Charmante Courage von Varlet ================================================================================ Kapitel 11: Shuichis erster Fall: Lösung ---------------------------------------- Shuichi saß in seinem Wagen und beobachtete zusammen mit Laura die Praxis von Dr. Sullivan. Das Licht schien noch im Büro und im Wartezimmer. Akai sah auf die Uhr. „Wir sollten jetzt hoch. Falls er noch einen Patienten hatte, müsste dieser bald rauskommen.“ Laura nickte und entfernte den Sicherheitsgurt. „Was hältst du überhaupt davon?“, fing sie an. „Wenn er tatsächlich unser Täter ist, ist er erstaunlich ruhig.“ „Wahrscheinlich eine Fassade.“ Auch Shuichi legte den Sicherheitsgurt ab und stieg aus. „Die Geschichte lehrte uns, dass viele Täter ein ganz normales Leben geführt haben. Sie sind früh aufgestanden, arbeiten gegangen und abends vollzogen sie ihre Taten. Selbst Menschen die man kennt, könnten sich am Ende als Killer herausstellen. Häufig sind gerade die, die nicht danach aussehen oder die, denen man es nicht zu traut, die gefährlichsten Täter“, fügte er an. „Von daher ist es gar nicht überraschend, dass er seinem geregelten Leben nachgeht. Nicht zu vergessen, dass es auch die Art von Menschen gibt, die den Nervenkitzel spüren wollen, wenn sie in eine Ermittlung involviert sind.“ „Manchmal hörst du dich so an, als würdest du schon Jahre für das FBI arbeiten“, gab Laura von sich und ging auf die Eingangstür zu. Sie drückte diese auf und lief mit Shuichi nach oben. Als sie die Praxis betrat, sah sie sich um. Die junge Dame am Empfang starrte sie irritiert an. „FBI, Special Agent McKnight“, begann sie. „Wir waren schon vor einigen Tagen hier.“ Die Frau nickte. „Ja, ich erinnere mich an Sie.“ „Wir möchten mit Dr. Sullivan sprechen. Bitte sagen Sie ihm, dass es dringend ist.“ „Ja…ja natürlich…“, gab sie von sich. „Bitte nehmen Sie doch im Wartezimmer Platz.“ „Wir würden es bevorzugen hier zu warten“, kam es sofort von Akai. „Äh…ja…gut…“, murmelte sie verwirrt und verschwand im Büro des Therapeuten. „Jetzt bin ich auf seine Reaktion gespannt“, entgegnete Akai. Der einzige Ausgang führte über den Empfangsbereich und würde der Therapeut versuchen zu fliehen, würde er ihnen entgegen kommen. Laura nickte. Als die Tür wieder aufging, beobachtete sie die Empfangsdame akribisch. „Sie können rein kommen.“ „Das ging ja fix“, murmelte die Agentin und betrat das Büro. „Agent McKnight, Agent Akai“, begrüßte Dr. Sullivan seine Gäste. „Bitte setzen Sie sich. Was führt Sie zu mir?“ „Vielen Dank“, sagte die Agentin und nahm Platz. Dr. Sullivan sah zwischen den beiden hin und her. „Haben Sie schon etwas Herausgefunden? Oder kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Shuichi nickte. „Wir haben in der Tat neue Erkenntnisse“, begann er. „Wir haben drei ähnliche Fälle gefunden. Dabei wurden drei ehemalige Häftlinge mit einer Überdosis vor Nachtclubs tot aufgefunden. Interessanterweise wurden sie, genauso wie Klein, wegen Sexualdelikten verurteilt. Alle drei wohnten in New York, wurden aber in unterschiedlichen Bundesstaaten gefunden“, erzählte der Agent. Dr. Sullivan wirkte überrascht. „Oh“, antwortete er. „Sie gehen also von einem Serientäter aus“, fügte er hinzu. „Carvin James. Roy McAbert. Jared Robbins.