Lügenpalast von DragomirPrincess ================================================================================ Kapitel 4: Gerüche ------------------ Natürlich hatte Yamaguchi Zeit gehabt und natürlich hatte er es geschafft, mich davon abzuhalten, alle meine Tabletten auf einmal zu nehmen. Meine Gesundheit war wichtiger als meine Karriere, auch wenn ich dagegen oft zu argumentieren versuchte. Freinehmen hatte ich mir dennoch nicht wollen, also betrat ich den Coffeeshop am nächsten Morgen trotz beginnender Kopfschmerzen. Ich stellte mich in die Schlange ohne aufzublicken, aufgebracht, weil ich einfach niemanden sehen wollte und alles zu hell war und ich meinen Körper dafür hasste, dass er sich für Migräne als Vorboten für meine Hitze entschieden hatte. Konnte ich nicht Heißhungerattacken haben wie jeder andere Mensch auch? „Hey, du denkst doch nicht, dass du dir deinen Kaffee wieder selbst kaufen musst, nur weil du mir jetzt geschrieben hast“, riss mich plötzlich Kuroos Stimme aus meinen Gedanken und hielt mir bereits einen Becher entgegen. Ich fragte gar nicht mehr, was er enthielt, und nahm einen großen Schluck, selbst wenn ich mir dabei die Zunge verbrannte. Schwarz und bitter, genau so wie ich mich fühlte, perfekt. „Du riechst heute verdammt gut“, meinte Kuroo plötzlich, als ich ihn zu einem der Tische begleitet hatte, kaum ein ‚Hallo‘ für ihn übrig habend. „Noch besser als sonst, meine ich.“ Ich spannte mich an. Alphas bemerkten so viel schneller als alle anderen die Veränderungen, die mit der Läufigkeit kamen. Meine Laune wurde noch schlechter in dem Bewusstsein, dass er mich jetzt gleich anmachen würde und alle Freundlichkeit von zuvor vergessen wäre. Vielleicht hatte er mich wirklich kennenlernen wollen, aber wenn ein Omega läufig wurde, hatte er doch in den Augen der Alphas ohnehin nur noch eine einzige Aufgabe: Auf dem Rücken liegen und die Beine spreizen. Mein Gesicht mochte meine Gedanken verraten haben, in jedem Fall aber bewies Kuroo noch einmal sein Geschick darin, Menschen zu lesen, denn ein wissender Laut verließ seinen Mund, als ich wortlos meine Abneigung deutlich machte. „Hättest du dir dann nicht lieber freinehmen sollen?“, schlug er nach einem kurzen Zögern vor und ich hätte mich übergeben können, so sehr hasste mich seine blöde irgendwie einfühlsame Art. Offiziell musste mir mein Arbeitgeber freigeben, doch die gaben im Allgemeinen einen Scheiß darauf, was in irgendwelchen Gewerkschaftstexten stand. „Wenn ich meine Anstellung behalten will, arbeite ich solange ich kann“, knurrte ich beinah. Ich war gar nicht sauer auf ihn. Immerhin konnte er ja letztlich nichts dafür, aber ich war sauer auf meine Biologie und auf seine Biologie ebenfalls, denn auch wenn ich es nicht laut sagen wollte: Ich mochte seine Gesellschaft und ich hatte absolut keine Lust mir ein neues Café für meinen Kaffee am Morgen zu suchen. Er runzelte die Stirn, ich starrte meinen Becher an und nahm einen großen Schluck, während ich noch auf das sexistische Angebot wartete, das ich wohl gleich bekommen würde. „Ich habe Migräne“, brummte ich, als er es immer noch nicht einfach sagte und versuchte trotz seiner Temperatur schnell meinen Kaffeebecher zu leeren. Er griff nach meiner Hand und zog mich aus dem Laden und meine Alarmglocken hätten wohl schon ausgeschlagen, wenn mein Kopf nicht so gedröhnt hätte, als er mich in eine schmale Gasse neben dem Gebäude zog. Dann, geschützt vor neugierigen Blicken, zog er mich dicht an sich und entblößte mir seinen Nacken. Ich war ein wenig zu groß, um von selbst auf der richtigen Höhe