Charmante Courage von Varlet ================================================================================ Kapitel 6: Shuichis erster Fall: Spurensuche -------------------------------------------- Laura kam in das Büro und sah zu ihrem Kollegen, der an seinem Schreibtisch saß und einen Kugelschreiber in seiner Hand rotieren ließ. Er schien sich zu langweilen oder war es seine Art nachzudenken? „Lass mich raten, der Bericht aus der Gerichtsmedizin ist noch nicht da?“ Akai sah zu seiner Partnerin. „Noch nicht. Hast du die Akte von Klein bekommen oder hatte die Polizei Einwände?“ „Aber selbstverständlich hab ich sie bekommen“, entgegnete sie und setzte sich an ihren Schreibtisch. Die Akte legte sie obendrauf. „Und ich hab sogar noch was Besseres?“ Akai stand auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Sofort griff er nach der Akte und blätterte sie durch. „Ganz schön dick“, murmelte er und sah seine Partnerin an. „Was hast du herausgefunden?“ Laura schmunzelte. „Als ich mir die Akte aus dem Polizeiarchiv geholt habe, fand ich sie auch sehr dick. Daraufhin habe ich einen Blick hineingeworfen und sie durchgeblättert. Dreimal darfst du raten, was ich dabei herausgefunden habe?“ „Ich rate nicht gerne. Sag es doch einfach.“ Laura seufzte innerlich. „Auch das FBI führte damals eine offizielle Ermittlung gegen Klein durch.“ Shuichi sah sie überrascht an. „Daraufhin habe ich mit den beiden diensthabenden Kollegen gesprochen. Sie kommen gleich mit unserer Ermittlungsakte vorbei.“ „Nicht schlecht“, gab Akai von sich. „Ich weiß halt wie der Hase läuft“, entgegnete Laura mit einem Grinsen auf den Lippen. „Wenn es wirklich Mord war, wird es ein sehr heikler Fall werden. Klein wurde wegen Vergewaltigung verurteilt. Die Medien haben sich damals auf den Fall gestürzt und seine Entlassung in Freiheit vor einigen Monaten war mehrere Schlagzeilen Wert. Ich gehe jede Wette mit dir ein, dass sein Tod und unsere Ermittlungen ebenfalls für Schlagzeilen sorgen werden. Wenn du mit mir an diesem Fall arbeitest, wirst auch du in den Fokus der Medien geraten und ich kann dir versprechen, es wird nicht nett werden. Noch kannst du es dir anders überlegen. Keiner wird dich dafür verurteilen.“ Akai schüttelte den Kopf. „Das muss ich nicht. Ich bin nicht aus Spaß beim FBI und wenn es zu meinen Aufgaben gehört, den Mörder eines Straftäters zu finden, dann werde ich nicht kneifen.“ Laura lächelte leicht. Genau das wollte sie hören. Nur ein ambitionierter Partner, hatte eine Chance die Probezeit zu bestehen. „Ich hoffe, es wird nicht so schlimm wie ich denke…“, murmelte sie. „Und selbst wenn, wir machen das nicht aus Spaß. Jeder Agent weiß, worauf er sich eingelassen hat, als er die Ausbildung begann.“ „Die Worte merk ich mir“, sprach die Agentin, ehe es an der Tür klopfte. „Herein“, rief sie und zwei Agenten betraten den Raum. Akai lächelte. „Agent Pierce…Agent Fries…wie schön Sie zu sehen.“ Die Agenten kannten einander. Einst hatten sie sich kennen gelernt, als es Tom Weston auf Jodie abgesehen hatte. „Ebenfalls“, antwortete Pierce. „Wie mir scheint, sind wir jetzt eure Unterstützung.“ „Laura hat uns am Telefon über euren Fall aufgeklärt. Wir hoffen, dass wir euch weiterhelfen können. Das ist eine Kopie unserer Ermittlungsakte.