Dead End von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Er lief, obwohl er seine Füße nicht mehr spürte. Weit war er nicht gekommen, ehe sie seinen neuen Aufenthaltsort ausfindig und wieder Jagd auf ihn gemacht hatten. Er hatte es nur deshalb bemerkt, weil seine Extremitäten wie damals eiskalt geworden waren, obwohl es helllichter Tag und es etwa 70 Grad heiß war. Was wollten sie nur von ihm? Der Alte hatte sich zur Flucht entschlossen, anstatt seiner Neugier zu frönen. Was angesichts der Leichen, die seinen Weg mittlerweile pflasterten, mittlerweile als die richtige Entscheidung erschien. Oder doch nicht? Jedenfalls war er selbst noch am Leben, aber wenn er nicht aufpasste, würde sich dieser Umstand sehr schnell ändern. Er lief weiter durch die Häuserschluchten Tokios.   ~   „Wer zur Hölle ist auf diese beschissene Idee gekommen?!“ Die Frage stellte er schon zum zehnten Mal an diesem Vormittag. Trotzdem ließ Dazai es sich nicht nehmen, sie erneut zu beantworten. „Du weißt doch, Chuuya, das war dein Vorgesetzter!“ Sein Begleiter grummelte. „Gib mir noch mal die Akte“, bat er. Dazai reichte sie ihm und er klappte die Kladde auf, um sich das Fahndungsfoto noch einmal anzuschauen. „So ein alter Knacker ... Und ‚Dead End‘, ich frage mich, ob diese Fähigkeit wirklich so gefährlich ist, wie hier steht.“ „Lass mal sehen.“ Chuuya gab die Unterlagen wieder zurück. „Eine ziemlich Tödliche, wenn man sich die Fotos der Opfer anschaut.“ „Na toll. Und er musste sich ausgerechnet nach Ueno flüchten?“, fragte sein Begleiter. „Vielleicht dachte er, dass man sich da besonders gut verstecken kann?“ Dazai duckte sich, bevor Chuuyas flache Hand ihn am Hinterkopf traf. „Aber mal im Ernst“, fuhr er fort. „Ich kann mir vorstellen, dass er einfach nicht weiß, wohin. Wenn stimmt, was Fitzgerald an Informationen übermittelt hat, war er noch nie hier. Wo würdest du hingehen, wenn du als Amerikaner das erste Mal in Japan bist?“ „In den Mulan ...“ „Was?“ „Ach nichts“, sagte Chuuya. „Hier wären wir.“ Sie standen vor einer Curry Bude im Ameyoko Markt unweit des Ueno Bahnhofs. Das kleine Restaurant war mit einem Absperrband versehen, vor dem sich zahlreiche Schaulustige drängten. Dazai und Chuuya mussten sich bis zum Eingang durchzwängen. „Entschuldigung.“ Chuuya ignorierte den strengen Blick eines älteren Herrn, den er unsanft zur Seite geschoben hatte. Ein Streifenpolizist hielt vor dem unscheinbaren Gebäude Wache und wirkte erleichtert, als sich Dazai ihm gegenüber als Ermittler der Special Detective Agency auswies. Der Uniformierte hob das Absperrband an und Dazai und Chuuya schoben sich darunter hindurch. In dem Restaurant bot sich ihnen ein ernüchterndes Bild. Es gab eine Theke mit Barhockern auf der rechten Seite. Einige benutzte Teller und Löffel zeugten davon, dass sich dort vor nicht allzu langer Zeit noch Gäste befunden haben. Vorsichtig folgte Chuuya Dazai tiefer in das Restaurant hinein. „Sieht aus, als hätte hier jemand großflächig Puderzucker verteilt“, sagte Chuuya. „Mhm. Nur dass es kein Puderzucker ist, sondern Schnee.“ Dazai beugte sich hinab und fuhr mit den Fingern sachte über die weiße Masse. Verwirrt erhob er sich und hielt seinem Begleiter seine Hand hin. „Wieso ist es nicht geschmolzen?“ Dazai zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder um. „Hier haben wir wohl das Opfer“, sagte er. Chuuya trat neben ihn und sah auf den leblosen Körper hinab. Durch den leichten Schneeüberzug hindurch war zu erkennen, dass die Haut des Mannes recht blau wirkte. „Ob das Frostbeulen sind?“ „Scheint so“, sagte Dazai. Er hockte sich wieder auf den Boden, verzichtete jedoch darauf, die Leiche mit bloßen Fingern zu berühren. „Sir, Sie sind von der Special Detective Agency?“ Chuuya deutete stumm auf Dazai. „Sir, ich bin Inspektor Fukada. Sie glauben ja gar nicht, wie froh ich bin, dass Sie hier sind!“ „Doch, das glaube ich Ihnen auf’s Wort.“ Der Ermittler überging Chuuyas sarkastischen Ton. „Das ist jetzt schon der Dritte in zwei Wochen.“ Dazai erhob sich. „Drei Opfer in zwei Wochen? Alle an Frost gestorben?