Der Lauf der Zeit von Sharry ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog   „Er wird bald hier sein“, bemerkte sie mit einem leisen Lächeln während sie einen Bierkrug vor ihm abstellte, „aber das weißt du natürlich schon.“ Im Vorbeigehen glitt ihre Hand über seinen Hals, berührte kurz seine Wange. Er nickte nur und griff nach dem kühlen Gebräu ohne etwas zu erwidern. Natürlich wusste er, dass der andere bald eintreffen würde; eine Aura, die er nie vergessen würde, egal wie viel Zeit verging. Doch es war noch gar nicht so lange her. Vor zwei Jahren hatte er ihn das erste Mal wieder wahrgenommen, als der andere dem Sabaody Archipel immer näher gekommen war. Auch jetzt noch konnte er sich daran erinnern, wie nervös er gewesen war, wie aufgeregt er gewesen war. Er hatte es kaum erwarten können, damals, er war gefangen gewesen zwischen Freude und Angst. Je näher der andere gekommen war, desto schwerer hatte es ihm gefallen über etwas anderes nachzudenken. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Spielschulden er in den letzten vierundzwanzig Stunden angehäuft hatte, bevor der andere angekommen war. Er hatte sich sogar an die Menschenhändler verkaufen lassen - und das ganze drei Mal - um seine Schulden begleichen zu können. Selbst der Alkohol hatte ihn im Stich gelassen, hatte ihn nicht genug benebeln können, damit er zumindest für eine Sekunde hatte vergessen können, genauso wie jetzt. Er stellte den leeren Krug ab, sein Daumen folgte den Spuren der Wassertropfen. Es fühlte sich an als wäre es erst gestern geschehen, als ein unerwarteter Tumult das Aktionsgebäude aufgewühlt hatte und er hatte gewusst, dass der andere dran beteiligt gewesen war. Als er ihn das erste Mal wiedergesehen hatte, nach so langer Zeit wiedergesehen hatte, da hatte er irgendetwas erwartet, er wusste nicht genau was, ein Zwinkern vielleicht, ein Grinsen oder aber einen eiskalten Blick. Doch der andere hatte ihn nur ernst angesehen, wie bei einem Fremden, einem Unbekannten, dem man misstrauisch gegenüber sein musste. Ungefragt stand plötzlich ein neues Bier vor seiner Nase. „Du bist nervös?“, fragte die Frau hinter ihm nach und ließ diesmal beide Arme grazil um seinen Nacken fallen. Er spürte ihren Atem an seinem Ohr. „Bist du es nicht?“, entgegnete er, klang dabei deutlich gelassener als er es in Wirklichkeit war. Sie lachte leise, griff nach dem leeren Glas und schlenderte zurück hinter den Tresen. „Er ist doch nur ein Freund. Kein Grund zur Panik, oder?“ „Nur ein Freund“, wiederholte er grimmig. Damals hatte er sich nicht lange mit dem anderen befassen können, schließlich hatten er und seine Freunde gerade die Weltaristokraten und mit ihnen die gesamte Weltregierung und Marine herausgefordert, doch für ihn war es mehr ein Spaß gewesen, als ein ernsthaftes Geplänkel, und viel interessanter war es doch gewesen, den Jungen kennen zu lernen, den Shanks gerettet hatte, der Rogers Hut als Markenzeichen trug. Ja, es war interessant gewesen, die Strohhüte endlich kennen zu lernen, unterhaltsam ihnen zuzusehen. Es hatte ihn beinahe wehmütig an bessere Zeiten denken lassen. Sie hatten unzählige Fragen gestellt, manche von ihnen mit großer, manche von ihnen mit weniger Bedeutung. Doch was hatte er gefragt? Von all den Dingen, die er ihn hätte fragen können, fragen sollen, was hatte er ihn gefragt? ‚Und wie kann es sein, dass Okta mit so einer Legende befreundet ist...?‘ Er hatte ihn nach Okta gefragt. Das hatte er nicht erwartet. Was er erwartet hatte, waren zwei Hände an seinem Kragen, die ihn gegen die nächstbeste Wand knallten. Er hatte ein heiseres ‚Wer bist du?