“ Agent Fries reichte diese an ihre Kollegin. „Danke“, sagte Laura ruhig. „Setzt euch bitte.“ Sie wies auf die Stühle vor ihrer beiden Schreibtische. Die Agenten setzten sich und auch Shuichi ging wieder zurück an seinen Platz. Noch einmal aktualisierte er – in der Hoffnung den gerichtsmedizinischen Bericht bekommen zu haben - das E-Mail Programm. Nichts. „Dann erzählt uns doch mal, was ihr über Klein wisst.“ Agent Fries sah zu ihrem Partner. Dieser schenkte ihr ein Nicken. „Nun ja“, murmelte sie. „Während unserer Ermittlungen fanden wir heraus, dass Klein ohne Vater aufwuchs und seine Mutter immer an die falschen Männer geriet. Obwohl er damals beteuerte, dass er sie liebt, zeigte sich, dass er ein komisches Frauenbild besaß. Kein Wunder, er ist schließlich durch seine Vergangenheit geprägt worden. Was soll ein Kind auch denken, wenn seine Mutter regelmäßig geschlagen und krankenhausreif geprügelt wird. Kaum wurde sie einen Mann los, kam auch schon der nächste in ihr Leben. Im Übrigen müsst ihr nach seiner Mutter nicht mehr suchen. Sie ist im Laufe des Prozesses gegen ihren Sohn verstorben…Herzinfarkt.“ „Und sein Umfeld? Arbeit? Freunde?“, wollte Laura wissen. „Richtige Freunde hatte er keine, es gab immer nur Bekannte von der Arbeit oder aus seiner Wohngegend. Mit 18 Jahren brach er die Schule ab und hat eine Weile als Barkeeper und wenn es notwendig wurde, als Türsteher gearbeitet. Und das ist auch der Knackpunkt. Viele Gäste, vor allem weibliche Gäste, sind bis zum Schluss geblieben. Sie fühlten sich dort sicher…und Klein nutzte diese Sicherheit aus. Während sie nach Hause gingen, pirschte er sich von hinten an sie an und…“ Laura schluckte. „Klein hat die Frauen vergewaltigt?“ „Fries!“ Sie sah zu ihrem Partner. „Ja, ich weiß. Wir nehmen an, dass er es in mehreren Fällen gewesen ist, aber…wir können es nicht beweisen. Sein letztes oder wie einige sagen, sein erstes Opfer hatte einige Jahre Kampfsport trainiert und sich gewehrt. Sie konnte ihn kratzen und danach durch das Überraschungsmoment entkommen. Obwohl sie unter Schock stand, hat sie bei der Polizei ihre Aussage gemacht. Bis dahin war Klein noch ein unbeschriebenes Blatt. Wir kennen bis heute seine Motivation nicht“, sagte die Agentin. „Es gab andere Opfer die auf die gleiche Art und Weise vergewaltigt wurden: Sie alle waren im gleichen Club und wurden auf dem Heimweg überfallen…aber es gab keine DNA-Spuren die den Täter hätten überführen können. Mit den DNA-Spuren von Klein hoffte die Polizei auf ein Gesamtbild und hat das FBI, als uns, dazu geholt. Wir konnten leider nichts beweisen. Klein schwieg bis zum Verhandlungstag.“ Agent Pierce nickte. „Im Gerichtssaal hat er diese eine Tat gestanden, weil er glaubte, eine mildere Strafe zu bekommen.“ „Was aber nicht der Fall war…“, murmelte Shuichi. „Kommt drauf an wie man es sehen will. Er bekam zwölf Jahre ohne Bewährung. Das Opfer und ihre Angehörigen sind erzürnt gewesen, da sie lebenslang forderten. Zu Recht wenn man mich fragt, immerhin muss das Opfer auch ein Leben lang damit zurechtkommen. Nun ja…nach zehn Jahren wurde Klein wegen guter Führung und guter Chancen auf Resozialisierung entlassen…“ „Ich verstehe“, gab Laura von sich. „Und kaum ist er draußen, stirbt er. Man könnte meinen, dass Rache im Spiel ist.