“, fragte er. Fukada nickte eifrig und förderte eine vergilbte Mappe zu Tage. Kommentarlos reichte er sie den beiden. „Wenn Sie die anderen beiden sehen wollen, müssen Sie ins Leichenschauhaus von Shinjuku. Die liegen da noch drin, obwohl man sie auch gut und gerne im Yoyogi in die Sonne stellen könnte.“ „Wie meinen Sie das?“, fragte Dazai. „Na, der hier liegt auch schon seit einigen Stunden ...“, meinte Fukada. „Also dann, man sieht sich. He!“ Er wollte die beiden umrunden und das Restaurant verlassen. Chuuya hielt ihn am Arm fest. „Wir sind hier noch nicht fertig, Herr Fukada“, sagte Dazai, ohne ihn anzuschauen. „Haben Sie Zeugen befragt? Wo sind die Angestellten?“, fragte Chuuya. „Wenn ich’s wüsste, würde ich es Ihnen schon verraten.“ Der Kommissar sah nachdenklich auf die Leiche hinab. „Als wir hier ankamen, war weit und breit weder ein Gast noch eine Bedienung zu sehen. Und das mitten zur Stoßzeit. Selbst den Inhaber konnten wir bisher nicht ausfindig machen. Alles sehr merkwürdig.“ Fukada strich über seinen dezenten Kinnbart. „Wie kommen Sie darauf, dass nicht er der Inhaber ist?“, fragte Chuuya und sah auf die Leiche hinab. „Na ja, ist nicht wie einer gekleidet, finden Sie nicht? Weißes Hemd und dunkle Hose, das könnte auch ein Büroangestellter sein.“ „Dann würde er eine Krawatte tragen. Hat er sich seine Schürze möglicherweise aus irgendeinem Grund abgebunden?“ „Wir haben hier aber keine herrenlose Schürze gefunden, Sir.“ Der Kommissar ließ seine Hand zu seinem Hinterkopf wandern, ohne weiter auf Chuuya einzugehen. Unauffällig kratzte er sich. „Wir wissen leider auch nicht, wer den Notruf abgesetzt hat“, fuhr er fort. „Ob es ein Gast war, oder nur ein Passant, der zufällig vorbei kam? Der Anrufer hat uns keinen Namen genannt, angerufen hat er von einem öffentlichen Telefon aus. Alles sehr merkwürdig.“ Dazai warf Chuuya einen vielsagenden Blick zu. „Hat er japanisch gesprochen?“, fragte Dazai. Dem Kommissar ging ein Licht auf. „Das kann ich herausfinden. Glauben Sie, der Täter hat selbst bei uns angerufen?“ „Möglich wär’s.“ „Wie kann ich Sie erreichen?“, fragte Fukada. Dazai reichte ihm eine Visitenkarte. „Ok, Sie kommen hier zurecht? Der Leichenwagen müsste eigentlich auch gleich da sein.“ Chuuya trat zur Seite, um den Ermittler durch zu lassen. „So ein Arsch“, sagte er, als Fukada außer Hörweite war. „Sieh dir das an.“ Chuuya bemerkte, dass Dazai wieder auf Tuchfühlung mit der Leiche gegangen war. Er versuchte, mit einem Stofftuch eines der Lider zu öffnen. „Als wäre er komplett durchgefroren.“ „Was er vermutlich auch ist. Dazai, wir sollten uns lieber die anderen Leichen anschauen und warten, bis sie den hier auch hingebracht haben.“ „Angst, auch Frostbeulen zu bekommen?“ Chuuya brummte. „Schau dich lieber noch weiter hier um. Gut möglich, dass Fukada was übersehen hat.“ „Ja, vermutlich die Schürze dieses Kollegen hier.“ „Wieso reitest du nur so drauf rum? Glaubst du wirklich, dass das hier der Wirt ist?“ „Iwo. Aber so, wie der Herr Ermittler wirkte, hat er den Tatort nicht überprüft, dafür aber viele Spuren vernichtet. Schau dir nur das Gewusel an“, sagte Chuuya. Er deutete auf die vielen Fußspuren im hinteren Bereich des Curry Restaurants. Der Schnee mochte vielleicht nicht schmelzen, aber konkrete Hinweise darauf, was sich hier zugetragen haben könnte, würden sie durch die Spuren auch nicht herausfinden können. Außer, dass wohl alle Gäste und Angestellten fluchtartig das Gebäude verlassen haben müssen. „Eigentlich müsste ein Gaijin wie er in Tokio auffallen wie ein bunter Hund.“ „Stimmt. Trotzdem sollten wir vorerst versuchen, ihn ohne Hilfe der Öffentlichkeit zu finden. Wenn sich herumspricht, dass ein Serienkiller dabei ist, Tokios Bürger schockzufrosten, bricht höchstens eine Panik aus.“ Dazai stand wieder auf. „Auf ins Leichenschauhaus?“ „Auf ins Leichenschauhaus!“   ~   Der Alte hatte sie vorerst abgehängt. Das Chaos, das sie in der Currybude angerichtet hatten, war zu groß und er war in einem unauffälligen Moment hinaus geschlüpft. Im Wegrennen konnte er noch die Schreie der anderen Gäste hören. ‚Wo kann man hier untertauchen?