zu sein, aber ich konnte ihn auch so ganz eindeutig riechen, angenehm, kühl und sauber, ein wenig wie Minz-Zahnpasta, aber gleichzeitig auch wie Schokolade mit einem brennenden Unterton. Es war eine seltsame Kombination, aber meine Kopfschmerzen schienen augenblicklich ein wenig besser zu werden. Ich spannte mich dennoch in seinem Griff an, zerquetschte den zum Glück leeren Kaffeebecher in meiner Hand beinahe bis zur Unkenntlichkeit. Kuroo ließ mich los, blieb aber dicht bei mir stehen, sodass mir sein Geruch weiterhin in der Nase blieb, so wie er seinen Nacken zur Seite gestreckt hatte, um ihn mir zu entblößen. Es war eine Geste, wie sie sonst von Omegas erwartet wurde und es war befremdlich für mich, sie an einem Alpha zu sehen, doch ich hatte jetzt die Möglichkeit von ihm wegzutreten, wenn ich es wollte. „Komm schon“, meinte der dunkelhaarige Alpha vor mir jedoch. „Ich will dir nur mit den Kopfschmerzen helfen. Hast du noch nie Gerüche ausgetauscht?“ Hatte ich noch nie, nur um das klarzustellen. Alle Alphas, die mir kurz vor meiner Hitze begegnet waren, hatten mich immer direkt in ihr Bett komplimentieren wollen, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte. Meine Eltern waren Betas, genauso wie mein Bruder und selbst wenn sie etwas anderes gewesen wären, hätte ich ihnen kaum nahe genug gestanden, um mich von ihren Gerüchen beruhigen zu lassen. Es war eine intime Geste und ich kannte Kuroo eigentlich nicht gut genug dafür, aber mein Kopf fühlte sich noch immer an als würde er gleich aus allen Nähten platzen, und der kühle Geruch schien die Hitze vertreiben zu können, wie kein Medikament es je gekonnt hätte und langsam senkte ich mein Gesicht in seinen Nacken hinab, um den Geruch tief einzuatmen. Mein eigener Nacken streckte sich dabei auf eine Art wie ich es mir nie zuvor erlaubt hatte, doch Kuroo nutzte es nicht aus. Er blieb einfach stehen und ließ mir die Zeit, die ich braucht, bevor ich mich wieder löste, endlich in der Lage, meine eigenen Gedanken wieder klar zu hören. Meine Wangen glühten, als ich mich zurückzog, doch Kuroo kommentierte es nicht und als ich den Blick auf ihn hob, sah ich, wie angespannt er war, die Hände zu Fäusten geballt und beinahe erwartete ich, dass seine Hose sich peinlich über seinem Schritt spannen würde. Sie tat es nicht, doch im Gegensatz zu mir hatte ihn dieser Prozess eindeutig nicht entspannt. Hätte ich ihm doch anbieten sollen, dass auch er sein Gesicht an meinem Hals vergraben konnte, wenn auch nur für einen kurzen Moment? Ich hörte, wie er langsam ausatmete und seine angespannten Muskeln ein wenig löste. „Wenn du willst kannst du…“ Er machte eine etwas ungelenke Bewegung mit seinen Händen, bei der seine Handballen aneinander rieben, scheinbar unfähig in Worte zu fassen, was er ausdrücken wollte. Ich verstand es auch so. Er wollte mir anbieten meine Hormondrüse gegen seine zu reiben. „Es würde deinen Geruch unterdrücken und du hättest länger etwas von… meinem Geruch bei dir? Gegen die Migräne, meine ich…“ Seine Wangen wurden rot und ich war mir sicher, dass es ihm ebenso unangenehm war wie mir. Vielleicht hätte ich es nicht annehmen sollen, doch wenn ich an den Tag dachte, der noch vor mir lag, schien mir jegliche Erleichterung gut und so nickte ich leicht, fuhr mir mit der Hand über den Nacken, bevor ich wieder auf ihn zutrat. An für sich passten wir erstaunlich gut aneinander was unsere Größen anging, auch wenn ich mich ein wenig vorlehnen musste, um meinen Nacken gegen seinen zu drücken. Ich starrte die graue Hauswand vor mir an, während ich mich