“ „Oder Verzweiflung. Es gibt viele Insassen, die nach so vielen Jahren nicht mehr mit der Außenwelt klar kommen und wieder zurück ins Gefängnis wollen“, gab Pierce von sich. „Habt ihr schon mit seinem Bewährungshelfer gesprochen oder seinem Therapeuten?“, wollte Fries anschließend wissen. „Er wird therapiert?“, kam es von Akai. „Ja, das war eine Auflage, damit er frühzeitig entlassen wird.“ Akai sah zu Laura. „Ich lass mir die Namen und die Adressen geben und rede mit Beiden.“ „Wir“, korrigierte die Agentin. „Danach werden wir auch ein Gespräch mit dem Opfer und seiner Familie führen müssen.“ „Das können wir übernehmen“, entgegnete Pierce. „Sie kennen und vertrauen uns…es wird leichter für sie sein, wenn sie mit uns sprechen müssen.“ Laura überlegte. Aus dem Augenwinkel sah sie zu ihrem Partner, der mit den Zähnen knirschte. Dass es ihm nicht gefiel seinen ersten Fall zu teilen, konnte jeder sehen. Aber er würde noch verstehen, dass es manchmal mehr brauchte als nur zwei Agenten. Und wenn es sein musste, würde sie ihm diesen Zahn ziehen. „Wir nehmen eure Hilfe gerne an.“ „Gut.“ Pierce stand auf und verließ mit seiner Partnerin das Zimmer. „Jetzt schau nicht so griesgrämig“, sagte Laura. „Tu ich nicht“, murmelte Akai. „Sag das mal deinem Gesicht…“ „Laura, bitte.“ „Was denn?“ Sie seufzte. „Hör zu, ich weiß, die Realität sieht anders aus. Es ist nicht wie in Büchern oder Fernsehserien. Die Fälle lösen sich nicht innerhalb von wenigen Stunden oder einigen Tagen. Es taucht nicht einfach so ein neuer Hinweis auf. Es steckt viel harte Arbeit dahinter. Und dass immer nur ein zweier Team an einem Fall arbeitet, ist ebenfalls erstunken und erlogen. Das erzählen sie nur um nicht noch mehr Charaktere einzuführen und in der Realität sollen nicht zu viele Ermittler in den Fokus gerückt werden. Selbstverständlich brauchen auch wir Hilfe und man kann nicht von zwei Leuten erwarten, dass sie sich teilen und immer 24 Stunden durcharbeiten.“ „Das weiß ich doch, Laura“, begann Shuichi. „Ich hab nur nicht erwartet, dass wir gleich bei meinem ersten Fall Unterstützung anfordern.“ „Du wirst es mir noch danken“, sagte die Agentin. „Mit dem ehemaligen Opfer und seiner Familie zu sprechen, ist kein Zuckerschlecken. Sei froh, dass Fries und Pierce das machen.“ „Mhm…“, murmelte der Agent. „Ist der gerichtsmedizinische Bericht in der Zwischenzeit gekommen?“, wollte sie wissen. Shuichi aktualisierte das betroffene Fenster im E-Mail Programm. „Ja, gerade eben“, murmelte er und öffnete die Datei. „Es ist genau so wie Mallville vermutet hat…Überdosis…kein Hinweis auf eine Gewalttat…“ „Verdammt…wir müssen dennoch zu 100 Prozent sicher gehen…gerade wenn wir Rache nicht vollkommen ausschließen können…“ Laura ballte die Faust. „Also gut…ich hab von Jackson die persönlichen Sachen des Opfers bekommen. Wir sehen uns zuerst in seiner Wohnung um. Danach fahren wir zu seinem Bewährungshelfer und Therapeuten.“ Shuichi stand auf. „Haben wir die Adresse von Klein?“ „Ja, hab ich vorhin rausgesucht.“ Laura stellte ihren Wagen ab und seufzte. „Wir hätten doch dein Auto nehmen sollen.