‘, hatte er immer wieder Passanten gefragt. Sie hatten alle den Kopf geschüttelt. Nirgends? Oder lag es eher daran, dass sie ihn nicht verstanden? George tippte auf Letzteres. Sein genuscheltes Englisch verstanden die wenigstens, Japanisch sprach er nicht. Überhaupt sprach er keine Fremdsprachen. Das bisschen Spanisch, das er vor Jahren an der Universität in Evanston gelernt hatte, war mittlerweile seinem Alter zum Opfer gefallen. Und die Fantasiesprache, die er selbst entwickelt hatte, sprach außer ihm niemand. Mal davon abgesehen, dass man von den paar einzelnen Sätzen, die er sich für sein Werk ausgedacht hatte, eh nicht von einer Sprache im klassischen Sinn sprechen konnte. Trotzdem verstand er nicht, warum ihn niemand verstand. Oder nicht verstehen wollte. ‚Borniertes Volk! Die haben auch keine Ahnung von der Welt‘, dachte er. Er schlurfte weiter die Straße entlang, obwohl er inzwischen zahlreiche Blasen an den Füßen hatte.   ~   „Vergiss es, der ist härter als ein Diamant.“ Der diensthabende Mitarbeiter hatte nichts gesagt, als Dazai ihm seinen Dienstausweis unter die Nase gehalten hatte. Stattdessen hatte er sie kommentarlos in die Kühlung geführt und die beiden anderen Leichen, bei denen es sich um einen weiteren Mann und eine junge Frau handelte, hervorgeholt. Dazai hatte ihn gebeten, Kopien der Untersuchungsakten anzufertigen, die sie mitnehmen konnten. Der Mann hatte nur mit den Schultern gezuckt, auf zwei Pappkisten gezeigt, die auf nahebei auf einem Tisch standen, und war dann gegangen. „Bei ihr auch nicht anders“, sagte Chuuya. „So, wie die aussehen, ist auch der Pathologe nicht weit gekommen. Hier hat er versucht, eine Säge anzusetzen ...“ „Ist nicht dein Ernst!“ Dazais Begleiter trat neben ihn an den Untersuchungstisch. Schockiert sah er auf die Striemen hinab, die jemand direkt über dem Brustkorb hinterlassen hatte. Dem gefrorenen Oberkörper hatte das Werkzeug ansonsten keinen großen Schaden zugefügt. „Könnte auch eine Axt gewesen sein ...“ „Er hätte den Flammenwerfer nehmen sollen, das wär effektiver gewesen.“ „Jetzt wird’s geschmacklos.“ „Komm, lass uns mal schauen, was sie so bei sich hatten“, sagte Dazai. Sie traten zu den Pappkisten hin. Chuuya griff nach der Rechten und zog sie zu sich. „Du meine Güte. Wenn du stirbst, endest du auch irgendwann mal als Plastiksack.“ Dazai antwortete nicht darauf und so fing Chuuya an, in der Kiste zu wühlen. Nach und nach förderte er den Inhalt zu Tage, den das weibliche Opfer in einer Handtasche bei sich gehabt haben musste. Portemonnaie, eine zusammenklappbare Haarbürste, Damenhygieneartikel, Papiertaschentücher, Kopfschmerztabletten, einen knallroten Lippenstift und eine Tube Handcreme. „Was willst du denn mit den Lümmeltüten?“, fragte Dazai. Mit hochrotem Kopf legte Chuuya die Kondome zurück in die Kiste und wandte sich noch mal der Geldbörse zu. „Saki Brown. Ihr Vater ist anscheinend nicht aus Japan.“ „Oder ihr Gatte?“, meinte Dazai. „Hier steht, dass sie ledig ist. Und sie ist erst 21. Als Leiche sieht sie älter aus.“ „Wie charmant.“ Chuuya räumte wieder alles in die Kiste zurück und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Plastiksack. Dazai seinerseits las gerade in dem Notizbuch des männlichen Opfers. „Hast du noch nicht genug.“ „Mir fehlt das Smartphone.“ „Hm?“ „Heutzutage hat jeder eines. Und ausgerechnet die hier soll keines haben? Glaub ich nicht.“ Chuuya öffnete die Tüte und wühlte lose durch die Kleidungsstücke. „Woran machst du das fest?“ „Zu viel Schminke im Gesicht.“ Dazai klappte das Notizbuch zu und sah seinen Partner an. „Früher warst du nicht so oberflächlich.“ „Ich bin nicht oberflächlich. Ich versuche nur, logisch zu denken.“ „Im Denken warst du früher auch nie besonders gut.“ Chuuya ließ von dem Plastiksack ab. Anstatt Dazai ins Gesicht zu springen, starrte er ihn nur an. „Du hast dich dagegen kein bisschen verändert. Glaubst du etwa, mir macht es Spaß, hier zu sein und mit dir ermitteln zu müssen? Ich würde den Fall gerne so schnell wie möglich lösen.