A Cats' Fishing Ground von Darklover ================================================================================ Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- In der Luft konnte man noch den Sturm riechen, der in der vergangenen Nacht so wild gewütet hatte, als wäre das Ende der Welt gekommen. Sogar das Meer war noch trüb und aufgewühlt, obwohl es sich bereits wieder zu beruhigen begann. Genauso wie sich langsam die zerrupften Palmwedel aufrichteten, um die Tortur von letzter Nacht abzuschütteln. Gegen die Blitze und den Donner war im Grunde genommen nichts einzuwenden, solange beides weit genug entfernt war. Aber dieser peitschende Regen ... Viola erschauderte für einen Moment bei der Erinnerung daran, ehe sie einmal tief die herrliche Meeresbrise einatmete und entschlossen ihr Kinn den stärker werdenden Sonnenstrahlen entgegen reckte, als würde sie damit auf ihre Weise dem Unwetter von letzter Nacht den erhobenen Mittelfinger zeigen. Es war so ein herrlicher Morgen und bis auf das Unwetter, war die gestrige Nacht auch nicht zu verachten gewesen. Cid war tatsächlich so kräftig, wie er aussah, aber mit jemandem wie ihr, hatte er am Ende doch nicht gerechnet. Vermutlich lag er immer noch wie erschlagen auf den zerwühlten Laken und schlief den Schlaf der erfolgreichen Eroberer. Viola lachte und sprang über ein Stück angeschwemmtes Treibholz hinweg, das ihr den Weg versperrte. Geschmeidig landete sie mit nackten Füßen wieder in dem feinen, herrlich weißen Sand und hüpfte dabei mehr, als das sie weiter ging. Es war ziemlich guter Sex gewesen, aber eine Eroberung war sie ganz bestimmt nicht. Dennoch konnte das ihre Laune zuverlässiger heben, als ein Schälchen frische Sahne. Und es gab ihr mehr Energie, als oftmals gut für sie war. Warum sonst sollte sie den Weg nach Hause am Strand entlang gehen und somit mehr als eine Stunde länger vertrödeln, als sie querfeldein hätte gehen müssen? Vielleicht weil Neugier auch ihrer zweiten Natur entsprach und es nach einem Sturm so viele tolle Sachen gab, die an den Strand gespült wurden. Es fiel ihr schon jetzt schwer, die schönen Muscheln und das geschliffene Glas liegen zu lassen. Aber sie hatte schon hunderte davon bei sich zuhause herumliegen. Noch ein paar mehr, würde eindeutig nach Besessenheit aussehen. Auch wenn sie schöne Dinge liebte, aber das wollte sie sich nicht nachsagen lassen. Trotzdem blieb Viola auf ihrem Weg am Sandstrand entlang immer wieder einmal stehen, stupste mit ihrem Fuß Seetang, Mülltüten und abgebrochene Korallenstücke zur Seite, um nachzuschauen, ob vielleicht etwas Besseres darunter lag. Meistens jedoch nur die eine oder andere Fischleiche. Weshalb mit zunehmender Hitze auch immer mehr Möwen aufkreuzten, die das sanfte Rauschen der Wellen mit ihrem Gekreische zerstörten. Doch davon ließ sich Viola nicht irritieren. Die großen Treibholzteile taten es ihr nämlich besonders an, auch wenn sie diese meistens nur kurz erkundete und wieder weiter ging. Dennoch fragte sie sich immer, wo das ganze Zeug herkam, das seine Endstation hier am Strand fand. Irgendwann wurde es ihr dann aber doch zu heiß unter der prallen Sonne und sie schalt sich selbst für ihre verspielte Neugierde, die ihr den Schweiß über die Schläfe laufen ließ und ihren Mund ganz trocken machte. Dennoch konnte sie es sich nicht verkneifen, mit den Wellen zu spielen, während sie ihre Schritte beschleunigte. Es war ohnehin nicht mehr allzu weit bis nach Hause. Viola hasste Wasser. Zumindest darin zu sein und es in großen Mengen auf sich zu spüren. Aber sie sah es gerne an. Vor allem das Meer und manchmal ließ sie sich von den Wellen auch gerne necken, die an den Strand kamen und sich nach ihren Zehen