Dunkle Schatten über Elburum von maaki (Die Geschichte von Arya ben Chadim) ================================================================================ Kapitel 1: 05 Ingerimm 985 BF ----------------------------- Ein sonnendurchfluteter Tag bricht in Aventurien heran. Der Wind, der das Meer in Aufruhr versetzt, umspielt ebenso die Gassen und wirbelt hier und da ein bisschen Sand auf. Inmitten der weiß getünchten Gebäude mit ihren flachen Dächern ragt ein Palast empor. Um den Palast herum erstreckt sich eine dicke, hohe Mauer. Ein kleines Mädchen steht auf dem Vorplatz und beobachtet die Wachen vor und auf den Dächern dieses prunkvollen Gebäudes. Sie versucht mit ihren braunen Augen jedes Detail - jede Verzierung, jede Blume, nahezu jeden einzelnen Stein aufzusaugen. Langsam öffnet sich ihr Mund. Den Schatten, der von hinten auf sie fällt, bemerkt sie nicht. Plötzlich wird das Mädchen von hinten gepackt. »Arya! Wir haben es eilig, deine Mutter wartet auf uns!« Eine tiefe Stimme reißt sie aus den Gedanken. Erschrocken blinzelt sie und dreht sich um. »Aber der Pfauenpalast ist so schön! Irgendwann möchte ich auch dort leben!« Ihr Vater lächelt, nimmt sie an die Hand und zieht sie sanft hinter sich her. Beide bewegen sich unverzüglich durch die engen Gassen der Stadt. Es ist früh und auf dem Marktplatz finden sich die ersten Händler zusammen, um ihre Ware zu präsentieren. Unterschiedliche Düfte machen sich bemerkbar: Gewürze, Blumen, Öle. Eine Gruppe Geweihte mit dunkelgrünen Roben kommt ihnen entgegen. »Den Zwölfen zum Gruße!«, brummt Aryas Vater in seinen dichten Bart. Je näher sie sich am Hafen von Elburum befinden, desto heftiger schlängelt sich der Wind durch Aryas schwarzes Haar. Sie befreit sich von der Hand ihres Vaters und hält seinem Schritt weiterhin stand. Ihre Handflächen presst sie auf ihre Ohren. Ständig hänseln die anderen Kinder sie wegen ihrer Ohren. »Wieso hast du so hässliche Ohren?« und »Spitzohr-Arya!« sind nur ein paar der Gemeinheiten, die die anderen Kinder in der Schule für sie übrig haben. Dabei findet sie ihre Ohren nicht furchtbar. Ein bisschen Spitz sind sie, ansonsten unterscheiden sie sich zugegebenermaßen kaum von denen der anderen Kinder. Als Arya eines Tages mit Schlamm bedeckt und weinend nach Hause kam, erklärten ihre Eltern ihr, dass ihre Ohren was Besonderes sind und sie sich dafür bei weitem nicht schämen muss. Ein richtiger Trost war das indes nicht. Die anderen Kinder hörten deshlab ja nicht auf sie zu ärgern. Ungeachtet dessen landete sie mindestens einmal die Woche im Dreck und alle Kinder nannten sie weiterhin „Spitzohr-Arya“. Lediglich ihr Freund Elric hatte keine Probleme mir Aryas seltsam geformten Ohren. Elric sagte immer: »Die anderen Kinder sind dumm und neidisch! Früher haben sie den fetten Ulfert ‚Schweinsgesicht‘ genannt, davor wurde Idra wegen ihrer krumme Nase gehänselt. Spätestens in zwei Wochen ärgern sie wieder ein anderes Kind!« Arya schüttelt ruckartig ihren Kopf, als wolle sie all die Gedanken an die Gemeinheiten aus ihrem Kopf werfen. Als sie sich umschaut, bemerkt sie die vertraute Umgebung. Die Backstube um die Ecke öffnet grade die Türen und ein bekannter Geruch strömt in ihre Nase. Wie gerne würde sie in diesem Augenblick stehen bleiben und durch das Fenster die leckeren Backwaren begutachten. Nebenan riecht es nach Gewürzen und der Stoffhändler gegenüber bestückt sein Schaufenster mit neuen Kreationen aus Al’Anfa. Als ihr Vater bemerkt, dass Aryas Schritte langsamer werden, greift er nach ihrer Hand und zieht sie wieder mit. Ihre kurzen Füße tapsen hinter ihm her, bis er abrupt vor einem prachtvollen Haus stehen bleibt. Er öffnet die Tür und eine großgewachsene Brünette Frau, kniet sich zu Arya nieder und drückt ihr einen zärtlich besorgten Kuss auf die Stirn. »Mein Schätzchen! Wo wart ihr beiden so früh am Morgen?