“ „Ah ja! Und was hat Sherlock herausgefunden?“ „Ich hab gar nichts herausgefunden! Hör auf, dich über mich lustig zu machen! Und nenn mich nicht ‚Sherlock‘!“  Dazai verdrehte die Augen. „Ich glaube nur nicht an das Märchen, dass ein attraktives und auf ihr Äußeres bedachtes Mädchen nicht ab und zu ein Selfie von sich selbst macht. Du sicherlich auch nicht.“ „Kann man auch Selfies von wem anders machen?“ „... Du weichst mir aus ...“ „Meiner hatte heute einen Termin beim Hautarzt.“ Chuuya starrte ihn immer noch an. „Willst du mich verarschen? Was soll uns diese Information bringen?“ „Wir könnten den Arzt fragen, ob Herr Satō zum Termin erschienen ist. Und wenn ja, ob er sich auffällig verhalten hat. Und warum er überhaupt bei ihm war ...“ „Schon gut, schon gut“, fuhr Chuuya dazwischen. „Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als dir zu vertrauen. Aber sag doch mal ...“ Dazai grinste ihn überheblich an, wie er es immer tat, wenn er sich Chuuya überlegen fühlte. Also eigentlich immer. Triumphierend hielt er jetzt ein kleines flaches Gerät in die Höhe, das Chuuya auf den zweiten Blick als ein Samsung Galaxy der neuesten Generation erkannte. Wie gern er Dazai jetzt die Fresse poliert hätte. Aber dann würde er den Fall möglicherweise alleine lösen müssen. Und Anschiss von Mori bekommen. „Ich hab nur leider den Code nicht knacken können.“ „Tse. Higuchi kennt sich mit sowas aus.“ „Nein!“ „Wie ‚nein‘?“ „Die Anweisungen von Fukuzawa und Mori waren eindeutig. Wir zwei lösen den Fall auf jeden Fall, ohne jemand anderen hineinzuziehen. Das schließt andere Mitglieder der Agency oder der Port Mafia aus.“ Chuuya verdrehte die Augen gen Himmel. „Stör ich?“ Die beiden wandten sich um. „Das sind die Kopien, die Sie wollten ...“ „Oh, sehr nett, vielen Dank.“ Dazai trat zu dem Mitarbeiter und nahm die Papiere entgegen. „Steht da was zu den Angehörigen drin?“, fragte Chuuya. „Nein.“ Jetzt war es an dem Special Agent, verdrießlich dreinzuschauen. „Chuuya, sei doch mal geduldig beim Beobachten. Leichen werden nach einer Autopsie erst dann an die Angehörigen übergeben, wenn der Staatsanwalt sie freigibt.“ „Wir sollten auf jeden Fall die Angehörigen befragen.“ „Um Himmels willen. Man lässt die Familien und Freunde üblicherweise durch Polizisten und Psychologen über den Tod informieren. Erst danach kommen wir dran!“ Chuuya brummte nur und deutete auf die Kopien. „Steht sonst was Interessantes drin?“ „Nicht wirklich viel, was in Anbetracht der Umstände auch kein Wunder ist.“ „Na toll. Hast du wenigstens die Adresse von dem Hausarzt?“ „HAUTarzt! Und ja, Satō hat zu jedem Termin feinsäuberlich die Adresse in seinen Kalender geschrieben. Sonst hätten wir wohl gar keinen Anhaltspunkt.“ „Dann auf zum Hautarzt.“ Dazai steckte die Papiere lose in seine Mantelinnentasche und folgte Chuuya aus dem Gebäu-de.   ~   ‚Wir finden dich ...‘, säuselten sie in sein Ohr. ‚George ...‘ ‚Wir kriegen dich ...‘ George schreckte zusammen. Sah sich verwirrt um und wusste nicht, wo er sich befand. Erst langsam dämmerte ihm, dass er im Foyer der öffentlichen Bibliothek eingeschlafen sein musste. Warum hatte er sich ausgerechnet dort niedergelassen, wo es jede Menge Bücher gab? Ironie des Schicksals? Dort hatten sie ihn auch in seiner Heimatstadt in New Mexico am schnellsten aufgespürt. Gerade so, als ob er es auf die Konfrontation mit ihnen anlegte. Seinen Charakteren. Seine Fußsohlen kribbelten. George streckte sich auf dem breiten Ledersessel, den er okkupiert hatte. Es war spät abends, die Bibliothek nur noch spärlich besucht. Er beschloss, sie zu verlassen und sich eine vernünftige Bleibe zu suchen. In Shibuya sollte das kein Problem sein. ... ‚Du gehörst uns ...‘ George zuckte mit den Schultern, als wäre nichts, und verließ die Bibliothek.   ~   „Das war ja mal nichts.