Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben von ginakai ================================================================================ Kapitel 3: Die Angst, dich sterben zu sehen ------------------------------------------- Gin öffnete die Augen. Irgendetwas hatte ihn geweckt. Er überlegte, ob er vielleicht nachsehen sollte. Oder ob das nur Zeitverschwendung wäre, wenn es nur pure Einbildung gewesen war. Doch gerade, als er sich wieder zum weiterschlafen zur Seite drehen wollte, war noch etwas anderes seltsam. Die Bettseite neben ihm war leer. Erschrocken richtete Gin sich auf. “Es ist mitten in der Nacht, also wo...“ Sein Blick wanderte zum angrenzenden Bad. Die Tür stand sperrangelweit offen und der kleine Raum war mit tiefer Dunkelheit gefüllt. Plötzlich ertönte ein Poltern, was aus einem anderen Raum des Hauses kam. Gin senkte seinen Blick nochmal zu der leeren Bettseite neben sich, als ihm auf einmal ein großer Blutfleck am Kopfkissen von Shuichi auffiel. Der Silberhaarige hätte schwören können, dass der Fleck davor noch nicht da gewesen war. Er schluckte. Kurz darauf bemerkte er weitere, kleinere Blutflecke auf der Decke des Agenten, welche aus dem Bett führten. Gin warf einen Blick neben dem Bett und erblickte weitere Bluttropfen auf dem Boden. Er stieg von Shuichis Bettseite aus dem Bett aus. Eine rot leuchtende Blutspur führte um das Bett in Richtung der geschlossenen Schlafzimmertür. Allmählich bekam Gin es mit der Angst zu tun. Mit langsamen Schritten näherte er sich der Tür. Auf der Türklinke befanden sich blutige Fingerabdrücke. Zögernd öffnete er die Tür und lehnte sich erstmals nur heraus, um einen Blick in den Flur zu werfen. Es war stockfinster. Nur die Blutspur am Boden leuchtete weiter den Gang entlang, bis sie in der Küche verschwand. „Shuichi?", wollte Gin sich vergewissern, doch ihm wurde nicht geantwortet. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als der Blutspur zu folgen. Vorsichtig setzte er einen Schritt nach dem anderen. Warum er dabei versuchte, so leise wie möglich zu sein, wusste er selbst nicht. Er fühlte sich, als würde sich ein düsterer Schauer über ihn ausbreiten, welcher ihn im nächsten Moment verschlingen könnte. Die Tür zur Küche stand weit offen. Nach einem tiefen Atemzug sah er in den Raum. Was er dann erblickte, ließ ihn erstarren und seinen Herzschlag aussetzen. Shuichi lag regungslos in der Mitte des Raumes. Der Boden war voller Blut, welches von seiner Kopfwunde stammte. Ein tiefes Loch durchbohrte das rechte Auge des Agenten. Sein Gesicht strahlte zweifellos den Tod aus. „Shu-..ichi...“ Gin bekam fast keine Luft mehr. Er streckte seine bereits zitternde Hand nach dem toten Körper seines Liebhabers aus und ließ sich daraufhin vor ihm kniend zu Boden fallen. „Hey...wach auf...“, flehte er mit heiserer Stimme und rüttelte Shuichi an den Schultern, doch dessen unschuldiges, erkaltetes Gesicht verzog keine einzige Miene mehr. Der Schock ließ Gin‘s Körper vor Schmerz beben. Er rüttelte seinen Geliebten schneller, hastiger, als habe er längst die Kontrolle über seine Hände verloren. Er hörte sich selbst unentwegt schreien, bis irgendwann seine Stimme in seinem eigenen Echo unterging… Gin schreckte auf. Sein keuchender, lauter Atem füllte den Raum. Er fasste sich mit den Händen an seine schweißgebadete Stirn und krümmte seinen Körper zusammen. Er versuchte krampfhaft, seinen Zustand wieder zu normalisieren. “Beruhig dich...“, wiederholte er mehrmals in Gedanken. Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass er nur geträumt hatte. Als er allerdings gerade wieder zu Atem gekommen war, durchfuhr ihn der nächste Stich. Sein Geliebter war wirklich verschwunden. „Shuichi!!!“, schrie er fassungslos und sprang sofort aus dem Bett. Er rannte völlig unbeherrscht zur Tür und riss diese auf. Als er raus stürmen wollte, fiel er plötzlich den Mann, den er gerade suchen wollte, in die Arme. „G-Gin...