Finding Love von writer (Sasusaku Highschool Lovestory) ================================================================================ Kapitel 51: Sasukes Schmerz (Teil 3) ------------------------------------ Hana hielt Sasuke mit einem triumphierenden Seitenblick auf mich die Mappe hin. Er nahm sie ihr unsanft aus der Hand, schlug sie auf, holte den Vertrag heraus und sah ihn sich an. "Sasuke, hör uns erst zu!", sagte Fugaku scharf und in seinem üblichen Befehlston. Aber Sasukes Augen huschten schon über die Zeilen. In mir krampfte sich alles zusammen. Das war jetzt echt blöd gelaufen. Als Sasuke auf sah und mich anblickte, glaubte ich das Entsetzen und die abgrundtiefe Enttäuschung in seinem Blick kaum ertragen zu können. In diesem Moment ging die Haustür auf und einen Moment später kam Mikoto, noch in ihrem Mantel, ins Wohnzimmer. "Oh, Sasuke, Sakura!", sagte sie erfreut in ihrer gekünstelten Art, weil sie auf die Schnelle gar nicht mit bekam, dass es gerade ein Problem gab. "Ihr seid zurück, wie schön! Ihr hattet bestimmt eine wunderbare Zeit, nicht wahr?" "Total!", sagte Sasuke sarkastisch und in einem ziemlich merkwürdigen Tonfall. "Wir hatten eine richtig wunderbare Zeit! Abgesehen von dem Moment, als Sakura fast vergewaltigt und später dem Moment, als sie angezündet und fast bei lebendigem Leibe verbrannt wurde!" Sie starrten ihn alle an. Er schien nach Fassung zu ringen, aber es gelang ihm nicht richtig. Und ich hatte nicht vor, mich einzumischen. Vielleicht war es ganz gut, wenn es zwischen ihnen endlich mal eskalieren würde. Vielleicht passierte dann mal etwas. Vielleicht konnte sich dann mal etwas für Sasuke ändern. "Sasuke, was redest du denn da?", fragte seine Mutter schockiert und verwirrt. "Über so etwas macht man keine Witze! Ich wollte doch bloß wissen, wie deine Reise war! Wieso bist du nur immer so kalt und sarkastisch und-" Aber für Sasuke schien jetzt endgültig alles zu viel geworden zu sein. Er schien sich nicht mehr zusammenreißen zu können oder zu wollen. "Du wolltest eben nicht wissen, wie meine Reise war!", brüllte er seine Mutter an und sie zuckte zusammen. "Du willst nicht hören, wie sie war! Du willst bloß hören, dass sie toll war! Dass alles wunderbar ist! Du willst bloß, dass du dir keine Sorgen machen musst, dass du als Mutter versagt haben könntest!" Sie starrte ihn völlig entsetzt an und schien unfähig, darauf zu reagieren. "Sasuke, beruhige dich!", sagte Fugaku laut und ehrfurchtgebietend. Er stand auf. "Wie kannst du mir das antun?", brüllte Sasuke und schleuderte seinem Vater den Vertrag und die Mappe vor die Füße. "Trotz allem, was ihr nie für mich wart, dachte ich, wir sind wenigstens ein Team! Ich dachte, dass wir wenigstens zusammenhalten, zumindest solange ich so bin, wie ihr mich haben wollt! Aber damit hast du mich verraten! Das verzeihe ich dir nicht!" Seine Stimme hatte eine Verbitterung, die alles übertraf, was ich bisher von ihm gehört hatte. Er tat mir so unendlich leid. "Wir wollten gerade mit dir darüber sprechen Sasuke!", sagte Madara. "Bitte setz dich hin und hör zu!" Aber Sasuke beachtete ihn nicht. Er sah zu mir. "Wolltest du das unterschreiben?", fragte er und seine Stimme zitterte vor Wut und Enttäuschung. "Nein!", sagte ich eilig. "Nein Sasuke! Das würde ich nie tun! Und das weißt du auch ganz genau! Du weißt es!" Ich nahm wahr, dass meine Stimme etwas Flehentliches hatte. Ich wollte, dass er mir glaubte. Aber nicht um meinetwillen, nicht weil ich an mich dachte, sondern weil ich nicht wollte, dass er eine Sekunde länger als nötig mit diesem qualvollen Gedanken leben musste. "Sasuke, hast du das Datum auf dem Vertrag gesehen?", fragte Madara. Er ging hin und hob die Seiten auf. Dann ging er zu Sasuke hinüber und hielt sie ihm hin. "Sieh es dir an. Das ist nicht aktuell. Wir wollten sie loswerden, als du sie mit zur Firmenfeier bringen wolltest. Dein Vater war bei Sakura, um sie unterschreiben zu lassen. An dem Tag, als du dein Vorhaben angekündigt hast. Aber sie hat es abgelehnt." "Und du hast mir nichts davon gesagt?", zischte Sasuke kalt an mich gewandt. "Du hast es die ganze Zeit nicht gesagt?" "Wusstest du auch davon?", fuhr er gleich darauf seine Mutter an, bevor ich etwas antworten konnte. Sie starrte ihn nur hilflos an. Er lachte bitter und kalt. "Ahh, jaa, natürlich wusstest du es! Aber wieder einmal hast du dich dafür entschieden, einfach still daneben zu stehen, zuzusehen und nichts zu tun!" Mikoto traten Tränen in die Augen und sie drückte eine Hand auf ihren Mund. Sasuke wandte sich mit einem verächtlichen Blick von ihr ab und an Madara. "Bei dir wundert es mich nicht! Von dir war sowieso nichts anderes zu erwarten!", sagte er mit vor Verachtung triefender Stimme. "Dir bedeutet dieses Unternehmen mehr als alles andere! Deshalb verstehst du dich auch so ausgezeichnet mit meinem Vater! Da seid ihr beide gleich!" Madara schien dazu nichts sagen zu wollen. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Sasuke wandte sich wieder mir zu. Er ging mit schnellen Schritten auf mich zu, bis er vor mir stand. Er sah zu mir hinab und ich wünschte, ich könnte aufstehen, aber es war kein Platz, weil er mal wieder zu dicht vor mir stand, als dass ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. "Wie konntest du mir das verheimlichen?", fragte er und seine Stimme klang hart und kalt. So hatte er noch nie geklungen, wenn er mit mir gesprochen hatte. Aber das war zu erwarten gewesen. Ich hatte so sehr gehofft, dass wir in Ruhe mit ihm würden reden können. Hana hatte alles furchtbar durcheinander gebracht. "Bitte Sasuke", sagte ich so ruhig wie ich konnte. "Ich erkläre es dir, aber bitte beruhige dich!" Ich streckte die Hand nach ihm aus, aber er schlug meinen Arm zur Seite. Es tat ziemlich weh. Aber das war in Ordnung. Auch damit hatte ich gerechnet. Ich hatte es trotzdem versuchen wollen. "Es reicht Sasuke!", sagte Fugaku entschieden. "Hör auf, ihr weh zu tun, nur weil du wütend bist! Ich werde nicht tolerieren, dass du deine Freundin schlägst! Und auch nicht, dass du so mit deiner Mutter sprichst!" "Du verschwindest jetzt besser!", sagte Madara kalt zu Hana, die die ganze Szene schockiert aber auch nicht wirklich unzufrieden beobachtete. "Wir sprechen noch über dein Verhalten. Morgen Abend um sieben Uhr wirst du hier auftauchen und dann werde ich dich darüber informieren, was das für Konsequenzen haben wird! Geh!" Hana sah zu Sasuke, als würde sie erwarten, dass er sie in Schutz nehmen würde. Als würde sie erwarten, dass er ihr für ihre Loyalität dankbar sein würde. Doch er beachtete sie gar nicht. "Sasuke?", fragte sie zögerlich und sah ihn vorsichtig an. Mir fiel auf, dass sie ihn plötzlich nicht mehr mit 'Mr Uchiha' ansprach, wie noch vor Kurzem. Wie hatte sie sich nur derart einreden können, dass Sasuke etwas anderes in ihr sah, als eine Angestellte? Ich verstand sie ja irgendwie. Sie arbeitete seit drei Jahren hier und hatte sich in ihn verliebt und sie konnte ihn jeden Tag sehen und bewundern und wahrscheinlich war es schwerer emotionale Grenzen zu ziehen, wenn man jemanden nicht in der Öffentlichkeit, im Büro oder in der Schule traf, sondern ständig in dessen Zuhause, in einem privaten Umfeld. Wahrscheinlich konnte man dann schnell ein Gefühl entwickeln, als wüsste man etwas über Sasuke, was nicht jeder mitbekam. Und das erschuf vielleicht das Gefühl, eine besondere Stellung in seinem Leben innezuhaben. Ich verstand das und ich hatte sogar Mitgefühl für sie. Allerdings war es so unerträglich für mich, dass Sasuke gerade so litt, dass dafür in meinem Herzen momentan einfach kein Platz war. Sasuke wandte seinen wütenden Blick von mir ab und drehte sich zu Hana um. "Tu was er sagt!", sagte er kalt zu ihr. "Du wolltest mir wahrscheinlich nur helfen aber das hättest du trotzdem nicht tun dürfen. Es tut mir Leid, aber deine Gefühle beruhen nicht auf Gegenseitigkeit. Ich dachte, das wäre klar, so zurückhaltend wie ich mich dir gegenüber verhalte. Und daran ändert sich auch nichts, wenn ich wütend auf Sakura bin!" Hana starrte ihn einen Moment an. Der Ausdruck in ihren Augen wechselte von verletzt zu zornig und dann wandte sie sich um und stürmte hinaus. Fugaku griff sich mit der Hand zwischen die Augen, als hätte er Kopfschmerzen. Dann sah er wieder auf und blickte Sasuke fest in die Augen. "Setz dich bitte hin und lass uns in Ruhe darüber reden!" Sasuke ging schnell ein paar Schritte zu ihm hinüber, bis er vor ihm stand. Er wirkte, als wäre er wieder kurz davor zuzuschlagen. Und dieses Mal richteten sich seine Aggressionen wahrscheinlich auch dahin, wo sie eigentlich hingehörten. "Ahhh, auf einmal willst du also reden?", fragte Sasuke seinen Vater gehässig. "Wie komme ich zu der Ehre? Weil du Angst hast, dass ich mich bis morgen nicht wieder eingekriegt habe, nicht wahr?" "Sasuke-", setzte Fugaku an. Aber Sasuke ließ ihn nicht ausreden. Er schien vor Wut fast zu explodieren. "Ich versuche seit drei Jahren mit dir zu reden!", brüllte er seinen Vater an. "Ich versuche seit Jahren mit euch über Itachi zu reden! Darüber, dass ihr ihn kaputt gemacht habt! Aber ihr seid einfach zu feige, um euch dem zu stellen! Ihr schweigt es lieber tot! Solange ich funktioniere, war es ja nicht eure Schuld, nicht wahr? Solange ich nicht zusammenbreche, war er einfach bloß zu schwach! Für euch war er bloß ein Fehler! Und nun ignoriert ihr das alles einfach, als wäre nichts gewesen! Als hätte es ihn nie gegeben!" Sasuke blickte von seinem Vater zu seiner Mutter und zu Madara, aber sie sahen ihn alle nur an und schienen unfähig, etwas zu tun oder etwas dazu zu sagen. Keiner von ihnen wirkte so gefasst wie gewöhnlich. Mikoto schien verstört. Fugakus und Madaras Emotionen ließen sich nach wie vor nicht klar erkennen, aber sie schienen sich beide bemühen zu müssen, die Fassung zu wahren. "Ich hasse euch!", sagte Sasuke leise. "Ich hasse euch so sehr!" Damit wandte er sich ab und ging aus dem Raum. Ich hörte, wie er seinen Mantel von der Gaderobe und seinen Autoschlüssel von der Komode im Flur nahm und einen Moment später schlug die Haustür zu. Im Wohnzimmer herrschte Schweigen, niemand rührte sich. Mir war total elend zu Mute. Und trotzdem verspürte ich ein ganz kleines bisschen Erleichterung. Erleichterung darüber, dass endlich mal etwas passiert war, bei dem Sasuke es nicht geschafft hatte, sich zusammenzureißen und seine Gefühle zu unterdrücken. Es war gut, dass er diese Dinge endlich mal ausgesprochen hatte. Es musste ihm so viel Schmerz bereitet haben, damit die ganze Zeit zu leben und mit niemandem darüber sprechen zu können. Aber es machte mich so schrecklich traurig, dass es ihm so schlecht ging. Und ich wollte endlich wissen, was mit Itachi Uchiha passiert war. War er überhaupt noch am Leben? Sasuke hatte damals im Restaurant gesagt, dass sie keinen Kontakt hätten, und dass er sich wünschte, das würde sich wieder ändern. Aber manchmal klang alles danach, als wäre sein Bruder tot. Ich wollte es einerseits unbedingt wissen, um besser mit Sasuke umgehen zu können und anderseits hatte ich Angst vor der Wahrheit. "Was machen wir jetzt?", fragte Madara schließlich in die Stille. Er klang gefasst, aber nicht so selbstsicher wie sonst. Sasukes Mutter blickte auf den Boden und rührte sich nicht. Fugaku griff sich wieder zwischen die Augen und setzte sich in einen Sessel. Er schien darauf keine Antwort zu haben. Aber ich hatte eine. "Wir machen am besten nichts. Er wird gleich zurückkommen", sagte ich leise. Alle drei hoben überrascht den