Aus vielem Holz geschnitzt von Chaosbande (Aus dem Leben des Zauberstabmachers) ================================================================================ Kapitel 3: Was in Salem passierte ... ------------------------------------- “Elderstab”, flüsterte Garrick Ollivander leise und allein das Wort ließ eine Gänsehaut über seinen Rücken wandern. Für Menschen, die von diesem Stab wussten, war er schon faszinierend. Doch für ihn als Zauberstabmacher war er noch mal eine ganz andere Geschichte! Wie viele Stunden seiner Zauberstabkunde hatte er diesem Sagen und Mythen umwogenem Stück Holz vor allem in seiner Jugend gewidmet? Es kam ihm wie gestern vor, dass er in der grossen Bibliothek Salems gesessen und alte Pergamentrollen geradezu verschlungen hatte. Pergamentrollen die von vielen vergessen und trotz Restaurationstauber schon fast verblasst waren. Pergamentrollen, welche die blutige Geschichte des Elderstabes erzählten. Während die Wanduhr sieben Mal schlug, tauchte Garrick Ollivander wieder in seine Erinnerungen ab. “Bist du schon wieder hier, Garrick?” Ohne aufzuschauen, gab Gefragter nur ein Schnauben von sich. “Sag nicht, du bist wieder in diese irrsinnige Idee verstrickt?” Anstatt zu antworten, zog Ollivander eine weitere Pergamentrolle zu sich heran und entrollte sie. “Hey, ignorier mich gefälligst nicht, Ollivander!” “Verschwinde. Du nervst, Gregorowitsch!” Kurz hob er den Kopf, um den Störenfried, der sich ungefragt auf einem Stuhl ihm gegenüber niedergelassen hatte, anzublitzen. Garrick konnte und wollte jetzt keinen weiteren Menschen ertragen, der ihn wegen seiner ‘Elderstab Obsession’ aufzog. Es reichte schon, dass sein eigener Vater es belächelte. Es als ‘jugendliche Fantasterei’ betitelte und nicht verstand, warum Garrick die Sommerferien vor seinem sechsten Schuljahr lieber in Salem, anstatt zu Hause zu verbringen. Die Korrespondenz mit einem uralten Zauberstabmacher in Amerika hatte er seiner Familie gleich ganz verschwiegen. Aber er wäre nicht Garrick Ollivander, der angehende neue Star am englischen Himmel, wenn er sich nicht über Hogwarts hinaus bilden würde. Sei es nun wegen dem Elderstab oder allgemein in der Zauberstabkunde. “Also, hast du inzwischen Fortschritte gemacht?”, erkundigte sich Gregor Gregorowitsch und zog sich dreist einen seiner Notizzettel heran. “Finger weg!”, fauchte Ollivander und holte sich die Notizen wieder. “Ruhig Blut, Garrick! Ich will dir nichts Böses! Ich finde es … faszinierend. Sollte es diesen Elderstab wirklich geben … oh, was für Möglichkeiten hätte man damit. Stell dir vor, wie es die Zauberstabmacherei revolutionieren würde. Man hätte die besten Zauberstäbe…” Interessiert beobachtete der Ollivander den ausländischen angehenden Zauberstabmacher. Konnte es tatsächlich sein … konnte es sein, das der Andere ihn nicht aufzog? Ja, dieses Blitzen und Strahlen in den Augen des Gleichaltrigen kannte er nur zu gut. Nämlich von sich selbst. Doch er kannte den Anderen erst seit letztem Jahr, seit er einen Bibliotheksausweis für Salem hatte und in den Ferien als Gasthörer in einigen interessanten Vorlesungen saß. In der über Zauberstabhölzer und deren Bearbeitung, hatte er Gregor Gregorowitsch kennengelernt. Dieser war ebenfalls Gaststudent Salems und genau so eingebildet und nervig, wie hübsch. Mit seinen straßenköterblonden, schulterlangen Haaren mit den dunklen Strähnchen. Die