“, kam es von Shuichi überrascht, während er auf seinen verängstigten Liebhaber herabsah. Doch dieser antwortete nicht und krallte sich einfach panisch an den Schwarzhaarigen. "Ich bin ja da...", versuchte Akai ihn zu beruhigen, doch scheinbar half das nicht wirklich. Gins Hände krallten sich nur noch fester. Darum legte er die Arme um den zitternden Silberhaarigen und führte ihn langsam zum Bett. "Hatte er wieder einen Albtraum?", überlegte er dabei. "Die sind doch in letzter Zeit immer seltener vorgekommen... hat es ihn so sehr erschreckt, dass ich schon aufgestanden bin?" Vorsichtig brachte Akai Gin dazu, sich mit ihm auf das Bett zu setzten. Dann ließ er seine Hände über Gins Rücken nach oben gleiten und umfasste dessen Gesicht, um es zu sich zu drehen. Besorgt erkannte der Agent, dass die Angst noch immer nicht aus dessen Augen verschwunden war. "Was hat ihn so sehr verängstigt, dass es ihm selbst jetzt nicht gelingt seine unberührbare Fassade aufrecht zu erhalten?", wunderte er sich, bevor er direkt fragte: "Was ist los?" Bei dieser Frage wollte Gin am liebsten den Kopf wegdrehen und nicht antworten. Obwohl er Shuichi nicht anlügen wollte, wollte er genauso wenig aussprechen, was er soeben geträumt hatte. Denn irgendwie rief ihm das Kind zu, dass es real werden würde, spräche er es aus. Doch Shuichi gab nicht nach. Unerbittlich hielt er Gins Kopf in Position. "Sag es mir." Gins Blick wanderte über Akais Gesicht und blieb wie so oft an dem geschädigten Auge hängen. Er schwieg weiterhin, schloss aber die Augen. Er wollte das jetzt nicht sehen. Es war seine Schuld. Alles seine Schuld… "Sieh mich an!", verlangte Shuichi von ihm, doch er versuchte es zu ignorieren. Selbst als sich ihre Lippen trafen und er auf diese verführerische Weise gefragt wurde, ging er zwar beinah verzweifelt auf den Kuss ein, weigerte sich aber dennoch die Augen zu öffnen. Langsam lösten sich ihre Lippen voneinander und er konnte Akais Atem an seinem Ohr spüren, als ihn dieser bat: "Bitte, sag mir was los ist." Die angedeutete Hilflosigkeit sandte Gin einen Schauer über den Rücken und bevor er sich versah, verließen die Worte seinen Mund. "Ich habe Angst davor, dich sterben zu sehen." Nach diesen Worten starrten die beiden sich kurz schweigend an, bis Shuichi ein leichtes Lächeln aufsetzte. Gin wusste längst nicht mehr, ob der Agent sich wirklich keine Sorgen machte oder ob er einfach nur lächelte, um ihn zu beruhigen. Es fiel ihm schwer dieses Lächeln zu deuten. "Das brauchst du nicht. So schnell werde ich schon nicht sterben.", erwiderte Shuichi ruhig. Da erinnerte der Silberhaarige sich automatisch an damals zurück. Diesen Satz hatte er definitiv schon einmal gehört - und beide Männer wussten zu gut, wie das ausgegangen war. "Es ist nicht leicht, das zu glauben." Gin vermied es, sich das betreffende Ereignis und die Szenen, welche ihn täglich verfolgten, wieder zurück ins Gedächtnis zu rufen. Wenn er könnte, würde er sie einfach ausradieren. Schwer bemüht sich wieder zu entspannen, ließ er sich in die Arme seines Geliebten sinken und legte seinen Kopf auf dessen Schultern. Kaum einen Moment später bemerkte er, wie zwei warme Hände liebevoll über seinen Rücken strichen. "Wenn du dir solche Sorgen darüber machst, dann sollten wir vielleicht...irgendwo anders hingehen.", schlug Akai vor. Gin spitzte die Ohren, doch empfand dann den Vorschlag vorerst undenkbar. "Sagtest du nicht, dass du nicht einfach von der Bildfläche verschwinden kannst?", erinnerte er den Agenten an das Gespräch vor zwei Tagen. Würden sie einfach woanders hin verschwinden, wäre das erst recht auffällig. "Ich sagte, das könnte ich vorher klären...wenn du mich lässt.", antwortete Akai. Gin sagte nichts dazu und erwiderte mit einem leichten Kopfschütteln, woraufhin seinem Geliebten nur ein Seufzen entwich. "Du kannst mich nicht für immer hier einsperren.", sprach