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Hello!Project Online

von

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Einen Monat

Das Licht des Vollmondes drang durch die Fenster des hochgelegenen Turmes. Der Himmel war seltsam klar. Jeder einzelne Stern leuchtete so hell, dass Reina dachte, die strahlenden Punkte am Firmament würden einen Wettstreit ausführen, welcher von ihnen der Schönste war.

Sie saß auf dem Bett von Shiori und kraulte gedankenverloren den Kopf der Jüngeren. Diese war auf dem Schoß der Braunhaarigen eingeschlafen. Yuhane und Ayano lehnten an den Holzgestellen des Himmelbettes. Keiner sprach ein Wort.

Drei Tage waren inzwischen vergangen seit dem Vorfall auf den Wiesenhügeln. Die Lehrer hatten ihnen die kommenden Tage frei gegeben, damit sie ihre Erlebnisse verarbeiten konnten. Goto Maki hatte jedem Kenshuusei angeboten, dass man zu jeder Stunde an ihre Tür klopfen durfte, falls man über etwas sprechen wollte.

Yuhane unterbrach die Ruhe der Nacht mit einem leisen Flüstern:
 

„Reina. Wir kamen bisher nicht dazu, aber ich wollte noch einmal mit dir reden.“
 

Die Angesprochene zögerte kurz. Seit dem Vorfall hatten sie alle die gegebene Zeit für sich selbst verbracht. Man hatte kaum miteinander gesprochen. Sie alle wandelten wie Geister durch das Haven. Während man im Training eindeutige Fortschritte erkannt hatte und immer das große Ziel vor Augen besaß, eines Tages einer Gruppierung beizutreten, war das Kartenhaus für die meisten nun zusammengefallen. Die Erkenntnis, was für Gefahren da draußen lauerten und welchen Monstern man sich früher oder später zu stellen hatte, verunsicherte fast alle Kenshuusei. Es ließ die vorigen Streits und Auseinandersetzungen bedeutungslos erscheinen. Vollkommen nichtig und kindisch.

Reina hob den Kopf und blickte direkt in die Augen von Yuhane. Dann nickte sie sacht. Die Person ihr gegenüber setzte unsicher an:
 

„Es war nicht richtig von mir, wie ich dich behandelt habe. Ich war eifersüchtig. Seit wir hier angekommen sind, versuche ich mein Bestes zu geben, um die Stärke zu erlangen, von der uns die Lehrer erzählen.“
 

Einen kurzen Moment musste Yuhane sogar lächeln.
 

„Dann kamst du und zeigst solch wundersame Fortschritte. Ich hatte das Gefühl, dass du in der Zeit, wo ich ein Schritt mache, fünf oder sechs Schritte voraus gehst. Das wollte ich nicht akzeptieren. Das verstehe ich nun.“
 

Reina betrachtete sie, verwundert über diese Ehrlichkeit.
 

„Yuhane, du brauchst nicht…“
 

Das Mädchen mit den Segelohren schüttelte den Kopf, ballte die Fäuste und sprach energisch:
 

„Doch! Ich habe dir Unrecht getan. Es ging um deine Gesundheit und ich hatte das gleich verstanden, als du uns davon erzählt hattest. Aber ich konnte nicht… ich wollte nicht…“
 

Reina senkte traurig den Kopf. Sie verstand ihre Kameradin. Ihr erging es ähnlich. Auch wenn sie glücklich war, Zeit mit ihren Freunden zu verbringen, spürte auch sie es. Besonders seit der Begegnung mit den Spähern lasteten diese Gedanken auf ihr wie ein Fluch. Es war solch ein unsagbarer Druck, der in ihrem Inneren vorherrschte. Nacht für Nacht träumte sie, wie sie auf dem nassen Rasen lag, sich schmerzerfüllt die Brust hielt und ihr Körper mit Blut überströmt wurde. Sie war schwach. Aber sie wollte nicht schwach sein. Niemals mehr!

Schlagartig hob sie den Kopf und schenkte Yuhane ein Lächeln. Diese blickte sie überrascht an. Die Fünfzehnjährige sprach dann langsam und bedächtig:
 

„Wir müssen besser werden. Wir müssen zu Morning Musume aufschauen. Ich möchte nicht mehr gerettet werden. Ich möchte lieber meine Freunde selbst beschützen können.“
 

Yuhane erwiderte das Lächeln und streckte die Hand nach vorn. Dann starrte sie Reina erwartungsvoll an und sagte entschlossen:
 

„Wir werden es schaffen. Wir werden Teil einer Gruppierung. Und dann wird uns niemand mehr in die Knie zwingen.“
 

Die Dunkelhaarige freute sich über die Versöhnung und legte voller Motivation ihre Hand auf die von Yuhane.
 