kleinen Lachfalten um die Augen, die so herrlich braun waren. Ein dunkles Braun, wie Mahagoniholz. Hektisch schüttelte der englische Zauberer seinen Kopf. Er war hier um zu lernen und nicht um diesem eingebildeten, versnobten Fatzke hinterher zu hecheln. Mal ganz davon abgesehen, dass dieser Fatzke ein Weiberheld war und er zudem nicht wenig Ärger in England bekam, sollte rauskommen dass er sich für einen anderen Mann interessierte. “...lo, Garrick! Erde an Ollivander!” Blitzend kam Gerufener aus seiner Schwärmerei zurück und wischte die schnipsende Hand Gregorowitsch unwirsch zur Seite. “Aaaah, da bist du ja wieder. Mein Freund, du sahst kurz aus als hättest du kräftig am Versiegelungsöl geschnuppert.” Das Lachen des anderen Studenten vibrierte in seinen Ohren nach und ein warmer Schauer ließ ihn zusammenzucken. Bloß nichts anmerken lassen! “Also, willst du jetzt was über den Elderstab wissen, oder nicht?” Schweigen war zwischen den beiden Zauberkundestudenten eingetreten, während Gregor Gregorowitsch die gerade erhaltenen Informationen zu überdenken schien. Wenigstens war er nicht lachend verschwunden, also wertete der Engländer dies schon mal als positives Zeichen. “Und du bist darauf gekommen, weil dich die Frage nicht losgelassen hat, warum man kein Holunderholz als Zauberstabholz verwenden soll? Warum es allgemein eher gemieden wird und Unglück bringt?” Stummes Nicken war die Antwort. “Die angebliche Aussage von irgendeinem Emmerich, dass er einen unbesiegbaren Stab hatte, sowie immer wieder in der Geschichte auftauchende Zauberstabnamen, sind ein Beweis für dich?” Genervtes Seufzen und ein Streichen durch die Haare. “Gregorowitsch, das haben wir jetzt alles schon mehrfach durchgekaut. Aber ich fasse es gerne NOCH MAL, für blonde Schönlinge zusammen!” Genannter Schönling wollte sofort protestieren, doch Ollivander brachte ihn mit einem finsteren Blick zum Schweigen und winkte ihn stattdessen neben sich. “Schau hier. Es tauchen immer wieder Namen wie ‘Elderstab’, Eldrunstab’, ‘Todesstab’, ‘Stab des Schicksals’ und viele mehr auf. Genau so wie Prahlereien auf der ganzen Welt, über einen Stab, der unbesiegbar sei. Der einen jedes Duell gewinnen lasse. Der gegen jeden Zauber ankommt und den Tod bringt. Der allein durch den erstmaligen Gebrauch dafür sorgen kann, dass der Nutzer sich anfängt zu verändern und der Stab mit jedem Nutzer Energie aufnimmt. Energie die sich beim Tod freisetzt, denn der Stab wechselt nur durch den Tod den Besitzer. Durch den Kern, der aus dem Schwanzhaar eines Thestrals besteht, ist der Stab in der Lage selbst dunkelste Magie zu verwenden und speichern. Ob auch schädliche Magie, da bin ich unsicher …”, gedankenverloren biss Garrick sich auf der Unterlippe herum, während er seinen Blick über die Unterlagen fliegen ließ. “Schau”, eine grobe Zeitleiste hervor ziehend, erklärte er dem Osteuropäer nochmals was er hier sah. “Also die ersten Erwähnungen sind wie gesagt gegen 600, im frühen Mittelalter. Da gab Emmerich der Böse an und wurde von Egbert dem Ungeheuerlichen um die Ecke gebracht. Ungefähr ein Jahrhundert später, befindet sich ein mächtiger Stab in Besitz von Godelot - ja, bevor du es fragst, das ist der Autor von ‘Gar böse Zauberey’- und dieser entwickelt damit eine Menge schwarzmagische Sprüche. Nicht nur die helfende Sorte, das verrat ich dir! Doch das eigentlich interessante daran