte ihre zitternden Finger, die den Holzstiel des Mobs festhielten.

Nein, sein Schicksal kümmerte sie überhaupt nicht!

Höchstens der Umstand, dass er in ihrem Haus verrecken könnte, ärgerte sie.

Ja, genau! Das war es, was sie so zittrig machte - der Gedanke an Leichenbeseitigung.

Trotzdem schlich sie auf leisen Sohlen aus dem Zimmer, um ihn nicht zu wecken und suchte sich etwas zum Anziehen, ehe sie Flocke fütterte, die bisher geduldig neben ihrer Futterschüssel auf der Küchenanrichte ausgeharrt hatte.

Viola selbst hatte keinen Hunger, und da sie heute auch frei hatte, vertrieb sie sich schließlich die Langeweile damit, dass sie ein paar Sachen ganz leise aus dem Gästezimmer in die halbleere Besenkammer umsiedelte.

Es kam ihr dabei zugute, dass sie dadurch immer ein Auge auf den Fremden hatte und vor allem, war dann auch endlich Platz, um sich einen Stuhl neben das Bett zu stellen und sich mit einem Buch darauf niederzulassen.

Lässig legte Viola ihre Beine auf das Bett und schlug ihr Buch auf. Allerdings ohne darin zu lesen. Stattdessen beobachtete sie die inzwischen ruhigeren Atemzüge von Ken, den sie nicht nur ordentlich mit Verbandsmull eingewickelt, sondern auch mit einer dünnen Decke zugedeckt hatte.

Er lag immer noch auf dem Bauch, mit dem Gesicht zu ihr gewandt.

Eigentlich ganz süß, so wie er schlief, wenn sie sich nicht fragen würde, wie zur Hölle er eigentlich genau auf ihr Bett und zu diesen schweren Verletzungen gekommen war.
 

Jeder Atemzug schmerzte. Allerdings nicht so sehr, als hätte er weiterhin versucht, seine Kiemen auf dem Trockenen zu benutzen.

An den sonst so empfindlichen Kämmen, die sich nun dumpf und wenig elastisch anfühlten, konnte er Gewebe fühlen. Stoff, der sich auch über seinen Rücken, seinen Po und die Beine hinunter ausbreitete.

Zin versuchte, die Augen zu öffnen. Zuerst kam ihm Gefangenschaft in den Sinn. Ein Netz? Hatten die Menschen ihn aus dem Wasser gezogen, nachdem sie -

Er erkannte nicht viel. Gebrochene Bilder milchiger Substanz. Reine Schemen, die ihm überhaupt nicht weiterhalfen.

Ein scharrendes Murren rasselte in seiner Brust und Zins Finger krallten sich in den weichen Untergrund, der ihm genauso fremd vorkam, wie die Wärme und die trockene Luft in dem Raum, in dem er sich befand.

Was wollte man von ihm?

Mit Mühe und Not schaffte er es, seinen Kopf zu drehen, die Augen ein paar Male wieder zu schließen und zu öffnen. Bis es ihm endlich gelang, sein drittes Lid zur Seite zu ziehen. Nun stach das Licht auf seiner Netzhaut, aber zumindest konnte er sich in seiner näheren Umgebung orientieren.

Er lag auf Stoff. Keine Gefahr schien davon auszugehen. Eigentlich ... fühlte es sich sogar ganz angenehm an. Es wärmte ihn und roch auch gut.

Müde und erschlagen schloss Zin wieder die Augen. Ein schemenhaftes Bild blieb als Eindruck in seinem Kopf zurück.

„Wo bin ich?“

Seine Stimme klang kratzig und leise. Trotzdem enthielt sie ein gewisses Maß an Trotz. Nur, weil jede Bewegung ihm Qualen verursachte, würde man ihn nicht so leicht brechen können. Schon gar kein Mensch!
 

Viola war irgendwann eingenickt, nachdem das Adrenalin in ihrem Körper verraucht und auch die Unsicherheit in ihr etwas abgeklungen war.

