Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben von ginakai ================================================================================ Prolog: Rum ist tot ------------------- Er wartete in seinem Büro. Wartete. Auf Neuigkeiten. Von einer ganz bestimmten Frau, der er soeben befohlen hatte, sich mit ihm zu treffen. Denn von Rum, der ihm eigentlich antworten sollte, bekam er seit ein paar Tagen nur nichtssagende und ausweichende Antworten. Daher hatte er sich gezwungen gesehen, Vermouth Informationen über Rum‘s Vorhaben besorgen zu lassen. Die hatte sich jedoch gleich von Rum einspannen lassen. Sie meinte, nur wenn sie die Rolle spielt, die Rum von ihr verlangt, könnte sie genaueres darüber erfahren, was er plante. Sie hatte ihm vor ein paar Stunden berichtet, dass sie sich von einem Nachrichtensender interviewen lassen sollte. Dass Rum ihr sogar vorschreiben wollte, was sie zu sagen hatte. Die Nachrichten hatte er seit dem genauestens verfolgt. Selbst jetzt war der Nachrichtensender neben ihm noch eingeschaltet, wenn auch auf stumm. Der Hausbrand war vor einer Stunde erfolgreich gelöscht worden und er hatte noch immer keine Informationen darüber, aus welchem Grund Rum es überhaupt in die Luft gejagt hatte. Die Minuten verstrichen und seine Stimmung sank. Noch war Vermouth nicht zu spät. Es dauerte eine Zeit von dem Ort des Geschehens hier her zu kommen. Doch er hasste es im Ungewissen zu sein. Ohne anzuklopfen, öffnete Vermouth die Tür zu seinem Büro und betrat es ohne Umschweife. Ihr war bewusst, wie sehr der Boss Verspätung hasste und wäre sie nicht durch ihre Verkleidung einen Moment vom Sicherheitspersonal aufgehalten worden, hätte sie es auch noch vor der vereinbarten Zeit geschafft. So war sie auf die Minute genau da. Was auch der einzige Grund war, aus dem sie das Anklopfen unterließ. Denn die Uhr lief ab und sie galt erst als anwesend, wenn sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. "Entschuldige bitte," sagte sie umgehend und obwohl Ausreden und Vorgeplänkel dem Boss nie wichtig waren, fügte sie noch hinzu: "Es ist eben doch ein langer Weg direkt hierher zu kommen." "Was hast du herausbekommen?" "Direkt ohne Umschweife auf den Punkt.", dachte Vermouth. "Er wundert sich nicht mal über mein Aussehen, warum achte ich sonst nur immer so darauf wenn ich herkomme?" Sie seufzte. "Er ist eben mein…" "Vermouth!" Dieses eine Wort genügte um sie an den Grund zu erinnern, aus dem sie herbestellt worden war. Doch bevor sie ihren Bericht erstattete, zog sie sich die Maske der Frau mit leichten Brandwunden und einigen Altersfältchen vom Gesicht, die sie für Rum gespielt hatte. Sie löste ihre Haare und schüttelte den Kopf, damit sie ihr wieder locker über die Schultern fielen und begann erst dann ihre Erklärung. "Ich bin mir nicht sicher, was genau Rum vorhat. Er hat sich geweigert mir irgendetwas zu verraten, das mehr als nur mit meiner Rolle zu tun hat. Aber ich weiß jetzt, warum er das Haus in die Luft gejagt hat. Er wollte jemanden fangen." Es erfolgte keinerlei Reaktion von dem Mann vor ihr, also war sich Vermouth nicht sicher, ob er bereits davon wusste, es geahnt oder vorher vollkommen im Dunkeln getappt hatte. Aber das war bei ihm immer so, weshalb sie einfach weiter ihren Bericht erstattete. „Als er mir die Anweisung gegeben hat, dass ich diese Frau spielen soll, hat er mir ein altes Foto von ihr in ihren 20er Jahren gezeigt. Außer ihr war keiner darauf abgebildet und der Hintergrund war ein einfaches, schlichtes weiß wie bei allen Fotografen.", berichtete sie zunächst ihre Beobachtungen. Jedes Detail konnte wichtig sein und wenn sie ihm nicht von Anfang an alles berichtete, würde er sie nur mit Fragen löchern, die ihr unangenehm werden würden. "Er meinte ein aktuelleres Foto gäbe es nicht und ich solle mir selbst ausdenken, wie diese Frau aussehen würde, wenn sie ca. 20-30 Jahre älter wäre und gerade zum zweiten Mal aus einem brennenden Haus gerettet wird. Außerdem meinte er, ich soll beim Interview angeben, dass mein Mann in dem Feuer damals in unserem Haus in Mulang umgekommen wäre und nur der Keller noch stünde. Gerade auf den Keller schien er irgendwie Wert zu legen." "Also hat es mit dem Keller eines abgebrannten Hauses im Bezirk Mulang zu tun," sprach er die Schlussfolgerung aus, die auch Vermouth schon hatte. Sie nickte daher und fuhr fort: "Außerdem sollte ich nach einem Kind Ausschau halten, dass seine