“ Dazai schwieg. Er hatte sich mehr von dem Besuch bei Herrn Satōs Hautarzt erhofft. Dem Mediziner zufolge war Herr Satō pünktlich zum Termin erschienen. Warum hatte er anfangs nicht verraten wollen. Ärztliche Schweigepflicht. Er hatte erst nachgegeben, als Dazai ihm erklärte, dass sie in einem Mordfall ermittelten und Chuuya pietätlos hinzufügte, dass Herr Satō demnächst beerdigt würde. Der Arzt war auf seinem Stuhl zusammen gesunken. Nachdem ihm die Praxisassistenz ein Glas Wasser gebracht hatte, hatte er erzählt, dass Herr Satō ihn wegen eines ungewöhnlichen Gefühls auf der Haut aufgesucht hatte. Äußerlich war nichts zu erkennen. Der Patient klagte jedoch über Schmerzen, als würde ihm die Haut langsam abgezogen werden. Was der Mediziner seltsam fand, denn woher sollte sein Patient wissen, wie sich das anfühlte? Nein, er hatte ihn nicht gefragt, was er als Nächstes vorhatte. Vermutlich wollte Herr Satō im Anschluss an den Arzttermin in die Arbeit gehen. Nein, der Mediziner wusste nicht, wo Herr Satō arbeitete. „Ich weiß nicht, wie du’s siehst, aber ich glaube nicht, dass wir an der richtigen Spur dran sind.“ „Will heißen, wir sollten uns doch um das Handy des Mädchens Gedanken machen?“, fragte Dazai. „Nein. Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass wir da so viel rausfinden würden“, antwortete Chuuya. „Was schlägst du vor?“ „Wir sollten noch mal die Informationen durchgehen, die wir schon zusammen getragen haben. Vielleicht haben wir oder Fitzgerald und seine Leute, was übersehen?“ Dazai bezweifelte, dass ihnen das was brachte. Andererseits hatte er auch keinen besseren Vorschlag und so nickte er einfach nur stumm. „Orchard Ginza?“ „Orchard Ginza?“ „Orchard Ginza!“   ~   ‚Wo sind meine Töchter?‘ Da war sie wieder, die Verrückte, die sich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht hat. Zuletzt hatte er ihre Anwesenheit in Los Angeles am Flughafen gespürt. Warum sie sich seither nicht hat blicken lassen, war ihm ein Rätsel. George brummte. So verrückt sie war, so harmlos war sie bisher. Anders als die anderen seiner Verfolger hatte sie bisher keine Anstalten gemacht, ihm körperlich weh zu tun. Sie hatte ihn nur immer wieder gefragt, wo ihre Töchter waren. Als ob er das wüsste. Er versuchte zunächst, sie zu ignorieren und sich auf sein Gyudon zu konzentrieren. Inzwischen gelang es ihm, mit Essstäbchen zu essen, ohne die Hälfte des Reises irgendwo zu verteilen, wo er nicht hingehörte. Trotzdem warfen ihm die anderen Gäste des Yoshinoya immer wieder ... Blicke zu. ‚Wo sind meine Töchter?‘ „Ich weiß es nicht ...“ Eine Scheibe dünn geschnittenes Fleisch wanderte in seinen Mund. ‚Wo ist Sansa?‘ „Wer ist Sansa ...?“ Mittlerweile saß die Verrückte auf dem Stuhl zu seiner Rechten und starrte ihn durchdringend an. George traute sich nicht zu fragen, wo sie ihre Tochter zuletzt gesehen habe. Nicht, weil er vor der Reaktion des Geistes Angst hatte, sondern weil er nicht wollte, dass die anwesenden Japaner ihn noch mehr aus den Augenwinkeln heraus betrachteten. ‚Wo ist Arya?‘ Jetzt wusste er wenigstens, wie die zwei Bälger hießen. Nicht, dass ihm – oder ihr – das so viel genutzt hätte. George beendete sein Mahl und verließ das Yoshinoya, eine der bekanntesten Gyudon-Ketten des Landes, wie er rausgefunden hatte.   ~   „Gib mir bitte noch mal den Bericht von Hawthorne.“ Dazai suchte die gewünschten Papiere aus dem Wust an Unterlagen heraus und reichte sie einem Partner. „Wie oft hast du die mittlerweile schon gelesen?“, fragte er. „Oft genug. Aber sein Schrieb ist auch der einzig halbwegs verständliche Bericht. Wie weit bist du denn bei Poe gekommen?“ Der Agent der Special Detective Agency schwieg beharrlich. Chuuya griff nach seinem Glas Wasser. Eigentlich hätte er viel lieber einen richtigen Drink gehabt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie einem mutmaßlichen Mörder auf der Spur waren, hatte er darauf verzichtet. Dafür war noch genügend Zeit, nachdem sie den Fall abgeschlossen hatten. „Mich wundert es ja ein bisschen, dass Fitzgerald uns überhaupt darüber informiert hat. Findest du das nicht auch seltsam?“ „Hn.“ „Ich mein, das letzte Mal, als er mit uns zu tun hatte, war er hinter deinem Wonneproppen her.“ „Atsushi? Ja, mittlerweile scheint er andere Ziele zu verfolgen.