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Im Wechsel der Jahreszeiten

von

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Collage / Die Hochzeitsreise Teil 2 - Tauben und Tintenfische

Schnappschüsse aus Venedig.

Jako hatte seine Fotokamera mit. Wie sollte es auch anders sein.

Er fing Schnappschüsse ein. Aber hin und wieder trug auch Marti die Kamera, und fing auf seine ganz eigene Weise Momente ein...

Sie wollten später die schönsten davon als echte Fotos anfertigen lassen. So richtig auf Papier. Zum anfassen. Und sie in ein Album einsortieren. Und das Album sollte mit „Collage“ beschriftet werden.
 

Schnappschüsse aus Venedig.

Jako inmitten wild flatternder Tauben.

Das war auf dem Markusplatz gewesen.

Sie waren mit dem Boot nach dem Frühstück im Hotel durch die Lagune gefahren. Und am Markusplatz ausgestiegen. Waren herumspaziert und hatten mit großen Augen alles in sich aufgenommen.

Der Dogenpalast... die großartigen Palazzi... die Cafés und Läden... die Menschen...

Sie hatten sich treiben lassen durch Gassen, über kleine Brücken und Plätze... Irgendwann waren sie dann zurück auf dem Markusplatz und setzten sich in ein kleines Café, um einen Cappuccino zu trinken.
 

Eine Familie kam auf den Platz, die so offensichtlich nach amerikanischen Touristen aussahen, dass sie entweder jedes, aber auch jedes noch so dumme Klischee bestätigten, oder ein Fake sein mussten. Dummerweise sprach alles für Variante eins.

Inklusive das Hundes. Ein golden Retriever, der fröhlich mitten unter die Tauben sprang und heillose Verwirrung unter ihnen stiftete.

Kaum hatte sich die Lage beruhigt, sprang er wieder los und scheuchte wieder alles auf, und das, obwohl die Tauben hier doch sicher Kummer gewöhnt waren.

Die Familie versuchte erfolglos, ihres Hundes Herr zu werden und fing an, auf englisch und mit eindeutig texanischem Akzent durcheinander zu schimpfen.

Japp, Amerikaner. Captain Ovious strikes again.
 

Marti konnte vor Lachen über das Schauspiel seine Tasse nicht mehr halten und stellte sie klirrend auf dem Tischchen ab.

Irgendwann war es den guten Leuten dann gelungen, ihren Hund zu packen und wieder an die Leine  zu kriegen. Sie zogen weiter, aber Marti lachte immer noch.

„Diese Tauben sind aber auch so dämlich“, sagte er, während Jako den Kaffee bezahlte.

„Da kann man den Hund echt verstehen.“

„Ja“, sagte Jako kichernd. „Da möchte man fast selber Hund sein.“

Marti grinste. Und der Schabernack, der in seinem Hirn gerade ein Nickerchen gemacht hatte (fest schlafen tat der nie, nicht mal nachts, was Martis manchmal schräge Träume erklärte), sprang auf, bewegte ein paar von Martis Muskeln und aktivierte sein Sprachzentrum.

Das Ergebnis war, dass Marti sagte:

„Ja,Jako, braver Hund. Und jetzt fass!“

Und dabei tat er so, als würde er ein Stöckchen werfen, mitten in die Tauben hinein.
 

Zu seiner Überraschung machte Jako den Spaß mit. Er sprang auf und stürzte sich mit einem imitierten Bellen mitten unter die wild aufflatternden Viecher. Marti schnappte sich geistesgegenwärtig die Kamera, und es gelang ihm, ein paar wirklich schöne Shoots zu machen, bevor sie sich beide vor lachen gegenseitig stützend, versuchten, wieder zu Atem zu kommen.

Die Blicke der Leute ringsum hätte man auch glatt fotografieren mögen. Die Allgemeinheit schien unsere beiden für völlig bekloppt zu halten.

Na ja, so ganz falsch lag man damit ja nicht.
 

Schnappschüsse aus Venedig.

Marti mit einem herrlichen Eis, genüsslich am Schlecken, mit baumelnden Beinen und bloßen Füssen, am Rande eines kleine Kanals. Die Schuhe neben sich.

Das war am zweiten Tag gewesen und eigentlich war Jako sauer auf Marti gewesen. Marti war aber auch manchmal sonst wo mit seinen Gedanken...

Marti hatte Jakos Kamera getragen.

Sie waren in einem kleinen Laden gelandet, in dem Bücher und Zeichnungen zu bestaunen waren... und zwar ausschließlich über alte italienische Musikinstrumente. Sie waren beide fasziniert gewesen. Hatten geschmökert, geschaut, geblättert...

