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Fortune Files

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Alex 8: Bestrafung eines Dieners

Die winterliche Dämmerung wich der Dunkelheit. Nur noch der Mond und das aufblitzende Leuchten der Raketen erhellten mein Zimmer wie ein buntes Gewitter. Es raubte mir den letzten Nerv, meine langweiligen Pressspanmöbel immer wieder für Sekundenbruchteile abwechselnd in grün, in Gelb oder in Pink aufblitzen sehen zu müssen. Ach Scheiße, bevor ich mich noch weiter davon fertig machen ließ, nahm ich lieber meine Kraft zusammen, setzte mich auf meinen Schreibtisch und betrachtete das Feuerwerk durch mein Fenster zum Innenhof.

Dort war gerade eine Gruppe von Studenten damit beschäftigt, ihre Ersparnisse in den Himmel zu pusten. Sie feierten ausgelassen, riefen einander sinnlosen Mist zu, wie: „ob's zu spät is, noch irgendwo 'n Bier zu kriegen?“ und lachten dann dümmlich. Man ließ echt jeden Spinner studieren, der eine Einschreibung hinbekam und den Semesterbeitrag pünktlich zahlte. Mehr als diese angesäuselten Typen und ihr Feuerwerk, fesselte mich jedoch der Vollmond über ihnen, der mich durch ein paar Rauchnebelschwaden hindurch verspottete. Warum flogen ihre Raketen nicht höher und rissen diese überflüssige Ansammlung von Gestein und Staub in Stücke!? Ich seufzte, denn das war wohl unmöglich, genauso, wie irgendwie mit mir selbst ins Reine zu kommen.

Scheiße, Rovas persönlicher Diener zu sein, war nicht weniger als mein Kindheitstraum, für den ich mehr als hart gearbeitet hatte. Hätte mir irgendein Wahrsager- Scharlatan- Fuzzi vor ein paar Monaten prophezeit, dass ich einmal meine Karriere für einen hirnlosen Augenblick des Aufbegehrens riskieren würde, hätte ich ihn ausgelacht, mein Geld zurückverlangt und… vielleicht seine Bude kurz und klein geschlagen. Nein Quatsch, sowas machte ich nur auf Befehl meines Herrn. Kaum etwas war mir wichtiger als er und nun brauchte es nur noch einen Vollmond und eine Frau, um das alles ganz schnell vergessen zu machen. Rova schienen dieselben Umstände kaum etwas oder gar nichts auszumachen, so gefasst, wie er mir erschienen war. Vielleicht empfand er viel weniger für Lyz, als ich es tat.

Ja klar, als ob..., diesen lächerlichen Schwachsinn glaubte ich mir ja nicht mal selbst. Seit sie aufgetaucht war, zeigte er ganz neue Seiten an sich. Er offenbarte plötzlich Unsicherheiten und Schwäche, wenn es um sie ging und selbst für den SOLV nahm er sich nicht so viel Zeit wie für die Vorlesungen, die er im Grunde nur für sie hielt. Ich war trotzdem der Meinung, er hätte dieselbe Zeit besser investieren und sich direkt mit ihr treffen sollen. Aber er war erfahrener und intelligenter als ich, also verfolgte er wahrscheinlich irgendeinen größeren Plan, den ich nur nicht kapierte.

Ich sah auf mein Handy, auf dem zuverlässig wie immer zu Vollmond, eine fleischige Nachricht meiner Ex Talina auf mich wartete. Scheiße, die Tussi konnte mich Mal. Ich löschte ihren geistigen Dünnschiss, sperrte ihre neue Nummer und krachte das Handy zurück auf den Schreibtisch.

Das alles brachte überhaupt nichts. Selbst wenn ich mich versuchte, abzulenken, wurde ich durch meine Ungeduld nur immer unsicherer. Was sollte ich tun? Flucht kam mir nicht in den Sinn, wozu auch, bei meiner Verfassung? Ich wäre nicht weit gekommen und auf Fahnenflucht stand nichts Geringeres als der Tod.
 

