Separated Lovers von YukihoYT (Du solltest mich nicht lieben.) ================================================================================ Kapitel 1: "Du bist so cool!" - "Und du hast keine Ahnung." ----------------------------------------------------------- "Ich habe ihm mein Leben gewidmet!",   dieser Satz hallt gefühlte hunderte Male in meinem Kopf wieder, während ich vor dem Schrank verharre und überlege, was ich wohl anziehen solle. Egal, was es ist, er wird es sowieso nicht sehen, denke ich und eine Welle der Einsamkeit überschwemmt mich. Nein. Ich darf jetzt nicht daran denken, ich habe ihm versichert, damit abzuschließen und mich damit abzufinden, dass er mich niemals so sehen kann wie ich ihn sehe, selbst, wenn er es versucht. Er soll sich keine unnötigen Sorgen machen. Er soll frei sein, das ist das Mindeste, das ich für ihn tun kann: ihn leben lassen, wenn auch ohne mich. Ein kurzer Faltenrock, gepaart mit Kniestrümpfen, die erst kurz vorm Saum aufhören und einem schulterfreien Oversize-Shirt bin ich bereit für die 12. Klasse. Mein Modegeschmack ist genau das, das mich meinen tragischen Beziehungsstatus überleben lässt: Mein Herz ist vergeben, ich einsam aber wenigstens bin ich ganz hübsch. Hübsch. Schönheit liegt im Auge des Betrachters und mein Betrachter ist über alle Berge und ich kann niemanden die Gefühle entgegenbringen, die ich Max entgegengebracht habe, denke ich im Bus. Ich muss aussteigen. Die Schule ist nicht weit von der Bushaltestelle. Wer am Ende der Stadt wohnt ist froh darüber.   "Ah! Du, tut mir echt leid!", ein kleines Mädchen hat mich angerempelt.   "Ach, kein Ding, ich bin es, die nicht aufgepasst hat.", das ist wahr.   "Du hast da was fallengelassen.", unsere Blicke sind auf mein runtergefallenes Handy fixiert.   Das Mädchen hebt mein Handy auf und wie vom Blitz getroffen merke ich, das es nicht auf der Touchscreen-Seite liegt! Sie hat es gesehen! Ich bin tot! Warum? Ich habe bis jetzt nämlich ein Bild von Max auf meinem Handy betrachtet, das ist mein Ende! Das Mädchen hält den Atem an und hält mein Handy noch immer in ihrer Hand.   "Wer ist dieser Junge?", es klingt so einfach und naiv, dass ich es nicht fassen kann. Das wagt sie nicht. Wie kann sie mich nur auf Max ansprechen?! Der Weg zu unserer Schule leert sich und so langsam fangen wir an allein zu sein. Und mit jedem Schüler, der von meiner Bildfläche verschwindet, fühle ich mich mehr in die Enge gedrängt. Ich schnappe mir das Handy und drehe mich weg.   "Das ist nichts, was ich DIR sagen könnte. Was fällt dir ein?!"   Ich bin den Tränen nahe, beschämt und aufgewühlt, habe ich jeden Funken Höflichkeit und Ruhe verloren. Ich nehme die Beine in die Hand und renne. Ich will nur noch weg von diesem Mädchen und ihrem fehlenden Taktgefühl. Es tut weh, an ihn zu denken, sehr sogar, aber das braucht sie nicht zu wissen. Wer er ist. Die Person, die meinem Leben einen Sinn gab. Den habe ich zwar Dank dieser Person noch, aber sie Person selbst sehe ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder. Ich liebe dich immer noch, denke ich und betrete völlig erschöpft das Klassenzimmer. Zum Glück nicht vollkommen schweißgebadet, das würde mein Debüt am ersten Tag nach den Sommerferien ziemlich leiden lassen. Mein Brustkorb brennt und ich versuche mir nichts von vorherigen Marathon anmerken zu lassen, denn das wäre ein Indiz dafür, mich zu fragen, warum ich es so eilig hatte und das kann ich niemandem sagen.   "Ey, warte... Du. Ich wollte nicht... Du bist so schnell... Zu schnell." Ich höre einen Knall in der Nähe des Türrahmens. Da liegt wer! Nicht nur irgendwer: Das ist das Mädchen von vorhin! Ich sag's gern nochmal: Ich. Bin. So. Dermaßen. Tot! "Ich kann nicht glauben, dass du mir einfach hinterhergerannt bist, und dann musste ausgerechnet ich dich ins Sani-Zimmer tragen...", ich bin angepisst.   