Fast zwei Stunden hatten sie hier zugebracht. Bis der Hunger sie daran erinnerte, dass es Mittagszeit war. Da waren sie weitergezogen und hatten noch ganz verträumt geredet...

Bis Jako plötzlich abrupt stehen blieb.

„Marti?“

„Ja?“

„Wo zum Geier ist die Kamera?“

Ein Riesenschreck durchfuhr Marti.

„Scheiße. Die liegt noch im Laden. Ich hatte sie abgelegt, weil sie so schwer ist...“

Jako war auf dem Absatz umgekehrt und ohne ein Wort los gerannt. Marti hinterher.

Scheiße, Scheiße, Scheiße.
 

Als sie im Laden ankamen, kam ihnen der Besitzer schon entgegen. Er hielt die Kamera in der Hand und redete auf italienisch auf sie ein. Drückte sie Marti in die Hand.

Sie bedankten sich und verabschiedeten sich. Die Kamera trug nun Jako.

Als sie davongingen, sagte Jako nur:

„Das wird ein Nachspiel haben.“

Marti schluckte. Aber okay, das war in Ordnung, für diese dumme Aktion hatte er definitiv Strafe verdient.

Sie trotteten nebeneinander her.

Der Hunger auf Mittagessen war ihnen beiden vergangen.

Marti lief mit hängendem Kopf.

Jako mit zornumwölktem Blick.

Beide schweigend.

Dieses kalte Schweigen tat Marti weh.

„Jako...“

„JETZT NICHT!“

Marti erschauerte.

Sie liefen weiter. Schweigend.

Marti hasste es, wenn Jako so war. Wenn er schwieg. Lieber wollte er angeschrien werden, ausgeschimpft...

Aber dieses Schweigen war scheußlich.

Irgendwann blieb Marti einfach stehen.

„Jako, verdammt noch mal, jetzt schweig mich nicht so an! Ich weiß, ich habe Scheiße gebaut. Ich schäme mich, verdammt, und egal, wie du mich bestrafen willst, ich werde es tragen, aber verdammt noch mal rede mit mir! Dieses schweigen und nicht reden hat schon so oft beinahe alles kaputt gemacht! Das ist dämlich von dir, davon wird nichts besser!“

Jetzt war er auch zornig.
 

Jako sah seinen  Schatz erstaunt an. Und dann wurde ihm bewusst, dass Marti Recht hatte. Eigentlich war ja am Ende nichts passiert. Die Kamera war noch da, heile und ganz.

Er holte tief Luft.

„Tut mir leid, Marti. Du hast recht.“

Und er nahm seinen Mann in den Arm und küsste ihn. Marti erwiderte den Kuss mit einem erleichterten Seufzer.

„Ich hab dich lieb, Jako.“

„Ich dich auch, Frechdachs.“

Hand in Hand waren sie weiter gebummelt. Und dann war da dieser Eisladen. In dieser total romantischen, ein wenig verfallen wirkenden Gasse..

„Jako, ich möchte mir ein Eis holen.“

Jako sah Marti an und konnte seinem Hundeblick nicht wiedersehen.

„Schokoeis?“ fragte er.

Marti nickte.

„Prima. Ich liebe es, wenn du nach Schokoeis schmeckst, wenn ich dich küsse...“

Marti strahlte zufrieden, und als er sein Eis hatte, setzte er sich so gemütlich hin, barfuß, verliebt, verträumt...

Jako, der keine Lust auf Eis gehabt hatte und lieber in der Gasse ein paar ziemlich schöne Aufnahmen schoss, fing auch dieses Bild ein.

Es war das schönste von allen.
 

Schnappschüsse aus Venedig.

Jako vis á vis mit einem Straßenkünstler, beide mit einem Zeichenblock auf den Knien.

Sie waren dem Künstler kurz danach über den Weg gelaufen. Hatten ihm eine Zeitlang zugesehen. Der war noch recht jung gewesen.

Und... nun ja... beim Zeichnen noch recht unbeholfen.

Er machte seine Sache nicht schlecht, aber... Kleinigkeiten. In der Proportionierung zum Beispiel.

Irgendwann fragte Jako vorsichtig, ob er englisch verstehe, und als der junge Mann bejahte, fing er an, ihm Tipps zu geben.

Völlig erstaunte Blicke waren das Ergebnis.

Aber dann Verstehen, nicken.

Der Versuch, es umzusetzen.

Jakos Hand, die nach seiner Hand griff und sie mitsamt dem Zeichenstift führte.