Kopf und sahen mich an. "Das glaube ich nicht", sagte Fugaku verächtlich, als würde er nicht ganz verstehen können, wie ich darauf kam. "Mit mir wird er reden", sagte ich. Ich war mir sicher, dass er sich an das Versprechen erinnern würde, dass er mir letzte Woche am See gegeben hatte. Und ich war mir sicher, dass er mich nicht hier alleine lassen würde. "Du hast es doch gehört, er ist enttäuscht und wütend, weil du ihm nichts gesagt hast!", sagte Madara. "Er hat das Gefühl, dass du ihn mit uns zusammen hintergangen hast!" "Trotzdem", sagte ich. "Er wird mich gleich holen und ich werde mitgehen und ihn beruhigen. Ich kann ihn beruhigen." Sie sahen mich alle an und schienen etwas irritiert darüber zu sein, dass ich Sasuke so gut zu verstehen glaubte und mit so viel Ruhe und Selbstsicherheit sprach. "Selbst wenn er das täte, das geht nicht!", sagte Fugaku schließlich. Er klang etwas erschöpft. "Er ist vollkommen außer sich, er hat sich nicht im Griff. Er könnte dich verletzten. Wenn er dich mitnehmen will, werde ich das nicht zula-" "Er wird mir nichts tun", unterbrach ich ihn. Ich wusste nicht warum, aber ich war mir da nach wie vor absolut sicher. Sasuke würde mich niemals verletzten. Er wurde etwas grob, wenn er wütend war. Er schlug mal meinen Arm zur Seite oder packte mich etwas zu fest und zerrte mich herum. Aber er überschritt nie eine Grenze. Und ich glaubte auch nicht, dass er das jemals tun würde, ganz egal, was passierte oder wie wütend er wäre. Außerdem, wenn ich ruhig blieb, regte er sich immer schnell wieder ab. Ich war mir ziemlich sicher, dass er draußen war und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen. Er würde nicht einfach ohne mich verschwinden und mich bei den Leuten lassen, die er offenbar für so schrecklich hielt. Ich war sicher, dass sein momentaner Zorn auf mich und seine momentane Enttäuschung nichts an seinen Gefühlen für mich ändern würden. Wir sahen alle zum Türbogen, der in den Flur führte, als wir die Haustür wieder aufgehen hörten. Einen Moment später kam Sasuke ins Wohnzimmer. Er hatte meinen Mantel und meine Schuhe in der Hand. Sein Gesicht war wieder vollkommen frei von Emotionen. Ich stand auf. Er kam auf mich zu und stellte mir wortlos die Schuhe hin. Ich zog sie rasch an. Dann richtete ich mich auf und zog den Mantel an, den er mir auf hielt. "Sasuke-", setzte sein Vater an, aber Sasuke beachtete ihn nicht. Er sah niemanden an außer mir. "Komm mit!", sagte er kühl und griff mich am Oberarm. Ich fühlte mich mal wieder ein bisschen, als ob ich verhaftet würde. Wie damals, als der Mann von der Security in der Firma mich herumgezerrt hatte. Sasuke zog mich ein wenig unsanft in Richtung Flur und auf die Haustür zu. "Bleib hier!", rief ihm Madara nach. Aber Sasuke ignorierte ihn. Er öffnete die Haustür und trat mit mir nach draußen. Bevor die Tür zu fiel, hörte ich, wie Sasukes Vater sagte: "Lass ihn! Vielleicht kann sie ihn wirklich beruhigen." Sasuke hielt mich weiter am Oberarm fest und ging, wie ich erwartet hatte, mit mir auf sein Auto zu. Wahrscheinlich wollte er einfach nur weg hier. Er öffnete die Beifahrertür. "Steig ein!" Aber ich wollte nicht. "Warte Sasuke!", sagte ich und wandte mich zu ihm um, so gut das in seinem Griff ging. "Bitte lass uns jetzt nicht Auto fahren! Du bist wütend und durcheinander. Ich will nicht, dass wir im Auto streiten und ein Unfall passiert." "Ich kann mich schon gut genug zusammenreißen, um keinen Unfall zu bauen", herrschte er mich an. "Dass du mich so angehst, zeigt, dass du dich da vielleicht irrst!", sagte ich entschieden. Er funkelte mich an. "Glaubst du, du bist gerade in der Position, Forderungen an mich zu stellen?" "Bitte", sagte ich sanft. "Du weißt doch, was ich mit einen Eltern erlebt habe. Wenn du mich jetzt dazu zwingst einzusteigen, macht mir das Angst!" "Verdient hättest du es!", zischte er. Aber er schlug die Autotür wieder zu und wandte sich stattdessen, immer noch mit seinem festen Griff um meinen Arm, auf das Tor zu, um das Anwesen zu Fuß zu verlassen. Ich beeilte mich, Schritt zu halten, damit er mich nicht zu sehr ziehen musste. Das war allerdings gar nicht so einfach, er schien es ziemlich eilig zu haben, hier wegzukommen. Verständlicherweise. "Ich weiß, dass du das nicht so meinst!", sagte ich ruhig. "Ach ja?", fragte er gereizt. "Ja!", sagte ich. "Und du brauchst mich übrigens auch nicht festzuhalten, ich würde sowieso mitkommen. Außerdem tust du mir weh!" Er ließ nicht los und damit hatte ich auch nicht gerechnet. Er hielt mich schließlich nicht fest, damit ich nicht weg lief, sondern, weil er selbst Halt brauchte. Er versuchte, sich selbst das Gefühl zu geben, dass er über etwas die Kontrolle hatte, weil er so aufgewühlt war und sich hilflos fühlte. Aber er lockerte bei meinen Worten sofort seinen Griff ein wenig, sodass es nicht mehr weh tat. "Wo willst du hin?", fragte ich. "Weg!", sagte er nur. Aber er schien doch, bewusst oder unbewusst, ein Ziel zu haben, denn er schritt entschlossen die Straße entlang und bog zweimal ab, ohne zu zögern. Das Viertel war still. Es hatte angefangen leicht zu schneien und es wurde schon ein wenig dunkel. Niemand war zu sehen. Wahrscheinlich saßen die Bewohner dieser Gegend alle in ihren teuren Villen vor ihren Kaminfeuern und genossen den frühen Sonntag Abend, während draußen der erste Schnee fiel. Nach etwa zwei Minuten, die ich schweigend neben Sasuke hergegangen war, zeigte sich, dass er tatsächlich eine Art Ziel gehabt hatte. Er bog in einer Seitenstraße durch ein kleines Steintor. Dahinter lag ein Spielplatz. Allerdings viel hübscher und besser in Stand, als die Spielplätze, die ich kannte. Der kleine Platz war von mehreren großen Weidenbäumen umstellt, die den Eindruck eines kleinen Parks