Sie scheint immer noch ohnmächtig zu sein, wacht aber langsam auf. Bei genauerer Betrachtung sieht sie schon ziemlich süß aus, hoffentlich ist sie es auch, denn die Sache mit Max ist wirklich nichts, was irgendwer anders wissen sollte. Sie ebenfalls nicht. Das war nur ein unglückliches Aufeinandertreffen, mehr nicht. Sie ist immer noch ganz rot, besonders ihre Backen, bei diese, Anblick kann ich ihr nicht länger böse sein.   "Oh mein Gott, wo bin ich und warum bist du auch hier? Du schnelle Rennschnecke!", urplötzlich wacht sie auf, setzt sich hin und presst ihre Nase auf meine. Viel zu nah. Und viel zu komisch. Erst schreit sie so rum, dann bin ich eine Rennschnecke und dann das.   "Hey, was tust du da?! Warum bist du so nah und was hast du mit meiner Nase vor?!", ich sag ihr das direkt in die Nasenlöcher und ich würde mich ja wegbewegen, wenn sie meine Schultern nicht festhalten würde. Sie errötet augenblicklich und der feste Händedruck, der auf mir lastet, verschwindet wie auf einem Schlag. Das ist seltsam.   "Ist... alles in Ordnung mit dir?", versuche ich diese unangenehme Stille zu brechen. Sie steht auf und baut sich stolz vor mir auf. "Jill Mijölnir mein Name. Ich bin die Neue und froh, deine Bekanntschaft zu machen und außerdem verwirrt!", ihr Name ist genauso fragwürdig wie ihr Stimmungswechsel.   "Deinen Namen musst du jetzt auch sagen, genau!" In was für eine Situation befinde ich mich? Jetzt echt.   "Julia Bethliam, ich will wissen, warum du verwirrt bist.", schnaufe ich etwas angenervt.   Die Sache mit dem Max-Bild habe ich ihr ganz bestimmt nicht verziehen.   "Julein, du hast voll den schönen Namen, wie in Romeo und Julia, das ist total cool!", ihre Augen leuchten auf und sehen mich voller Begeisterung an.   "Ist doch nicht dabei, ehrlich, ich-" ,   "Wo ist der Romeo in dieser Geschichte, ey?", unterbricht sie mich. Wieder ist meine Güte Laune auf dem Nullpunkt.   "Nicht mehr hier, dass du' s weißt.", Shit, jetzt habe ich es geschafft, sie neugierig zu machen, ein einfaches "Nicht da." hätte wirklich gereicht!   "Ist er... tot?", fragt sie vorsichtig, zum ersten Mal schwingt Reue in ihrer Stimme mit.   "Nein.", antworte ich.   "Ich bin nur nicht die Julia, die für ihn bestimmt ist.", jetzt kann es peinlicher sowieso nicht mehr werden.   Jill schweigt und sieht mich mitleidend an.   "Ist Romeo der Junge auf deinem Smartphone?", flüstert sie zum Fußboden und ich merke, wie sich wieder zu mir auf die Liegefläche setzt.   "Ist er. Behalt es für dich und lass mich damit allein.", sage ich und meine Augen beginnen sich mit Tränen zu füllen.   "Es war nur ein unglücklicher Zufall, dass du ihn gesehen hast. Es ist etwas, worüber ich mit niemandem reden kann, etwas, womit ich mein ganzes Leben leben werde, selbst, wenn ich eines Tages jemand anderen haben werde, ich werde niemals aufhören, an ihn zu denken.", die Tränen laufen, ohne, dass ich es zurückhalten könnte, meine Wangen runter und es ist mir alles egal.   Jill hat es gesehen, die ist die Einzige, die es je sehen wird, ich muss ihr vertrauen, dass sie mich nicht verpfeift, jetzt ist egal, was noch folgt. Es ändert sich nichts an diesem Fakt.   "Julein, tut mir leid, ich wollte doch nicht zum Weinen bringen, ich schwöre!", Jill gerät in Panik.   "Ich weine doch gar nicht...", lüge ich und schluchze.   Das ist das erste Mal, dass ich mit jemandem über Max rede, der nicht Max ist. Jill packt meine Schultern wieder und sieht mir frontal in die Pupillen. Ich versuche, sie nicht zu beachten. Schmatz! Sie hat mich einfach geküsst!   "Hey, sag mal, was fällt dir eigentlich ein, einfach so über mich herzufallen?!", schimpfe ich, nachdem sie von mir ablässt und mit sich ringt, keinen Lachflash zu erleiden.   "Antworte gefälligst!", im Ernst, was soll das?! Sie beruhigt sich wieder und atmet auf.   "Ein Kuss ist die beste Methode, um zu vergessen. Tada, du weinst nicht mehr!", diese kleine... !!!   "Das... stimmt aber rechtfertigt nicht, mich einfach abzuknutschen! Sowas überträgt Herpes!", ich kann es immer noch nicht fassen, was sich dieses Weib erlaubt.   "Nun hab dich nicht so, meine Lippen sind absolut frei von Herpes und außerdem kann meine Familie für die Behandlungskosten aufkommen, kein Problem also." Wieder flüstert sie und meine Wut versiegt.   "Du bist wirklich hübsch, weißt du? Deshalb sag bitte nicht, dass du allein bleiben wirst. Das mit Max tut sicher sehr weh, aber eines Tages ergibt sich vielleicht die Chance, ihn sich in dich verlieben zu lassen, meinst du nicht?", wieder starten mir diese Augen nach, nur um einiges einfühlsamer.   "Unmöglich, aber danke, dass du mich aufmunterst, ich fühle mich wirklich besser.", sage ich und versuche dabei nicht an den Kuss zu denken.   "Klar, Jill Mijölnir kann alles.", gibt sie zurück und ich lache.   "Na, komm, gehen wir zurück ins Klassenzimmer, die anderen warten schon viel zu lange auf uns.", fordere ich sie auf.   Sie nickt stumm und folgt mir nach oben. Dort angekommen halte ich vor der Tür inne.   "Ist was?", fragt Jill und guckt die Türklinke, die ich fest umschlungen habe, ungeduldig an.   Mein letztes Jahr an der Schule. Und zum ersten Mal, seit langem fühle ich mich wieder jemandem vertraut.   "Das mit Max bleibt unser kleines dreckiges Geheimnis, ja?", schelmisch sehe ich sie an und gleichzeitig flehe ich sie an, es nicht auszuplaudern.   "Klar.", sagt sie und nickt.   Plötzlich umarmt sie mich.   "Jill, wir kommen wirklich noch zu spät!", erinnere ich sie.   "Passiert.", mehr sagt sie nicht dazu.   "Du bist wirklich unmöglich.", sage ich ihr über den Kopf, der mit dem Körper nur bis zu meinem Schlüsselbein reicht.   "Du auch.", flüstert sie, bevor ich versuche die Tür zu der neuen Zeit aufzureißen und der Zukunft entgegen gehe.   ***   Dieser Schultag war echt nervenaufreibend. Ich habe ja irgendwo gewusst, dass die zwölfte Klasse schlimm wird, aber SO schlimm? Mir raucht der Kopf vor lauter Notizenschrieben. Ich frage mich, ob Jill nachgekommen ist. Wirklich konzentriert auf die Themenauflistung und die Planung für das Schuljahr schien sie ja eher weniger. Stattdessen hat sie sich einfach die neuste Ausgabe der BRAVO gegönnt und gar nicht zugehört. Aber raffiniert hat sie das angestellt, dass muss ich ihr lassen. Niemand außer ich, die, wie das Schicksal es so wollte, neben ihr saß, wusste, dass sie sich eher mit Justin Bieber auseinandersetzte als mit den Defiziten in Mathe, die es unbedingt noch auszuradieren gilt, wenn man nicht durchrasseln will. Sie ist echt eigenartig, ein komisches Mädchen. Sie ist viel zu sorglos für eine Zwölftklässlerin, nicht wie ich, die sich ernsthaft um ihre Zukunft Gedanken macht.   "Hey, Julein, wie wär's, gehen wir ins Schwimmbad?", fragt mich Jill, als der Schultag hiermit beendet ist.   "Wie kommst du denn jetzt auf Schwimmbad? Versteh ich nicht.",   "Um zu schwimmen natürlich!", erklärt sie mir wenig hilfreich.   "Ich muss Hausaufgaben machen, tut mir leid. Es war schon peinlich genug, dass wir zu spät gekommen sind.", versuche ich, sie abzuwimmeln.   "Manno, dabei warst du im Sani-Zimmer warst du doch so gechillt drauf, deine Launen sind aber auch wie die Gezeiten...", brummt sie gespielt sauer.   "Musst du gerade sagen.", meine ich nur, wirklich genervt, kein Plan, wieso ich vor der Schule so nett zu ihr war, auch, nachdem sie mich sexuell belästigt hat.   Kann froh sein, wenn ich sie nicht anklage, von dem Geld könnte mir eine Nasenkorrektur leisten, denke ich und bin nun bereit, den Nachhauseweg anzutreten.   "Gibt's Ärger im Paradies?", fragt plötzlich jemand, und die Tür geht auf.   "W-was, nein, hier ist alles bestens.", beschwichtige ich den Jungen, der ins Klassenzimmer gekommen ist.   "Entschuldigt die Störung, Mädels, ich Schussel habe das Klassenbuch vergessen.", entschuldigt sich der Junge, der wohl auch neu ist.   