Lange ließ er mich nicht schmoren, denn schon nach kurzer Zeit öffnete Rova schwungvoll meine Tür und schmiss sie danach aggressiv hinter sich zurück ins Schloss. Das verursachte einen im Gang und Treppenhaus widerhallenden lauten Knall, der sich aber kaum von denen der Silvesterraketen unterschied. Ich war zusammengezuckt und sah verunsichert zwischen meinen Haaren hindurch zu meinem Herrn. Langsam, aber bedrohlich schritt er auf mich zu, doch noch stand er im Schatten, sodass ich seinen Gesichtsausdruck nur sah, wenn ein bunter Blitz den Raum erhellte. Zwar wirkte er, rein äußerlich, ausgeglichen, seine Aura verströmte jedoch blanke Wut.

Bevor ich etwas Beschwichtigendes sagen konnte, lähmte er meinen Körper. Ich wusste von dieser Kraft, hatte sie aber noch niemals am eigenen Leib zu spüren bekommen. Das reichte ihm aber noch nicht, denn er machte irgendetwas mit meiner Kehle. Sie feuerte und schnürte sich dann immer fester zusammen, als hätte ich heißes Kerzenwachs getrunken. Das war ein schrecklich beklemmendes Gefühl, das mich nach Luft japsen ließ. Scheiße, ich war ein Nichts gegen ihn.

„Ach, auf einmal nicht mehr so großspurig, was? Alexander Martin-Ruiz, jüngster Sohn der altehrwürdigen Dienerfamilie der Don Velas, einem der zwölf Geschlechter von Soria, Examen mit Auszeichnung als… nanu? Einer der JÜNGSTEN Absolventen der Jost Hoen Akademie? Sehr mysteriös, wo du doch mit deinen angegebenen 30 Jahren dem üblichen Abschlussalter entsprochen hast.“

fauchte er bemüht ruhig in meine Richtung und hauchte mir dann noch eine Anmerkung entgegen:

„Dass du mich mit einem so billigen Trick derart lange blenden konntest…“

Noch einmal japste ich und selbst das fiel mir zunehmend schwerer. Vielleicht hatte ich mich sieben Jahre älter geschummelt, weil ich es einfach nicht erwarten konnte, endlich richtig arbeiten zu dürfen. Die ganze Ausbildung hindurch hatte ich mich mächtig beeilt. Schon während des Abiturs absolvierte ich fast ein Viertel der notwendigen Kurse nebenbei als Gasthörer und während des Studiums schloss ich mehr Fächer pro Semester ab, als im Lehrplan standen. Ich machte nur das Notwendigste in kürzester Zeit und übersprang alle Praktika, weil sie nirgends vorgeschrieben wurden. Fünf Jahre gingen manche meiner Kommilitonen in die Praxislehre, obwohl es nur üblich und nicht obligatorisch war.

Mit meiner Einstellung stieß ich auf wenig Verständnis, wo die meisten jeden Kurs belegten, den sie kriegen konnten, wie Facility- oder Personalmanagement, alle möglichen Naturwissenschaften, Kunstgeschichte und sogar Gestaltungslehre, kurz gesagt: Dinge, von denen ich keinen Dunst hatte. Viele von ihnen hatten keine Ahnung, was sie wollten oder worauf es ankam, ich aber schon. Das merkte ich vor allem am Kurs "Ästhetische Künste", in dem sich die meisten zu nichts anderem als Prostituierten für Ihren Herrn oder Herrin ausbilden ließen, verblendete Idioten...

„Dein Schwindel ist mir kürzlich zufällig aufgefallen. Ich war so eitel zu glauben, du hättest das aus Übereifer getan, weil du es nicht erwarten konntest in meine Dienste genommen zu werden, … tja, aber vorhin hast du mir das Gegenteil bewiesen. Was glaubst du wohl, warum ich keine Angestellten und schon gar keine Diener unter 30 gebrauchen kann, hm?“

Seine Stimme klang dabei ungewöhnlich weich und aufgesetzt freundlich, wahrscheinlich weil es ihn amüsierte, mich dabei zu beobachten, wie ich mich vergebens versuchte zu verteidigen, wo er mir doch keine Luft dafür zugestand. Danach kehrte er aber wieder zu einem harten Ton zurück.