zögerlich an seiner Schulter festhielt und auch er nach kurzem Zögern meine griff, eine leicht kreisende Bewegung initiierend. Es fühlte sich peinlich an, so etwas in einer kleinen Straße neben einem Café zu tun, so als würde man sich in der Öffentlichkeit entblößen und so musste ich Kuroos Angebot noch ein wenig mehr anerkennen. Immerhin hatte er das hier absolut nicht nötig. Er bekam hieraus nichts außer vielleicht einen leichten Hauch von Omega-Pheromonen, die allzu bald wieder verfliegen würden. Ich hingegen hätte voraussichtlich noch einen ganzen Tag Ruhe vor Migräne. Noch einen Moment genoss ich das wohlige Gefühl, das seine Nähe in mir auslöste, dann gewann ich die Kontrolle über meinen Körper zurück und löste mich von ihm, zupfte verlegen an meinem Hemdkragen und wich seinem Blick aus. „Danke“, nuschelte ich beinahe und fühlte mich doch besser als seit Tagen. Es war frustrierend, dass ich dafür so abhängig von einem Alpha war, aber noch ärgerlicher war, dass ich jetzt endgültig das Gefühl hatte, in Kuroos Schuld zu stehen, selbst wenn ich ihm inzwischen fast glaubte, dass er es nicht deshalb tat. „Kein Ding.“ Auch er klang ein wenig von Verlegenheit berührt und so schwiegen wir uns einen Moment an, bevor ich mich wieder zusammenriss und mich räusperte. „Ich denke, ich sollte jetzt los zur Arbeit. Wir schreiben?“ Er nickte, schenkte mir ein Grinsen. „Zeig ihnen, was du draufhast!“ Und dieses Vertrauen in meine Fähigkeiten kribbelte vielleicht ein wenig in meiner Magengegend, ein Gefühl, das nichts mit dem Geruchsbinden zu tun hatte. Und dann tat ich etwas was absolut nicht meine Art war, drehte auf dem Absatz um, bevor ich den Mut verloren konnte und presste einen kurzen Kuss auf seine Lippen. „Hey, Tsukki, was ist los?“, war Yamaguchi sofort mit der Tür ins Haus gefallen, sobald die Verbindung zustande gekommen war. Ich konnte im Hintergrund ein Kind lachen hören. Dennoch war es vor allem Überraschung in der Stimme meines besten Freundes. Immerhin hatten wir erst gestern telefoniert und normalerweise meldete ich mich nicht so oft. Die Überraschung reichte der Sorge die Hand. „Geht es noch um die Tabletten?“, wollte er wissen. „Ich habe heute Morgen einen Alpha geküsst.“ Ich wusste nicht, warum ich das mit Yamaguchi teilen wollte. Immerhin hatte ich alle belustigten Blicke, die Kuroo heute bei der Arbeit an mir gerochen hatten, gezielt ignoriert, aber mein Körper hatte sich angefühlt als würde er explodieren und ich hatte es einfach irgendjemandem erzählen müssen. Für einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Du hast was?“, fragte Yamaguchi dann unglücklich und ich hörte eine Tür klicken. Wahrscheinlich hatte er gerade seine Frau, Yachi, mit den Kindern allein gelassen und war in ein anderes Zimmer gegangen. Er klang beinahe angespannter als gestern, als ich ihm davon erzählt hatte, dass ich kurz davor war, meine Tabletten einfach weiter zu nehmen, auch wenn ich die maximale Menge längst überschritten hatte. Wahrscheinlich, weil er das Verhalten von mir kannte. Einen Alpha zu küssen hingegen war vermutlich das letzte, was er jemals von mir erwartet hätte. Also begann ich zu erklären. „In dem Café, in das ich jeden Morgen gehe, um erträglichen Kaffee zu bekommen, hat mich vor einigen Tagen ein Alpha angesprochen. Er hat mir meinen Kaffee bezahlt. Also genau genommen wusste er, wie ich ihn trinke, und hat ihn schon vorher gekauft und mir nur gegeben.“ „Gruselig?