«, die Frau richtet sich wieder auf und umarmt ihren Mann zur Begrüßung. »Ich hatte Geschäfte in Shorioth zu erledigen, Arya war wach und wollte mit«, antwortet Aryas Vater knapp und bewegt sich weiter in die Eingangshalle, steigt die Treppe hinauf und verschwindet in einem der zahlreichen Räume. Ihre Mutter lächelt zufrieden und wendet sich an ihre Tochter: »Hast du Hunger, mein Schatz?«, fragt sie, streicht Arya sanft durch das Haar und macht sich ungeachtet dessen auf den Weg in die Küche. Sie folgt ihr und erzählt ihrer Mutter von dem glanzvollen Palast, auf dem Hügel. »Wart ihr im Palast?«, fragt ihre Mutter voller Neugier, während sie einen frischen Laib Brot anschneidet. »Nein, Papa war in einem der Häuser gegenüber. Ich habe mir nur den Palast angeschaut!« Arya setzt sich an den Tisch in der Küche und schaut sich interessiert um. Aufmerksam bleibt sie mit ihrem Blick bei ihrer Mutter hängen. Ihre langen braunen Haare sind sorgfältig zu einem Knoten am Hinterkopf zusammen gebunden und man sieht dieselben spitzen Ohren, die Arya ebenfalls hat. »Elric hat mich gestern gefragt, ob wir uns heute treffen um am Hafen zu spielen«, sagt sie verunsichert und blickt ihre Mutter dabei flehend an. Einen weiteren Tag mutterseelenallein hält sie nicht aus. Elric hat die ganze Woche keine Zeit gehabt, weil seine jüngere Schwester an einem hohen Fieber erkrankt ist und seine Eltern Angst hatte, er könne sich ebenfalls angesteckt haben. Als Arya gestern vor Elrics Haustür stand schien alles wieder in Ordnung zu sein. »Wie geht es denn seiner Schwester?«, fragt ihre Mutter, während sie eine Scheibe Käse auf das Brot legt. Ehe Arya antworten kann, landet das Brot auf einem Teller direkt vor ihr. Sie nimmt das Brot, beißt einen Happen ab und versucht Ihrer Mutter mit vollem Mund zu antworten. »Erst kauen, dann reden!« Arya verschlingt das Brot innerhalb der nächsten Sekunden, kaut kräftig und spült alles mit einem Krug Wasser hinunter. Sorgsam nimmt sie den Teller und den Tonkrug, stellt beides auf einen der anderen Tische und setzt sich wieder an den Tisch zu ihrer Mutter. »Ich glaube, ihr geht es besser. Sonst hätte Elric nicht gefragt, ob wir heute etwas unternehmen« sagt Arya. Ihre Mutter nickt daraufhin zustimmend. Arya lächelt zufrieden und geht unverzüglichen Schrittes in ihr Zimmer. Das Haus der Familie Chadim ist nicht monströs, dennoch größer als die meisten Häuser in Elburum. Auch das Viertel indem Arya und ihre Eltern wohnen gehört zu den besser situierten inmitten von Händlern und wohlhabenderen Stadtbewohnern. Als sie die Treppe hochschnellt fahren ihre beiden Hände über das hölzerne Geländer, ihre zwergenhaften Füße gleiten über den roten Teppich, der die Stufen schmückt. Als sie oben ankommt, hätte sie um Haaresbreite eine der Blumenvasen heruntergeschmissen. Zum Glück wurde Arya mit einem vortrefflichen Reaktionsvermögen gesegnet. Somit konnte sie die Vase mit der rechten Hand vor dem Fall schützen und wieder auf die Anrichte stellen. Ihr Zimmer ist ein weitläufiger, lichtdurchfluteten Raum in dem ein passendes Himmelbett steht. Bunte Decken und Kissen breiten sich darauf aus, am liebsten hätte sie sich direkt wieder hinein gelegt. Gegenüber dem Bett befinden sich ein geräumiger Kleiderschrank und ein massiver Schreibtisch. Wenn man Aryas Zimmer sieht, könnte man meinen, hier residiert ein erwachsenes Mädchen. Alles war ordentlich und stand an seinem Platz. Außer die Schleuder, welche unachtsam mitten im Raum lag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)