„Weil sie sind wie du, rotzfrech, triebgesteuert und unkontrollierbar! Ich werde das Alter künftig noch weiter anheben, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann. Ich sage dir, was auch immer du im Schilde führst, ich werde dir diese Flausen austreiben!“
 

Mein Zimmer war einfach zu klein, denn selbst wenn sich Rova wie in Zeitlupe auf mich zu bewegte, war er viel zu schnell bei mir angekommen. Nun tauchte er ins silberne Mondlicht ein und wirkte dabei auf mich wie ein anmutiger Todesgott. Er führte eine Hand zu seinem Mund und befeuchtete dann den Fingernagel seines Zeigefingers. Danach streckte er den Arm nach mir aus und legte diesen Finger auf meiner linken Brust ab. Ich ahnte Schlimmes, als er sich mir weiter näherte und seinen Nagel dabei ganz sanft um die kleine Wunde kreisen ließ, die er mir zwanzig Minuten zuvor zugefügt hatte. Sie war bereits mit Wundschorf verschlossen, weshalb es seinen Finger manchmal etwas anhob. Auch wenn das nichts half, versuchte ich instinktiv ins Hohlkreuz zu gehen, um einfach irgendwie von ihm wegzukommen. Wahrscheinlich kam er mir aber genau deshalb näher, weil er bemerkte, wie irritierend ich das fand.

Rova sah mir tief in die Augen, als er ganz allmählich immer mehr Druck auf seinen Finger gab, der langsam, aber fast schmerzfrei, in mein Fleisch eindrang. Aufmerksam betrachtete er mich, während er den in mich gebohrten Finger parallel zur vorhandenen Schnittwunde schräg nach unten über meinen Körper zog. Wie beim ersten Mal tat es nicht so weh wie erwartet, aber am Rausch lang das diesmal nicht, sondern an seinem Speichel.

„Auch Peters Wunde habe ich unter Betäubung gestochen und trotzdem quiekte er wie ein kleines Schweinchen. Was für ein verzogener Bengel ohne Ausbildung! Man sollte niemals auf Empfehlungen vertrauen.“

Rovas Stimme begann schon wieder sanfter zu werden. Er holte ein Tuch aus seiner Manteltasche, wischte daran mein Blut ab und setzte den Fingernagel danach erneut neben die beiden Wunden. Hauchzart umkreiste er sie wieder und hinterließ diesmal durch das heraus sickernde Blut eine schmale rote Spur.

„Nicht, dass du glaubst, ich hätte dir zu irgendeinem Zeitpunkt vertraut, beileibe nicht, aber ein Abschluss wie deiner, hat hohe Erwartungen in mir geweckt, gerade weil dein Portfolio wie auf mich zugeschnitten wirkt.“

Er schmunzelte zärtlich, während er seine Kreisbahn verfolgte. Ich bekam Gänsehaut, als er mir weich entgegen hauchte:

„Mal sehen, wieviel du noch aushältst.“

Daraufhin versenkte er den Nagel und bohrte eine Weile in der Einstichstelle herum, aus der schon das Blut sickerte. Aufmerksam registrierte er jede Zuckung von mir. Es tat höllisch weh, denn er schabte schon auf einer meiner Rippen herum. Wie Blitze durchfuhr es mich immer wieder, wenn er den Knochen erwischte. Einen Schmerz dieser Intensität spürte ich zum ersten Mal, aber auch, wenn er mich furchtbar erschöpfte, lehnte ich trotzdem noch halbwegs aufrecht am Schreibtisch und behielt die Fassung. Ich wusste, dass meine Widerstandskraft groß war, aber damit überraschte ich mich selbst. Mein Peiniger verlor sein Lächeln nach einer Weile und raunte hörbar unzufrieden:

„Deine Schmerzresistenz erfüllt die Erwartungen deines Diploms. Das überrascht mich.“

Er zog das dritte Mal durch, ließ danach vorerst von mir ab und machte einen Schritt nach hinten. Ich hatte wohl nicht so reagiert, wie er sich das ausgemalt hatte. Wahrscheinlich wollte er mich als Betrüger entlarven, aber in der Kopie meines Zeugnisses, das ihm vorlag, hatte ich lediglich das Geburtsjahr verändert.

Rova atmete tief ein und begann meinen halbnackten, misshandelten Körper von oben bis unten mit seinen im Mondschein funkelnden Augen zu mustern. Auch ich nutze die Gelegenheit, um kurz durchzuatmen, doch schnell setzte er die Lähmung wieder ein. Er ließ seine blutigen Finger fühlend übereinander gleiten, während sich sein Gesicht entspannte.