“, schlug Yamaguchi in der Pause vor, die ich machte, um zu atmen und meine Gedanken zu ordnen. „Fand ich auch“, stimmte ich zu und beschloss, dass ich mir Tee machen sollte, wohlweißlich, dass ich morgen vielleicht nicht mehr dazu in der Lage sein würde und mir jetzt schon welchen in meine Thermoskannen abfüllen sollte. Außerdem fiel es mir leichter zu reden, wenn meine Hände beschäftigt waren. „Aber er war am nächsten Tag wieder da und er hat keine dummen Sprüche gemacht.“ Ich schüttelte den Kopf. „Also eigentlich schon, aber anders als Alphas das sonst tun. Er war… charmant? Meinte, dass er mich umwerben wolle.“ Ich kramte in der Schublade nach den Teefiltern. „Umwerben? Wie in so einem alten Film?“ Ich lachte leise. Yamaguchi wusste immer, was ich dachte, deshalb verstanden wir uns wohl auch so gut. „Ja, total kitschig.“ Yamaguchi sagte nichts, drängte nicht darauf, dass ich meine Erklärung fortsetzen sollte. Er erwartete es dennoch, das wusste ich und so sprach ich weiter, nachdem das heiße Wasser über den Tee gegossen war. „Ich bin heute früh zur Arbeit gefahren–“ Ein empörter Laut antwortete mir und ich ließ Yamaguchi sprechen, auch wenn ich längst wusste, was er sagen würde. „Tsukki! Du könntest jeden Moment läufig werden! Was wenn es im Zug oder im Büro passiert?! Das ist super gefährlich! Du solltest zuhause bleiben!“ „Wir haben ein wichtiges Projekt und ich hatte gestern noch Migräne. Du weißt, dass es erst so weit ist, wenn die vorbei ist.“ Es war eine halbherzige Verteidigung, aber Yamaguchi nahm sie mit einem Schnauben hin. „Jedenfalls war er wieder im Café und hat auf mich gewartet und dann hat er bemerkt, dass ich anders rieche. Alphas sind da super empfindlich und merken das immer total früh. Und dann hat er mich aus dem Laden raus gezogen und eine Gasse.“ Ich konnte beinahe hören, wie er sich angespannt aufsetzte, bereit wütend zu werden und Kuroo zu finden und zu bestrafen, selbst wenn er nur ein Beta war und sicherlich zehn Zentimeter kleiner als der Alpha. Ich sprach eilig weiter um seine Sorge zu stoppen. „Er hat mit seinen Nacken entblöst.“ „Er hat was?“ Irritation nahm den Platz von Wut ein. „Er hat mich seinen Geruch einatmen lassen.“ Yamaguchi würde vermutlich nie verstehen, was genau das für einen Effekt auf mich hatte, aber er war immer offen gewesen, mehr darüber zu lernen, um mich besser zu verstehen. „Er hat mir sogar erlaubt, meinen Nacken gegen seinen zu reiben.“ „Ihr habt Gerüche ausgetauscht?“ „Mhm.“ Ich entsorgte inzwischen die Teeblätter. „In einer Gasse hinter einem Café. Und er hat mich nicht einmal angefasst dabei.“ Seine Hände an meiner Schulter zählten nicht. Ich hatte sie kaum gespürt. Ich stellte die Thermosflasche in die Spüle und dachte einen Moment über die nächsten Worte nach. „Ich habe mich bei ihm bedankt, indem ich ihn geküsst habe. Aber ich hätte es auch getan, wenn er das nicht getan hätte. Ich mag ihn. Irgendwie zumindest. Er ist nicht so aufdringlich und ich glaube, er mag mich nicht, weil ich ein Omega bin, sondern weil ich… ich bin.“ Ich konnte mich noch genau erinnern, wie ich Tadashi einst geschworen hatte, dass ich niemals einen Mann in mein Leben lassen würde. Hatte Kuroo mich in diesen wenigen Tagen so verändern können? „Ich will nicht mit ihm schlafen!“, stellte ich eilig klar. „Aber es wäre schön, jemanden hier in Tokyo zu haben, mit dem ich reden kann…“ Es sollte keine Anklage sein, aber ich hatte eigentlich keine Freunde mehr hier seit Yamaguchi aufs Land gezogen war und Kuroo hatte mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht allein sein musste, wenn ich meine Mauer nur ein kleines bisschen senkte. Yamaguchi schwieg und ich begann den Tee in die Thermoskanne zu füllen. Ich wollte gerade die Stille brechen, als er sich zu einer Antwort entschlossen hatte. „Wie hat sich der Kuss angefühlt?