ausstreckten. So wie jetzt. Doch bevor das Meer sie nass machen konnte, sprang Viola zur Seite, lief dem kühlen Nass parallel zum Strand hinter her und ließ sich dann erneut jagen. Einmal klatschte es dann aber doch mit all seiner Nässe gegen ihre Knöchel, als sie nicht aufpasste. Sie bemerkte es nicht einmal. Viola war stehen geblieben, die Ohren gespitzt und ihre Nase dem Wind entgegen gehoben. Sie witterte etwas. Meersalz, trocknender Seetang, Fisch und ... Blut. Kurz huschte ihr Blick hoch zum Waldrand, wo sie nicht mehr weit entfernt, ihr kleines Haus sehen konnte, dann blickte sie wieder den Strand entlang. Auch hier lagen unzählige Dinge herum, die das Meer angespült hatte, doch nichts davon roch so intensiv wie das, was sie in der Nase hatte. Kurzerhand ließ sie einfach ihre Flipflops, die sie die ganze Zeit schon in der Hand gehalten hatte, fallen und lief los. Viola musste unbedingt wissen, was das für ein Geruch war. Ihre Neugierde hatte sie gepackt. Dieses Mal ignorierte sie das viele Treibholz und wich geschickt den scharfkantigen Korallen und dem menschlichen Dreck aus, der sich bisweilen unerhört oft vor ihrer Haustür sammelte, während sie geschmeidig über den Sandstrand jagte. Viola musste nicht lange suchen, da wurde der Geruch auch schon stärker und zunehmend erstickender. Zudem markierte ein ganzer Schwarm an Möwen den Punkt, den sie wohl suchte, denn die weißgrauen Vögel balgten sich wie wild auf einem einzigen Sammelpunkt. Bei dem Andrang konnte man nur hoffen, dass es sich bereits um einen Kadaver handelte, denn wenn nicht ... Noch einmal beschleunigte Viola ihre Schritte schnappte sich im Vorbeilaufen einen Holzprügel und lief lauthals im derbsten Seemännisch fluchend auf die Vögel zu, während sie das Holzstöckchen schwang. Sofort stoben die Tiere auseinander, als sie ihnen zu nahe kam und den paar Nachzüglern, die nicht schnell genug waren, verpasste sie einen leichten Tritt. Die Viecher waren schlimmer als Aasgeier, und wenn man ihnen keine Manieren beibrachte, dann waren sie die reinste Plage. Noch einmal beschimpfte Viola sie, während die Vögel lautstark zurückfluchten, aber zumindest blieben sie außer Reichweite und so hatte sie die Gelegenheit sich den Stein des Anstoßes näher anzusehen. Viola ließ den Prügel sinken und ging vor dieser Ansammlung an Algen, Seetang, Treibholz und irgendetwas, das nach Ölschliere aussah in die Hocke. Erst da fiel ihr die annähernd menschliche Hand auf, an der getrocknetes Blut und anderer Dreck klebten. Annähernd menschlich deshalb, weil etwas mit der Hand nicht zu stimmen schien und obwohl da offenbar noch sehr viel mehr unter dem ganzen Mist verborgen lag, als nur der dazu gehörige Arm, konzentrierte sich Viola erst einmal auf diese Hand. Der Gestank war wirklich unbeschreiblich, als sie sich noch näher hinunterbeugte. Wie ein auf Grund gelaufener Fischkutter, auf dem seit Wochen Fischgedärme in der prallen Sonne schmorten. Trotzdem konnte sie das nicht abschrecken. Stattdessen atmete Viola einfach flacher und streckte schließlich ihre Hand zögerlich aus, um mit den feinsäuberlich manikürten Fingern das tote Fleisch zu berühren. Nur dass es nicht tot war. Es war zwar nur ein flüchtiger Moment, doch unter ihrer Berührung zuckte die Hand einmal zusammen und jagte Viola damit einen wahnsinnigen Schrecken ein. Mit einem spitzen Fauchen sprang sie gut einen Meter aus der Hocke zurück, und noch ehe sie sich davon abhalten konnte, waren ihre rosafarbenen Fingernägel zu gefährlichen Klauen mutiert. Bereit zum Angreifen. Wie erstarrt blickte sie die regungslose Hand minutenlang an, in denen sich nur nach und nach ihr Herzschlag wieder beruhigen wollte. Dann richtete sie sich einfach auf und