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Schatten der Gegenwart

von

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Familienzeit


 

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Die restlichen Monate verliefen beschaulich und ruhig. Hitomi ließ sie fortan in Ruhe. Die Fotos, die Gerüchte, die Geschichten und die Erlebnisse gerieten in Vergessenheit und machten schnell anderen Themen Platz. Die Winterferien standen an, das Skilager, die Abschlussprüfungen und der Abschlussball waren die letzten großen Aktionen in der Oberstufe.

Das große Ende der Schulzeit würde schlussendlich die Abschlussfeier darstellen. Alle Oberschüler im Abschlussjahrgang freuten sich auf das größte Ereignis der Schulgeschichte und dennoch spürten sie den schulischen Druck, die verstärkten Lernzeiten, die Nachmittagseinheiten, die strengeren Lehrkräfte, den auf sie einprasselnden Schulstoff und die verkürzte Freizeit. Die Schule forderte von allen höchste Disziplin und Aufmerksamkeit. Lerngruppen wurden gebildet um sich gemeinsam den kommenden Prüfungen im Frühjahr zu stellen.

Zusätzlich saß Aoko sehr oft mit dem Kollegen ihrer Stiefmutter zusammen. Er bot an, weil Eri zu sehr involviert war, die Anzeigen gegen Akako, Shiho und besonders gegen Shiro zu übernehmen.

Kenji Hakoi war sehr nett. Mitte vierzig, geschieden, Vater eines pubertierenden Mädchen, aufgeschlossen, engagiert, freundlich und offensichtlich auch ein wenig verliebt in Eri. Da aber ihre Stiefmutter glücklich verheiratet war, entgingen dieser sämtliche Anzeichen und Andeutungen.

Aokos Vater hingegen entging gar nichts und nicht zum ersten Mal ballte er an diesem Tag knurrend seine Hände zu Fäuste und hielt sich nur schwerlich im Zaum.

Aoko saß am Esstisch, ihr gegenüber Kenji, der wieder einmal ungeniert Eri anflirtete, die jede witzige, charmante oder liebevolle Bemerkung als freundlichen Plausch unter Kollegen abtat. Beide Anwälte saßen mit der Oberschülerin am Tisch über den Akten und besprachen das weitere Vorgehen.

Ginzo hielt sich dezent im Hintergrund, versuchte sich seine Eifersucht nicht anmerken zu lassen und überspielte seinen Missmut mit Ignoranz, das aber mehr schlecht als recht.

„Mit diesen Aussagen könnten wir es schaffen diesem eingebildeten und arroganten Geldsack mal so richtig eins auszuwischen.“

Eri zog ihre Augenbrauen hoch. „Du willst Politiker Hino eins auswischen, indem du seinen Sohn bestrafst?“

„Natürlich, das hat dieser Affe redlich verdient. Wenn der Sohn mal unter Freiheitsstrafe steht ist Hinos schöner Ruf dahin. Die Presse wirft sich sowieso schon auf ihn, wie ein ausgehungertes Wolfsrudel auf die lahme Beute.“ Die Augen des Anwalts leuchteten diebisch.

„In erster Linie geht es um Aoko“, brummte Ginzo finster.

Aoko, die alle Erwachsenen im Blick hatte, lächelte ihren Vater dankend wie auch beruhigend zu. Eri bekam absolut nichts davon mit, dass sich ihr Kollege extra für sie so ins Zeug legte und mit Hingabe an diesem Fall arbeitete um ihr zu imponieren.

Die hübsche Anwältin drehte sich irritiert ihrem Göttergatten zu, konnte seine Aussage nicht richtig einordnen und fragte: „Was hast du gesagt, Schatz?“

„Sein Sohn hat eine Strafe verdient. In erster Linie geht es um die Gerechtigkeit Aoko gegenüber, nicht um den Politiker.“

Auch Kenji drehte sich auf dem Stuhl und bedachte Ginzo mit einem langen nachdenklichen Blick. „Wenn mein Plan aufgeht, sind wir beide bald los.“ Dann grinste er siegessicher.
 

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Es klingelte kurz und schon sperrte Ran die Türe auf und betrat das Elternhaus. „Hey, du siehst müde aus“, begrüßte sie schon kurz darauf ihre Stiefschwester.