Oder er ist mir einfach nicht sonderlich aufgefallen. Vielleicht ist er aus einer Parallelklasse und hatte während der Sommerferien eine krasse Typveränderung. Wie auch immer.   "Ach nicht doch... Sag mal, wie heißt du denn eigentlich?", will ich wissen und irgendwie ist Jill komisch ruhig. Sie war doch den ganzen Tag im Quatschmodus, seltsam. Ist mir aber eigentlich auch egal.   "Ich bin Torben. Ich habe die Zwölfte wiederholt, von daher bin ich ebenfalls neu in dieser Klasse. Ich hoffe einfach, dieses Jahr nicht wieder so zu verkacken. Wenn du mich nicht vom sehen erkannt hast, dann liegt das vielleicht daran, dass ich mir die Haare gefärbt habe und ja... Wie auch immer, wie ist dein Name?", welch Vorstellung, dieser Torben ist 'ne Marke.   "Julia Bethliam.", antworte ich und versuche, die Fassung zu bewahren. Mein bescheuertes Hirn versucht verzweifelt irgendein Äquivalent zu Max zu finden. Ich hasse mich dafür.   "Julia Bethliam. Du gefällst mir.",   "W-was? Echt?", das überrumpelt mich jetzt etwas. Ich gefalle ihm.   "Aber klar doch, du bist hübsch, beteiligst dich am Unterricht und hast der Kleinen hier geholfen. Du bist voll mein Typ, Beth.", schmunzelt er.   Ist ihm das gar nicht peinlich vor einem weiteren Mädchen hier im Raum? Und Beth nennt er mich. Er scheint der Erste zu sein, der mir einen Spitznamen gibt. "Julein", zählt da nicht wirklich, das ist lediglich eine Verniedlichung.   "Wow, du... Torben, du bist wirklich...",   "Voreilig?", fällt mir Jill provokativ ins Wort.   "N-nein, das ist nicht, was ich sagen wollte! Was machst du eigentlich noch hier? Musst du nicht zum Bus?", versuche ich, sie wegzuscheuchen.   "Ich kann auch laufen, danke.", knirscht sie und wieder weiß ich nicht, ob sie wirklich beleidigt ist oder es spielt. Die ist so anstrengend!   "Wie auch immer, ich habe nichts vor und wollte mir da unbedingt noch ins Kino. Komm doch mit, wenn du magst, Beth.", bittet er mich gerade um ein Date?   "Julein hat gesagt, sie muss Hausaufgaben machen. Auch wenn wir keine hatten. Versteh ich zwar nicht, aber da muss ich dich leider enttäuschen.", was fällt ihr ein?!   "Ich kann die Hausaufgaben von mir aus auch bei Torben machen, aber rede nicht so bestimmend über mich!", rege ich mich auf und versuche, meine Stimme zu unterdrücken, damit Barry nicht glaubt, ich sei komisch.   "Ist das ein Ja? Beth, wenn wir jetzt gehen, erwischen wir noch den nächstbesten Bus in die Stadt. Also, was ist?", er lächelt mich fast schon schüchtern an.   Irgendwie ist er ja schon ganz süß, vielleicht hilft es mir, zumindest für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen.   "Das ist es. Gehen wir. Bis morgen, Jill.", und mit den Worten verlassen Torben und ich das Klassenzimmer, nicht sicher, ob es Jill verletzt hat, wie ich gerade mit ihr umgegangen bin. Aber sie hat es ja wohl eindeutig provoziert!   "Also, ich zahle dir das Geld auch morgen zurück, okay?", versuche ich, wieder eine Konversation anzufangen, nachdem der Film geendet hat.   "Wenn du meinst. Ist aber auch nicht so wichtig.", was soll das denn heißen?   "Du meintest vorher, du würdest die Hausaufgaben bei mir machen. Steht das noch?", und was soll das erst recht bedeuten?! Will er... will er immer noch mit mir abhängen?   "Wenn deine Eltern nichts dagegen haben, dass du einfach ein fremdes Mädchen mit nach Hause nimmst...", überlege ich.   Denk nach, Julia, das könnte eine Falle sein! Das mit dem Kino war schon riskant genug!   "Tun sie nicht. Niemand da. Sind auf Geschäftsreise.", lacht er.   Na, wenn er das sagt... Der hat also sturmfrei. Das riecht noch mehr nach Falle! Allerspätestens, wenn wir mit den Hausaufgaben fertig sind, wirst du nach Hause gehen, weil er merkt, dass du eigentlich gar nicht so toll bist. Dreh um!   "Ich hoffe doch, du hast aufgeräumt, sonst zwinge ich dich persönlich zum Putzen!", scherze ich und er scheint es wirklich witzig gefunden zu haben.   "Keine Sorge.", beruhigt er mich. "Es ist immer sauber genug für Gäste.", was zum Fick soll das denn heißen?   