starrte auf ihre Fingernägel. Die Farbe war weg, nachdem sich ihre Krallen wieder zurückgezogen hatten. Gott, zum Glück trug sie keine künstlichen Fingernägel. Was das jedes Mal kosten würde! Ein unsinniger Gedanke in der gegenwärtigen Situation. Das wusste sie. Aber Viola neigte nun einmal dazu, nur an Blödsinn zu denken, wenn sie nervös war und diese Leiche oder dieses halbtote Etwas da, machte sie nervös. Aber auch neugierig, weshalb sie wieder näher kam, solange die Möwen noch auf verlorenem Posten herumjammerten und Viola sich nun ganz neben dem Berg aus Treibholz, Seetang und anderem unaussprechlichem Müll niederkniete. Da sie nicht befürchtete, Opfer eines Angriffs zu werden, da sie kaum glaubte, dieses Etwas könnte ihr im gegenwärtigen Zustand auch nur ein Haar krümmen, machte sie sich bedenkenlos daran, es von dem ganzen klitschigen Mist zu befreien. Nach und nach wurde dadurch offensichtlich, dass eigentlich ein Großteil von diesem ... was auch immer, bereits freigelegen hatte. Nur das Blut war auf dessen Haut schon so getrocknet und rissig, dass es schwarz wirkte und zugleich roch es immer intensiver. Vielleicht ein Schiffbrüchiger? Der Verdacht wurde zunehmend begründeter, denn sie legte nicht nur eine zweite Hand und den dazugehörigen Arm frei, sondern konnte auch bald einen Kopf aus dem ganzen Seegrün heraus schälen. Vorsichtig befühlte Viola die Stirn und die Schläfen auf Verletzungen, doch bis auf einige Kratzer konnte sie auf die Schnelle nichts finden. Aber der Mann war eindeutig bewusstlos. Sie glaubte deshalb, dass es ein Mann sei, weil es andernfalls eine ziemlich arme Frau wäre, so ganz ohne erkennbare Brüste und mit diesen markanten Gesichtszügen. Im Grunde war es momentan auch egal, weshalb Viola sich so weit über den Mann beugte, dass ihr Ohr dicht vor dessen Nase lag. Ja, der Kerl atmete noch. Sie sollte also schleunigst einen Krankenwagen rufen, der sich um den Verletzten kümmerte. Aber es war nicht nur allein ihre Abneigung gegen menschliche Institutionen, die sie noch zögern ließen. Irgendetwas anderes schien ihr bei dem Gedanken auch keine Ruhe zu lassen. Während sie darüber nachdachte, was es sein könnte, befreite sie auch noch den Rest des Körpers von dem gröbsten Dreck und da fiel es ihr auch stechend scharf ins Auge. Seine Zehen ... Viola beugte sich näher und berührte den kalten Fuß. Vorsichtig zog sie den großen Zeh weiter von den anderen weg, da sie zunächst an eine Sinnestäuschung geglaubt hatte. Allerdings wurde ihr erster Eindruck schnell bestätigt. - Schwimmhäute. Sofort drehte sie sich um und griff nach seiner Hand, um sie sich näher anzusehen und fühlte sich abermals bestätigt. Noch mehr Schwimmhäute. Fragend sah sie den Bewusstlosen an. „Tja, mein Freund. Ich habe keine Ahnung, was du bist. Also kannst du mir vielleicht weiterhelfen. Soll ich dich ins Krankenhaus bringen oder doch besser zu einem Tierarzt?“ Kurz wartete sie ab, erhielt allerdings natürlich keine Antwort. Stattdessen ermahnte sie sich, sie sollte hier nicht herumalbern, sondern lieber helfen, bevor sie hier tatsächlich gegrillten Meerfischmann oder was auch immer das war, hatten. Zuerst musste der Kerl aus der brennenden Sonne raus. Danach musste sie sehen, wie schwer er wirklich verletzt war, was bei dem ganzen Dreck nicht leicht sein würde, also musste sie ihn erst etwas sauber machen. Viola stöhnte entnervt. Das bedeutete wieder Unmengen von Wasser. Trotzdem biss sie entschlossen die Zähne zusammen, packte den Kerl unter den Achseln und stellte überraschend fest, dass er leichter war, als er aussah. Allerdings nicht so leicht, dass sie keine Mühe gehabt hätte, ihn hochzuhieven. Aber dank ihrer zweiten Natur war es ihr überhaupt