ist, dass er die Jahre vorher nicht so begabt war. Der eigene Sohn hat ihn angeblich aus Angst im Keller eingesperrt und schließlich getötet. Erst 1705 findet sich wieder eine Spur, die sich recht sicher dem Elderstab zuzuordnen lässt.. Barnabar Deverill bezeichnet seinen Stab als ‘Eldrunstab’ und wird nach nicht mal fünf Jahren von …” “Von einem Loxias getötet, der laut deinen Notizen jeden ums Eck gebracht hat, der auch nur schief geguckt hat. Dann kamen die Brüder Arcus und Livius, die 1720 Loxias avadert haben und seit dem ist der Stab verschwunden”, beendete Gregors Garricks Erzählung und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. “Ja!”, rief Ollivander laut aus und sprang auf. Unruhig tigerte er hin und her und bemerkte gar nicht, wie Gregorowitsch einen Muffliator und einen Illusionszauber über ihren Bereich legte. “Es ist zum verrückt werden! Ich habe das Gefühl, ich bin ihm ganz nah! Ich will ihn doch nur analysieren! Den Kern, das Holz … ist es bearbeitet oder natürlich? War es ein starker Holunderbusch, oder ein in einer Nährstoffarmen Zeit gewachsener? Wie reagierte der Stab auf unterschiedliche Magien? Suchte er sich seinen Träger aus? Was war dran, an der Legende, dass der Stab nur sein volles Potenzial entwickelte, wenn man mit dem Tod rechnete und abgeschlossen hatte?" Sein Kopf fühlte sich an, als wenn er gleich explodieren wollte. Es war alles irgendwie so unglaublich frustrierend und verwirrend. Starke Hände ergriffen ihn an der Schulter und zwangen ihn schließlich dazu stehen zu bleiben. Schwer atmend fixierte er den dunklen Bibliotheksfußboden. Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, wie sehr er sich hatte gehen lassen. Meine Güte, war das peinlich! “Gehts wieder?” Mit hängenden Schultern nickte der Ollivander bloß, während er schon beinahe krampfhaft die Bodenmusterung betrachtete. “Hey …” Plötzlich und damit vollkommen unvorbereitet wurde er nach vorne gezogen, sodass seine Stirn an der Schulter Greogorowitsch zum Liegen kam. “Was …?”, brachte er quietschig über seine Lippen und wollte sich befreien, doch Arme die sich um ihn schlangen, hinderten ihn erfolgreich daran. “Wie … warum …?” “Beruhig dich erstmal. Das ist ja nicht mit anzusehen”, hörte er Gregors dunkle Stimme. Einerseits schrie alles in ihm sich frei zu machen, den Osteuropäer anzuschnauzen für seine Unverschämtheiten und sich weiter seinen Studien zu widmen. Doch auf der anderen Seite … jetzt wo er hier stand, so nah am lebendigen Grund für seine feuchten Träume und dessen Körperwärme spürte. Die drahtigen und doch kräftigen Arme und dieser Geruch … nach Hölzern und Ölen mit dieser typischen urigen Gregorowitsch Mischung aus Duftwassern. Seufzend schloss er die Augen und so siegte sein Herz über den Verstand. Tief den Duft des Anderen einatmend, ließ er sich in die Umarmung sinken und erwiderte diese. “Na siehst du, geht doch”, hörte er schmunzelnd. “Jetzt lass uns erstmal Essen holen und dann gehen wir zusammen noch mal alles durch. Was hälst du davon?” Mit großen Augen drückte sich Garrick nun doch etwas von Gregorowitsch ab, um diesen ins Gesicht zu sehen. “Wirklich?” Es war mehr ein Flüstern als alles andere, doch die Hoffnung die darin mitschwang, war deutlich hörbar. “Wirklich!”, gab Gregor sanft lächelnd zurück und hauchte ihm nach einem kurzen Moment des Zögerns, einen Kuss auf die Lippen. “Grandpa, ist