dieser letztlich die für Gin schmerzhafte Wahrheit aus. Denn am liebsten würde er genau das tun - oder zumindest an einem Ort, wo sein Liebhaber sicher und keiner Gefahr ausgesetzt wäre. "Ich weiß.", entgegnete er leise und schloss die Augen, bis Akai erneut anfing zu sprechen: "Wir reden darüber nochmal.", bestimmte er. Gin musste sich eingestehen, dass der Schwarzhaarige damit wohl oder übel recht hatte und sie das wahrscheinlich in der Tat noch tun würden. Plötzlich spürte Gin, wie er aufgerichtet wurde. Etwas verwirrt sah er Shuichi an. "Komm mit.", bat ihn dieser dann, während er sich vom Bett erhob und ihn an der Hand mit sich aus dem Raum führte. "Was ist?", fragte der Silberhaarige leicht neugierig. Doch ihm wurde nicht geantwortet. Im Flur, vor dem Kleiderhaken, blieb er mit Shuichi stehen. Gin verstand immer noch nicht, was das werden sollte. "Augen zu.", befahl sein Liebster nur in einem freundlichen Ton. Stutzig sah Gin ihn an. Die Tatsache, dass sich hinter ihnen die Tür in die Freiheit befand, ermutigte den sonst aufmerksamen Mörder nicht sonderlich. "Schau nicht so, ich renn dir schon nicht davon.", sagte Shuichi, als hätte er die Gedanken seines Gegenübers gelesen. Er strich kurz über dessen Wange. "Okay...", sprach Gin mehr zu sich selbst und überwand sich schließlich die Augen zu schließen. Danach hörte er nur das Rascheln eines Stoffes. Im nächsten Moment wurde seine Hand ergriffen. Er spürte die weiche Hand seines Geliebten an seinen Fingern, bevor ihm etwas Kaltes, rundliches an einen der Finger gesteckt wurde. "Etwa..." Er riss die Augen auf und starrte auf seine Hand, an welcher sich nun ein silberner Ring befand. Seine Augen wurden groß. "Woher hast du...", begann er überrascht, während ihm auf einmal warm ums Herz wurde. "Damit du weißt, dass du zu mir gehörst.", meinte sein Geliebter, ohne auf die angefangene Frage einzugehen. Röte schoss ihm ins Gesicht. "Ich hab ihn mit den Rosen zusammen gekauft, dir aber nichts gesagt und den richtigen Moment abgewartet.", erklärte der Agent danach, bevor er noch mit sanfter Stimme hinzufügte: "Ich liebe dich." Da musste Gin plötzlich mit den Tränen ankämpfen. Wie gelähmt starrte er seinen Gegenüber an, während ihm im nächsten Moment dann doch eine Träne über die Wange lief. "So viel Liebe habe ich gar nicht verdient...", sprach er seinen Gedanken leise aus. Ihm war, als würde er sich immer wieder aufs Neue in diesen Mann verlieben, welcher voller Überraschungen steckte und es immer wieder schaffte, ihn auf die verschiedensten Arten um den Verstand zu bringen. Ein Mensch voller Liebe und Warmherzigkeit, wie Gin es noch nie zuvor in seinem Leben erlebt hatte. "Dir kann man gar nicht genug Liebe schenken.", verbesserte Akai Gins Satz für sich selbst und lächelte zufrieden. "A-Aber...ich kann dir nichts zurückgeben...", entgegnete der Silberhaarige mit zittriger Stimme. Dabei überlegte er schon, wie er sich dafür erkenntlich zeigen könnte. "Du gibst mir schon genug.", antwortete der Agent glücklich und umfasste dabei Gins Wangen. Daraufhin begann er einen leidenschaftlichen Kuss. Zur gleichen Zeit, nicht allzu weit entfernt: Arrak näherte sich ruhigen Schrittes der Straße, in der sich das Haus befand, zu dem sie ein paar Mietunterlagen bei Wodka gefunden hatten. Zur Sicherheit hatte er etwas weiter entfernt geparkt. Für den Fall, dass sich Gin wirklich dort aufhielt, sollte dieser keinen Anlass haben, Verdacht zu schöpfen. Er hatte sich auch von Vermouth verkleiden lassen. Sicher war sicher. Als er in die Straße einbog sah er eine Reihe kleiner Häuser. Sie waren direkt aneinander gebaut und hatten alle ein kleines Stückchen Rasen vor dem Eingangsbereich. Die Briefkästen waren an der Straße, doch jede Tür hatte noch einen kleinen Schlitz für Zeitungen. Vor den meisten Häusern standen Mülltonnen. Scheinbar waren sie heute geleert worden. Arrak betrachtete die Hausnummern. Das