Aoko kam ihr erschöpft entgegen. „Es geht schon. Taro macht zur Zeit die Nächte zum Tag.“

„Du Ärmste“, bemitleidete Ran aufrichtig, zog sich ihre Schuhe aus und begab sich auf den Weg ins Wohnzimmer. „Woran liegt das?“

„Schwer zu sagen.“

„Wo ist denn überhaupt mein kleiner Lieblingsneffe?“

Das Baby lag auf der Decke am Wohnzimmerboden und erforschte sich selbst. Die Hände ineinander gegriffen, drehte er seinen Kopf zur Seite und strampelte fröhlich mit den Beinen.

Ran trat näher, kniete sich zu dem kleinen Jungen und grinste ihn fröhlich an. „Hallo, mein Süßer, hast du deine Hände entdeckt?“

Aoko folgte ihrer Schwester wenig später mit zwei Gläsern Wasser. Aufmerksam blieb sie dann aber in der Türe stehen und beobachtete wie unbefangen Ran mit Taro umging, mit ihm spielte und sich mit ihm unterhielt. Dem Kleinen gefiel das auch sichtlich, denn er strahlte seine Tante ganz begeistert an, während die Arme wie wild ruderten. „Du wirst mal eine tolle Mutter“, rutschte es Aoko heraus.

Ran drehte ihren Kopf und beobachtete Aoko. „Du bist auch eine tolle Mutter“, stellte sie sofort klar. „Du liebst Taro und du machst das großartig mit ihm. Wenn man die Situation bedenkt... Ich finde es bewundernswert.“ Ran hob ihren kleinen Neffen auf die Arme und setzte sich mit ihm auf die Couch zu Aoko. „Ich hoffe sehr, dass Shinichi und ich auch mal einen kleinen süßen Schlingel bekommen, aber noch haben wir Zeit.“

Die braunhaarige junge Mutter lächelte zaghaft. „Du machst es richtig und ich habe es mal wieder falsch gemacht.“

Entsetzt sah Ran auf. „Was ist an Taro denn nicht richtig?!“

„Der Weg ist falsch“, antwortete Aoko niedergeschlagen. „Es war schon immer so. Ich mache den zweiten Schritt vor dem Ersten. Ihr geht den richtigen Weg. Ihr seid eine Beziehung eingegangen, ihr seid zusammengezogen, ihr habt euch verlobt und werdet heiraten. Dann bekommt ihr irgendwann Kinder. Ihr macht alles in der richtigen Reihenfolge.“ Die Müdigkeit schlug sich auf ihr gesamtes Wohlbefinden nieder und die Hormone drückten auf die Tränendrüse. Jedoch schluckte Aoko tapfer all die Traurigkeit hinunter. „Die richtige Reihenfolge hab ich noch nie eingehalten.“

„Aoko.“ Ran legte mitfühlend ihre Hand auf Aokos. „Es ist doch egal wie die Reihenfolge ist. Taro ist euch absolut gelungen. Ich kann mir ein Leben ohne meinen kleinen Neffen nicht mehr vorstellen.“

Dem musste Aoko zustimmen. Auch für sie gab es kein Leben mehr ohne Taro. Er war ihr Lebensmittelpunkt und ihre ganze Welt.

Ran stand auf. „Und jetzt legst du dich mal aufs Ohr. Ich kümmere mich um den kleinen Mann. Und ich will dich vor dem Abendessen nicht mehr hier unten sehen.“

Aoko sah verblüfft auf, dann folgte sie der Aufforderung und verschwand in ihr Schlafzimmer. Die Augen wichen durch das Zimmer, welches so viele Erinnerungen barg und dennoch durch kleine Veränderungen zeigte, dass ein Baby hier eingezogen ist. Der Wickeltisch in der Ecke, das Beistellbett neben ihrem Bett. In ihrem Kleiderschrank hatte sie Platz geschaffen für die Babykleidung.

Ihre Augen wanderten zum Fenster hinaus und trafen auf das Nachbarhaus. Das Zimmer, welches ihrem gegenüber lag, war dunkel. Tränen stiegen ihr in die Augen. Erinnerungen wollten sich hervor drängen. Schnell schloss sie die Vorhänge, verdrängte die Vergangenheit und dann verschwand sie ins Bett. Sie sollte wirklich dringend schlafen.
 