Ein zunicken.

Ein weiterer Versuch.

Zwei Hände die einander gereicht wurden.

„My name is Jako.“

„I am Michele.“
 

Martis Herz, das vor Eifersucht laut pochte.

Martis Verstand, der sich sagte, dass das Blödsinn sei. Jako hatte kein Interesse an diesem Michele, er liebte ihn, seinen Marti! Immerhin hatte er ihn gerade erst geheiratet.

Martis Herz, das trotzig mit dem Fuß aufstampfte und fragte: Ach ja? Und warum stellt er mich ihm dann nicht vor?

Martis Verstand, der sagte: Kennst doch Jako. Wenns ums Zeichnen geht...

Martis Herz, dass heulte und quengelte: Egal, wie er mich später noch bestrafen wird...mehr als das hier kann das auch nicht weh tun.

Martis Verstand, der sein bestes versuchte, und dennoch nicht bemerkte, dass Jako immer mal wieder schmunzelnd aus den Augenwinkeln zu seinem Manne rübersah...
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit... es war fast eine Stunde vergangen und Marti hatte, um sich nichts anmerken zu lassen, angelegentlich die ausgestellten Zeichnungen des jungen Mannes betrachtet, hatte Jako ihn plötzlich zu sich gerufen und mit einem verschmitzten Grinsen gesagt:

„Sorry, Marti, ich habe ganz VERGESSEN dich vorzustellen.“
 

Martis Verstand, der kapiert, dass das hier seine Bestrafung  gewesen war.

Martis Herz, das einen Hüpfer machte und verstand. Dass Jako die ganze Zeit an ihn gedacht hatte.

Martis Lippen, die Jakos Lippen küssten.
 

Michele hatte grinsend daneben gestanden.

Schließlich hatte er gebeten, Jako zeichnen zu dürfen. Jako hatte zugestimmt und seinerseits gebeten, einen der Zeichenblöcke nehmen und einige Stifte benutzen zu dürfen, um Michele zu zeichnen...

Und so kam es, dass sie sich gegenüber saßen, zwei Künstler, jeder auf seine eigene Weise, hochkonzentriert, gefangen in ihrer Welt...

Marti hatte fasziniert diese Szene betrachtet und hatte die Kamera, die nun neben Jako lag, genommen, um die beiden im Bild festzuhalten.

Es war ihm wunderbar gelungen.
 

Schnappschüsse aus Venedig.

Marti mit staunenden Augen auf dem Fischmarkt in der Nähe der Rialtobrücke... in der Hand ein Tintenfisch, mit dem er angeregt zu diskutieren scheint.

Sie waren über diesen Markt gebummelt.

Hatten gestaunt, geschaut, bewundert, geredet, gelacht...

Es gab hier alles, was man sich vorstellen konnte, Meerestiere der seltsamsten Formen und Gestalten...

Es war, wie so vieles in diese großartigen, alten und doch ewig jungen Stadt, faszinierend.

Und dann... wie in einem sehr klischeehaften Film, waren zwei der Händler in Streit geraten, erst flogen Schimpfworte, laut, heftig und von wilden Gesten untermalt, schließlich flog ein Tintenfisch.

Der sein Ziel verfehlte und genau auf Marti landete.

Ausgerechnet auf dem verrückten Marti.
 

Jeder andere hätte erschrocken reagiert oder ärgerlich.

Aber Marti schnappte sich das glitschige Ding bevor es zu Boden gehen konnte.

Er hielt es auf seiner Hand und wünschte ihm ernsthaft in dem bisschen italienisch, dass er aus einem Touristen-Sprachführer hatte, einen guten Tag, fragte dann, wie es ihm gehe und ob er fände, dass das Wetter schön sei...

Und dann fragte er, angelehnt an eine Szene aus Terry Pratchetts erstem Scheibenwelt-Roman in Zweiblum-Manier:

„Wo ist hier die nächste Taverne / Trattoria / Cafe / Ristorante / Osteria?“

Leider weigerte sich der Tintenfisch zu antworten, woraufhin Marti sich, jetzt allerdings wieder auf deutsch, über die Unhöflichkeit der heutigen Jungend beschwerte...

In diesem Moment hatte Jako sein Lachen etwas gebändigt und auf den Auslöser der Kamera gedrückt.

Er hatte Martis liebenswerte Verrücktheit einfangen können. Ja, das war Marti, so wie er leibte und lebte.
 

Es gab natürlich noch viel mehr, aber das waren die schönsten.

Die schönsten Schnappschüsse aus Venedig.



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