„Oh ja! Das ist ein Versprechen!“
 

Plötzlich legte sich eine dritte Hand auf die der anderen beiden. Überrascht wandten sie sich zu Ayano, die die Blicke ebenfalls mit Feuer in den Augen erwiderte.
 

„Vergesst mich nicht. Wir gehen da gemeinsam durch! Ihr werdet mich nicht los.“
 

Reinas Augen funkelten glücklich bei diesen Worten. Und dann geschah etwas unerwartetes. Unter ihr regte sich der kleine Körper von Shiori. Die süßen Knopfaugen betrachteten die Fünfzehnjährige ruhig. Dann hob die Kleinste von ihnen langsam den Arm und berührte knapp mit den Fingerspitzen die Hände der anderen. Mit leichtem Wimmern sprach sie:
 

„Ich habe Angst. Ich bin nicht bereit. Aber ich werde es. Ich werde bereit sein. Noch kann ich euch nicht folgen. Deshalb habe ich nicht das Recht dazu, meine ganze Hand auf die eure zu legen. Aber ich verspreche euch, dass ich euch einholen werde. Das verspreche ich euch…“
 

Reina, Yuhane und Ayano grinsten Shiori an. Es war ein Pakt. Eine beschlossene Sache unter den Vieren. Gemeinsam strebten sie nach Größerem. Und gemeinsam wollten sie ihr Ziel erreichen.
 


 

Schwer atmend vollführte Kaede eine Drehung. Daraus resultierte ein mächtiger Tritt. Schnaubend vor Anstrengung ließ sie die Schultern hängen. Ihr Atem rasselte förmlich.

Reina saß auf der Tribüne und beobachtete ihre Rivalin. Seit einer halben Stunde grübelte sie nun schon darüber, ob es der Trainierenden gut oder schlecht ging.

Schließlich wandte sich Kaede zu ihr. Überrascht horchte Reina auf, als die Kurzhaarige in ernstem Tonfall fragte:
 

„Willst du dort Wurzeln schlagen oder ziehst du dich endlich um und hilfst mir?“
 

Reinas Augen weiteten sich. Kaga Kaede fragte sie, Yokoyama Reina, ob sie mit ihr trainieren wollte. Und das freiwillig!

Hastig sprintete die Jüngere die Tribünentreppe nach unten. An der Wand griff sie nach ihrer Tasche und zog sich so schnell es ging um. Innerhalb weniger Sekunden stand sie neben Kaede und salutierte grinsend vor ihr.
 

„Ich bin bereit, Mentor!“
 

Mit gerunzelter Stirn betrachtete Kaede ihre Konkurrentin zweifelnd. Ob sie wohl darüber nachdachte, dass der Vorschlag vielleicht keine so gute Idee gewesen war?

Doch Reinas positive Ausstrahlung schien wie Balsam auf der Seele von Kaede zu sein. Sogar ein leichtes Lächeln zierte ihr Gesicht. Deshalb sagte die Jüngere freudig:
 

„Du siehst niedlich aus, wenn du lachst. Das solltest du öfter tun, Kaedi.“
 

Bestürzt schreckte die Größere nach hinten. Dann schlug sie mit der Faust auf den Kopf der Fünfzehnjährigen. Diese hielt sich schmerzerfüllt, und mit einer Träne im Auge, den Kopf.
 

„Autsch, was sollte das? Ich habe dir ein Kompliment gemacht.“
 

Die Angesprochene starrte verwirrt auf ihre Faust. Dann fiel ihr Blick auf die Jüngere. Schließlich sprach sie langsam:
 

„Tu-Tut mir leid, R-R-Reina.“
 

Ein zweites Mal weiteten sich die Augen der Dunkelhaarigen. Fasziniert bemerkte sie:
 

„Du hast mich Reina genannt? Das hast du noch nie getan.“
 

Kaede kratzte sich unsicher am Kopf und antwortete:
 

„Das ist es, was dir auffällt? Nicht eher, dass ich mich noch nie bei dir entschuldigt habe?“
 

Reina starrte sie verblüfft an.
 