Es klingelte und Ran ging mit Taro auf dem Arm zur Türe. Überrascht begrüßte sie ihr Gegenüber an. „Was machst du denn hier? Ich dachte du wolltest dich noch mit Heiji treffen?“

„So der Plan, aber Kazuha ist in der Stadt“, begrüßte Shinichi seine Verlobte und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Guten Abend, Taro“, grinste er das Baby in Rans Arm an. Ein versonnenes Lächeln trat auf seine Lippen. Das war ein Bild an das Shinichi sich gewöhnen könnte. „Wo ist Aoko?“

„Sie schläft“, antwortete Ran. „Der Dickkopf hält seine Mama nachts wach. Sie ist gerade sehr nah am Wasser gebaut und ziemlich down.“

„Das glaube ich“, antwortete ihr Verlobter und zog seine Schuhe aus. Gemeinsam gingen sie in die Küche. Ran überreichte ihrem Schatz das Baby und kümmerte sich um das Abendessen.

Shinichi grinste das glucksende Kind in seinem Arm an, als er sich an die Küchenzeile lehnte, hob er dann doch leicht besorgt den Blick. „Warum hat sie ihm immer noch nichts gesagt?“

„Du weißt wie stur sie sein kann“, antwortete Ran und schnitt das Gemüse.

„Er hat ein Recht darauf es zu erfahren.“

Ran drehte sich um und betrachtete das süße Bild. Seit Taro auf der Welt ist, wünschte sie sich selbst ein Kind. Dennoch wusste sie allzu gut, dass es vernünftiger war noch etwas zu warten. Die Hochzeit stand vor der Türe, sie befand sich mitten im Studium. Ein Kind würde gerade nicht passen. Sie sah an Aoko wie sehr diese unter den Umständen litt. Wobei Ran nicht ganz alleine wäre. Sie hatte Shinichi an ihrer Seite. „Wir haben kein Recht uns da einzumischen.“ Sie drehte sich wieder der Arbeitsplatte zu. „Mir wäre es auch lieber sie würde mit ihm reden.“

„Spätestens an der Hochzeit wird sie ihm nicht mehr ausweichen können.“

Ran verspannte sich. „Ja, spätestens dann wird sie es nicht mehr verbergen können. Und seine Reaktion darauf möchte ich mir gar nicht erst ausmalen.“ Sie hielt inne, drehte sich wieder Shinichi zu und musterte ihn argwöhnisch. „Warum hat er sich denn auch nie bei Aoko gemeldet?“

Der junge Mann reichte Taro seinen Finger und sofort spürte er den Schraubstock-artigen Griff der kleinen Hand. „Sie hat Schluss gemacht, warum hätte er sich melden sollen?“

Ran runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, nach allem was wir gemeinsam erlebt haben, dass er um Aoko kämpft.“

Shinichi blickte besorgt auf. „Er hat mich heute angerufen.“ Er sah Ran direkt an, doch dann senkten sich seine blauen Augen zu Taro. „Er hat gefragt, ob er jemanden zu unserer Hochzeit mitbringen darf.“ Er pausierte kurz und fügte hinzu: „Seine Freundin.“

„Das können wir Aoko nicht antun“, widersprach die brünette Studentin sofort. Sie wandte sich wieder dem Kochen zu, ließ dennoch ihre Gedanken kreisen. Aoko behauptete über ihn hinweg zu sein und betonte immer wieder, dass er sein Leben lebte und sie ihres. Die einzige Überschneidung stellte Taro dar und solange er nichts von seinem Sohn wusste, würde es hier auch keinerlei Berührungspunkte geben.

Shinichi stellte sich zu Ran und sah sie eindringlich an. „Aoko hat sich für diesen Weg entschieden und Kaito hat es akzeptiert. Vielleicht ist es an der Zeit das auch wir akzeptieren, dass sein Leben weiter geht.“

Ran ahnte was eine Begegnung für Folgen nach sich ziehen könnte. „Unsere Hochzeit wird zum Desaster“, klagte sie.