gesuchte Haus befand sich wohl mittendrin. Während er weiter ging zählte er leise durch. Bei der gesuchten Hausnummer stand keine Mülltonne. Doch das musste nichts bedeuten. Als er auf Höhe des Eingangs war, blieb Arrak stehen und tat, als durchsuche er seine Taschen nach seinem Handy. Sein Blick war jedoch auf den Eingangsbereich und den Briefkasten gerichtet. Es lagen keine Zeitungen vor der Tür, noch war der Briefkasten überfüllt. Entweder gab es jemanden, der hier regelmäßig vorbeischaute, oder alle Post die hier her kam, wurde an eine andere Adresse weitergeleitet. Abgesehen von der Sonntagszeitung, die hier kostenfrei verteilt wurde, würde nur die vorbeigebracht werden, die auch bestellt wurde. Und da die Zeitungen direkt durch den Schlitz auf den Flur der Wohnung geworfen wurde, konnte er von außen keine Schlussfolgerungen darauf ziehen, ob jemand hier lebte oder nicht. Er zog sein Handy schließlich aus einer Tasche, tippte ein paar Mal darauf herum und steckte es dann wieder ein. Aus den Fenstern des Hauses, die zur Straße gerichtet waren, schien ihn keiner zu beobachten. Gerade als er sich dazu entschließen wollte, das Risiko einzugehen, direkt zu der Tür zu gehen, öffnete sich eine Tür auf der gegenüberliegenden Straßenseite und eine Frau kam heraus, die wohl ihre Mülltonne hereinholen wollte. Da sie ihn jedoch direkt ansah, beschloss Arrak zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Sie wirkte wie eine dieser Frauen, die Tratsch und Klatsch liebten und daher mehr von ihren Nachbarn wussten, als diesen lieb war. "Guten Tag," begrüßte er sie. "Guten Tag," kam es leicht misstrauisch, aber vor allem neugierig zurück. "Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie aufhalten sollte, aber ein Freund von mir hat hier einmal gewohnt. Ich habe leider schon länger keinen Kontakt mehr mit ihm und war gerade in der Nähe. Es ist schon ein paar Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen haben und ich weiß nicht, ob er noch hier wohnt. Er könnte in der Zeit auch geheiratet haben, deswegen kann es sein, dass sich sein Nachname geändert hat.", "Oh, ich wohne schon mein ganzes Leben hier. Wen suchen Sie denn?" Innerlich lächelte Arrak. "Perfekt." "Sein alter Name war …" … Eine halbe Stunde später wusste Arrak nicht nur, dass seit ein paar Wochen jemand in dem zuvor leerstehenden Haus zu wohnen schien, sondern auch, dass diese Person vermutlich etwas verbarg. Nur einmal hatte die Frau sein schönes Gesicht sehen können, als er vor der Tür rauchen war. Er war wohl recht hochgewachsen und war von einer Aura umgeben, die dafür sorgte, dass ihm jeder lieber aus dem Weg ging. Das war der einzige Grund, aus dem sie noch nicht geklingelt und sich vorgestellt hatte. "Denn die Nachbarschaftsgemeinschaft ist mir sehr wichtig," hatte sie betont. Der Mann ging meistens mit einem Hut oder einer übergezogenen Kapuze aus dem Haus und hielt den Blick gesenkt. Zu Beginn war er noch viel unterwegs gewesen, doch die letzten Wochen war er viel im Haus geblieben. Nur hin und wieder verließ er die Wohnung um einkaufen zu gehen. Sie konnte Arrak sogar die Läden nennen, die der Mann besuchte, da sie die Einkaufstüten erkannte. Damit nicht eindeutig war, für wen er sich interessierte, ließ Arrak auch das Gerede über die anderen Bewohner der Straße über sich ergehen, bevor er sich verabschiedete und meinte, dass sein Bekannter wohl umgezogen sein müsste. Zufrieden ging er zurück zu seinem Auto. Das war erfolgreicher gewesen als gedacht. Er könnte zwar noch die Läden aufsuchen, in die der mysteriöse Mann regelmäßig ging, doch das könnte dafür sorgen, dass Gin auf ihn aufmerksam wurde. Denn er war davon überzeugt, dass es sich wirklich um Gin handelte. Im Auto teilte er dem Boss schnell das Ergebnis seiner Erkundigung mit und machte sich dann daran, den morgigen Tag zu planen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)