Kein Wunder, sie war die ganze Nacht wach gewesen und hatte davor gearbeitet. Sie durfte also müde sein. Erst recht nach der Überraschung, die auf ihrem Gästezimmerbett schlief.

Ihr Atem hielt einen Moment inne, als sie etwas zu hören glaubte, doch es war nicht beunruhigend genug, um sie zu wecken.

Als jedoch eine Bewegung ihre Zehen kitzelte, wurde sie schlagartig wach und nahm die Beine vom Bett.

Der Fremde hatte sich bewegt, da sein Gesicht nun von ihr abgewandt war und auch seine Atemzüge waren lange nicht mehr so einschläfernd gleichmäßig wie vorhin noch.

Seine Finger waren in die weiche Matratze verkrallt.

„Wo bin ich?“, drang es leise zu ihr durch und erregte sofort ihr Mitgefühl.

Es klang ziemlich schwach, aber auch ein bisschen ... kämpferisch. Er hatte also noch genug Lebensgeister, dass er es schaffen könnte.

Viola hoffte es.

Sie ging um das Bett herum und ließ sich schließlich auf der anderen Seite auf dem Boden nieder, so dass sie ihre Arme auf der Matratze verschränken und ihr Kinn darauf ablegen konnte, um den Fremden besser ansehen und mit ihm sprechen zu können.

„Hallo, Sonnenschein“, begrüßte sie ihn ruhig, obwohl ihr Innerstes wie wild flatterte und ihr Herz hart gegen ihren Brustkorb hämmerte.

Eine beinahe Leiche auf dem Bett liegen zu haben, regte sie weit nicht so sehr auf, wie eine beinahe Leiche auf dem Bett liegen zu haben, die auch noch mit ihr sprach. Da wurde es dann langsam persönlich.

Trotzdem lächelte sie.

„Du bist in meinem bescheidenen Palast und ...“

Sie verstummte, als der Fremde die Augen öffnete.

Wahnsinn!

Solche seelenvollen Augen hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen.

Einen Moment lang starrte sie den Fremden einfach nur an, ehe sie wieder in die Gänge kam und ihr Lächeln vertiefte.

„Willst du vielleicht Wasser? Ich hätte auch Schmerztabletten anzubieten, wenn du sowas verträgst. Aber vorsichtig, die sind ziemlich stark. Wenn man nicht aufpasst, wird man von denen ganz schön high.“
 

Zin betrachtete das Gesicht mit skeptischem Blick. Sofort liefen die üblichen Gedanken durch seinen Kopf, die einem raschen Scan seines Gegenübers gleichkamen. Freund oder Feind? Oder etwas, das man ignorieren konnte? Das Wichtigste eben, wenn man gleichwohl zum Bereich der Beute, wie auch zum großen Anteil der Jäger zählen konnte. Wobei man selbst von der zweiten Kategorie sehr schnell in die Erste rutschen konnte, wenn man ein anderes Lebewesen unterschätzte oder jemandem mit sehr viel größeren Zähnen begegnete.

Die Frau - es war eindeutlich ein weibliches Wesen - konnte er nicht direkt als Feind einordnen. Weder trug sie Waffen, noch drohte sie ihm auf irgendeine Weise. Dem Lächeln nach würde er sie sogar als freundlich werten. Und ... besorgt?

Zin steckte sie fürs Erste in die Kategorie 'undefiniert, aber nicht lebensbedrohlich' und schloss seine müden Augen wieder.

Schließlich brauchte er seine ganze Kraft, um seine Kiefer auseinander zu bekommen und seine Stimmbänder und Zunge dazu zu bewegen, noch weiter für Kommunikation zu sorgen.

„Wasser ... bitte.“

Er konnte nicht einmal genau definieren, ob er es zu sich nehmen oder sich hineinlegen wollte. Eigentlich ... wäre beides sehr angenehm.
 

„Moment, ich hol dir welches.“

Geschmeidig kam Viola wieder auf ihre Beine und verließ das Zimmer, um dem Fremden Wasser zu holen.

Vorhin, bevor sie eingenickt war, hatte sie sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie sie ihm am Besten Flüssigkeit zuführen konnte, damit er nicht austrocknete.