möglich, den Kerl von der Stelle zu bekommen. Trotzdem verfluchte sie ihn leise murmelnd mit allem, was ihr über Dummheit so einfiel, weil er sie überhaupt in diese Situation brachte, während sie ihn in gebeugter Haltung halb über ihren Rücken zog und dann in der gleichen Haltung auf das Haus zumarschierte. Ihr Rücken würde sie morgen verfluchen. Das wusste sie schon jetzt. Viola schwitzte aus allen Poren. Der Schweiß lief ihr in Bächen übers Gesicht, den Rücken, zwischen ihre Brüste und vermischte sich dabei mit Blut und Dreck, der von ihrem ‚Gepäck‘ auf sie überging, während sie ihn mehr oder weniger die Verandatreppe hochschleifte. Ihre Arme zitterten vor Anstrengung und ihr Atem ging keuchend. Vielleicht hätte sie doch zuhause bleiben sollen. Aber vermutlich wäre ihr trotzdem die neueste Errungenschaft an ihrem Strand nicht entgangen. So ein Scheiß aber auch. Mit Mühe und viel Fingerspitzengefühl fummelte sie an der Fliegentür herum, ohne den Mann loszulassen und schaffte es endlich, sie aufzubekommen. Herrliche Kühle traf ihre Haut, als sie es endlich ins Haus schaffte. Normalerweise war es hier ebenfalls ziemlich warm. Aber nach der prallen Sonne kam es ihr einfach paradiesisch vor. Kurz überlegte sie, ob sie eine Pause machen und den Kerl einen Moment auf der Couch ablegen sollte, aber der penetrante Gestank erleichterte ihr dann doch die Entscheidung. Den Geruch würde sie nie wieder aus den Stoffbezügen bekommen. Also mühte sie sich weiter durch den Wohn-Essbereich in Richtung Flur und dann in Richtung Badezimmer. Im Flur kam ihr Flocke die Dreibeinige-einäugige-Schlitzohrdiva in die Quere und schmiegte sich mit ihrem weichen Fell an Violas Beine. „Süße, ich hab gerade alle Hände voll zu tun. Du bekommst später was zu fressen, ja?“ Flocke sah sie aus ihrem großen blauen Auge an, überlegte kurz und maunzte dann nur, ehe sie wieder ihrer Wege ging. Gott, wie sehr sie das Tier liebte. Ganz im Gegensatz zu dem Ballast, den sie unbedingt loswerden musste, wenn sie keine Bauchlandung auf ihren Holzdielen hinlegen wollte. „Ich schwör dir. Wenn du wieder zu dir kommst, kannst du was erleben“, fluchte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, fegte den Badezimmerteppich zur Seite und kroch fast schon mehr zur Badewanne, als das sie ging. Sie konnte kaum noch. Dennoch kratzte sie noch ihre letzten Reserven zusammen und hievte den Verletzten mit letzter Kraft mehr oder weniger unsanft in die Badewanne und landete dabei selbst auf ihm. Eine kurze Atempause gönnte sie sich, nachdem sie wieder von ihm herunter gekrabbelt und aus der Badewanne gestiegen war. Dann griff sie nach der verhassten Brause und schaltete das Wasser an. Da sie den Ofen für das Heißwasser nicht angeheizt hatte, blieb es eben bei kaltem Wasser. Wobei es in ihrer warmen Region ohnehin nie eiskalt war. Zudem glaubte sie, würde das dem Kerl ganz gut tun. Inzwischen war er nämlich unter der prallen Sonneneinstrahlung ganz schön warm geworden. Vorsichtig und mit sehr viel mehr Sanftheit, als ihre Worte von vorhin vermuten ließen, wusch sie ihm zuerst das Gesicht ab und legte nach und nach doch sehr ansehnliche Gesichtszüge frei. So wirkte er tatsächlich wie ein Mensch und noch sehr viel männlicher, als vorhin noch. Auch bei seinen breiten, sportlichen Schultern und dem Brustkorb wurde sie nicht enttäuscht, was die männlichen Attribute anging. Ihr erster Eindruck hatte sie also doch nicht - „Was zum Teufel ist denn das?