“ „Findest du das nicht auch seltsam?“ „Bisher nicht. Chuuya, worauf willst du hinaus?“ „Was ist, wenn in dem ganzen Kram hier nur Bullshit steht?“ Dazai legte den Poe-Bericht zur Seite und sah Chuuya interessiert an. „Was, wenn er Martin absichtlich nach Tokio geschickt hat?“ „Zugegeben, ein interessanter Ansatz. Aber du vergisst eine Sache“, sagte Dazai. „Und die wäre?“ „Wir haben immer noch ... mich! Ein Stups von mir und er ist so harmlos wie ein kleines Kätzchen.“ „Hah!“ Chuuya vertiefte sich wieder in seine Papiere. „Ich mein, von dem, was wir bisher wissen, scheint seine Fähigkeit ja ziemlich sporadisch aufzutreten. Es klingt nicht so, als ob er sie kontrollieren kann. Geschweige denn, sie gezielt gegen eine bestimmte Person einsetzen. Findest du nicht auch?“, fügte Dazai hinzu. „Vielleicht ist er auch gerade deshalb hier?“ „Chuuya, ich bitte dich! Das ist, wie wenn du Higuchi die Augen verbindest und ihr sagst, sie soll auf Atsushi schießen.“ „Mensch Dazai, überleg doch mal. Während wir Jagd auf George R. R. Martin machen, der wahllos irgendwelche Leute umbringt, schleichen sich Fitzgerald und seine Schergen heimlich ins Land und richten Chaos an. Klingt das nicht plausibel?“ Dazai sah Chuuya an. „Nein.“ Chuuya sah seinen Partner noch einen Augenblick lang an, verdrehte dann theatralisch die Augen und steckte seine Nase wieder in die Unterlagen von Hawthorne. „Sag Bescheid, wenn du mit Poe fertig bist.“ „Mhm.“ Dazai dachte nach. „Sag mal ...“ „Hm?“ „Vorhin der bullige Typ am Tresen, der dich von oben nach unten unter die Lupe nahm ...?“ „Halt die Fresse!“ „Bist du öfter hier?“ „...“ „Du scheinst ihn ja ziemlich gut zu kennen ...“ „...“ „Er dich auch, wie mir schien ...“ „Verdammt, Dazai! Halt die Fresse und lass mich hier arbeiten.“ „...“ „...“ „Wie er dich angesehen hat ...“ „Da läuft nichts zwischen mir und ihm ...“ „Aber ...“ „Nein!“ „...“ „...“ „...“ „Wie läuft es eigentlich zwischen dir und Atsushi?“ Dazai sah von dem Poe-Bericht ungläubig zu seinem Partner. „Wie kommst du drauf, dass zwischen mir und ihm was ‚läuft‘?“ „Ach, nur so.“ „Nur so? Eifersüchtig?“ „Wieso sollte ich?“ Dazai kicherte. „Was?“ „Nichts. Du bist nur grad ziemlich rot im Gesicht.“ Eine Kladde flog in seine Richtung. „Och, das hat Hawthorne doch nicht verdient!“ „Hawthorne schreibt eh nichts Interessantes! Mittlerweile weiß ich auswendig, wo er sich in den USA überall aufgehalten hat, seit die Gilde seine Fährte aufgenommen hat. Meistens war es irgendein Fast Food Laden!“ „Das erklärt wohl seine Figur ...“ Chuuya streckte sich einmal genüsslich. Seit etwa einer Stunde saßen sie nun hier im Nebenraum des Orchard Ginza. Kobayashi, den Dazai vorhin als ‚bulligen Typen‘ bezeichnet hatte, war der Barbesitzer und gut mit Chuuya bekannt.  ‚Oder eher mit der Port Mafia‘, dachte er. Nachdem Dazai die kriminelle Vereinigung verlassen und zur Special Detective Agency gewechselt war, hatte sich die Mafia nach und nach neue Unterschlupfmöglichkeiten suchen müssen. Mori kannte Kobayashi noch von früher und vertraute offensichtlich auf dessen Verschwiegenheit. Chuuya hatte aber bisher nicht herausgefunden, welche Verbindung es sonst zwischen den beiden gab. Kobayashi hatte Chuuya mit einem Lächeln begrüßt, ehe er dessen Begleiter erkannte. Schlagartig hatte sich seine Mine verfinstert und nur durch gut Zureden war es Chuuya gelungen, Kobayashi davon abzuhalten, Dazai hochkant aus seiner Bar zu werfen. ‚Vielleicht hat er ihn für eifersüchtig gehalten?‘, überlegte Chuuya und starrte an die Decke des Nebenraums. Er stand auf. „Willst du auch was Stärkeres?“ „Mhm!“ Chuuya schlurfte in den Schankraum hinaus und schloss die Tür hinter sich. Dazai hatte nur darauf gewartet, einige Minuten allein zu sein. Sobald sein ehemaliger Partner weg war, warf er den Poe-Bericht von sich und sah sich in dem Raum um. „Hier werden doch bestimmt Drogen gedealt und andere krumme Geschäfte gedreht ...“, murmelte er. Dazai kam nicht dazu, den Raum weiter zu inspizieren, denn die Tür flog wieder auf und Chuuya stand hechelnd in ihrem Rahmen. „Dazai, verdammt! Das musst du dir ansehen!!