„Gab es denn schonmal einen Grund, warum du dich bei mir entschuldigen musstest?“
 

Das Auge der Älteren begann zu zucken, als sie über diese Frage nachdachte.
 

„Ähm, ich weiß nicht. Ich… äh…“
 

Ohne weiter auf sie einzugehen, ging Reina in Trainingshaltung und rief motiviert:
 

„Lass uns loslegen. Oder bist du zu erschöpft?“
 

Vollkommen überrumpelt von diesem Sinneswandel erwiderte die Größere:
 

„Was bist du denn für eine?“
 

Doch trotzdem ging sie in die gleiche Haltung über und grinste motiviert:
 

„Wir haben einiges zu tun.“
 

Reina nickte lachend.
 

„Oh ja! Es ist noch ein Monat bis zur Audition.“
 

Daraufhin sagte Kaede mit fokussiertem Blick:
 

„Wenn wir so schwach bleiben wie bisher, brauchen wir uns dort gar nicht sehen zu lassen. Welche Gruppierung auch immer neue Mitglieder benötigt, wir werden eine Verstärkung sein.“
 

Reina grinste über beiden Ohren und betrachte sich und Kaede im Spiegel. Es war zwar nicht bekannt, für welche Gruppierung die Audition veranstaltet wurde, doch das Versprechen, welches sie letzte Nacht an Yuhane, Ayano und Shiori gegeben hatte sowie der Zusammenschluss mit Kaedi, der sich nun offenbarte, gaben ihr das wundersame Gefühl, dass ihr eine tolle Zeit bevorstand. Nun musste sie alles geben, um diesem Wunschtraum auch gerecht zu werden. Denn nie wieder wollte sie ein Klotz am Bein sein. Für niemanden.

Das strahlende Leuchten einer grellen Flamme durchdrang ihr Innerstes. Ihre Seele brannte voller Entschlossenheit. Schon bald würde sie diese Welt erobern. Das war ihr ab diesem Moment klar. Endgültig.
 


 

Das zerspringende Geräusch eines Glases war laut und deutlich zu vernehmen. Dann folgten hastige Schritte. Schließlich wurde das, was gerade eben im Wohnzimmer zertrümmert wurde, aufgefegt und in den Müll gebracht. Erneut vernahm man das schnelle Fußgetrappel über den Flur.

Kamiko lauschte dem, was im Gemeinschaftsraum von ANGERME nebenan geschah. Sie hatte sich in ihr Zimmer eingeschlossen und lag regungslos auf dem Bett.

Dann hörte sie Schreie:
 

„MUROTAAAN! DAS WAR UNSER LETZTES GLAS. DU GEHST NEUE KAUFEN, HAST DU DAS VERSTANDEN?“
 

Als Antwort kam vom Flur in ähnlicher Lautstärke:
 

„JAAAA, AKARI! MACH ICH! DU MUSST ABER MITKOMMEN, OKAY?“
 

Take schrie verwirrt zurück:
 

„WARUM SOLLTE ICH DAS TUN?“
 

Die Chaoskönigin entgegnete ihr:
 

„WEIL ICH SONST VIELLEICHT VERGESSE, DASS ICH GLÄSER MITBRINGEN SOLLTE UND STATTDESSEN MIT COOLEN KLAMOTTEN WIEDERKOMME.“
 

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Nur das leise Fluchen von Take aus dem Wohnzimmer war unverständlich zu vernehmen. Doch dann ging es erneut los und das Mädchen mit den feuerroten Haaren brüllte:
 

„NA GUT, WENN ES DENN SEIN MUSS! ABER WEHE, WIR…“
 

Kamiko sprang auf, sprintete zu ihrer Tür, riss sie auf und schrie aus voller Kehle:
 

„WARUM MÜSST IHR EUCH DENN ÜBER DEN GANZEN FLUR UNTERHALTEN?“
 

Plötzlich bemerkte sie ihre Reaktion und starrte von sich selbst geschockt nach links und rechts, wo sich Take und Murotan befanden. Beide Chaoten schauten sie an. Dann prusteten sie los und Take sagte:
 

„Was war denn das jetzt für eine Aktion, Kamiko?“
 

Murotan lachte sich ebenfalls halb tot.
 

„Das stimmt, warum schreist du denn so? Wir verstehen doch alles.“
 

Sofort öffnete Kana die gegenüberliegende Tür, rieb sich die Augen und sprach missmutig:
 

„Kamiko, warum bist du denn so laut? Ich habe so schön geschlafen.“
 

Die Angesprochene starrte sie mit fassungslosem Blick an, doch während Take und Murotan kreischend vor Lachen auf den Boden hämmerten, begann Kana süffisant zu grinsen. Sie wollte die Kleinste nur auf den Arm nehmen.