“ „Du hast auf deinen Wagen bestanden“, entgegnete der Agent und stieg aus. Die Wohngegend war alles andere als liebreizend. Mehrere Schnapsläden, kleinere Lebensmittelgeschäfte und Tankstellen führten zu verdreckten Straßen. Die Menschen warfen ihren Müll auf den Boden, liefen über rote Ampeln und beachteten nichts und niemanden. Es herrschte ein reges Treiben und dennoch klebte der typische Kanalisationsgeruch in ihren Nasen. Menschen schrien, Kinder spielten auf der Straße und die Älteren beobachteten das Treiben von ihren Fenstern aus. „Schöne Gegend“, sagte Akai sarkastisch. „Wahrscheinlich konnte er sich nicht mehr leisten…wenn er überhaupt Miete zahlt. Wenn ich mir die Gegend hier so ansehe, werden Drogen für mich immer wahrscheinlicher.“ Laura sah sich um. „Die armen Kinder.“ Shuichi nickte. „Man glaubt kaum, dass eine solche Gegend in einer Stadt wie New York existiert.“ „Und dass Kinder hier auf den falschen Weg geführt werden. Kein Wunder, dass Klein auf die schiefe Bahn geriet.“ Akai sah sie fragend an. „Verteidigst du ihn?“ „Nein, natürlich nicht“, antwortete sie vehement. „Aber wenn er in einer solchen Gegend aufgewachsen ist und von Allen und Jedem gesagt bekommt, dass er nichts wert ist, sollte man sich nicht wundern...“ „Mhm…“, murmelte Shuichi. „Und nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wird er natürlich auch wie ein Nichts behandelt, findet keinen Job und sieht möglicherweise keinen Ausweg als Drogen zu nehmen.“ „Gehen wir jetzt hoch, ehe wir hier unten noch Aufmerksamkeit erregen“, sagte Laura und betrat das Wohnhaus. Es sah innen wie außen aus: Ein dreckiger Flur, der nach Urin stank. Als Laura endlich an der Wohnungstür des Toten stand, schloss sie auf und ging rein. In der Wohnung herrschte das Chao, dreckiges Geschirr lag in der Küchenspüle, auf dem Boden und über jeden Stuhl, hingen getragene Anziehsachen und Unterwäsche. „Oh man…“, murmelte sie. „Vielleicht sollten wir doch die Spurensicherung rufen.“ „Mach das“, antwortete Akai und streifte sich ein paar Handschuhe drüber, ehe er von einem Zimmer in das nächste ging. „Akai…“ Laura ließ den Kopf hängen und informierte die Kollegen der Spurensicherung. Danach folgte sie ihrem Partner. „Pass auf was du anfässt.“ Akai nickte. „Keine Sorge, ich hab nicht vor mich an irgendwas zu schneiden oder zu stechen. Aber wenn ich mir die Wohnung so ansehe, kann ich keinen Drogenvorrat erkennen. Hast du die Spurensicherung gerufen?“ „Sind auf dem Weg.“ „Gut, sie sollen dann gezielt nach Drogen oder Drohbriefen suchen.“ „Und wir fahren jetzt zu seinem Bewährungshelfer, ehe ich nach dem hier noch eine Dusche brauch“, sagte sie. „Oder einen neuen Wagen.“ „Was?“ „Ach komm, Laura, schau dir die Gegend hier an. In wenigen Minuten werden sich unten so viele Menschen vor deinem Auto versammelt haben, dass wir gar nicht mehr wegkommen…oder es wird gestohlen…beschmiert…oder sie werfen mit Steinen nach uns.“ „Du hast mich überzeugt“, sprach sie und machte sich sofort auf den Weg nach unten. „Was machen Sie da?“ Laura beäugte kritisch den Mann vor ihrem Wagen. Für diese Gegend sah er viel zu gut gekleidet aus. War er vielleicht Kleins Drogendealer? „Waren Sie bei Klein?“, wollte der Fremde wissen. „Wer will das wissen?“, konterte Laura. „Sind Sie Reporter?“ „Um Gotteswillen, nein“, kam es sofort von ihm. „Ich bin Stephan Palmer, ich bin der Bewährungshelfer von Mr. Klein und auf der Suche nach ihm.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)