Bei Flocke war das damals kein Problem gewesen. Da hatte sie ihrer Süßen einfach ein Babyfläschchen mit Flüssignahrung für Katzen gegeben, aber der Kerl würde niemals aus so etwas trinken.

Allerdings war Viola auch nicht ganz auf den Kopf gefallen, weshalb sie schließlich ganz hinten im Küchenschrank nach einer Sportlerflasche suchte, die sie sich irgendwann einmal zugelegt hatte. Das würde das Trinken für Ken sicher ziemlich vereinfachen.

Zunächst spülte sie den Aluminiumbehälter gründlich aus, machte auch den Plastikverschluss noch ordentlich sauber und füllte dann frisches Wasser ein.
 

Es fühlte sich so an, als hätte er bohrende Zahnschmerzen im gesamten Körper. Warum es gerade damit zu vergleichen war, kam vermutlich daher, dass Zin das Gefühl hatte, nichts dagegen tun zu können. Sich entspannen nützte nichts, sich leicht drehen oder ein paar Muskeln anzuspannen ... machte alles nur noch schlimmer. Er wand sich auf dem Laken, nicht sicher, wann die Frau aus dem Zimmer verschwunden war. Konnte es ... schon Stunden her sein?

Jetzt, da er an Wasser denken musste, war sein Mund auf einmal wie ausgedörrt, seine Haut fühlte sich rissig und erhitzt an. Am liebsten hätte Zin sie abgeschüttelt. Aber er hatte noch nicht einmal die Kraft, sich von der Decke zu befreien.

Wie ein Fisch auf dem Trockenen, rang er nach Atem, schob seine Hand an seiner Seite entlang nach unten und erwischte sogar den verhasst wärmenden Stoff, aber wirklich weit kam er nicht, bis ihm ein Blitz aus Schmerz das Rückgrat hinauf, bis direkt ins Hirn jagte.
 

Mit dem Getränk und einem Geschirrtuch kam Viola schließlich ins Gästezimmer zurück und setzte sich zu dem Fremden aufs Bett.

Da sie nicht sagen konnte, ob er inzwischen wieder eingeschlafen war oder nicht, berührte sie ihn sanft am Kinn.

„Hier. Wasser.“
 

Er musste ... weggetreten gewesen sein.

Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, dass sie den Raum wieder betreten hatte.

Gegen das Licht anblinzelnd sah er zu ihr auf, sein rechtes Auge noch halb von seinem dritten Lid bedeckt und etwas träge.

Sie hatte ... Wasser für ihn.

Zins Blick strahlte vor unausgesprochener Dankbarkeit, als sie ihm ein Röhrchen in den Mund hielt, an dem er vorsichtig zu saugen begann.

Das Wasser schmeckte ekelhaft. Nach ... Aluminium? Und etwas Rost war auch dabei. Aber Zin war so ausgetrocknet, so gierig, nach jedem Schluck, den er bekommen konnte, dass er sogar so etwas wie den Ansatz eines Lächelns zusammenbrachte, bevor er seinen Kopf wieder gänzlich auf die Matratze legte. Diesmal schlief er sehr tief ein, anstatt komplett sein Bewusstsein zu verlieren.
 

Armer Kerl, dachte Viola bei sich, sprach es aber nicht laut aus, sondern schwieg, solange der Fremde sich mit dem Wasser abmühte und dann wieder einschlief, kaum dass sie die Flasche von seinem Mund genommen hatte.

Sie tupfte ihm mit dem Geschirrtuch noch einen Tropfen aus dem Mundwinkel, ehe sie ihm den Hauch von einer Decke wieder weiter über die Hüften zog und dann aufstand. Es war inzwischen ganz schön heiß geworden, weshalb sie den Deckenventilator etwas einschaltete, um zumindest das Gefühl eines kühlenden Lufthauchs zu ermöglichen.

Das Wasser ließ sie auf dem Nachtisch stehen, nahm jedoch die Schmerztabletten wieder mit. Falls er erneut aufwachte und welche brauchte, würde sie ihm welche geben, aber bis dahin, würde sie die Bombenteile lieber sicher verwahren. Sie hatten es nämlich wirklich ganz schön in sich. Das wusste sie aus Erfahrung.