erschufen und eine gewisse Privatsphäre boten. In allen Richtungen konnten man die Dächer und leuchtenden Fenster von weiteren Villen sehen, aber da die Grundstücke allesamt so groß waren, schienen sie weit weg zu sein. Die blätterlosen Äste der Weiden strichen in sanftem Wind über den Boden, auf dem ein wenig Herbstlaub lag. Allerdings nicht viel. Vermutlich wurde das alte Laub regelmäßig entfernt. Die Atmosphäre hatte in der frühen, kalten Abenddämmerung etwas Trostloses und etwas Wunderschönes zugleich. Sasuke ließ mich los. Er ging ein paar Schritte weiter zu einer Bank. Elegant wie immer machte er einen Schritt auf die Bank und setzte sich dann oben auf die Lehne, die Füße auf der Sitzfläche. Er stützte seine Unterarme auf seine Oberschenkel und verschränkte locker seine Finger miteinander. Er hielt den Kopf gesenkt und betrachtete schweigend seine Hände. Ich gab ihm kurz ein paar Sekunden, dann ging ich vorsichtig auf ihn zu und blieb einen Meter vor ihm stehen. Er sah nicht auf, sondern betrachtete weiter seine Finger. "Es tut mir wirklich Leid Sasuke", sagte ich leise. "Darf ich mich erklären?" "Ja", sagte er. Ich trat noch einen kleinen Schritt näher an ihn heran. Ich hätte ihn gerne berührt, aber ich glaubte, dass es dafür noch ein wenig zu früh war. Erst musste ich reden. "Ich weiß, es war ein Fehler, dir nicht gleich davon zu erzählen. Und das tut mir wirklich leid. Wenn ich könnte, würde ich es anders machen. Letzte Woche am See, als ich dich gebeten habe, mir zu versprechen, dass du mir zuhören würdest, wenn ich dich enttäusche, da wusste ich endlich sicher, dass ich es dir sagen musste. Aber ich hatte einen Grund, warum ich es nicht gleich tun wollte." "Ich hätte dir auch so zugehört", unterbrach er mich leise. "Auch ohne dieses Verprechen. Ich hätte mich trotzdem genauso verhalten wie jetzt." Diese Worte von ihm sorgten dafür, dass sich in mir ein warmes Gefühl ausbreitete. Ich merkte, dass ich mich nicht erklären würde, damit er mir verzieh, sondern nur einfach so. Nur weil ich es wollte. Und weil er es hören sollte. Das war eine Erleichterung. "Als dein Vater mit diesem Vertrag zu mir kam, hatte ich Angst vor ihm", fuhr ich fort. "Er war mir unheimlich. Ich war überfordert und in Gedanken halb bei dem Termin mit meiner Betreuerin vom Jungendamt, die nur zehn Minuten später kommen wollte. Du weißt ja, wie nervös ich war, weil ich den ersten Termin versäumt hatte. Als ich es geschafft hatte, dass dein Vater ging, ohne, dass ich gemacht hatte, was er wollte und als ich den Termin mit meiner Betreuerin hinter mir hatte, war ich einfach nur erschöpft und erleichtert, dass alles irgendwie gut gegangen war. Ich wollte unser Glück, mein Glück, genießen und ich wollte dir nichts von dem Besuch deines Vaters sagen, um dir diese Verletzung und Enttäuschung zu ersparen. Ich dachte damals, wenn ich dir das sage, dann brichst du vielleicht mit deiner Familie oder verstehst dich noch schlechter mit ihnen und dann wäre ich schuld daran. Den Gedanken konnte ich nicht ertragen. Damals konnte ich alles noch nicht so gut einschätzen. Nach der Sache mit Neji wurde mir klar, dass es wichtig ist, dass wir immer miteinander sprechen und nicht mehr solche Alleingänge machen. Ich entschied, dass ich es dir sagen würde. Aber ich wollte warten, bis wir zurück wären. Ich hatte vor, deinem Vater die Chance zu geben, es dir von sich aus zu sagen. Ich vermisse meine Familie so sehr. Und du hast es ja schonmal richtig erkannt, wahrscheinlich habe ich meinen Wunsch nach einer intakten, glücklichen Familie wirklich auf euch projiziert. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, dass ihr das nicht wieder hinbekommt miteinander. Seit wir zurück sind, habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, deinen Vater alleine zu sprechen. Nach dem, was du heute für mich getan hast, wegen Madara und dieser Unterschrift meine ich, da habe ich entschieden, es dir sofort zu sagen. Als du geduscht hast, bin ich runter und habe deinem Vater gesagt, dass er es dir entweder jetzt sofort erzählen kann oder ich wieder hoch gehe und es selbst tue. Dein Vater und dein Onkel waren nicht begeistert davon, sie haben versucht mich zu überreden, dass wir das um einen Tag verschieben, sie wollten, dass du wegen dieser Sache in der Firma einen klaren Kopf hast. Aber ich konnte es keine Minute mehr für mich behalten. Ich habe heute erst so richtig verstanden, wie viel wichtiger es ist, dass du mir vertrauen kannst, als dass du ihnen vertrauen kannst. Es tut mir leid, dass ich dafür so lange gebraucht habe. Meine eigenen Wünsche und Sehnsüchte, haben mich nicht ganz klar sehen lassen, was für dich am besten ist. Das war übergriffig von mir. Auf dem Weg nach unten habe ich Hana getroffen. Sie hat fiese Dinge zu mir gesagt. Ich glaube, sie stand etwas neben sich, weil sie eifersüchtig war. Ich glaube, sie hat gelauscht und uns beim Sex gehört und das war zu viel für sie. Und sie muss gehört haben, was ich mit deinem Vater und Onkel gesprochen habe und sie ist noch vor deinem Onkel hoch gegangen, um den Vertrag zu holen und ihn dir zu geben. Er hatte blöderweise erwähnt, dass er auf seinem Schreibtisch läge. Sie wollte erreichen, dass du wütend auf mich bist." Sasuke schnaubte verächtlich, vielleicht weil er das für so einen dummen Gedanken hielt. Er hob endlich den Kopf und sah mich an. Ich lächelte vorsichtig. "Naja, hat ja auch irgendwie funktioniert, oder? Du bist wütend auf mich." Sein Blick war wieder sanfter und er klang ruhiger, als er sagte: "Nein. Ich bin eigentlich nicht wütend auf dich. Meine Familie hat dich in eine total bescheuerte Situation gebracht. Tut mir leid, dass du dem ausgesetzt warst. Ich bin wütend, weil ich alles versuche, um dich vor ihnen zu