„All deinen Fehlern zum Trotz, hatte ich dich immer für recht vernünftig gehalten, deshalb sei versichert, dass ich dies hier nur zu deinem Wohl tue. Es bereitet mir wirklich keine Freunde, ein Küken wie dich erziehen zu müssen.“

Das war eine glatte Lüge und keine besonders Gute. Es brachte mir jedoch keine Punkte ein, das zu wissen.

„Deine junge Physis und Psyche müssen lernen, dass ich Respektlosigkeit nicht dulde. Hast du verstanden?“

„Verstanden, Eure Hoheit“,

ließ er mich mit zusammengebissenen Zähnen aus meinen Lungen pressen. Mit einem leichten Nicken kam er erneut auf mich zu stolziert. Optisch wirkte er mit der Antwort zufrieden, aber seine Aura sprach Bände, eine ganze Enzyklopädie sogar, so schlecht wie er seine durchmischten Gefühle inzwischen verbarg. Er war wütend, traurig, erregt und auch verunsichert zugleich. Der Mond hatte wohl doch eine Wirkung auf ihn, denn so ein Chaos hatte ich in ihm noch niemals zuvor gefühlt.

Wieder konnte er es nicht unterlassen, mich zu berühren. Mit mehreren Fingern fuhr er sanft über meine Brust, die er dabei entspannt betrachtete. Es war zermürbend, wie er Zärtlichkeit und Brutalität miteinander verband. So entstand in mir eine eigenartige Mischung aus Hoffnung und Angst, zumal er mir so vielfältig interpretierbare Rückmeldung gab, dass sie ihn vollkommen unberechenbar machten. Mich wunderte es nicht, dass er damit den Geist seines Gegenübers zu brechen vermochte. Ich schaffte es nicht einmal, ihn dafür zu hassen, sondern verzweifelte eher an mir selbst.
 

Er musste mir mein Leid ansehen können und trotzdem, oder auch gerade deshalb, rutschte er zwischen meinen Brustmuskeln herab und stoppte am Ende meines Rippenbogens. Eine Panikwelle überrollte mich, die mich noch mehr nach Luft ringen ließ. Von diesem Punkt am Körper aus war es möglich, mit etwas Spitzem, wie zum Beispiel seinen Fingern, bis zum Herzen vorzudringen. Das wollte ich nicht erleben, nein, das wollte ich nicht! Gegen eine Perforierung des Herzens musste das, was er mir bisher an Schmerz zugefügt hatte, ein Kindergeburtstag sein.

Er lächelte zunächst selbstzufrieden, doch dann weiteten sich seine Pupillen für einen Augenblick. Warum taten sie das? War das eine Vorbereitung auf seinen Angriff? Was, wenn er doch etwas über mich und Lyz herausgefunden hatte und er mich töten wollte? Meine Gedanken schweiften zu ihr. Ich bereute nichts, außer nicht wenigstens ein einziges Mal mit ihr geschlafen oder sie wenigstens geküsst zu haben. Zeitgleich mit meinen Gedanken an sie, streichelte er langsam mit zwei Fingern über meinem Bauch herum. Das schien ihn zu beruhigen, statt anzuregen und in den vielen Emotionen, die ihn überfluteten, fand ich kein Anzeichen von Mordlust.

„Lyz gibt mir zu denken. Weißt du, wieso?“,

begann er. Scheiße, er wusste wirklich Bescheid! Ich war geliefert! Langsam ließ er mit nur ganz wenig Druck seinen messerscharfen Nagel auf meiner Haut auf und ab fahren. Er bewegte nur diesen einen Finger, während er auf eine Antwort wartete. Da ich ihm keine gab, obwohl er mir die Luft dafür zugestand, erhöhte er das Tempo und durschnitt damit zehntel Millimeter für zehntel Millimeter meiner Haut und arbeitete sich so in mein Fleisch hinein. Mit der anderen Hand packte er mein Kinn, zog mich damit an sich heran und kam gleichzeitig näher.