Da Viola selbst ganz schön müde war, legte sie sich auf die Couch, um etwas zu dösen. Dort würde sie den Fremden wohl hören, wenn er aufwachte. Außerdem schlief er vermutlich ohnehin tief und fest. Deshalb war ihre einzige Sorge die, dass sie auch in ein paar Stunden nichts von ihm hören würde und er vielleicht gar nicht mehr aufwachte.

Daran wollte sie allerdings gar nicht erst denken und wenn, dann konnte sie auch nichts daran ändern. Für Nicht-Menschen, wie sie beide es offensichtlich waren, gab es nun einmal kein Krankenhaus. Für gewöhnlich kamen sie damit aber auch ganz gut zurecht. Sie waren schließlich keine schwachen Menschen.

Trotzdem blieb ihre Sorge und Viola nahm sie mit in den Schlaf.

Sie schlief nicht lange. Nur ein paar Stunden und als sie aufwachte, lag Flocke zusammengerollt an ihrem Bauch und schnurrte leise vor sich hin.

Einen Moment lang gab sich Viola ganz dem Gefühl hin, ihre Süße einfach zu streicheln und die Weichheit ihres weißen Fells zu genießen. Dann aber fiel ihr sofort wieder ihr Gast ein und dahin war die Ruhe.

Viola stand langsam von der Couch auf und streckte sich einmal ausgiebig, ehe sie zum Gästezimmer ging und einen Blick hineinwarf.

Ken schlief immer noch tief und fest und nach dem Gewicht der Wasserflasche zu urteilen, war er inzwischen auch noch nicht aufgewacht.

Vorsichtig berührte sie seine Stirn. Er war zwar sehr viel kühler, als sie selbst, aber nicht so kalt, wie eine Leiche und vor allem atmete er noch.

Das war gut.

Schnell ging Viola frisches Wasser holen und setzte sich dann erneut zu dem Fremden aufs Bett.

Sie streichelte wie ein Kind sanft seine Schläfe, die Wange und war weit über ihn gebeugt, damit sie ihm leise ins Ohr flüstern konnte, dass er aufwachen sollte.

„Hey, du musst etwas trinken“, hauchte sie in ihrem zärtlichsten Tonfall, den nur geliebte Menschen oder todkranke Fremde von ihr zu hören bekamen.
 

Ein kleines Röcheln entstand, als Zin zuerst wieder - ganz seiner Schlafgewohnheit entsprechend - versuchte seine Kiemen zu benutzen.

Die Schlitze, die von seinem Kiefer bis kurz unter sein Ohr verliefen und von einer Hautfalte vor den gröbsten Verletzungen und vor Schmutz geschützt waren, öffneten sich leicht. Als sie allerdings nur Luft, statt Wasser ansaugten, furchte sich Zins Stirn.

Nur minimal, aber mit großen Anstrengungen verbunden, die man seinen flitzenden Augen unter den geschlossenen Lidern ansehen konnte, zog er ein Bein und einen Arm näher an seinen Körper.

Für jemanden, der ihn betrachtete, war es kaum zu erkennen, aber für Zin selbst fühlte es sich so an, als hätte er sich gemütlich zusammengerollt. Diese Position war jetzt auch leichter zu erringen, da die Unterlage zu seiner Linken etwas abfiel. Nicht viel, aber ausreichend.

„Hey ...“

Den Rest der Worte verstand er nicht. Aber die Stimme ... kam ihm bekannt vor.

Zwei tiefblaue Augen leuchteten in der tiefen Schwärze seines Bewusstseins auf und Zins linker Mundwinkel zuckte zu einem schmalen Lächeln ein Stück nach oben.

„Hallo ...“, murmelte er leise.

Inzwischen hatte er die Frau unter einem neuen Eindruck abgelegt. 'Menschlich und seltsamerweise trotzdem nicht tödlich'.
 