“ Chuuya machte auf dem Absatz kehrt und stürmte wieder in den Schankraum hinaus. Dazai folgte ihm trotz seines Übermuts gemessenen Schrittes. Sein Partner starrte auf einen Fernseher, der über dem Schnapssammelsurium hing und gerade einen Sonderbeitrag brachte. Alle Augenpaare in der Bar waren auf den Bildschirm gerichtet. Fassungslos verfolgten die anderen Gäste sowie die Angestellten, was sich scheinbar in Shibuya zutrug. Dazai trat heran. „Auf der großen Kreuzung hat es scheinbar einen Anschlag gegeben ...“, murmelte Chuuya. Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Das sieht ihm gar nicht ähnlich, so auffällig zu sein.“ „Jedenfalls haben wir jetzt einen Anhaltspunkt. Komm mit“, flüsterte Chuuya. „Warte, wir können die Unterlagen nicht einfach so zurücklassen.“ „Dafür ist keine Zeit! Yashi!!“ Der Barbesitzer riss den Kopf herum und nickte wissend, als Chuuya zum Nebenraum gestikulierte. Dazai verfolgte das Ganze. „Sonst entwischt er uns noch, komm endlich!“ Chuuya stürzte auf den Gehweg hinaus und rannte zur U-Bahn.   ~   Wie hatten sie ihn nur so schnell finden können? Die Geister, die er nie gerufen hatte, umzingelten ihn. Ausgerechnet hier auf dieser riesigen Kreuzung, die auch zu später Stunde noch sehr belebt war. Die Geister, die wie Salzsäuren aussahen und die er für die Gefährlichsten hielt. Nicht so wie die Verrückte, die ihn ständig nach ihren Töchtern fragte. Nein. Diese hier wollten ihn möglichst schnell tot sehen. Dass sie dabei Unbeteiligte töteten, war ihnen offensichtlich egal. George scheute davor zurück, bei Rot über die Kreuzung zu laufen. Noch hatten die anderen Passanten nicht gemerkt, welches Unheil sich anbahnte. Über den allgemeinen Lärm hinweg konnte er hinter sich vereinzelt Schreie hören. Ob die weißen Geister sie töteten? George hatte nur einen Blick auf sie geworfen und dann Reißaus genommen. Die Fußgängerampel schaltete auf Grün.   ~   „Nächstes Mal nehmen wir den Porsche vom Chef!“ „Mori hat ’nen Porsche? Seit wann?“ Chuuya und Dazai hetzten schwer atmend die Treppe Richtung Vorplatz und Hachiko-Statue hinauf. Oben angekommen bot sich ihnen ein verstörendes Bild. Hier und da lagen Körper auf dem Boden. Passanten versuchten, sich um einige von ihnen zu kümmern. Manch andere Körper lagen komplett unbeachtet herum. Auf den ersten Blick war nicht ersichtlich, ob es sich bei diesen tatsächlich um Leichen handelte, oder nicht. Chuuya fand sie von vornherein seltsam. Etwas weiter weg ertönte Geschrei. „Ich glaub, da ist unser gesuchter Mann.“ Er wollte schon loshetzen, aber Dazai hielt ihn am Arm zurück. „Pass auf, wen du anrempelst“, warnte er. „Mir scheint, dass nicht jeder ein gewöhnlicher Fußgänger ist.“ „Wie meinst du das?“ Dazai deutete nach links. „Ähm ...“ „Schauen wir mal, ob wir unseren wildgewordenen Amerikaner finden.“ Sie bewegten sich langsam durch die Menschenmassen auf das Geschrei zu. Von entfernt waren Sirenen zu hören, die näher kamen. Chuuya sah auf einem der großen Bildschirme die Kreuzung von oben. „Anscheinen sind schon irgendwelche Pressefuzzis da ...“ „Mhm.“ „Lass ihn uns schnell einsacken und dann verschwinden.“ „Das ist der Plan.“ Die Menschenmenge wurde immer dichter. Fast hätte Chuuya sich gefragt, warum die Leute nicht flüchteten. Aber nur fast.  „Die Sensationslust in Tokio kennt inzwischen auch keine Grenzen mehr.“ „Hm?“ „Ach nichts.“ Sie schoben sich an einer Menschengruppe vorbei, die verräterisch nach westlichem Mittelalter aussah. Und seltsam irreal wirkte. Wie Geister. Einer von ihnen ging Dazai nur bis zur Hüfte. Ein Zwerg mit hellbrauner Lockenmähne, dichtem Bart und einer hässlichen, großen Narbe im Gesicht. Er sah abwartend in die Richtung, in die Chuuya und Dazai hetzten. Irgendwie schien er zu spüren, dass sie ihn wahrnahmen, denn er wandte sich zu ihnen um. Sah sie an. Folgte ihnen mit den Augen, als sie vorüber hasteten. „Nachher hol ich mir eine ganze Sake Flasche nur für mich allein ...“ „Und den Porsche von Mori ...“ „Den nur im Notfall ...