“, wollte er von allen seltsamen Fragen, die er hätte stellen können, wissen. Ich runzelte die Stirn. „Wie ein Kuss halt.“ „Tsukki, du hast noch nie jemanden geküsst. Zumindest niemanden, bei dem du es auch wolltest!“ „Ich habe dich geküsst“, erinnerte ich ihn. „Weil du vergessen wolltest, wie seine Lippen schmeckten.“ Er sprach den Namen nicht aus, aber wir wussten beide, um wen es ging. Ich seufzte geschlagen. „Er war kurz. Keine Zunge oder so etwas. Nur Lippen auf Lippen. Meine waren feucht, seine eher trocken, aber warm. Es war… angenehm?“ Mir fielen keine Worte ein, um das zu beschreiben, was ich in diesem Moment gefühlt hatte, aber wer wusste schon, ob das nicht auch nur an dem Geruchs-Binden zuvor gelegen hatte? „Hast du danach mit ihm gesprochen?“ Wieso wusste Yamaguchi immer, welche Fragen er stellen musste? „Er hat mir geschrieben, aber ich habe die Nachrichten nicht gelesen…“ „Oh, Tsukki!“ „Was, wenn er jetzt plötzlich denkt, dass er mich rumgekriegt hat?“, sprach ich die Sorge aus, die mich schon seit ich zuhause war, beschäftigte. „Dann schießt du ihn in den Wind, wie du es bisher mit jedem anderen Alpha auch getan hast“, betonte mein bester Freund das Offensichtliche. „Du brauchst ihn nicht. Lass ihn das ruhig wissen. Eine Beziehung funktioniert nur, solange ihr beide etwas davon habt und wenn er wirklich kein Arsch ist, wie du sagst, dann weiß er das auch.“ Es war seltsam, wie sehr es mich beruhigte, diese Worte aus Yamaguchis Mund zu hören, aber er schaffte es, meine Sorgen auszumerzen und mein Selbstvertrauen zu stärken. Beziehungen waren ein Feld, in dem er sich einfach so viel besser auskannte als ich. Dass ich noch nie eine gehabt hatte, mochte das sichtlich bevorzugen. „Erzähl mir von Yachi“, wechselte ich das Thema. „Ist sie schon genauso rund wie bei der ersten Schwangerschaft?“ „Tsukki, sie ist noch nicht mal im vierten Monat! Man sieht kaum etwas.“ Er lachte und begann dann zu erzählen. Es beruhigte mich und ich bereitete noch etwas mehr Tee vor, warm und kalt. Als wir unser Gespräch beendet hatten, öffnete ich Line und tippte eine Antwort auf Kuroos Frage, wie es meinen Kopfschmerzen ging. Er hatte den Kuss mit keinem Wort erwähnt. Mein nächster Morgen begann um drei Uhr früh, als ich aus meinem Schlaf hochschreckte, die Decke in Schweiß gebadet stand meine Haut in Flammen, während sich alles unterhalb meines Bauchnabels in eine klebrige Flüssigkeit aufzulösen schien. Wenn mein Mund nicht so trocken gewesen wäre, hätte ich kotzen können. Stattdessen riss ich die Decke von mir und versenkte in derselben Bewegung eine Hand in meiner Unterwäsche. Gerne hätte ich darauf verzichtet, doch ziellos tastete ich nach dem Plastik-Schaft, um irgendwie das Brennen in meinem Innern zu stillen, das nach einem Alpha verlangte, den ich ihm niemals geben würde. Eine Stunde später konnte ich zumindest wieder ein wenig geradeaus denken und griff nach dem Glas, das ich wohlweißlich auf meinem Nachttisch platziert hatte und leerte es in einem Zug. Daneben lag mein Handy und in einem seltsamen Moment erschien es mir wichtig, es zu entsperren, um eine einzige Nachricht zu schreiben. Morgen kannst du deinen Kaffee so kaufen, wie du ihn magst. Nur mit Milch? Das letzte war eine Vermutung und irgendwie spürte ich ein Lächeln auf meinen Lippen, als ich die Nachricht abschickte. Er würde es verstehen, richtig? Dann glitt ich einen erschöpften Schlaf ab. Die Vorhänge waren zugezogen