„Dir auch, hallo.“

Viola lächelte, als sie den leicht erhobenen Mundwinkel des Fremden sah, und richtete sich wieder etwas auf.

„Hör mal, ich weiß, dass du müde bist. Aber du musst etwas trinken. Nicht, dass du mir noch austrocknest. Danach lasse ich dich wieder schlafen. Versprochen.“

Sie hielt ihm die Flasche an die Lippen, das Geschirrtuch vorsorglich untergelegt, falls etwas daneben gehen sollte.

„Wenn du Schmerzen hast, kann ich dir auch etwas geben. Dann schläfst du bestimmt besser.“ Und Schlaf war etwas, das er wohl ebenso dringend zur Heilung benötigte, wie ausreichend Flüssigkeit. Damit kannte sie sich aus.
 

Da er seiner Krankenschwester gerade nur sehr schwer widersprechen konnte, ließ er sich das Röhrchen wieder zwischen die Lippen schieben und trank in großen, aber kontrollierten Schlucken. Dabei versuchte er, wegen des grässlichen Geschmacks keine allzu schlimme Miene zu verziehen. Sie kümmerte sich um ihn. Da wollte er nicht undankbar sein.

Als sie allerdings mit ihrem Vorschlag ankam, was die Schmerzen betraf, wurde er wachsam.

Das ihr zugewandte Auge öffnete sich und funkelte sie durchdringend und forschend an.

Zin schluckte hart.

„Was willst du ... mir geben?“

Er fühlte sich beim Sprechen unheimlich atemlos. Aber die Skepsis brachte er trotzdem sehr deutlich in seinen Worten unter. Zumal seine Stimme von einem Flüstern sehr langsam aber sicher wieder in seinen tiefen Bass überging.
 

Als er sich die Mühe machte, sie anzusehen, tat Viola ihm den Gefallen und rutschte vom Bett, um es sich wieder auf dem Boden gemütlich zu machen, damit der Fremde sich dabei nicht so anstrengen musste und sie sich gerade in die Augen sehen konnten.

Da er langsam wieder eine ordentliche Stimme bekam - und was für eine! - nahm sie an, dass er nun wacher und ansprechbarer wurde, als bisher. Also lächelte sie, hoffentlich weniger besorgt, als noch vorhin und erwiderte ungerührt seinen intensiven Blick.

„Eine Tablette. Ich könnte sie dir aber auch in Wasser auflösen, wenn du sie so leichter hinunter bekommst. Keine Sorge, ich werde dich damit nicht vergiften. Für den Anfang wäre vielleicht sogar die Hälfte davon ausreichend, wenn du dir nicht sicher bist, ob du so etwas verträgst. Auf jeden Fall hilft es sofort gegen die Schmerzen und ist gut verträglich. Ich habe die Dinger auch schon oft genommen und kann sie nur empfehlen.“

Viola strich sich eine lose Strähne ihres Haars hinters Ohr und ihr Lächeln vertiefte sich.

„Ich bin übrigens Viola“, stellte sie sich schließlich vor und wartete, ob auch von dem Fremden ein Name kam, ansonsten würde sie ihn gedanklich einfach auch weiterhin Ken nennen.
 

Er überlegte.

Zumindest versuchte er es, denn jeder Gedanke schien trotz seiner zähen Konsistenz absolut ungreifbar zu sein. Allerdings etwas gegen die Schmerzen ... wäre nicht zu verachten. Andererseits kannte er die Frau nicht, und wenn man bedachte, dass sie ein Mensch war, musste man ihr die Finte zutrauen. Was es ihr aber bringen sollte, ihn zuerst ein wenig aufzupäppeln, bloß um ihn dann zu vergiften, wusste er nicht.

Zin betrachtete sie eine Minute sehr ausführlich. Die blauen Augen unter den langen, schwarzen Wimpern, die dunklen Haare und die gebräunte Haut ... Sie sah einfach nicht so aus, als würde sie ihm gleich eine Waffe in den Leib rammen. Und dass sie sich bis jetzt um ihn gekümmert hatte, zählte schon Einiges.