“ Dazai stoppte abrupt. Chuuya wäre fast in ihn hinein gerannt. „‚Nur im Notfall‘?“ „Nur im alleräußersten Notfall!“ „...“ „Er hat ihn pink lackieren lassen ...“ „...“ „...“ „Bleibt zurück!“, rief jemand von weiter weg. Sie wandten sich nach rechts. Mitten auf der Kreuzung stand er, der derzeit wohl meistgesuchte Mann in Japan, was aber nur wenige wussten. Ein älterer, korpulenter Herr mit grauem Rauschebart, feuchten Lippen und einer dunkelfarbenen Schiffermütze. Einige Japaner standen neugierig um ihn herum, manche langen schon am Boden. Wie schon die Leiche im Curryrestaurant und die in der Leichenhalle waren auch diese von Frostbeulen übersät. Andere Gestalten hatten ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf den Amerikaner geheftet. „George!!“ Der Angesprochene riss den Kopf herum und sah Dazai verängstigt an. „Wir wollen dir nichts Böses!“ „Schwindler ...“, flüsterte Chuuya. „Wir wollen dir nur helfen!“ „Ihr könnt mir nicht helfen!“, rief er zurück. Chuuya sah sich verstohlen um. „Scheiße, Dazai, wir sind im Fernsehen ...“ Dazai ignorierte seinen Partner. Langsam ging er auf George zu, die Hände gut sichtbar für ihn erhoben. „Ich weiß, dass sie dich verfolgen!“, rief er. „Ich kann sie auch sehen.“ Die Geister rührten sich nicht. George schien jetzt noch verunsicherter zu sein. Aber Dazai sah auch etwas anderes in seinen Augen aufblitzen. War es Hoffnung, die er sah? „Ich bin im Grunde genommen wie du, George! Ich habe auch gewisse ... Fähigkeiten.“ „Ich hab‘ keine Fähigkeiten!“ George wich zwei Schritte zurück. „Sie sind die Geister, die du gerufen hast!“ „Die Geister, die ich gerufen habe? Wieso sollte ich das tun? Und vor allem wie?“ „Manchmal kann man nicht kontrollieren, was man in sich selbst trägt ... Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.“ „Der andere soll stehen bleiben!“ Chuuya blieb wie angewurzelt stehen. Sie waren mittlerweile auf drei Meter herangekommen und George schien Dazai mehr zu vertrauen, als ihm. Was ihm nur recht war. Sobald Dazai George auch nur mit einem Finger berührte, würden die Geister um sie herum verschwinden und sie konnten nach Hause gehen. „Ich habe auch viele Geister, die mich verfolgen.“ „Hah!“ „In meiner früheren Zeit gehörte ich einer Organisation an, die ...“ „Na spuck’s schon aus“, flüsterte Chuuya gereizt hinter ihm. Dazai ignorierte ihn. „Meinen Weg pflastern auch so einige Leichen ... Sie suchen mich immer heim, nachts, wenn ich alleine in meiner Wohnung liege ... Sie finden mich in der Dunkelheit ... Flüstern mir Dinge zu ... Ich weiß, wie du dich fühlst.“ „Sie werden nie wieder verschwinden, oder? Die Frau, die ihre Töchter sucht? Die weißen Geister?“ „Nein“, meinte Dazai versöhnlich. Er stand jetzt direkt vor George. Er brauchte nur den Arm auszustrecken, und ... Chuuya hielt den Atem an. „Ich kann dir helfen, mit ihnen zu leben.“ Dazai reichte George die Hand. Der Amerikaner zögerte einen Moment, sah unschlüssig zu Chuuya, der versuchte, ihm aufmunternd zuzunicken. George ergriff die ausgestreckte Hand. Dazai konnte hören, wie sein Partner den angehaltenen Atem ausstieß. Sofort verschwanden die Geister, zurück blieben nur noch die richtigen Leichen. Er führte George etwas vom Zentrum des Geschehens weg. Chuuya folgte ihnen unauffällig, behielt die Umgebung im Auge und stellte zufrieden fest, dass der große Bildschirm am Hochhaus momentan nur noch Leichen und nicht sie zeigte. Als sie den Gehsteig erreicht hatten, ließ Dazai George wieder los. Und da passierte es. Der Amerikaner verdrehte plötzlich die Augen, griff sich mit der linken Hand erst an die Brust, dann an den Hals, so als ob er Atemnot hätte. Dazai und Chuuya griffen sofort nach seinen Ellbogen, aber es war zu spät. George brach auf dem Gehweg zusammen und tat seinen letzten Atemzug. Fassungslos starrten die beiden auf ihn hinab. „Vielleicht hättest du ihn nicht loslassen sollen“, meinte Chuuya unsicher. „Ja toll! Dann hätte ich ihn den Rest meines Lebens an der Backe gehabt!“   ~ FIN ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)