“ Shuichi beobachtete das Gesicht seines Gegenübers. „Die Namen müssten ihnen doch etwas sagen.“ Dr. Sullivan nickte. „Alle drei waren meine Patienten. Als sie ihre Termine nicht mehr wahr nahmen, meldete ich sie bei der Polizei. Es hieß, es würden Ermittlungen laufen, aber danach hat mich keiner mehr auf dem Laufenden gehalten. Ich nahm an, dass die Männer entweder einen neuen Therapeuten bekamen oder zurück ins Gefängnis mussten.“ „Ich verstehe. Jetzt wissen Sie ja, dass sie tot sind. Und Klein war der Nächste in der Reihe. Da es allesamt Ihre Patienten waren, werden wir Ihre Akten konfiszieren.“ „Oh, selbstverständlich such ich Ihnen die drei Akten raus.“ „Sie verstehen nicht“, sagte Laura. „Wir werden alles mitnehmen.“ „Das….das können Sie nicht machen. Ich unterliege der Schweigepflicht und muss vorher mit meinen Patienten reden. Ich bin mir sicher, dass sie es verstehen werden, wir müssen sie vor dem Killer schützen. Dennoch können Sie nicht von heute auf morgen alles beschlagnahmen.“ „Da haben Sie wirklich Recht, Dr. Sullivan“, fing Shuichi an. „Wir werden Ihre Patienten vor Ihnen schützen.“ Der Therapeut sah ihn überrascht an. „Wie meinen Sie das? Sie glauben, dass ich meine Patienten auf dem Gewissen habe?“ „Wir glauben das nicht nur, wir haben die Beweise dafür.“ Er schüttelte den Kopf. „Das glaube ich kaum. Hätten Sie Beweise würden Sie mich bei Ihnen im Büro befragen und nicht hier. Sie haben nur Vermutungen und hoffen, dass ich es gewesen bin, damit Sie den Fall abschließen können. Aber da muss ich Sie leider enttäuschen. Als Mason Klein verstorben ist, war ich in Stanford und als meine anderen Patienten starben, war ich weder in Mississippi noch Kansas. Sie sehen also, dass Ihre Anmaßungen nicht haltbar sind.“ Shuichi schmunzelte. „Von Mississippi und Kansas haben wir doch gar nichts gesagt. Woher wissen Sie, dass die beiden Männer dort umkamen, wenn Sie angeblich bis eben gar nicht wussten, dass sie tot sind?“ Dr. Sullivan schluckte. „Das habe ich geschlussfolgert. Und ich habe mich daran erinnert, dass die Patienten von dort herkamen.“ „Oh bitte, lassen Sie es doch sein, Sullivan“, fing Akai an. „Sie sind aufgeflogen. Wenn ich Sie wäre, würde ich mit uns kooperieren.“ „Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt.“ „Das ist auch besser so.“ Shuichi stand auf. „Dr. Sullivan, Sie sind festgenommen wegen Mordes an Mason Klein, Roy McAbert, Carvin James und Jared Robbins. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuziehen. Haben Sie das verstanden?“ Dr. Sullivan nickte zähneknirschend und stand auf. Shuichi legte ihm die Handschellen an und führte ihn anschließend nach draußen zu seinen Wagen. Shuichi stand im Zwischenraum zu den Verhörzimmern und beobachtete Dr. Sullivan und seinen Anwalt durch das Fenster. „Das war gute Arbeit“, sagte Laura schmunzelnd. „Wenn wir jetzt noch ein richtiges Geständnis bekommen…“ „Warten wir es ab. Sein Anwalt wird ihm bestimmt das Schweigen raten. Er hat es zwar vor zwei FBI Agenten zugegeben und wir könnten theoretisch als Zeugen fungieren, aber jeder Anwalt wird uns Befangenheit unterstellen.“ „Vielleicht wird er reden um eine mildere Strafe zu bekommen.“ Laura sah auf die Uhr. „Die Zeit ist um.