alles gut bei dir?” Die sanfte Stimme einer seiner Ur-ur-enkelinnen, holte ihn aus den Gedanken. Nur mühsam konnte er die Gedanken wieder im Hier und Jetzt verankern, doch das Lächeln auf seinen Lippen, wollte einfach nicht verschwinden. “Alles gut, Kleines”, antwortete der alte Mann gutmütig, während er wieder und wieder mit dem Finger über die Lippen strich. Es war beinahe so, als wenn er den Kuss erneut spüren konnte. Ihr erster, aber nicht letzter. “Grandpa?” Eine kleine Gestalt stand vor ihm, entnahm ihm das leeres Whiskyglas und strich sanft über sein faltiges Gesicht. Diese Berührung war es, die ihn letztendlich komplett wieder in der Realität ankommen ließ. “Ich war nur ein wenig in Gedanken, meine Süße”, beruhigte er das blondhaarige Mädchen. Er wollte nicht mehr diesen besorgten und zugleich skeptischen Blick bei seiner Lieblingsenkelin sehen. Die Kleine war mal gerade zwanzig Jahre alt und Garrick fand, die Kleine hatte durchaus etwas elfengleiches. Mochte sie auch nicht mit einem hohen Magielevel gesegnet sein, so machte sie dies allemal wett mit ihrem guten Herzen. Ihrem reinen Herzen und der unverfälschten Art. “Großvater, meinst du nicht, du solltest langsam ins Bett gehen? Oder wollen wir noch eine Runde Schach spielen?” Sanft lächelte der Ältere. Deswegen war ihm dieses Mädchen das Liebste seiner Familie. Sie versuchte ihm das Gefühl zu geben, ihn nicht zu kommandieren. Sie versuchte, ihm die Wahl zu lassen. Sie versuchte ihre Sorge zu verstecken. Ollivander wusste, seine Enkelin wohnte hier nur um ein Auge auf ihn zu haben, doch es war anders, als bei einem Großteil seiner Familie. Sie tat es aus Überzeugung und Liebe. Seine kleine Mary, die er seit dem Moment liebte, seit er sie das erste Mal im Arm gehalten hatte. Seine kleine Mary, dessen Hochzeit er hoffentlich noch erleben durfte. Wer auch immer dieses Geschöpf zur Frau nahm, hatte in Ollivanders Augen das große Los gezogen. “... dir gut?” Verwirrt schüttelte der Weißhaarige seinen Kopf um die trüben Gedanken zu vertreiben. Entschuldigend blickte er das Mädchen an. “Es tut mir leid, Kleines. Verzeih einem alten Mann, wenn er in Gedanken versinkt.” Noch einmal warf er ihr ein liebevolles Lächeln zu, ehe er ihr die Hand hinstreckte. “Komm, hilf einem alten Mann aufzustehen. Lass uns noch eine Runde Schach spielen und ja, ich nehme auch noch einen Snack, sowie meine Medizin zu mir. Ah! Sag nichts, ich habe diese Aussage in deinen Augen gesehen.” “Ach Großvater …” Gespielt verdrehte das Mädchen ihre Augen und leistete den Anweisungen ihres älteren Verwandten Folge. Einige Stunden später lag der alte Zauberstabmacher im Bett und versuchte einzuschlafen. Doch vor seinem inneren Auge tauchte immer wieder das Gesicht Gregorowitsch auf. Die blitzenden Augen und das sanfte Lächeln. Das Gefühl die Hände des Anderen auf seinem Körper … er mochte über zweihundert Jahre alt sein, aber er war immer noch ein Mann. Gregorowitsch … bereute er es? Bereute er ihn gehen gelassen zu haben? Bereute er die Entscheidung für seine Frau und damit die Familie? Wieder und wieder spielte er alle möglichen Szenarien durch, bis er schließlich mit einem entschiedenen 'Jain' ins Reich der Träume abdriftete. Was in Salem passierte, war schön und eine tolle Erfahrung, doch das war es auch schon. Es blieb dort ... und in seinen Träumen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)