und ich war in den letzten Stunden so oft zwischen Hitze und Schlaf hin und hergeglitten, dass ich das Zeitgefühl völlig verloren hatte, doch als ich dieses Mal aufwachte, war es nicht das neue Aufwallen der Hitze, das mich auf dem Reich der Träume riss, sondern ein Klingeln an der Tür. Ich ignorierte es und füllte stattdessen einen Becher mit Tee, um für einen Moment klar zu denken. Es klingelte noch einmal. Ich vermutete einen penetranten Postboten- Vielleicht sollte ich auch duschen, aber eigentlich fühlte ich mich zu ausgelaugt. Hatte ich noch einige von den Proteinriegeln in der Wohnung, die Ärzte so gern empfahlen, wenn es um Läufigkeit ging? Wahrscheinlich hatte ich vergessen sie aufzufüllen… Ich sollte in den Schubladen in der Küche noch Instantramen haben. Das war zwar weniger nahrhaft, aber es würde seinen Zweck tun. Dieses Mal ließ derjenige an der Tür den Finger für mehrere Sekunden auf dem Knopf. Das Geräusch dröhnte in meinem Kopf und ich verfluchte den Störenfried. Kein Paket der Welt war so wichtig! Müde setzte ich mich im Bett auf. Ich fühlte mich leer, leer und klebrig, aber mein Körper hatte noch nicht wieder begonnen, Schlick zu produzieren und darüber war ich froh, als der Klingelwütige begann Rhythmen nachzumachen. Verdammte Scheiße noch mal, wie schwer war es denn zu verstehen, dass ich nicht an die Tür kommen wollte?! Das Klingeln verstummte und ich erhob mich, um in Richtung Bad zu gehen. Vorher machte ich aber einen Umweg zur Küche, um Wasser aufzusetzen. Dann plötzlich klopfte es an der Tür und ich erstarrte mitten in meiner Bewegung. Jemand hatte den Klingler ins Treppenhaus gelassen und jetzt stand er vor meiner Wohnungstür. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir mehr einen Spion in der Tür gewünscht. Das Klopfen ahmte die Rhythmen von zuvor nach und mein Temperament gewann die Oberhand und ich riss die Tür auf, auch wenn ich kaum meinen Schlafanzug richtig trug und jeder Selbsterhaltungstrieb dagegensprach. „WAS?!“ Vor mir stand Kuroo und seine Augen weiteten sich, seine Nasenflügel flatterten und sein Geruch schlug mir entgegen wie eine Wand. Meine Knie wurden weich, doch meine Instinkte waren genug abtrainiert worden, dass ich alle meine Kraft zusammennahm, um die Tür so schnell es ging wieder zuzuschlagen. Der Schwarzhaarige fing sie ab und plötzlich packte mich Angst, als Kuroo einen Schritt in den Raum machte. Mein Körper wollte sich ihm entgegenwerfen, begann augenblicklich damit, neue Feuchtigkeit zu produzieren und doch taumelte ich zurück, wohl wissend, dass Kuroo nicht grundlos so viel breiter gebaut war als ich. Erst als ich die Wand beinahe erreicht hatte, hin- und hergerissen dazwischen, meinen Nacken zu entblößen, während ich meinen Hintern in die Luft streckte, und mit allem zu kämpfen, was ich hatte, bemerkte ich, dass Kuroo einen Arm über seine Nase gedrückt hatte und etwas neben der Tür abstellte. Er sprach nicht mit mir, sein Blick traf nur für einen winzigen Moment meinen, seine Pupillen geweitet, die Hose sichtbar zu eng – ein Versprechen, nach dem mein Körper verlangte – und dann drehte er sich um und schloss die Tür hinter sich. Als ich dieses Mal die Flammen befriedigte, war es Kuroos Geruch, sein Gesicht, das in meinem Kopf Bilder formte und ich hasste ihn dafür so sehr, so unglaublich, unendlich doll. Warum hatte er alles ruinieren müssen? Mein innerer Omega lockte mich in der nächsten Hitzewelle zu dem, was er dort abgestellt hatte, und was seine Geruch durch den Raum verteilte, ein Pullover, den er noch vor kurzem getragen haben