Shinichi schüttelte lächelnd den Kopf. „Lass uns einen Abend vorher mit unseren Freunden zusammen sitzen. Keiko und Saguru kommen doch zwei Tage früher aus London angereist. Wir laden alle zu uns nach Hause ein, feiern ein bisschen vor.“

Ran legte das Messer beiseite und umarmte ihren Verlobten um die Taille herum und kuschelte sich an seine Schulter. Sie wollte sich der Illusion hingeben, dass ihre Hochzeit ohne Probleme verlaufen und wunderschön würde. Den innerlichen Zweifel, dass es weder ruhig noch friedlich zu gehen könnte, verdrängte sie und die Vorfreude kam auf. „Auch wenn ich nicht glaube, dass es so einfach wird, so freue ich mich auf unseren großen Tag.“

Das Essen musste noch eine Weile kochen und die beiden gingen mit Taro ins Wohnzimmer und beschäftigten ihn. Als er Hunger bekam, kümmerte sich Ran um die Flasche und Shinichi fütterte seinen kleinen Neffen.

Beide waren ganz fasziniert von dem kleinen Wunder, wozu nur die Menschen fähig waren ein solches zu erschaffen.
 

Aoko schlug die Augen auf und suchte ihren Wecker. Zwei Stunden. Immerhin ein bisschen Schlaf. Sie richtete sich auf. Ran musste sich schon lange genug um Taro kümmern und der Kleine würde auch bald hunger bekommen. Sie stand auf, öffnete ihre Fenster um durchzulüften und verließ wenig später ihr Zimmer. Sie trat die Treppe hinunter und hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer. Schon entdeckte sie Shinichi, der Taro die Flasche gab, und Ran, die immer wieder mit einem Mulltuch den kleinen sabbernden Mund abtupfte, sich leise unterhaltend auf der Couch sitzen.

Die beiden hätten Eltern werden sollen. Auch wenn Aoko Taro nie wieder hergeben würde, hätte sie sich für ihren Sohn eine intakte Familie gewünscht. Sie lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete das familiäre Bild, welches sich ihr in diesem Moment bot und zu bewusst vor Augen führte, jede Chance auf eine mögliche Familie zunichte gemacht zu haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hallostern2014
2019-04-11T15:49:34+00:00 11.04.2019 17:49
Huhu.

Also der Typ hat ja nerven. Macht sich einfach an Eri ran. Und nutzt die Sache mit Aoko schamlos aus. Aber Eri ist ja zum Glück nicht darauf ein gegangen.

Zum Glück ist Ran für Aoko da und die andern. Jeder braucht mal eine Auszeit auch wenn diese nur 2 Std Schlaf ist. Schlaf ist gerade in der Zeit sehr kostbar. Ich schätze mal der kleine hat Koliken 🙈 Jungs leiden ja sehr gerne daran.

Durch das Gespräch zwischen Shinichi und Ran weiß man schon mal, dass sich Aoko von Kaito getrennt hat. Aber warum. Und warum hat Kaito nicht gekämpft? Ich bin gespannt was da raus kommt.

Und vor allem wie beide jeweils reagieren werden, wenn sie aufeinander treffen. Kaito der wohl auf seinen ,, Sohn" trifft. Und Aoko auf seiner Neue Freundin. Ich glaube für Aoko wird es schwer werden. Denn ich sehe es wie Ran, sie ist nicht über ihn hinweg.

Ich hoffe dennoch, dass die Hochzeit nicht so ein Chaos wird. Dass haben Ran und Shinichi nicht verdient.

Ich bin schon sehr gespannt aufs nächste Kapitel und freue mich schon sehr drauf.

Wünsche dir noch einen schönen Abend und ganz liebe Grüße
Antwort von:  Kittykate
15.04.2019 10:12
Hi :-),
ja, Kenji sieht das alles nicht so eng. :-)
Ja, das stimmt. Familie ist wichtig und hilfreich. 2 Stunden Schlaf am Stück ist ja fast wie ein Wellness-Urlaub ;-)

Ja, das stimmt. Aoko hat es beendet. Aber der Rest ist noch das große Fragezeichen.

Das bleibt wohl überhaupt die große Frage. Wie sie reagieren wenn sie sich sehen und das große Geheimnis ans Licht kommt.
Da stimme ich dir zu. Ran und Shinichi haben das nicht verdient. Ganz und gar nicht.

Das nächste Kapitel ist da.

Vielen Dank für deine lieben Worte. :-)

Viele Grüße
Kitty


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