Wir betreten also die Höhle des Löwen und mein Unbehagen steigt ins Unermessliche.   "Was hast du denn, Prinzessin?", fragt er, als wir in seiner Wohnung stehen und kurz darauf nun in seinem Zimmer stehen.   "Ach, es ist nichts... Wir sollten mit Mathe anfangen, das ist bei den meisten der Schwerpunkt, also-", weiter kann ich nicht reden.   Niemand kann vernünftig reden, wenn er gerade die Lippen einer anderen Person unmittelbar auf seine eigenen gepresst bekommt. Ehe ich mich wehren kann, packt er mich an den Handgelenken und wir stolpern auf sein Bett. Ich kann gar nicht bis Drei Zählen und er hat seine Zunge in meinem Hals. Völlig verwirrt beiße ich drauf, weil ich keine Ahnung habe, was hier abgeht.   "Torben, was zur Hölle?", stammle ich, als er über mir liegt und mich voller Verlangen ansieht.   "Das weißt du doch ganz genau, Schnecke. Gefällt es dir nicht? Dass es sich geil anfühlt kannst du gar nicht leugnen, was?", fragt er und schiebt seine dreckigen Idiotenhände unter mein Shirt, unter meinen BH.   "F-fuck...", knirsche ich und unterstehe mich, zu stöhnen, weil ich ihm den Triumph definitiv nicht gönne.   Ich hätte ihn in dem Moment so gerne in die Fresse geschlagen, aber... ich bin paralysiert vor Angst. Ich wurde noch nie so von einem Mann angefasst, es... ich habe Angst, dass er mir wehtut, wenn ich mich wehre. Ich will das nicht, denke ich, als er auch noch meine andere Brust unter seinen kalten Händen zerquetscht.   "Damit wirst du nicht durchkommen... Bastard!", flüstere ich und versuche, ihm mein Knie in die Eier zu rammen, was sich als ziemlich schwer gestaltet, da er auf ihnen liegt.   "Du hast immer noch nicht genug? Ich kann doch noch so viel mehr!", schmunzelt er, lässt von meinen Titten ab, um mir das Shirt vom Leib zu reißen.   In dem Moment hasse ich mich dafür, nur einen trägerlosen angezogen zu haben. Bei der männlichen Schlampe brauche ich einen verdammten Metall-BH mit Spikes, Düsenantrieb und eingebauter Kettensäge! Schützend kreuze ich die Unterarme vor meiner Brust, damit er das nicht noch einmal schafft. Anscheinend kann der meine Angst wittern.   "Och, die kleine Beth wehrt sich also? Und ich dachte, solange sie sich schon auf Max einen runterholen kann, ist ihr jeder recht?", dieser Satz lässt mich stocken und ich bin unbeweglich.   "Was hast du gerade gesagt?",   "Du hast mich schon verstanden, Beth. Ich war letztes Jahr dabei. Max' Freunde waren auch meine. Und du warst letztes Jahr eine echte Nervensäge für Max. Besser er wäre nicht so nett zu so einer gewesen, die sowieso sterben wollte!", auch dieser Satz traf mich mitten ins Herz.   "Max ist ein Trottel, Kleines. Halt dich lieber an mich.", tuschelt er und wie ich so starr vor Angst und Leere dasitze, werde ich richtig traurig. Ein Klotz am Bein für Max? Lästig?   "Tut weh, was?", fragt er und grinst. Als er schon wieder über mich herfallen zu versucht, bin ich dieses Mal nicht ganz so schwach, denn die Wut und die Trauer, geben mir ungeahnte Kräfte, mit denen ich schreie. Und was ich da schreie und wie ich um mich schlage, hätte ich selbst nicht geglaubt.   "Hilf mir, Jill!", hallt es im Zimmer und auf einmal wird die Tür aufgerissen.   Jill? Wie unlogisch ist das denn? Sowas würde im echten Leben doch nie passieren! Sind wir in einer gottverdammten Seifenoper?   "Jill Miölnir ist angekommen! Deine Machenschaften haben ein Ende. Ergib dich, oder die Situation wird hässlich für dich!", spottet sie und hinter ihr tauchen eine Handvoll Cops auf. Wenn ich am Ende nicht aus der Ohnmacht auf gewacht wäre, hätte ich meinen können, ich wäre an der Stelle vor Scham gestorben.   "Wie gut, dass du wieder wach bist, Julein.", schmunzelt eine leise Stimme, als ich wieder zu mir komme.   "Waaahh!", schrecke ich auf, hatte den Kopf eben noch auf ihrem Schoß. Ich sitze auf einer Bank, vielleicht vor Torbens Haus. Ich sehe zu mir herunter. Wie schön zu wissen, dass ich nicht mehr shirtlos bin.   "Was ist passiert?", frage ich mit gedämpfter Stimme.   "Du warst bei Torben. Ich bin dir den ganzen Tag gefolgt. Ich war bei Torben drinnen. Dann habe ich gehört, was er dir angetan hat und die Polizei gerufen. Ich musste ein bisschen lügen. Ich hoffe, du bist nicht böse auf mich, Julein.", entschuldigt sie sich indirekt.   "Ich bin überhaupt nicht böse auf dich, Jill. Du bist absolut hirnlos und unsensibel. Du bist kindisch und scheißt aufs Gesetz mit Hausfriedensbruch. Trotzdem... danke. Dass du mich gerettet hast.", flüstere ich und lehne mich auf ihren Schoss zurück.   Ich sehe zum Sternenhimmel hinauf.   "Schöne Aussicht, was?", murmelt Jill.   "Ist mein Schoss so bequem, dass du dich freiwillig an mich lehnst?",   "Mmmhh.", brumme ich, denn heute ist mir wirklich alles egal. Meine Eltern sind noch nicht zu Hause, denke ich. Es war ein scheißlanger Tag.   "Sag mal, Julein, willst du nach alldem vielleicht trotzdem morgen mit mir ins Schwimmbad gehen?", will sie allen Ernstes wissen. "Ist das dein Ernst? Warum muss es das Schwimmbad sein? Wieso solltest du mit mir dahin gehen?",   "Erstens: Ich mag Schwimmen. Zweitens: Siehst du in einem Badeanzug bestimmt scharf aus!", lacht sie.   "Du bist unmöglich. Findest du nicht, ich bin für heute genug sexuell belästigt worden?", seufze ich.   "Ich würde dich doch niemals belästigen.", beschwichtigt sie mich.   "Komisch, das machst du nämlich bereits den ganzen Tag." *** Nachdem alles geklärt war, bin ich nun hier zu Hause. Meine Eltern sind nicht zu Hause. Ist vielleicht besser so. Sie sind schon länger nicht mehr zurückgekommen. Die Worte von Torben tun mir immer noch weh. Da habe ich mich doch tatsächlich dazu mitreißen lassen, um mit Jill ins Schwimmbad zu gehen. Was will ich da? Ich war ewig nicht mehr dort. Ich mag es dort nicht. Ich hasse meine Figur, angezogen kann ich die Welt nach Strich und Faden belügen, im Glauben lassen, ich sei schön, aber... im Schwimmbad? Da hilft alles Verarschen nichts. Ich bin schutzlos ausgeliefert. Wieso habe ich ja gesagt? Warum habe ich es nicht geschafft, ihr zu sagen, dass ich es hasse, in einem Badeanzug irgendwo aufkreuzen zu müssen? Vielleicht war es Angst. Angst, dass sie sich wieder auf ihre Art über mich lustig macht, indem sie zulässt, dass ich mich verletzlich mache. Ich wollte nicht, dass sie denkt, dass ich mich für meinen Körper schäme. Ich wollte das nicht. Die neue Julia ohne Max ist selbstsicher, cool und intelligent. Und furchtlos noch dazu. Ich lasse mir nicht länger alles durch meine Ängste vermiesen. Das will ich zumindest glauben. Morgen, ja? Von mir aus, dann... nein, rasiert habe ich mich schon gestern. Schließlich hätte ich heute sonst im Leben keinen Rock angezogen. Duschen? Wäre vielleicht nicht verkehrt, denke ich und verschwinde durch den leisen Flur ins Badezimmer. Als ich mich ausziehe und den kühlen Schauer voll wunderschön prickelndem Nass über mich ergehen lasse, denke ich nach. Heute begann der erste Tag der zwölften Klasse. Ich habe beschlossen, ein neuer Mensch zu sein. Zusammengefasst, Eindruck super, sexuelle Belästigung, Polizei, Schmatzer von Mädchen... Bitte was?! Stimmt ja, Jill hat mich geküsst. Mich. Geküsst. Verdammt. Wieso wird mir bei dem Gedanken so heiß in den Wangen? Es... es ist okay, ein wenig nervös zu sein, daran zu denken, dass man geküsst wurde, wenn auch nur zum Trost. Nur ein Trost, kein verdammter Heiratsantrag. Dennoch kann ich nicht verhindern, mir über die Lippen zu streichen und mir die Szene noch einmal vorzustellen. "Was mache ich denn da?!", fahre ich mich an und drehe das Wasser ab. Was ist bloß los mit mir?! Seit der Sache mit Barry, diesen wüsten Beleidigungen und Jill bin ich echt nur noch ein Wrack. Jill ist irgendwie nervig. Nicht nur irgendwie und das sie mich geküsst hat, hätte auch nicht sein müssen. Diese Empfindung lässt mich an Max