Dann hörten sie die Eingangstür ins Schloss fallen und Ayaka kam, mit Rikako, Kassa, Rina und Maho im Schlepptau, eingetreten.

Murotan fragte sofort neugierig:
 

„Oh, da seid ihr ja! Und? Wie haben sie reagiert?“
 

Die Anführerin von ANGERME nahm die Jacken ihrer Begleiter entgegen und hing sie auf, bevor sie resigniert antwortete:
 

„°C-ute hat unsere Informationen bezüglich der maskierten Fremden entgegengenommen. Maimi schien nicht gänzlich davon überzeugt zu sein, dass unsere gesuchte Person mit den Spähern in Verbindung steckt.“
 

Take hatte sich inzwischen beruhigt und machte nun ein nachdenkliches Gesicht.
 

„Es ist seltsam, dass wir beauftragt werden, diese komische Frau zu finden und hierher zu bringen, und infolgedessen plötzlich in Kontakt mit Jägern kommen, die man sonst nie in dieser Umgebung gesehen hat. Das kann doch kein Zufall sein.“
 

Ayaka nickte bedächtig.
 

„Du hast Recht, so denke ich auch. Wir müssen in Zukunft umsichtiger sein.“
 

Rina schritt zu ihrer Zimmertür und sagte hochmütig:
 

„Ich hoffe deine Motivation kommt nicht nur daher, dass die Obersten dir Feuer unter dem Hintern gemacht haben.“
 

Die Anführerin ignorierte die Spitze. Stattdessen richtete sich ihr Blick auf Kamiko. Diese wich instinktiv etwas zurück. Doch dann lächelte ihr Leader.
 

„Es tut mir so leid, Kamiko. Ich vertraue dir genauso wie jedem anderen hier auch. ANGERME hat sich blamiert, indem wir die Sorgen unserer eigenen Mitglieder überhört haben. Das werde ich als Anführer dieser Gruppierung nicht mehr zulassen. Ich hoffe, du verzeihst mir.“
 

Geschockt sah die Kleinste, wie sich die Person, die sie so sehr respektierte, vor ihr verbeugte. Sofort fuchtelte Kamiko verneinend mit den Armen.
 

„Bitte mach das nicht, Ayaka. Ich war mir doch selbst nicht sicher. Ich hätte mich genauso gut auch irren können.“
 

Rikako machte einen Schritt nach vorn und sagte mit einem Lächeln:
 

„Ich glaube eher, dass wir langsam akzeptieren müssen, dass du dich nur irrst, wenn du von unseren Lehrern eine Frage gestellt bekommst.“
 

Auf diesen Kommentar mussten alle lachen. Murotan antwortete ausgelassen:
 

„Das sagst ausgerechnet du, Rikako? Wenn da mal nicht jemand den Mund zu voll nimmt.“
 

Die Angesprochene riss schockiert Mund und Augen auf und konnte gar nicht glauben, was sie da hörte. Doch da viel Wahrheit in der Aussage lag, amüsierte es die Teammitglieder nur umso mehr.

Dies war eine typische ANGERME-Unterhaltung, dachte sich Kamiko. Egal wie ernst das Thema war, welches sie besprachen, sie endeten immer mit Lachern und Freude. Dafür wussten die Kameraden schon zu sorgen.

Kana klatschte freudig in die Hände und schlug vor:
 

„Wir gehen jetzt alle gemeinsam Gläser einkaufen und dann feiern wir eine kleine Cocktail-Party. Was haltet ihr davon?“
 

Sofort bekamen alle große Augen vor Vorfreude. Sie stimmten dem Vorschlag überschwänglich zu.

Schnell zogen sich die Mitglieder in ihren Zimmern um und wollten gerade losstürmen. Doch Kamiko hielt Take, Murotan und Rikako fest, während die anderen bereits aus der Tür heraustraten.

Murotan starrte die kleine Schwarzhaarige gespannt an.
 

„Was ist denn los, Kamiko?“
 

Auch die anderen beiden betrachteten sie erwartungsvoll. Kamiko biss sich nervös auf die Unterlippe. Dann fasste sie sich ein Herz und sagte kurzerhand:
 

„Bitte trainiert mich! Ich will richtig kämpfen können!“



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