Im selben Moment, in dem er den Finger in meine Wunde hineindrückte, schrie er mich an, ohne, dass sein Puls mir dafür eine Vorwarnung gab, wie das bei einem solchen Wutausbruch üblich gewesen wäre.

„Was habe ich dir über Respektlosigkeit gesagt? Du sollst antworten!“

Ein Blitz durchfuhr mich. Diese Stelle unterhalb der Rippen tat so viel mehr weh als die an der Brust. Es war nicht leicht, einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.

„Nggh-nein, ich weiß es nicht-.“

Ich bebte vor Schmerzen. Ein leises gequältes Stöhnen war trotzdem alles, was ich Rova dafür gab. Ärgerlich antwortete er sich selbst.

„Sie begreift es nicht. Was stimmt nicht mit ihr? Los, Alexander, sei zur Abwechslung mal nützlich und erklär sie mir! Sag mir, was sie denkt, was sie fühlt! Sie ist doch verliebt in mich, oder? Warum öffnet sie sich mir nicht? Was soll ich für sie noch tun?“

Nun zog er die vierte tiefe Spur über meinen geschundenen Körper. Er schien gar keine Antwort von mir zu erwarten, sondern ließ hier nur Frust ab, der eigentlich Lyz galt. Das gab mir tatsächlich neue Kraft, woher ich die auch immer nahm. Für mein Prinzesschen war ich gern bereit zu leiden, auch wenn mich die Schmerzen langsam zerrissen, so überreizt wie mein Körper inzwischen war. Wenn das keine Liebe war, … oh Mann.

Meine Hoffnung, dass Rova nur meine kleine Flunkerei bei meinem Alter bemerkt und mich für meine freche Zunge bestraft hatte, zerschlug sich leider mit seiner zerschmetternden letzten Feststellung.

„Und kannst du mir erklären, warum du so heftig auf sie reagierst? Ja, du hast geglaubt, das sei mir verborgen geblieben, aber es ist offensichtlich. Ich warne dich ein allerletztes Mal, Alexander. Wenn du ihr auch nur ein einziges ihrer wunderschönen Haare krümmst, dann sorge ich dafür, dass dein Leben ein jähes Ende findet.“

Sein fünfter Schnitt war noch tiefer als die vorherigen. Alles wurde dunkel um mich herum und das Ohrensummen langsam unerträglich laut. Mit aller Kraft kämpfte ich gegen die Ohnmacht und gewann. Wie groß der Schmerz auch war, hatte ich nicht geschrien, nicht gewimmert oder um Gnade gebettelt. Das schien Rova richtig zuzusetzen. So fassungslos, wie er zu mir herabschaute, hatte er noch nie einen so widerstandsfähigen Widersacher wie mich gequält. Ich kleiner Diener kratzte am Ego dieses Kolosses. Vom Adrenalin benebelt, huschte mir ein flüchtiges, wenn auch erschöpftes Lächeln über meine Lippen.

Verzweifelt lachte er auf, packte wieder mein Kinn, das er diesmal sehr schroff zu sich nach oben hob und mich danach fassungslos anbrüllte:

„Machst du dich etwa immer noch über mich lustig?“

Ich schluckte, hielt aber still und wartete ab, bis er mich endlich aus diesem unangenehmen Griff befreien würde. Was anderes blieb mir auch gar nicht übrig. Er schlug mir mit seiner Rückhand ins Gesicht und entfernte zeitgleich meine Starre. Durch die Wucht schleuderte es mich zu Boden, wo ich erst einmal liegen blieb.

Nun lief mir das Blut auch noch aus dem Mund… All meine Wunden bereiteten mir so unbegreiflich große Qualen und doch spürte ich Erleichterung, war sogar verblüfft. Rova hatte die Tragweite meiner wahren Absichten immer noch nicht erkennen können. Mein erhabener Herr mochte die Macht über Leben und Tod besitzen, aber die Gefühle seines Gegenübers richtig einschätzen, konnte er nicht. Da war ich ihm sogar voraus, wo das doch eine meiner Stärken war.