“, fragte sie niemand bestimmten, während die Brause über den Hüften des Mannes stehen blieb. Wenn das überhaupt ein Mann war. Der Kerl sah aus wie Ken! Kein Schwanz. Keine Eier. Nichts. Vorhin noch hatte sie geglaubt, er hätte eine Badehose oder etwas in der Art an, aber das hier ... Sprachlos starrte sie ihn an, bis langsam frisches Blut den Abfluss hinunter zu laufen begann, nachdem sich die eingetrockneten Krusten auflösten. Okay. Sie würde erstmal keine Fragen stellen, seine Verletzungen waren vorerst wichtiger. Allerdings konnte sie ihn nicht schon jetzt wieder aus der Badewanne hieven. Weshalb sie das Wasser schließlich abstellte und selber noch ganz schmutzig durch ihr Haus tapste, um das Gästezimmerbett freizuräumen. Au! Der Pfeifton, der über dem Bereich des menschlich Hörbarem lag, wurde von einer glatten Oberfläche zurückgeworfen. Zins Augenlider flatterten, gaben ein Stück milchige Umgebung frei. Nichts, das er zuordnen konnte. Außer ... Sein halb vor sich hindämmerndes Hirn erkannte das Wasser. Es war angenehm kühl und tat gut auf der heißen, sich brüchig anfühlenden Haut. Außerdem befreite es ihn von dem Jucken und Brennen, dem klebrigen Schmutz auf seinem Körper. Und es ... hörte sich so beruhigend an. Sein Körpergefühl kippte weg, wackelte schwindelerregend und ließ die brennenden Wellen an Schmerz zu seinem Hirnzentrum durch, wo sie aber in ihrer Übermächtigkeit gar nicht verarbeitet werden konnten. Zin verbiss sich weitere Pfeiflaute, auch wenn ... er wirklich Hilfe hätte brauchen können. Es tat ... weh. Ihre Omi hatte ihr schon so oft gepredigt, sie sei ein Schmutzfink und solle gefälligst mehr Ordnung in ihrem Leben halten, was bis jetzt auf taube Ohren gestoßen war. Ja, ihre Omi war schon immer eine sehr weise Frau gewesen, dachte Viola, während sie das Surfbrett an die Wand lehnte und die Überdecke des Gästebetts richtete. Sie legte noch schnell das, was sie an medizinischem Vorrat im Haus hatte auf das Nachtkästchen, ehe sie wieder zurück ins Bad düste, um Ken zu holen. Sehr viel vorsichtiger, da seine Verletzungen nun offensichtlich waren, zog sie ihn wieder aus der Badewanne, nachdem sie einen Teppich aus dem Flur bereitgelegt hatte. Darauf ließ sie ihn nieder, um ihn so zum Gästezimmer zu schleifen. Was ihnen vermutlich beiden wohler tat. Noch eine letzte Anstrengung, um ihn ins Bett zu bringen, dann konnte sie sich das Desaster auf seinem Rücken gründlicher ansehen. Dazu hatte sie ihn halb auf den Bauch gedreht und dort ein Kissen hinein gestopft, damit er auch in dieser Position blieb. Es sah schlimm aus. Große Kratzer und Schürfwunden im Fleisch und sie hatte keine Ahnung, was genau diese Schlitze waren, aber sie vermutete stark, es sollten Kiemen sein. Nur waren sie ziemlich zerrissen. Dass die Sache mit den Kiemen sie nicht so sehr wunderte, wie die fehlende Ausstattung des Kerls, war wirklich schlimm. Aber dafür versorgte sie ja auch zuerst seine Wunden und dann ihre Neugier. Viola war kein Arzt, aber Jod hatte ihr auch schon oft geholfen. Zumindest reinigte es anständig und danach würden sie weiter sehen. Sein Bauch wurde gegen etwas Weiches gedrückt. Weich und ... kühl. Mühsam versuchte er ein Auge zu öffnen, über Mund und Kieferkiemen nach Luft zu - Weiße Perlen explodierten in der absoluten Schwärze vor seinen Augen und ein gequältes Stöhnen wollte sich seinen Lippen entringen. Doch selbst dazu kam es nicht, bevor er wieder in tiefe Düsternis fiel. Eine Gänsehaut lief von dort über seinen Rücken, wo etwas Warmes, Sanftes ihn berührte. Man ... streichelte ihn? Nicht. Hör' auf ... bitte. Er klickte leise seine Worte vor sich hin. Immer wieder und wieder in sich gleichenden Zeichen. Aber ... man hörte ihm nicht zu. Das Gefühl der Finger auf seiner Haut änderte sich. Je näher sie der Quelle des größten Schmerzes auf seinem Rücken kamen, desto kühler fühlten sie sich an. Fast wohltuend auf der heißen Haut, die sich bereits entzündet hatte und sich so dumpf