„Ich bin ... Zin.“
 

Sein Schweigen machte Viola nichts aus. Ebenso wenig, dass er sie dabei eingehend betrachtete. Ganz im Gegenteil, sie nutzte selbst die Gelegenheit, die er ihr bot, und musterte ihn gründlich. Oder zumindest den Teil seines Gesichtes, der nicht verdeckt war.

Markante Züge, entschlossene Augen, sinnlich geschwungene Lippen vermischt mit etwas Unbekanntem.

Der Kerl hatte was. Dafür, dass er schwer verletzt auf ihrem Bett lag und so offensichtlich nicht menschlich war. Aber gerade das stachelte ihre Neugierde an.

Als er ihr endlich seinen Namen sagte, zog sie leicht verwundert eine ihrer geschwungenen Augenbrauen hoch.

Sin? So wie Sünde?

Na das wurde ja immer besser!

Viola behielt ihre Gedanken allerdings für sich, während sie geduldig darauf wartete, ob noch etwas kam.
 

Er schluckte hart, als ihm wieder ein brennender Speer zwischen die Kiemen an seinem Rücken fuhr und irgendein Mistkerl das Ding auch noch herumdrehte und anfing, in Zins Eingeweiden zu stochern.

Er atmete flach und hielt sich so still wie möglich, während er versuchte, sein Hirn nicht schon wieder den Stecker ziehen zu lassen.

„Okay. Ich ... nehm die ... Medizin.“

Dass ihm das andere Wort für das Zeug gerade partout nicht einfallen wollte, obwohl Viola es ihm vor wenigen Augenblicken gesagt hatte, machte es nicht besser. Aber verflucht, so oft brauchte er diese Vokabeln auch nicht.
 

Offenbar waren am Ende seine Schmerzen stark genug, um ihn zur Einsicht zu bringen.

Nein, sie würde ihn wirklich nicht vergiften, auch wenn sie seine Skepsis förmlich spüren konnte.

„Du wirst sehen, danach wirst du gleich viel leichter schlafen können.“

Viola kramte die Schmerztablettenpackung aus der Hosentasche ihrer engen Hotpants und drückte eine Tablette durch die Folie in ihre Hand.

„Und morgen, wenn es dir besser geht, können wir uns einmal darüber unterhalten, warum du gerade an meinen Strand gespült wurdest.“

Mit einer ihrer Krallen zerteilte sie die Schmerztablette, ohne dass Zin es sehen konnte, ehe sie ihm eine Hälfte an den Mund und dann sofort Wasser zum Trinken bereithielt.

„Aber bis es so weit ist, schlaf dich aus, und falls du etwas brauchst, ich bin gleich in der Nähe.“
 

Selbst in dieser Situation, in der er einer fremden, menschlichen Frau total ausgeliefert war, fühlte es sich für Zin seltsam an, etwas mit den Lippen von ihren Fingern zu nehmen. Er ließ sich nicht sonderlich gerne füttern. Die Zeiten waren lange vorbei.

Wenn man sich allerdings klar darüber sein sollte, dass man genauso gut nie wieder aus dem versprochenen Schlaf aufwachen könnte, sollte man wohl nicht so zimperlich sein. Daher ignorierte er auch den Geschmack ihrer Haut und konzentrierte sich lieber darauf, das leicht scharfkantige Ding auf seiner Zunge mit einem Schluck Wasser hinunter zu würgen.

Es funktionierte nicht auf Anhieb, weil er in dieser liegenden Position nicht ordentlich schlucken konnte. Aber nach drei Versuchen blieb die Tablette nicht mehr an seinem Gaumen kleben, sondern verabschiedete sich in seine Speiseröhre, um wohl früher oder später in seinem Magen zu landen und seine Wirkung zu tun.

So ein kleines Ding konnte diese Schmerzen lindern?

Zins Augenbrauen zogen sich zu einer zweifelnden Miene zusammen, während er sich das Gefühl seiner zerrissenen Kiemen an seinem Rücken noch einmal bewusst machte.

Seine Chancen standen nicht besonders gut. Eigentlich war es sogar realistischer, dass er in Violas Haus hopsging und sie sich auch noch mit seiner Leiche Umstände machen musste.