Ich richtete mich etwas auf, strich mir die Haare aus dem Gesicht und schnellte danach mit der Hand sofort zurück an meinen Bauch. Ich hatte bis eben nicht gemerkt, dass Rova mir mit dem letzten Schnitt die Bauchdecke geöffnet hatte. Ich musste sie zusammenpressen, da sich meine Organe schon langsam verselbstständigten. So was Abstoßendes hatte ich noch nie erlebt. Auch wenn ich nicht mehr die Kraft hatte, zu meinem Peiniger aufzusehen, spürte ich seinen abschätzigen Blick auf mir.

„Nun weißt du, wo du hingehörst!“,

zischte er und wischte sich mein Blut an seiner Hand wieder an dem Taschentuch ab. Mehrere Sekunden lang genoss er es, mich unter sich winden zu sehen und schimpfte dann argwöhnisch:

„Kannst du mir wenigstens verraten, warum ausgerechnet Sari sterben musste? Warum hat es nicht Peter oder dich erwischt? Das wäre kein so großer Verlust für mich und meine Familie gewesen. Ich trug die Verantwortung für sie und nur weil ihr zwei Nichtsnutze so unachtsam wart, ist sie jetzt tot!“

Was er da sagte, tat mir richtig weh, diesmal aber in der Seele. Peter und ich waren nie offiziell als Leibwächter für Sari eingestellt worden, niemand hatte Lyz jemals als Bedrohung betrachtet und es war SEIN bescheuertes Medikament, das uns schon in stark verdünnter Form töten konnte. Rova war so ungerecht, all seinen Schmerz auf mich abzuwälzen und mir die ganze Schuld zu geben, …

Moment, nein Blödsinn… damit lag ich falsch. Rova konnte gar nicht ungerecht sein. Er selbst war die leibhaftige Gerechtigkeit. Die Lucards stellten Legislative, Judikative und Exekutive in einem dar. So etwas wie Gewaltenteilung kannte ich nur aus menschlichen Systemen. Wenn Rova also sagte, es sei meine Schuld gewesen, … dann musste ich mich seinem Urteil beugen. Er war das Gesetz, er war der Herr, den ich mir selbst ausgewählt hatte, ein Mann, für den ich kaum bedrohlicher als ein Insekt war.

„Wo ist deine Wochenration Blut?“,

zischte er befehlend. Unter großer Anstrengung deutete ich auf meinen einzigen Schrank und ahnte schon, was er vorhatte. Meine Befürchtung bewahrheitete sich tatsächlich, als Rova den halbleeren Beutel herausholte und ihn an sich nahm. Scheiße, es würde noch richtig hart für mich werden.

Ohne mich eines letzten Blickes zu würdigen, verschwand er mit meinem Heilungselixier aus meinem Zimmer. Für die natürliche Selbstheilung waren meine Wunden eine echte Herausforderung, das wusste er genau so gut wie ich. Er wollte mich leiden lassen, damit ich endlich seine Autorität anerkannte, aber mehr, als ich ihm entgegenbrachte, war auch durch eine Folter wie diese nicht zu holen. Er hatte mir nur das vollkommen Offensichtliche bewiesen, nämlich dass er stärker war als ich. Das war einfach unnötig, denn mich würde er damit nicht verändern, ganz egal was er mit mir anstellte, … das dachte ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schwabbelpuk
2019-06-20T13:34:42+00:00 20.06.2019 15:34
Ein großartiges Kapitel! Ich mag es sehr, wenn sich Rova und Alex an die Gurgel gehen oder viel mehr wenn Rova Alex an die Gurgel geht. xD Teilweise hat sich das etwas...ähem...seltsam gelesen, so zärtlich wie Rova mit Alex umgesprungen ist, dazu noch das "erregt". Naja, aber das mal nur am Rande.
Die Folterszene fand ich toll, aber ich mag solche Szenen ohnehin sehr. ^^ Und das Kapitel war eine wunderbare Ergänzung, da man das in der Hauptstory ja so nicht mitbekommen hatte. Rovas sadistische Ader hast du hier auch wunderbar eingefangen, gerade indem er ihm auch noch seine Blutration weggenommen hat.
Hat mir sehr gut gefallen!
Antwort von:  Elnaro
21.06.2019 11:18
Haha, freut mich sehr, dass du die Szene mochtest. Ich habe sehr lange an den Dialogen gefeilt.

Das sind die Auswirkungen des Vollmonds auf Rova. Dann zeigt der Gute mal seine romantische Seite. <3 xD


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