‘ erwartet, auf das er mit einem verdutzten ‚Silvers Rayleigh‘ geantwortet hätte, nur damit der andere ihm den Ellenbogen gegen die Kehle pressen würde, um ‚Nein, woher kenne ich dich?‘ zu knurren. Er hatte erwartet, dass der andere ihn zumindest erkannt hätte, zumindest sein Gesicht erkannt hätte, oder zumindest seine Stimme und es hatte ihn beinahe verletzt – falsch, es hatte ihn zutiefst verletzt – dass der andere sich nicht einmal ein kleines bisschen an ihn hatte erinnern können und das war auch genau der Grund, warum er gerade so nervös war. Damals hatte er die Hoffnung gehabt, dass der andere ihn erkennen würde, hatte sie aber nicht zu groß werden lassen, glücklicherweise, denn wenn der andere sich noch an ihn erinnern würde, da war sich Rayleigh sicher, dann hätte er nicht so lange damit gewartet ihn aufzusuchen. Heute wollte er sich keine Hoffnung machen. Zwei Jahren waren viel Zeit, aber nicht annähernd genug. „Und wenn er dich nicht erkennt?“ Shakuyak hatte ihn schon längst durchschaut. „Wäre das denn so schlimm?“ „Nein“, murmelte er und leerte sein zweites Bier. „Im Grunde ist es sogar egoistisch von mir zu hoffen, dass er sich erinnern könnte. Schließlich hat er ein gutes Leben. Er schien glücklich.“ Langsam drehte er sich auf seinem Stuhl zur Barkeeperin um. „Wirkte er glücklich auf dich?“ Die schwarzhaarige Frau lachte und steckte sich eine Zigarette an. „Wenn man bedenkt von wie vielen Menschen er umgeben war, so wirkte er zumindest sehr entspannt.“ Er nickte langsam und legte seine Arme auf der Rückenlehne ab. „Da hast du Recht. Er schien ihnen zu vertrauen.“ Shakky legte den Kopf schief und sah ihn ernst an. „Bist du etwa neidisch?“ Anstatt zu antworten, stand er auf und kam zu ihr herüber, nahm ihr die Zigarette ab und nahm einen tiefen Zug. Sie lachte, ließ ihn aber gewähren. „Du rauchst doch gar nicht.“ Sein Husten war Bestätigung genug, doch er ließ sich vor ihr auf einem Barhocker nieder, zwischen ihnen nur noch die Bar. Nach einer Sekunde sah sie zum Fenster hinaus. „Er ist gerade angekommen.“ Diese Feststellung war unnötig, schließlich wusste er es auch, doch er nickte nur, während sie ihm noch ein Glas hinstellte. „Seltsam oder? Ist er nicht ganze zehn Tage zu früh dran? Pünktlichkeit ist doch sonst nie seine Stärke gewesen.“ Er zuckte mit den Achseln und nahm der Schwarzhaarigen das Getränk ab. „Wer weiß, viele Dinge haben sich geändert.“ In einvernehmlichen Schweigen begann Shakuyak die Bar zu putzen während Rayleigh die Eiswürfel in seinem Whisky hin und her schwenkte. Nach einigen nervenaufreibenden Minuten konnte er verheißungsvolle Schritte hören. Schwere Stiefel kamen näher, doch er versuchte sich auf sein Glas zu konzentrieren. Shakkys Schmunzeln entging ihm trotzdem nicht. Schließlich schwang die Tür in seinem Rücken auf und Rayleigh konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Zorro,“ entkam es der Barkeeperin, gespielt überrascht, während sie einen Ellenbogen auf der Theke ablehnte und genüsslich von ihrer Zigarette zog. „Sind die anderen noch nicht da?“ Seine Stimme klang tiefer als noch vor zwei Jahren, reifer. „Das sieht ihnen mal wieder ähnlich.“ Der pensionierte Pirat nahm einen Schluck. „Du bist früh dran,“ sprach er aus, schwere Schritte hallten über den Holzboden und leicht ächzend ließ sich der Schwertkämpfer neben ihm nieder. „Willst du was trinken?“, fragte die Schwarzhaarige und stellte dem Neuankömmling zugleich einen Krug Bier hin. „Danke Shakky. Aber hast du nicht etwas Stärkeres für mich?