denken. Wie es sich angefühlt hat, als er mich in den Arm genommen hat, wie mein Kopf an seiner Brust lag und er nicht daran dachte, mich loszulassen, weil ich so schrecklich weinte. Weil er wusste, wie weh er mir damit tun würde, weil ich nicht wollte, dass er das täte. Schlussendlich musste er aber, weil sein Bus kam. Dann spielte ich für den Abschied noch einmal die Starke, nur um dann erneut in Tränen aufgelöst zu sein. Ich hatte so viel geheult an dem Tag, den letzten, den Max, meine erste Liebe und ich miteinander verbrachten. Max. Er hatte mir so viel gegeben und trotz allem habe ich gar nichts. Ich fühle mich nicht länger geliebt. Und das habe ich auch nie. Meine Eltern sind Idioten. Freunde? Habe ich keine. Einen Freund? Dass ich nicht lache. Sarkastisch lache ich auch, als ich feststelle, wie verbittert meine Seele wirklich ist. "Ich will Liebe.", höre ich mich flüstern, als ich mit nichts als einem Handtuch bekleidet auf dem Bett lande. Das wird ein Albtraum morgen. Ich hasse diesen Körper und mich selbst doch genauso. Ich habe den miesesten Charakter, den man sich vorstellen kann und komme gegen andere Mädchen einfach nicht an. Ich hasse, wie fett meine Beine sind, wie schwabbelig mein Hintern ist, wie unförmig mein Bauch. Wie von Hautpilz entstellt. Wie von Fettfalten gezeichnet. Diese viel zu kleinen und ungleichgroßen Brüste. Die Akne, die nicht nur mein Gesicht angreift. Obwohl ich Max begegnet bin, hat sich letztendlich nichts verändert. Ich hasse nach wie vor jeden Quadratzentimeter meines Körpers. Ich hoffe, ich habe noch irgendwo einen Badeanzug. Ich hoffe es wirklich. Ich drehe mich auf den Bauch und greife nach meinem Handy. Wieder bin ich im Begriff, Max zu schreiben. Seine Nummer habe ich ja noch. Ich klicke auf das Telefon-Icon. Ich Dummerchen, denke ich, doch der Kerl geht tatsächlich ran. "Julia? Was eine Überraschung. Was gibt's?", als ich seine Stimme höre, schlucke ich und mir ist nach Weinen zumute. Komisch, aber nicht zu komisch. "Max.", murmle ich seinen Namen. Als ich gerade wirklich zu Wort kommen will, unterbricht er mich. "Oh, ähm... Julia, h-hab ich schon erwähnt, dass ich-", er scheint sich auf die Zunge gebissen zu haben, denn er spricht nicht weiter. "Was wirst du, Max? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst? Ich freue mich für dich, ehrlich! Dass du nicht in mich verliebt bist, heißt nicht, dass du mich mit Samthandschuhen anfassen musst.", witzle ich, um ihn aufzuheitern. "Dass ich Vater werde?", beendet er seinen Satz und ich zucke zusammen. Wow. Das kam unerwartet. Max und Vater? Nicht, dass ich ihm das nicht zutraue. Aber... hab ich erwähnt, dass er Christ ist? Er war immer mein großes Vorbild, er war praktisch DER Christ in meinem Leben, er... er hat nicht so viel verbockt wie ich. Wie alt ist er... achtzehn? Oh mein Gott. Seine Eltern werden ausrasten. "Julia?", sucht er wieder meine Aufmerksamkeit und lässt mich wieder zucken. "Du... Du hast wen... geschwängert?!", stottere ich. Geistreich, Julia, absolut geistreich. "Ja. Ich weiß, ich bin Christ und so, ich... das mochtest du immer so an mir, ich weiß. Aber... Als ich es rausgefunden habe, da... da musste ich sofort mit wem reden, der nicht involviert ist. Mit dir. Du bist momentan der einzige Mensch, den ich gerade zum Reden habe. Ungelogen.", seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, als er mir das alles sagt. Ach, jetzt auf einmal?, zischt eine böse Zunge in meinem Verstand. Max hatte Sex. Mit einer anderen. Nicht mit mir. Aber das tut nichts zur Sache, es war klar, dass es irgendwann darauf hinausläuft. Sein Sexleben geht mich einen feuchten Dreck an. Auch wenn dieses Sexleben noch gar nicht existieren dürfte. "Max, wie... wieso hast du das getan? Wie konntest du vergessen, was du von Sex vor der Ehe hältst? Wer ist die Mutter? Max, ich will, dass du weißt, dass ich für dich da sein werde, egal, was passiert. Egal, ob