musste, wenn der Geruch nach Zahnpasta und Chili-Schokolade irgendetwas zu sagen hatte. Darunter waren Tupperdosen, doch mein Körper war benebelt von dem Geruch, den ich nie wieder so wahrnehmen könnte, wie ich es bisher getan hatte, und statt dem Angebot zu widerstehen, vergrub ich meine Nase in dem weichen Stoff und schloss meine Hand um mein Glied, während ich noch dort an der Tür die Finger hilflos in meinen Körper stieß, verzweifelt auf der Suche nach etwas, was groß genug wäre, um die große Leere dort zu füllen. Als es endlich vorüber war, versenkte ich den inzwischen schmutzigen und verklebten Pullover im Waschbecken, schaltete den Rauchmelder aus und tränkte ihn in Spiritus, bevor ich ein Streichholz auf den schwarzen Stoff warf und zusah, wie er in Flammen aufging. Ich wollte schreien, weil mein Kopf die Erinnerungen an die letzten Tage niemals so ausbrennen könnte, wie ich es gerade mit dem Pullover tat. Er hatte alles ruiniert. Alles. Absolut alles. Selbst wenn er reingekommen und über mich hergefallen wäre, hätte er es nicht schlimmer machen können. Ich spürte heiße Tränen auf meinen Wangen, wohl wissend, dass jegliches gute Gefühl, das ich je für Kuroo empfunden hatte, für immer mit den Erinnerungen an meine verhasste Hitze überlagert sein würden. Und das schlimmste war, dass in diesem Moment ein leises Ping-Geräusch die Ankunft einer neuen Nachricht verkündete. Geht es dir besser? In scheinbar unschuldigen Buchstaben waren es diese vier Worte, die etwas in mir platzen ließen. ICH HASSE DICH!, hämmerte ich auf die Tastatur und machte mir nicht die Mühe, mögliche Rechtschreibfehler zu korrigieren, bevor ich auf den Absend-Pfeil drückte und das Handy in eine Ecke pfefferte. Es war leichter, nicht an den Schwarzhaarigen zu denken, nachdem ich alle Fenster aufgerissen hatte. Im Flur stand die Kiste mit den Tupperdosen darin. Sie alle enthielten Mahlzeiten, selbstgekocht, wenn ich das richtig sah. Alle waren schlecht geworden, während mein Stolz es mir verbat, einen Blick auf ihre Inhalte zu werfen. Ich entsorgte eine Portion nach der anderen bis sich die leeren Dosen in der Spüle stapelten. Mir war schlecht. Ich hatte seit Tagen kaum etwas gegessen, aber der bloße Gedanke an Essen ließ Magensäure in mir aufsteigen. Ich wollte die Tupperware nicht abspülen, aber ich wusste, dass ich es bereuen würde, wenn ich es nicht tat, also versuchte ich es zu tun, ohne an Kuroo zu denken, der Wut und Scham und Hass in mir brennen ließ, während mein Kopf Bilder hervorrief, die so nie geschehen waren, aber sich realer anfühlten als sie es sollten. Die Tupperdosen stapelten sich zuletzt sauber in der Kiste und ich wollte sie am liebsten zum Verschenken auf die Straße stellen, doch verstaute sie stattdessen in der hintersten Ecke meiner Küchenzeile auf einem Schrank, wo ich sie hoffentlich nie wiedersehen würde. Kuroo würde sie jedenfalls nicht zurückbekommen, denn seinen Anblick würde ich wohl nie wieder ertragen können. Mein Handybildschirm hatte einen Sprung, als ich es irgendwann aus der Ecke herausholte, doch es funktionierte noch und zeigte mit in drohenden roten Nummern verpasste Nachrichten und sogar einen Anruf an. Mir war schlecht und ich schaffte es gerade noch, seinen Chat stumm zu schalten, bevor ich würgend über dem Waschbecken hing und Essen hervorwürgte, das ich nicht gegessen hatte. __________________________________________________________ Wieder einen herzlcihen Dank an diejenigen, die eine Review geschrieben haben, und bis hoffentlich bald! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)