“ Rayleigh konnte das Grinsen in der Stimme des anderen hören. „Hätte ich“, stimmte die Eigentümerin schmunzelnd zu und lehnte sich vor ehe sie dem Piraten zuflüsterte, „aber das ginge dann nicht mehr aufs Haus.“ „Dann begnüge ich mich doch mit dem hier“, wich Zorro keck aus und gönnte sich zugleich einen Schluck. Dabei nahm er sich einen Augenblick um den ehemaligen Piraten ausführlich zu begutachten. Es überraschte ihm, trotzdem tat Rayleigh es dem anderen gleich, bemerkte die offensichtlichen Veränderungen - wie die Narbe, das längere Haar – aber auch die etwas unauffälligeren. „Siehst gut aus, Silver.“ Der Grünhaarige hob seinen halb geleerten Krug leicht in seine Richtung, als wollte er ihm zuprosten. Dabei grinste er schief und es wirkte ungewohnt vertraut. Der dunkle König lachte leise und wandte sich wieder seinem Whisky zu. „Kein Grund so förmlich zu sein Zorro, du kannst mich ruhig Rayleigh nennen.“ Der andere neigte seinen Kopf leicht zur Seite und nahm noch einen Schluck. „Ich weiß, aber ich bevorzuge Silver.“ Rayleigh biss sich auf die Unterlippe, ehe er den Kopf schüttelte und ebenfalls einen Schluck nahm. „Nimm es mir nicht übel Zorro, aber das wäre mir unangenehm. Ein guter Freund pflegte mich so zu nennen.“ „Wer?“ Unerwartet packte der andere ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich. „Ich dachte, ich wäre der einzige, der dich so nennt!“ Überrascht starrte Rayleigh in Zorros ernste Miene, ehe diese von einem schelmischen Grinsen durchbrochen wurde. „Du...du erinnerst dich?“ Der andere lachte leise und klopfte ihm nun auf die Schulter. „Natürlich erinnere ich mich. Wie könnte ich dich vergessen?“ Dann zog der andere ihn in eine Umarmung. Für einen Moment schlang Rayleigh die Arme um seinen Freund, ehe er ihn an der Schulter packte und eine Armlänge Abstand zwischen sie brachte. „Warum bist du so früh hier?“ Zorro zog eine Augenbraue hoch. „Scharfsinnig wie eh und je.“ Der Grünhaarige löste sich vom dunklen König. „Ich wollte Zeit haben um mit dir zu reden. Aber vor allem bin ich hier um zuzuhören.“ Beide wandten sie sich wieder ihren Getränken zu. Der ehemalige Pirat konnte kaum glauben, wie schnell sein Herz schlug und wie groß seine Freude war. Doch er blieb ernst. „Ich soll dir also vom One Piece erzählen?“, stellte er ruhig fest. „Ach Schwachsinn“, widersprach Zorro, „dieser Teil der Geschichte kann mir gestohlen bleiben. Nein, du weißt wovon ich rede.“ „Roger.“ Der Schwertkämpfer nickte und leerte sein Glas. Sekunden später stellte die Schwarzhaarige auch ihm ein Glas mit einer goldenen Flüssigkeit und Eiswürfeln hin. „Whisky?“, fragte Zorro und grinste sie an. Sie zwinkerte zurück, „Schätzchen, Weingeist habe ich leider nicht da“, und nahm sein leeres Bier entgegen. „Aber dafür geht der auf Haus.“   Stundenlang sprachen sie, Shakky versorgte sie mit genug Flüssigem während hauptsächlich Rayleigh sprach. Manchmal hakte Zorro bei gewissen Dingen nach oder warf einen Kommentar ein, doch meistens hörte er nur zu. Einzig über alles was mit dem One Piece oder Unicorn zu tun hatte unterbrach er den ehemaligen Piraten augenblicklich; es war offensichtlich, dass er darüber nicht mehr erfahren wollte als er so oder so schon wusste. Die Sonne war schon vor einer halben Ewigkeit untergegangen, durch das große Fenster zu seiner Rechten konnte er sogar wieder ein leichten Schimmer am Horizont ausmachen. Ein neuer Tag würde bald anbrechen. „So“, schloss er seinen ausführlichen Bericht ab, „viel mehr fällt mir gerade nicht mehr ein oder brennt dir noch irgendetwas unter den Fingern? Meine Zunge ist schon ganz taub.“ „Das können wir ändern“, grinste Shakuyak und schüttete ihm nach. Zorro tat es ihm gleich und nahm noch einen Schluck. „Also“, fragte Rayleigh nach, „was hast du jetzt vor?