schützen und du dann trotzdem mit sowas konfrontiert wurdest. Und ich komme mir wie der letzte Idiot vor, dass ich es nichtmal wusste. Als Einziger." "Du brauchst mich aber nicht so viel zu beschützen, wie du ständig denkst. Ich musste im Leben sowieso lernen, alleine zurecht zu kommen." Ich lächelte ein wenig scherzend. "Und so schlecht bin ich darin gar nicht. Außer bei Feuer. Das ist leider meine Schwachstelle." Er schnaubte wieder, aber es klang ganz leicht belustigt. Ich streckte vorsichtig die Hand aus und legte sie auf sein Knie. Er hielt mich nicht davon ab, offenbar konnte er Berührungen wieder zulassen. "Also, was machen wir jetzt?", fragte er plötzlich wieder in seinem normalen, leicht überheblichen und selbstsicheren Tonfall. "Sollen wir was Essen gehen? Ich habe Hunger. Ich habe zwar weder meinen Geldbeutel noch mein Smartphone einstecken, aber im Auto habe ich ein paar Tausend Euro für Notfälle." Ich musterte ihn skeptisch. "Du hast ein paar Tausend Euro in deinem Auto? Für was für Notfälle denn?" Er grinste und griff in meinen Nacken, um mich zu sich zu ziehen. "Na, Hunger zum Beispiel", raunte er gegen meine Lippen und gab mir kurz einen Kuss. Aber ich zog mich los. So würde das jetzt nicht laufen. Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht schon wieder, dass er vom Thema ablenkte. "Du meinst wohl eher, falls du nicht ins Haus zurück willst, aber Geld brauchst!", sagte ich ernst. Sein Gesichtsausdruck wurde auch wieder ernst. "Sorry für die Szene eben. Aber ich will nicht drüber reden." Das hatte ich befürchtet. Doch ich wollte jetzt endlich wissen, was mit Itachi Uchiha passiert war. Ein Großteil von Sasukes Wut und seinen Aggressionen hatte damit zu tun. Weil er schrecklich unter dieser Sache litt. Und ich wollte ihm helfen und für ihn da sein können. Doch das war unmöglich, wenn er mich ausschloss. "Sasuke, bitte erzähle mir von deinem Bruder", sagte ich vorsichtig. "Es hilft doch nichts, wenn du versuchst, das immerzu zu verdrängen. Es geht dir nicht gut damit!" "Lass es, Sakura." Er war so unglaublich stur! "Nein!", sagte ich entschieden. "Ich will, dass wir jetzt darüber reden! Ich hasse es, dich leiden zu sehen und nicht zu wissen warum!" Er machte "tss" und wandte den Kopf ab. "Sasuke, ist dein Bruder noch am Leben?", fragte ich einfach gerade heraus. Vielleicht sollte ich ihn wieder provozieren, bis er wütend wurde. Dann war er in der Regel gesprächiger. "Hör auf!", sagte er deutlich und sah mir wieder ins Gesicht. Ein bisschen verärgert schien er bereits zu sein. "Es klingt nämlich manchmal fast so, als ob er tot wäre!", sagte ich erbarmungslos. Ich wollte nicht so hart sein, aber so konnte es einfach nicht weiter gehen. Er stand mit einem Ruck auf und machte einen Schritt von der Bank runter auf den Boden. Ich machte rasch einen Schritt zur Seite, damit ich vor ihm stand und er nicht weggehen konnte. Er blieb stehen und wandte den Blick ab. "Du hast eben gesagt, deine Eltern hätten ihn kaputt gemacht. Was genau meinst du damit?", fragte ich vorsichtig. Er schwieg und seine schwarzen Haarstähnen fielen ihm ins Gesicht. Wegen der Abenddämmerung konnte ich seinen Gesichtsausdruck in den Schatten nicht richtig sehen. "Dann sag mir wenigstens, warum du nicht darüber reden willst oder kannst!", sagte ich. "Wieso ist es so schwierig für dich, darüber zu sprechen?" Er sagte etwas, aber es war so leise, dass ich es nicht verstehen konnte. "Was?", fragte ich eindringlich nach. "Ich schäme mich!", sagte er laut und heftig und sah mir ins Gesicht. In seinen Augen war eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. "Und ich weiß nicht, ob er tot ist, okay? Ja, vielleicht! Vielleicht ist er tot! Und ich hasse mich, weil ich auch daran schuld bin, dass er zerbrochen ist! Ich hasse mich dafür und deshalb rede ich nicht darüber! Bist du jetzt zufrieden?" Seine Worte waren immer lauter geworden und er sah so verweifelt aus, dass ich ihn am liebsten sofort umarmt hätte. Aber ich hatte das Gefühl, dass er es nicht zulassen würde, also versuchte ich es gar nicht erst. "Wie meinst du das?", fragte ich leise und behutsam. Er drehte sich um, setzte sich auf die Sitzfläche der Bank und vergrub für einen ganz kurzen Moment das Gesicht in seinen Händen. Dann setzte er sich aufrechter hin, stützte wieder die Unterarme auf die Oberschenkel und sah auf seine verschränken Finger. Er schwieg. "Hat es etwas mit Drogen zu tun?", fragte ich schließlich. Er hob den Kopf und sah mich irritiert an. Ich ging zu ihm hinüber und setzte mich behutsam neben ihn. "Ich bin dir damals gefolgt. Als wir im Club waren und du diesen Mann draußen in der Gasse getroffen hast. Dem du 500 Euro gegeben hast." Nun wirkte er entsetzt. "Was?", fragte er leise und entgeistert. Aber ich hatte nicht vor, darauf nun weiter einzugehen, darum fuhr ich rasch fort. "Ich glaube, du hast dem Mann Geld gegeben, weil du versuchst, deinen Bruder zu finden, nicht wahr? Ich habe den Mann schonmal gesehen. Zwar nur aus der Ferne, aber ich weiß, dass er meinem Ex-Freund Gras verkauft hat, er war sein Dealer." "Du bist echt unglaublich", sagte er tonlos und ich war mir nicht ganz sicher, ob das nun ein Kompliment oder eine Kritik war. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht, wie er es gemeint hatte. Ich überging es. "Naja, und da dachte ich, dass dein Bruder wahrscheinlich ebenfalls so einem Leistungsdruck ausgesetzt war, wie du es bist und es vielleicht zu viel für ihn wurde. Dass er vielleicht angefangen hat, irgendwelches Zeug zu nehmen, das ihm geschadet hat. War es so?" Sasuke wandte den Blick wieder ab und sah erneut auf seine Finger. Ich dachte schon, er würde gar nicht mehr antworten aber schließlich sagte er: "Ja, gut kombiniert." Ich schwieg, in der Hoffnung, dass er anfangen würde zu erzählen und irgendwann tat er es tatsächlich und meine Geduld wurde endlich belohnt. Er sprach leise und eine Stimme war voller Resignation und Verbitterung. "Itachi ist vier Jahre älter als ich", fing er an. "Er war immer mein Held. Seit ich denken kann. Er war ein toller großer Bruder. Er war immer für mich da. Wenn ich Mist gebaut hatte und Ärger bekam, hat er sich immer schützend vor mich gestellt. Ich habe ihn vergöttert. Auf gewisse Weise war er mehr wie ein Elternteil für mich, als mein Vater oder meine Mutter. Er hat mich immer bestärkt, mir gut zu geredet, mich getröstet, wenn ich traurig war. Er war immer da. Weil wir schon als Kinder viele Verpflichtungen hatten, Sport, Musik, Bildung, Zusatzunterricht, waren wir oft zusammen. Wir haben immer viel Zeit miteinander verbracht. Für Freunde blieb bei unserem Pensum nie wirklich Zeit, aber das war okay, wir hatten ja einander. Meine Eltern waren streng und hatten hohe Erwartungen an uns, genau wie Madara und der ganze Rest unserer Familie. Aber meine frühe Kindheit war in Ordnung, weil Itachi da war. Ich fand ihn großartig, ich habe immer versucht, ihm nachzueifern und so toll zu sein, wie er. Er war immer in allem gut. Und ich nicht. Aber nicht, weil ich schlecht war, sondern einfach, weil ich vier Jahre jünger war. Es ist völlig normal, dass ein Zehnjähriger Dinge besser hinbekommt, als ein Sechsjähriger. Doch obwohl ich ihn vergöttert und bewundert habe, war er auch immer mein Ziel, mein Konkurrent. Es hieß ständig 'sei wie dein Bruder', 'mach das wie Itachi', 'Itachi bekommt das doch auch hin, streng sich so an, wie er'. Aber wenn ich es schaffte, war das nichts Besonderes, weil er es immer vor mir geschafft hatte. So lief es eine lange Zeit. Ich weiß gar nicht genau, wann es anfing, sich zu verändern. Es kam schleichend. Aber es kam eine Zeit, da war ich plötzlich oft besser als er. Bei allen möglichen Sachen, die von uns erwartet wurden. Itachi hat einen vollkommen anderen Charakter als ich. Ich komme nach meinem Vater, aber Itachi ist viel freundlicher und sanftmütiger. Er ist nicht ständig aufs Kämpfen und Gewinnen aus. Er machte nicht so gerne Sport, er zeichnete lieber. Er mied Konflikte, wo er konnte, anstatt Kämpfe auszufechten und sie gewinnen zu wollen. Aber in unserer Familie hatten seine Stärken keinen Platz und keinen Wert. Du hast ja mitbekommen, dass bei uns niemand über Gefühle redet. Es geht nur um Leistung und Macht, ums Gewinnen und Führen und Befehlen. Ich kann das gut. Es liegt mir. Ich weiß, ich werde das Unternehmen einmal so gut leiten können, wie mein Vater. Und das kann er wirklich gut. Madara auch. Sie sind streng, aber sie sind fair. Man respektiert sie. Sie haben sich immer im Griff, sie sind höflich und gehen gut mit den Angestellten um. Sie sind kompetent und begabt. Sie haben die richtige Mischung aus Risikofreudigkeit und Vorsicht. Sie können sich durchsetzten, Verträge so verhandeln, wie es für sie am vorteilhaftesten ist. Und alle haben immer erwartet, dass Itachi und ich auch so werden müssten. Für mich war es auch nicht immer leicht. Ich muss sehr diszipliniert sein, um mein Pensum zu schaffen. Aber ich kann das. Ich kann ein guter Anführer sein. Ich kann mir Respekt verschaffen, ich kann ruhig bleiben in schwierigen Situationen und auch unter Stress rational entscheiden und handeln. Ich kann Leute dazu bringen, zu tun, was ich für richtig halte. Mir fällt das leicht, weil es mir Spaß macht, zu kämpfen und zu gewinnen. Für Itachi war es nie leicht. Das liegt nicht in seiner Natur. Ich genoss es, dass ich plötzlich der Tolle war. Dass ich gelobt wurde. Meiner Familie gefiel, was ich leistete, sie waren stolz auf mich. Und ich war zufrieden, weil ich endlich Anerkennung bekam. Ich war dumm und überheblich und ich habe viel zu lange gebraucht, um zu kapieren, dass es Itachi immer schlechter ging. Ich war immer der Kleine gewesen, ich war es einfach nicht gewohnt, dass ich mich um ihn kümmerte. Es war immer anders herum gewesen. Und ich wollte, dass es so blieb. Ich wollte, dass er weiter mein toller großer Bruder war, den ich anhimmeln konnte und der immer für mich da war. Er hat versucht, zu verheimlichen, dass es ihm schlecht ging. Besonders vor mir. Und ich dachte eine Weile, er hätte einfach keine Lust mehr, dass er sich einfach nicht anstrengte. Das dachten mein Vater und Madara jedenfalls. Sie machten ihm immer mehr Druck. Aber ihn kostete Manches unglaublich viel Energie, was mir leicht fiel. Als ich endlich kapierte, wie schlecht es ihm ging, schlief er schon eine Weile nicht mehr richtig und hatte angefangen Schlaftabletten zu nehmen. Ohne konnte er gar nicht mehr schlafen. Ich versuchte ihm irgendwie zu helfen, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er sagte mir, dass ich auf keinen Fall etwas zu meinen Eltern sagen durfte. Er fing an auch irgendwelches anderes Zeug zu nehmen, um leistungsfähig zu bleiben. Ich versuchte alles, um für ihn da zu sein. Ich übernahm seine Aufgaben wo es ging und versuchte zu vertuschen, dass er immer weniger bewältigen konnte, was von ihm erwartet wurde. Er sprach immer weniger mit mir. Ich fühlte mich verloren und ausgeschlossen, aber ich riss mich zusammen, weil ich sah, dass es ihm schlechter ging als mir. Irgendwann habe ich kapiert, dass ich ihm nicht helfen konnte. Obwohl er es nicht wollte, habe ich schließlich versucht, mit meinen Eltern darüber zu reden. Ich versuchte, ihnen klar zu machen, dass ich glaubte, dass Itachi Hilfe bräuchte. Ich sagte, er müsse eine Therapie machen. Aber das wollten sie nicht hören. Von sowas halten sie nichts. Sie glauben, sowas sei Schwachsinn und würde nichts bringen. Und außerdem, ein Uchiha macht keine Therapie, ein