Mama suchen und mich für diese halten würde." Jetzt wurde sie von dem Mann mit einem seltsamen Ton in der Stimme unterbrochen: "Ein Kind?" "Ja. Seltsam nicht wahr? Wenn sie wirklich 40-50 Jahre alt ist, müsste ihr Kind doch mindestens 20 sein. Aber er hat darauf bestanden und als ich mehr Informationen über dieses Kind haben wollte, meinte er nur, dass er mich aus der Entfernung beobachten würde und ich das Kind nur so lange festhalten müsste, bis er es abholen kam. Ich sollte es auf keinen Fall entkommen lassen." "Wer war dieses Kind?", fragte der Mann mit finsterem Gesichtsausdruck. Vermouth‘s Antwort bestand nur aus drei Buchstaben. Sie hatte sich noch nie so davor gefürchtet wie jetzt, diese auszusprechen: "Gin." "Was?" Der Boss stützte seine Hände auf dem Tisch ab und stand auf. "Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, da er sich seltsam verhalten hat, wie ein zwölfjähriges Kind eben, das seine Mutter verzweifelt gesucht hat, aber dem Aussehen nach war es eindeutig Gin.... als Zwölfjähriger." "Wie?" Obwohl er nur ein Wort sprach, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie schluckte. "Ich weiß es nicht," gab sie ehrlich an. "Als ich gesehen habe, wie er die Reporterin nach mir gefragt hat, bin ich einfach auf ihn zu und hab ihn an der Schulter gepackt. Sobald er sich umgedreht hat ist er mir einfach in die Arme gesprungen und …" "Und was?", wiederholte er das letzte Wort der Frau, wütend darüber, sie überhaupt erneut auffordern zu müssen weiter zu reden. "...er hat geweint. Vor Freude seine Mutter zu sehen." "Verstehe.", war die einfache, kurze Antwort. Eigentlich hätte Vermouth ausnahmsweise mal mehr erwartet, doch ihr Boss schien nicht mal eine Miene zu verziehen. Für ihn waren lange Antworten verschwendete Zeit, die man stattdessen auch fürs Nachdenken verwenden könnte. Oder in dieser Situation besser gesagt: Es sollte. Dem Boss war bewusst, dass Vermouth ihm wahrscheinlich auch nicht mehr verraten konnte. Diesmal war sie die falsche Adresse für ausreichend Informationen. "Du kannst nun gehen.", entließ er daraufhin die immer noch wartende Frau, welche nach einem Nicken das Büro verließ. Kaum war sie weg, griff der Mann zum Telefon rechts neben sich und nahm den Hörer in die Hand, während er eine ganz bestimmte Nummer wählte. "Ich bin's.", begann er als am anderen Ende der Leitung jemand abnahm. Ohne diese Person zu Wort kommen lassen zu müssen, sagte er ihr die Adresse der abgebrannten Villa in Mulang an. "Du wirst dich auf der Stelle dorthin begeben und mir Bericht erstatten.", befahl er, worauf eine tiefe Stimme am Hörer mit "Ja." bestätigte. "Und sei vorsichtig.", erinnerte der Boss die Person daraufhin. Man konnte nie vorsichtig genug sein und wer wusste schon, was Rum ausgeheckt hatte und inwieweit das gut gegangen war. "Das werde ich.", versicherte der Mann am anderen Ende der Leitung mit fester Tonlage. "In Ordnung. Ich zähle auf dich, Arrak.", sprach er den Namen des treuen Organisationsmitgliedes aus, bevor er auflegte. Ein Seufzen entwich dem älteren Mann. Ihm gefiel dieser Alleingang von Rum überhaupt nicht. Besonders, weil gerade er seine treueste Adresse war. Zwar wurde der Boss von Rum informiert, dass Gin beseitigt werden sollte, doch weiter hatte er bislang darüber nichts erfahren. Außer, dass man seine Leiche nicht gefunden hatte. Doch aus eigener Erfahrung und mit der eben erhaltenen Information von Vermouth konnte er eins und eins zusammenzählen. Jetzt wurde ihm auch klar wie und auf welche Weise Rum Gin hatte beseitigen lassen wollen. "Dabei hab ich ihm noch gesagt, er soll die Finger von dem Zeug lassen...", dachte er in Bezug auf das APTX. Denn Rum hatte nicht die geringste Ahnung, wozu dieses Mittel überhaupt diente und was es anrichten konnte. Der Boss drehte sich noch einmal zum Fernseher. Das Bild von diesem verriet ihm jedoch auch nichts Neues mehr, weshalb er nach der Fernbedienung krallte und den Fernseher einfach ausschaltete. Danach musste er noch über zwei Stunden in Ungeduld verbringen, ehe sich sein beauftragtes Mitglied wieder bei ihm meldete. Dessen Bericht war jedoch nicht erfreulich. Er nahm den Anruf an, welchen er sehnlichst erwartet hatte. "Ich bedaure Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Rum ist tot.", lautete daraufhin die kurze Information. "Habe verstanden." Der Boss beendete das Telefonat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)