“ Der Schwertkämpfer zuckte mit den Schultern: „Trinken bis zum Umfallen?“ „Aber nicht auf meine Rechnung,“ knurrte Shakky spielerisch und zog eine Augenbraue hoch ehe sie sich eine weitere Zigarette anzündete. Der dunkle König lachte leise in sein Glas: „Ist zwar ein guter Plan, aber eigentlich meinte ich etwas anderes.“ „Ich weiß“, gestand der andere und nahm einen weiteren Schluck, „aber da gibt es nicht viel zu überlegen.“ „Nicht?“, hakte der Beschichter nach. „Du wirst also mit den Strohhüten weiterreisen?“ „Natürlich.“ Der Grünhaarige grinste. „Ich will doch noch herausfinden, was das One Piece ist.“ Nun grinste auch Rayleigh. „Und der beste Schwertkämpfer der Welt werden.“ Der andere grinste ihn breit an. „Genau.“ Für einen Moment schmunzelten sie beide ehe der ehemalige Pirat wieder ernst wurde. „Das heißt du wirst deinen Freunden die Wahrheit sagen?“ „Nein.“ Zorro hielt der Barkeeperin sein leeres Glas hin. „Nein?“ „Nein.“ Fassungslos starrte er seinen Gesprächspartner an, der ganz fasziniert beobachtete, wie Shakuyak sein Glas wieder auffüllte. „Du willst sie nicht einweihen?“ „Sagte ich das nicht gerade?“, entgegnete der andere und betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. „Das halte ich für keine kluge Entscheidung“, urteilte der ehemalige Pirat. „Wir beide wissen, dass deine Vergangenheit dich früher oder später einholen wird.“ „Natürlich“, stimmte Zorro ihm zu, „und wenn es soweit ist werde ich ihnen alles erklären.“ Mit einem Mal verschwand das leichte Grinsen und der andere sah beinahe traurig auf sein Glas hinab. „Aber wir beide wissen auch, dass ich dann die Crew verlassen muss. Also...“ „Das sehe ich anders. Wenn du mit ihnen redest werden sie mit Sicherheit...“ „Auch das wird nichts an der Vergangenheit ändern. Egal was heute ist, meine vergangenen Taten kann ich nie wieder gut machen und daher“, er sprach weiter nachdem er sein Glas in einem Zug leerte, „werde ich den anderen ganz egoistisch die Wahrheit verschweigen, bis es nicht mehr anders geht.“ Rayleigh schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander ehe ihm ein beißender Kommentar entging. „Ich weiß was du sagen willst, Silver. Aber ich will solange es geht bei dieser Crew bleiben, sie sind meine Freunde, ich will sie solange es geht beschützen.“ „Dann schenk ihnen reinen Wein ein! Ich an deiner Stelle würde die Sache sofort klären, anstatt Gefahr zu laufen, die Crew irgendwann verlassen zu müssen!“ Er war lauter geworden; die Dickköpfigkeit des anderen nervte ihn ungemein. Doch Zorro blieb ruhig wie eh und je. „Das ist nicht deine Entscheidung. Sie sind meine Crewmitglieder und je weniger sie wissen, desto besser.“ Kopfschüttelnd schnaubte Rayleigh auf und erhob sich. Shakuyak war mittlerweile taktvoll ins Hinterzimmer verschwunden. „Du hast schon ganz Recht. Es ist deine Entscheidung“, knurrte er und verschränkte die Arme, „aber du bist in Begriff eine absolut blöde – nein – eine verdammt hirnrissige Entscheidung zu treffen.“ „Du wirst mich also auffliegen lassen, wenn die anderen da sind?“ Immer noch klang der andere viel zu ruhig. Seufzend starrte der dunkle König dem immer heller werdenden Horizont an. „Nein, natürlich nicht“, murrte er und drehte sich zum anderen um, der immer noch unverändert am Tresen saß, „aber irgendwer muss dir doch sagen, wie dumm du bist.“ Der Pirat lachte leise. „Dafür bist du doch da.“ „Und was ist mit Ruffy?“ Nun sah Zorro ihn über die Schulter hinweg an. „Was soll mit ihm sein? Er ist mein Käpt‘n.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)