„Ich danke dir ...“

Er sah sie an und hoffte auch für Viola inständig, dass er die Nacht überleben würde. Dann bekäme er irgendwann vielleicht sogar die Gelegenheit, sich entsprechend bei ihr zu bedanken.
 

Viola konnte ihm nur dabei zusehen, wie er sich mit der halben Tablette abmühte, während sie beschloss, die nächste gleich in Wasser aufzulösen. Das würde es ihm stark erleichtern und sie musste sich keine Sorgen machen, dass er eine ganze vielleicht sogar in den falschen Hals bekam und ihr erstickte.

Als er sich bei ihr bedankte, lächelte sie wieder.

„Du kannst dich bei mir bedanken, wenn es dir wieder besser geht. Jetzt konzentrier dich lieber erst einmal darauf, wieder gesund zu werden.“

Sie wusste selber, dass das zu optimistisch klang, aber sollte sie vor einem Schwerverletzten denn voller Pessimismus strotzen? Das würde dann wohl eher den gegenteiligen Effekt bewirken, als sie sich beide für Zin wünschten.

Bevor er allerdings noch etwas darauf sagen konnte, stand Viola auf, um den Deckenventilator wieder abzustellen. Schon bald würde es etwas abkühlen, und da sie nicht wusste, wie es um die Infektion um Zins Verletzungen stand, war ein Hitze- und Kältebad bei ihm schon bald nicht auszuschließen. Weshalb sie ihm auch die Decke noch etwas weiter hochzog und zusätzlich noch eine weitere flauschige Baumwolldecke, zur Sicherheit bei seinen Füßen deponierte.

Danach wünschte sie ihm eine gute Nacht, schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer.

Erst vor der Tür wartete sie darauf, dass er wieder einschlief.
 

Zin überlegte sich gar nicht erst, ob es klug gewesen wäre, Viola über die Unsinnigkeit ihres guten Willens aufzuklären. Es war nett, dass sie ihm noch eine Decke hinlegte. Daran, dass er mit seinen Händen die Nähe seiner Füße niemals erreichen könnte, brauchte sie nicht zu denken. Das war ... sein Problem.

Eine Weile sah er seiner Retterin nach, auf die Tür, hinter der sie verschwunden war.

Kaum zu glauben, dass sie ihm half. Wo sie doch ... ein Mensch war. Und er ein Meermann. Hätte man da nicht eher erwartet, sie würde die Behörden holen? Männer in weißen Schutzanzügen, die den seltsamen Fang in Folie wickelten, um eine Ansteckung oder was auch immer nicht in Kauf zu nehmen?

Er hätte eher gedacht, er würde auf einem kalten, spiegelnden Untersuchungstisch landen; auf Skalpelle sehen müssen, die dafür bereitgelegt wurden, um seinen Körperbau näher zu untersuchen. Vielleicht sogar, solange noch ein Funke Leben in ihm war, den man näher betrachten konnte ...

Mit einem rauen Stöhnen krallte Zin seine Hände in die Matratze, stemmte sich die paar Zentimeter hoch, die er brauchte, um seinen Kopf zu drehen und widerstand dann der Versuchung sich wieder auf den weichen Untergrund fallen zu lassen.

Vermutlich wäre er so blöd und schwach gewesen, sich selbst damit zu ersticken.

Er musste sich die Tortur antun, sich langsam wieder hinzulegen, seinen Kopf so zu betten, dass er selbst im Schlaf genug Luft bekam und seine Kiemen trotzdem nicht belastete.

Müde sah Zin in Richtung Fenster und fragte sich, ob er sterben würde. Nicht irgendwann ... sondern in dieser Nacht. Es konnte kaum schlimmer sein, als hier zu liegen und sich so zu fühlen, als würde jemand an seinem Rücken nagen.

Wie es wohl ... den Anderen ging?

Weil ihm ein Strahl der tief stehenden Sonne in die Augen blendete, musste er mehrmals blinzeln.

Bestimmt waren sie alle -



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