Uchiha hat keine Psychoprobleme. So etwas war Schwäche und ein Uchiha hat nicht schwach zu sein. Noch dazu kam, dass ich glaube, dass Itachi auf Männer steht. Ich glaube, er ist schwul. Und das hat ein Uchiha natürlich auch nicht zu sein. Er muss sich schrecklich gefühlt haben und er hat sich immer mehr zurückgezogen und in Drogen geflüchtet und ich konnte ihm nicht helfen und musste zusehen, wie es immer schlimmer wurde. Ich habe versucht ihn zu überreden, heimlich eine Entzugskur anzufangen, aber das wollte er nicht. Ich glaube, er war schon zu weit in seiner Sucht versunken und das war alles, was er noch hatte. Er wollte davon gar nicht mehr loskommen. Also erzählte ich meinen Eltern schließlich davon, weil ich einfach nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Meine Mutter heulte bloß und mein Vater wurde sehr wütend und tat so, als wäre Itachi einfach undiszipliniert. Es gab an diesem Abend einen riesen Krach und am nächsten Morgen war Itachi verschwunden. Er hatte kaum etwas mitgenommen. Er hatte nur sein ganzes Konto leergeräumt und war weg. Ohne eine Nachricht. Das war vor drei Jahren. Und seitdem haben wir nie wieder von ihm gehört. Seit drei Jahren versuche ich, ihn zu finden. Ich rufe regelmäßig in Krankenhäusen und Entzugskliniken an. Aber die dürfen natürlich keine Auskunft geben und es kommt nichts dabei herum, selbst wenn ich jemanden finde, den ich bestechen kann. Ich habe vor zwei Jahren seinen Dealer ausfindig machen können, das war der Mann, den du gesehen hast. Ich bezahle ihn dafür, dass er die Augen offen hält, falls Itachi wieder auftauchen sollte. Ich habe ihn in der Hand, ich setze ihn unter Druck, damit er schweigt. Er ist zum Glück nicht besonders intelligent und er hat Angst vor mir. Und er will das leicht verdiente Geld. Darum redet er nicht. Zum Glück. Wenn das an die Medien käme, wäre es ein riesen Problem. Doch mit jedem Tag, der vergeht, mit jedem Tag, an dem ich nichts über Itachi höre, wird es wahrscheinlicher, dass es so ist, wie ich befürchte. Nämlich, dass er mit dem ganzen Geld einfach noch mehr Drogen gekauft hat und von irgendwas eine Überdosis genommen hat. Und dass er einfach tot in irgendeiner ranzigen Gasse oder Wohnung liegt und ich daran schuld bin, weil ich nicht mehr getan habe, um ihm zu helfen. Weil ich zu lange nicht sehen wollte, dass er nicht mehr mein großer, toller Bruder war. Weil ich zu spät angefangen habe, für ihn da zu sein, wie er es immer für mich war-" Seine Stimme brach und er verstummte. Ich spürte, wie meine Augen zu brennen begangen, weil Tränen in mir aufstiegen. Ich versuchte, sie zu unterdrücken und es klappte so einigermaßen. Ich wollte jetzt nicht weinen. Das war alles so unendlich schrecklich, aber für ihn musste es so derart schlimm sein, dass ich jetzt einfach nicht weinen durfte! Dann würde er sich nämlich wieder zusammenreißen und sich um mich kümmern. Doch hier ging es gerade nicht um mich. Sasuke sah immer noch auf seine Hände, sein Blick war leer und alles, was ich in seinem Gesicht erkennen konnte, war Schmerz. "Er fehlt mir so sehr...", sagte er ganz leise. "Ich will ihn zurück. Ich würde alles hergeben, um ihn zurückzubekommen." Er hob den Kopf und sah mir ins Gesicht. Sein Mund verzog sich zu einem schmerzvollen Lächeln. "Alles außer dir. Du bist das einzig wirklich Gute, was mir je passiert ist und ich habe dich eigentlich gar nicht verdient. Ich-" "Hör auf!", sagte ich laut und zornig. "Du hast es verdient! Du hast es verdient, glücklich zu sein! Was passiert ist, ist absolut nicht deine Schuld!" Er lachte leise und bitter, als würde er das anders sehen. Er hob die Hand und legte sie an meine Wange. "Du bist so wundervoll", flüsterte er. "Du bist so wundervoll Sakura. Ich bin so dankbar, dass ich dich gefunden habe. Durch dich kann ich ein besserer Mensch sein. Durch dich kann ich mich selbst wieder ein bisschen gern haben. Weil ich nicht nur Hass und Angst verbreiten kann, sondern auch jemanden glücklich machen kann. Du hilfst mir so sehr, wieder auf Andere zuzugehen und freundlicher zu sein. Wieder Spaß zu haben. Wieder zu Lachen. Ich wusste gar nicht mehr, dass ich das überhaupt kann." "Und du hast nie mit jemandem darüber sprechen können?", fragte ich verzweifelt. "Auch nicht mit Naruto?" Er lächelte traurig. "Naruto ist toll. Nachdem Itachi weg war, war ich ganz alleine. Ich wahr ekelhaft zu jedem und mein einziger Kontakt waren irgendwelche Affären. Naruto hat scheinbar irgendwie gesehen, dass es mir nicht gut ging. Er ist auf mich zugegangen und hat versucht, sich mit mir anzufreunden. Ich hatte ein riesiges Problem damit, Leute an mich heranzulassen und Bindungen einzugehen. Ich war wirklich schrecklich zu ihm. Aber er hat es einfach ignoriert. Er war einfach immer da. Er hat meine Launen einfach ausgehalten, als würde es ihm nichts ausmachen. Bis ich mich irgendwann an ihn und seine ständige Anwesenheit gewöhnt hatte. Irgendwann war ich netter zu ihm. Wir fingen an, uns manchmal zu zweit zu treffen. Und irgendwann fing er an, Shikamaru und Kiba anzuschleppen. Sie mochten mich nicht. Sie verstanden nicht, warum Naruto unbedingt mit mir befreundet sein wollte. Ehrlich gesagt, verstehe ich das auch bis heute nicht richtig. Aber irgendwann haben wir uns alle aneinander gewöhnt. Trotzdem war ich ständig ekelhaft zu fast jedem. Ich bekam es einfach nicht besser hin. Ich wollte eigentlich nichtmal so sein. Aber Shikamaru und Kiba fingen wie Naruto an, es einfach zu ignorieren. Meine Gemeinheiten einfach als Scherz zu sehen. Und das half mir enorm, denn ich konnte dadurch meine Gefühle regulieren und Druck abbauen und dennoch konnte ich Freunde haben. Ich war ihnen sehr dankbar. Und das bin ich noch. Aber darüber geredet habe ich nie. Über