du gegen eins der Zehn Gebote verstößt oder gegen alle, hörst du? Aber erzähl mir, was passiert ist. Was hast du gefühlt?", flehe ich, mir zu erläutern, auch wenn es erbärmlich klingt. "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich... ich habe sie im Gewerbe kennengelernt, in dem ich arbeite. Sie heißt Freya. Sie... nun ja, ich fand sie direkt umwerfend. Mit ihren rotblonden Haaren, den blauen Augen und was nicht alles. Ich... Nun ja, du musst wissen, sie... sie ist superlieb, aber... sie ist keine Christin, das ist das eine. Und das andere, sie hat ein Alkoholproblem. Nun, an diesem Abend hatte ich auch etwas Alkohol intus, ich weiß nicht, es ist einfach passiert und dann... Nun, die gute Nachricht, sie mag mich auch. Die schlechte Nachricht... wir haben miteinander geschlafen und vergessen zu verhüten. Ich dachte, sowas passiert bloß solchen Typen, nicht mir. Ich lag falsch, wie du siehst. Auf alle Fälle, sie ist mega unsicher und braucht mich, sie hat höllische Angst, es ihren Eltern zu sagen. Christ oder nicht, das ist ein Problem von einem ganz anderen Kaliber. Jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich liebe sie, glaube ich, aber... Ich habe Angst. Ich fühle mich überfordert. Ich hatte nicht vor, so früh Vater zu werden. Und sie verlassen geht nicht. Dann wäre ich ja nicht besser als all die anderen Väter, die Milch holen gehen und nie wieder zurückkehren. Was soll ich tun? Dass ich mich auf jemandem verlasse, dem ich wehgetan habe... Es geht echt nicht schlimmer, was?", er lacht traurig. "Mach, was du immer tust. Geh zu deinem Gott und bitte um Verzeihung. Sei für Freya da und steh zu dem, was du angestellt hast. Das ist alles, was ich dir dazu raten kann.", ich klinge ein wenig grinsend, aber in Wahrheit stehe ich unter Schock. Dass mich das so trifft, habe ich bis eben noch nicht einmal richtig bemerkt. Ich höre ein Schmunzeln am anderen Ende. "Danke, das hilft mir wirklich.", meint er. "Max?", ich bin noch nicht fertig, ich weiß nicht, wieso. "Ja?", "Wurdest du je von einem Kerl geküsst?", "Was?", "Was?", ich lege auf. Idiot, Julia, du bist ein Idiot! Was soll ich mit der Info?! Wieso habe ich das gesagt?! Ich. Bin. So. Dumm. Dabei war das doch nur eine einmalige Sache... Glaube ich zumindest. Was denke ich überhaupt die ganze Zeit?! Was zum Fick ist verkehrt mit mir? Die Dinge werden auch immer komischer. Egal wer es ist, ob Mädchen oder Junge, solche Gefühle haben in meinem Leben ein für alle Mal keinen Platz mehr. Die Dinge stehen viel zu schräg, als dass ich es weiterhin zulassen könnte. Und momentan stehen die Dinge so: Max hatte Sex und wird Vater. Und ich, mir kreisen dir Gedanken nur um dieses eine verrückte Mädchen. Wie sie um Max gekreist sind und es eigentlich immer noch tun. Und das verunsichert mich. Bin ich etwa... Habe ich etwa Gefühle für... Ich bin nicht lesbisch! Rede dir das ruhig weiter ein, Julia. Und wenn du bisexuell bist, deine Gefühle für Jill machen in Wahrheit doch wirklich Konkurrenz mit denen für Max. Diese Stimme in meinem Kopf nervt mich. "Halt die Fresse und lass mich schlafen!", keife ich laut, weil eh keiner da ist. Nachdem ich meinen Schlafanzug angezogen habe, verkrieche ich mich in meiner Decke und knirsche weiter mit den Zähnen. Ich weiß nichts mehr. Es wäre nicht schlimm, versuche ich mich zu beruhigen. Aber nein, ich bin nicht das Problem. Es sind alle anderen. Auch meine Eltern. Die, neben mir selbst, echte Versager im Christsein sind. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, dass, falls ich tatsächlich lebensmüde genug wäre, mich in Jill zu verlieben, sie nicht davon abzuhalten wären, die Adam-und-Eva-Karte spielen. Was sie von mir denken, kann mir ja eigentlich egal sein. Tut es nicht. Was Max von mir denkt, kann mir egal sein. Tut es nicht. Und wie ich über Jill nachdenke, kann mir auch egal sein. Tut es nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)