“ Sie ging aus dem Zwischenraum und betrat das Verhörzimmer. „Dr. Sullivan, Dr. Breston“, grüßte Sie die beiden Männer und setzte sich. Shuichi legte ein Diktiergerät auf den Tisch und betätigte die Aufnahmetaste. „18:35 Uhr, Befragung Dr. Sullivan. Dr. Sullivan befindet sich in Begleitung seines Anwaltes Dr. Breston.“ Shuichi sah beide Männer an. „Wenn Sie sich selbst belasten müssen, können Sie auch schweigen. Wie haben Sie sich entschieden?“ Dr. Sullivan sah zu seinem Anwalt. Dieser nickte. „Mein Mandant möchte eine Aussage machen.“ Shuichi sah überrascht zu dem Therapeuten. „Bitte. Was möchten Sie uns erzählen?“ Dr. Sullivan räusperte sich. „Es stimmt“, begann er. „Ich war es. Ich habe die vier Männer umgebracht. Sie wissen ja gar nicht wie es ist…ich musste Verbrecher therapieren. Kleinere Delikte waren ja in Ordnung, aber was diese Männer taten…“ Er schüttelte den Kopf. „Sie haben Frauen vergewaltigt und diesen Frauen sogar noch die Schuld daran gegeben. Sie fühlten sich wie Götter, die zu Unrecht beschuldigt wurden.“ „Sie wurden dafür bestraft“, warf Laura ein. „Nicht genug…“, murmelte der Therapeut. „Ich hab es ja versucht…ich wollte mit ihnen arbeiten…aber dann ist mir die Sicherung durchgebrannt.“ „Was ist passiert?“, wollte Akai wissen. „Peter Hayes…er war mein erstes…Sie würden sagen…Opfer…“, gestand der Therapeut. Laura runzelte überrascht die Stirn. „Erzählen Sie weiter. Hayes wurde in unserer Liste nicht aufgeführt.“ „Das hat auch seinen Grund“, entgegnete Dr. Sullivan. „Er gilt nur als flüchtig. Sowohl sein Bewährungshelfer als auch ich haben ihn gemeldet. Aber ich erzähle die Geschichte von vorne. Hayes war von Anfang an überheblich. Er hielt nichts von dem Resozialisierungsprogramm und wenn es sein musste, hätte er sogar gelogen um am Ende meine Bescheinigung zu bekommen. Ja, er kam zu allen Sitzungen, aber er zeigte ganz deutlich, was er dachte. Am Anfang spielte er seine Rolle perfekt, aber manchmal habe ich versucht tiefer in sein innerstes einzudringen. Irgendwann lachte er mich aus und erzählte mir sogar, dass er nur diese Bescheinigung will. Daraufhin habe ich beantragt, dass Hayes weitere Therapiestunden auferlegt werden. Er war so wütend…für einen kurzen Moment habe ich geglaubt, er würde mein Büro kurz und klein schlagen und mich mit dazu. Aber wissen Sie, was er gemacht hat? Er sah die Fotos auf meinem Schreibtisch und nahm das von meiner Tochter. Er erzählte mir wie hübsch sie doch sei und das er mich beneiden würde.“ Dr. Sullivan schluckte. „Ich war schockiert, aber ich ließ mir nichts anmerken und verwies ihn aus meinen Räumen. Einige Tage später habe ich meine Tochter aus der Schule abgeholt…und da stand er…an ihrem Schultor. Wissen Sie was dann war? Er sah mir in die Augen und zwinkerte. Ich wusste sofort, dass meine Tochter in Gefahr war. Auf einmal wurde ich so wütend. Wie konnte ein Mensch wie Hayes frei auf der Straße rumlaufen? Das konnte ich den Mädchen und jungen Frauen nicht antun. Bei meiner nächsten Sitzung mit Hayes erzählte er mir, was er mit meiner kleinen Scarlett anstellen würde, wenn sie alleine wären. Da sind mir alle Sicherungen durchgebrannt und ich habe ihn mit dem Briefbeschwerer erschlagen.“ „Was haben Sie mit seiner Leiche getan?