alles. Über Itachi. Das habe ich gerade zum ersten Mal getan." Er lächelte leicht. "Es hat sich nicht so schlimm angefühlt, wie ich erwartet hatte. Wahrscheinlich hast du recht und es ist besser so." Ich saß da und betrachtete ihn nachdenklich. Ich war so dankbar. Dankbar, dass Naruto so toll war. Er und Hinata passten einfach so wunderbar zusammen. Sie waren beide so unglaublich wunderbare Menschen. Und ich war dankbar, dass Sasuke es endlich geschafft hatte, mir alles zu erzählen. Ich griff nach seiner Hand und er zog sie nicht weg. "Danke Sasuke", sagte ich ernst. "Danke, dass du das mit mir geteilt hast. Das ist so ziemlich das Schrecklichste, was ich je gehört habe. Und du bist unglaublich stark!" Er lachte wieder bitter. "Ich bin einfach nur ein Idiot Sakura. Und ich habe Angst, dass du mich nun verachtest. Ich wollte so gerne, dass du mich toll findest." Ich musste nun doch schluchzen. Das war alles so traurig. Und es tat mir so leid, dass er glaubte, dass er eine Schuld daran tragen würde. Ich konnte mich nicht mehr zusamenreißen und fiel ihm um den Hals. Er schien kurz überrascht. Dann schlang er seine Arme um mich und drückte mich an sich. So verharrten wir ein paar Minuten, bis wir einander schließlich gleichzeitig wieder losließen. Ich musterte ihn traurig. Er wirkte schon wieder gefasst. Wie machte er das nur? "Du bist kein Idiot", flüsterte ich. "Ich wüsste wirklich nicht, wofür ich dich verachten sollte. Und ich finde dich unglaublich toll! Jetzt noch mehr." Er lächelte ein wenig gequält, aber ich glaubte, ein klein wenig Erleichterung zu erkennen. "Und deine Eltern haben nie mit dir darüber gesprochen?", fragte ich ein wenig verzweifelt. Er schüttelte den Kopf. "Nein. Ich glaube, sie sind im Grunde froh, dass er weg ist. Dass sich das Problem irgendwie von selbst erledigt hat. Sie stehen auch unter Druck. Unsere Familie ist, wie schon gesagt, alt und ziemlich groß. Alle erwarten von meinen Eltern, dass sie einen perfekten Nachfolger und Erben aufziehen. Dass sie nicht ruinieren, was unsere Vorfahren seit Generationen aufgebaut haben. Meine Großeltern haben meinen Vater und Madara wahrscheinlich genauso erzogen, wie meine Eltern Itachi und mich. Und meine Mutter ist schwach. Sie traut sich nicht, etwas gegen meinen Vater oder Madara oder meinen Großvater und meine anderen Verwandten zu sagen. Mein Vater und sie wurden verheiratet, weil beide Familien fanden, dass es vorteilhaft wäre. Ich glaube, sie hassen einander nicht gerade, aber sie können auch nicht viel miteinander anfangen. Das war nie eine Beziehung auf Augenhöhe. Ich glaube nicht, dass sie viel miteinander sprechen, schon gar nicht darüber, wie sie sich fühlen. Es ist nicht so wie bei uns. Du bist stark. Du kannst dich gegen mich durchsetzen. Du bist sogar auf gewisse Weise stärker als ich. Du gleichst meinen Schwächen aus, du kannst mich bremsen, wenn ich überreagiere. Du bist ganz anders als meine Mutter. Du bist kein hübsches Anhängsel, du machst mich stärker und besser." Ich lächelte. Es war so schön, dass ich ihm offenbar so viel bedeutete. So viel, wie er mir. "Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass deinen Eltern die Sache mit deinem Bruder so gleichgültig ist, wie du denkst!", sagte ich nachdrücklich. "Das kann einfach nicht sein!" Er lachte wieder bitter. "Tja, ich kann mit das schon vorstellen." Er stand auf. Er stellte sich vor mich und zog mich an der Hand hoch. Und zwar mal wieder mit so viel Kraft, dass ich, wie schon so oft, gegen ihn stolperte. Er grinste und legte seinen Arm um mich, um mich zu stabilisieren. "Was hast du vor?", fragte ich etwas überrumpelt. Er antwortete nicht gleich, sondern küsste mich erst sanft und liebevoll. Dann löste er sich und sagte: "Wieder rein gehen. Deine Hände sind schon eiskalt. Du frierst. Und ich will mir anhören, was ich für morgen wissen muss. Mein Vater und Madara haben ja anscheinend Pläne für mich." Er legte mir seinen Arm um die Schultern und wandte sich zum Gehen. "Bist du sicher, dass du das jetzt willst?", fragte ich vorsichtig, während wir zurück auf das kleine Steintor zu gingen, das wieder zur Straße führte. Während wir über die feine Schicht aus gefallenem Schnee liefen, ließ Sasuke seinen Blick sehnsüchtig über den Spielplatz und die Bäume wandern und ich fragte mich, ob er wohl früher öfter mit Itachi hierher gekommen war. "Was soll ich sonst tun?", erwiderte er ruhig. Er schien sich wieder vollkommen unter Kontrolle zu haben. "Vom Rumsitzen und Grübeln ist noch nie etwas besser geworden. Ich handle lieber. Je schneller ich eine Position im Unternehmen bekomme, desto schneller komme ich an mehr Geld und Ressourcen, um nach meinem Bruder zu suchen. Und je mehr Macht und Einfluss ich habe, desto besser kann ich dafür sorgen, dass du sicher bist und uns niemand trennen kann." "Aber wird dir das denn nicht zu viel Sasuke?", fragte ich überfordert. Es machte mich völlig fertig, was er erzählt hatte. Er lächelte. "Nein. Du vergisst, dass ich seit Jahren damit lebe. Mir geht es damit nicht anders als gestern oder heute Morgen. Die Sache mit dem Vertrag war nur gerade ein bisschen zu viel für mich. Aber es hilft niemandem, wenn ich jetzt ein Drama daraus mache. Mir nicht, dir nicht, meinem Bruder nicht. Gehen wir zurück!" Ich ging schweigend neben ihm her und genoss den Frieden zwischen uns und die Wärme, die von seinem Körper aus ging. "Was meinst du, wie deine Eltern jetzt reagieren werden?", fragte ich, als wir die Stufen zur Haustür hochstiegen und er seinen Schlüssel aus der Tasche zog. Er lächelte bitter. "Die werden es einfach übergehen, wie immer." Und ich hoffte inständig, dass sie das nicht tun würden. Dass er sich dieses Mal irrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)