und zugleich aufgebläht anfühlte, als würden seine Kiemen unter einem Schraubstock pochen. Er konnte sie nicht bewegen, die Kämme nicht aufrichten. Und selbst wenn es ihm für Millimeter gelang, zuckte er unter stechenden Schmerzen zusammen und schmeckte Blut. Er roch es und hatte es in den Atmungsorganen. Kein ... gutes Zeichen. Obwohl er sein Klicken verstärkte, den Rhythmus aggressiver, abweisender gestaltete, bewegten sich die Finger weiter auf seine Verletzung zu. Nägel oder ... Krallen streiften seine Wunden, ließen ihn nun doch aufstöhnen und brachten seinen Körper sogar dazu, sich seiner Kraft entsprechend ein wenig aufzubäumen ... sich wegzudrehen. Es konnten Zähne sein. Ein neugieriger Hai, der mit seiner Beute spielte, sie Verletzung weiter öffnete, bis frisches, heißes Blut über Zins Rücken lief. Trotzdem hörte es nicht auf. Die Zähne ... Finger ... quälten ihn weiter, bohrten in seiner - „RAAAAH!!!“ Höllenfeuer fraß sich in seine Kiemen, biss bis auf die Blutgefäße und quoll bis zu seinem Kinn hinauf durch sein System, wo es fauchend aus seinen Kieferschlitzen troff. Zin schlug um sich, riss mit den Fingern an seinen Kiemen, wischte daran und vermischte das Teufelszeug bloß noch mehr mit seinem Blut, bis er keine Luft mehr bekam. Er würde ... ersticken. Weg von der Quelle der Pein rollte er sich nach vorn, griff ins Leere, fiel und knallte mit Kopf und Schulter zuerst auf den Boden, wo er japsend liegen blieb und wieder seine Sinne verlor. Zuerst hatte sie dieses komische Klicken oder was auch immer das genau sein mochte, ignoriert und auf ihre angespannten Nerven geschoben. Aber langsam, je mehr sie sich mit den Wunden an Kens Rücken befasste, umso aufdringlicher wurde dieses Klicken. Sogar regelrecht aggressiv. Bevor Viola jedoch begriff, dass der Kerl es war, der sie da ... anklickte - wie sich das bloß anhörte - goss sie ihm einen Schwall Jod in die Wunden, nachdem sie diese ein wenig auseinandergezogen hatte. Schließlich war der Geruch von Entzündung bis durch den Dreck auf ihrer Haut zu ihrer Nase durchgedrungen. Sie tat ihm damit also nichts Schlechtes, obwohl der Kerl es ihr damit dankte, dass er plötzlich sehr lebhaft wurde, ihr die Jodflasche aus der Hand schlug und sie auch beinahe im Gesicht getroffen hätte, wenn sie nicht rechtzeitig nach hinten ausgewichen wäre. Sie verlor dabei das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Keinen Moment später hörte man es auch auf der anderen Seite des Bettes rumpeln. Dann war es bis auf die flachen Atemzüge ihres Patienten wieder still. Einen Moment blieb Viola sitzen und fragte sich, ob sie nicht doch einen Krankenwagen rufen sollte, oder vielleicht, könnte sie auch Ben um Rat fragen. Den ersten Gedanken verwarf sie und beim Zweiten erschauderte sie. Nein, ihr Dad kannte zwar alle möglichen Gestalten, aber bevor sie ihn anrief und um Hilfe bat, nahm sie es lieber allein mit dem Kerl auf ihrem Fußboden auf. Ja, genau. Sie schaffte das auch alleine! Entschlossen raffte Viola sich wieder auf, rieb sich kurz über ihr schmerzendes Hinterteil und ging dann um das Bett herum. „Du saust mir hier echt alles ein“, schimpfte sie leise, als frisches Blut über ihre Dielen lief. Jedoch nicht bedenklich viel. Trotzdem machte sie sich Sorgen. Wieder einmal packte sie kurzerhand den Mann unter den Achseln und hievte ihn erneut aufs Bett. Dieses Mal drehte sie ihn ganz auf den Bauch, sorgte aber dafür, dass sein Kopf auf der Seite lag und er genug Luft bekam. Dann kramte sie nach der zweiten Jodflasche und begann noch einmal seine Wunden zu versorgen, da es ihm nicht mehr sehr viel ausmachen würde, jetzt, da er wieder bewusstlos war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)