“, wollte Akai wissen. „Ich war von mir selbst überrascht und habe im nächsten Moment meine Tat bereut. Ich weiß, ich hätte es melden sollen…aber stattdessen habe ich ihn nach unten in die Tiefgarage gebracht und zu mir nach Hause gefahren. Er liegt in der Gefriertruhe in meinem Keller und erinnert mich Tag täglich daran, wie widerlich diese Kerle sind. Als er nicht zu seinem Termin bei seinem Bewährungshelfer kam, rief mich dieser an, woraufhin ich das Verschwinden bei der Polizei meldete. Ich habe versucht normal weiter zu arbeiten und meine Tat unvergessen zu machen, aber jedes Mal wenn einer von ihnen eine Sitzung bei mir hatte…wurde ich so wütend. Und ich hörte immer wieder die Stimme von Hayes, der von meiner Tochter erzählte. So beschloss ich, dass sie büßen müssen“, sagte er. „Mit Roy McAbert fing ich an, dann kam Carvin James dran…danach Jared Robbins und zum Schluss Mason Klein. Da ich eh in andere Bundesstaaten musste, habe ich sie dort abgelegt und meine Spuren verwischt. Aber Klein…ich konnte ihn nicht nach Stanford bringen. Meine Tochter war da und ich…hatte einen längeren Aufenthalt geplant. Die mögliche Verbindung wäre viel zu schnell ans Tageslicht gekommen. Deswegen bin ich auch zwei Tage eher zurück gefahren und habe ihn im Hinterhof vom Fox deponiert. Ich hätte nie gedacht, dass Sie mir so schnell auf die Schliche kommen würden…Aber Sie sollten eines nicht vergessen. Ich habe die Menschheit von fünf bösen Menschen befreit.“ „Und sind dafür selbst zum Mörder geworden. Glauben Sie, dass es das besser macht? Böses mit Bösem vergelten?“, wollte Akai wissen. „In einigen Jahren werden Sie mich verstehen. Dann werden Sie das sehen, was ich gesehen habe.“ Shuichi sah ihn an. „Mir ist selbstverständlich nicht egal welche Straftaten Klein, McAbert und die anderen Männer begangen haben, aber ich werde nie begreifen, wie ein Mensch einen anderen umbringen kann. Dafür kann es keine Rechtfertigung geben. Man kann es zwar erklären, aber rechtfertigen kann man es nie.“ Dr. Sullivan schüttelte den Kopf. „Unsinn“, sagte er. „Sullivan, reißen Sie sich zusammen“, kam es von seinem Anwalt. „Ja, doch“, antwortete der Angesprochene. „Sie haben mich zwar verhaftet und wahrscheinliche werde ich auch verurteilt, aber können Sie mit dem Leben, was danach kommt?“, wollte er wissen. „Was meinen Sie?“, fragte Laura. „Mein Fall wird in den Medien präsent sein. Jeder wird davon reden, dass ich gefährliche Männer aus dem Verkehr gezogen habe. Es werden sich Fraktionen bilden. Die einen werden für meine Verhaftung und Verurteilung sein, während die anderen dagegen sind. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass so etwas nicht ohne Folgen bleibt. Es wird Demonstrationen geben und Aufstände. Das FBI wird für die Bevölkerung der Buh-Mann sein, der einem rechtschaffenen Bürger das Leben schwer gemacht hat.“ Shuichi verengte die Augen. „Sie stellen sich das etwas zu einfach vor. Möglich, dass es zu einem Eklat kommt, aber ich bin mir sicher, dass die Menschen es eines Tages verstehen werden.“ „Das sind Wunschvorstellungen…“ „Wahrscheinlich“, antwortete Shuichi. „Aber Sie werden die nächsten Jahre im Gefängnis bleiben und über Ihre Taten nachdenken. War es das alles wirklich Wert? Haben Sie eigentlich einmal an Ihre Tochter gedacht?“ „Halten Sie Scarlett da raus“, zischte Dr. Sullivan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)