[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 92: Vol. 4 - Komischer Kauz ----------------------------------- Als ich gerade ziellos durch die Gegend umherirre, renne ich versehentlich einen älteren Mann um den Haufen. Dessen Aktenkoffer öffnet sich und das Papier mitsamt dem Inhalt verteilt sich auf dem Asphalt. "V-Verzeihung, ich-", "Du...", brummt der Mann, ohne mich anzusehen. "J-ja?", irgendwie macht der Kerl mich nervös. "Auf der Flucht, was? So wie du rennst...", murmelt er und ich helfe ihm, die Akten einzusammeln. "Kann man behaupten...", antworte ich zögerlich. Zum Lügen habe ich schon wieder absolut keinen Nerv. Ich weiß ja nicht einmal mehr, wo zur Hölle ich nun hinsoll, nachdem ich die Schule jetzt wohl nur noch schlecht betreten kann. "Die naive Jugend, so jung und glaubt, sie müsse weglaufen...", summt er und greift nach den verstreuten Bleistiften. "Na, hören Sie mal, ich habe wirklich keine andere Wahl gehabt! So zu urteilen ist echt gemein von Ihnen!", knirsche ich in einem bemüht höflichen Tonfall. Irgendwie pisst er mich an. "Nun denn, möglicherweise scheinst du eine kleine Chance an recht zu haben. Wie auch immer, wir müssen reden, komm mit.", meint der alte Mann, als er den Aktenkoffer schließt, mein Handgelenk greift und mich, ohne, dass ich auch nur daran denken kann, Einwände zu haben, ins nächstbeste Lokal schleift. "Und wie kommt es, dass ich mit Ihnen an diesem Tisch für Zwei, ohne, dass ich sie jemals gesehen habe, sitze, können Sie mir das vielleicht mal erklären?", Notiz an mich selbst: Mich verdammt noch mal nicht so leicht entführen lassen! "Ach, nun sei doch nicht so, dass du hier bist, hat durchaus seine Gründe. Eines Tages wäre es sowieso darauf hinausgelaufen, Junge. Zwei Rotweine, bitte!", der versucht nicht mal, mich zu beruhigen! Vielleicht sollte ich der Bedienung doch sagen, dass ich etwas anderes haben möchte, da ich Alkohol erstens fast gar nicht vertrage und zweitens Wein generell nicht besonders mag. Und weg ist sie. Scheiße. Dann muss ich wohl austrinken. Mist. "Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet. Wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir? Wollen Sie mich betrunken machen, um anschließend zu berauben und zu vergewaltigen, oder was für ein Ziel verfolgen Sie jetzt?", werde ich langsam echt giftig. Diese zwielichtige Person kramt in ihrer Jackentasche und zeigt mir ihren Personalausweis. "Endo... Failman. Endo... Failman… ENDO FAILMAN?!", "Mann, schrei doch nicht so, davon bekomme ich Migräne...", knurrt der alte Mann. "Sie... Sie sind... Chikas Vater.... ?!", kann ich diese Situation immer noch nicht ganz fassen. Ich falle wirklich aus allen Wolken. Dass ich dem Typen einmal in natura begegne, habe ich mir wirklich nicht zu träumen gewagt. "Und ja, der bin ich. Aber genau darüber wollte ich mit dir reden, Kyokei-kun.", "Wie... ähm, Moment mal, haben Sie mich gerade Kyokei genannt? Woher zum Zerteilungsgrad wissen Sie, wie ich heiße?!", im Ernst, dass scheinbar jede fremde Person meinen Namen kennt, finde ich echt nicht witzig. "Ich hab so meine Quellen. Elvis Kyokei, siebzehn Jahre alt, im dritten Jahr der Blutrosenoberschule, Blutgruppe 0-", "Habe verstanden! Gott, das ist gruselig...", zische ich. Der ist doch irre. Wenn der am Ende auch noch weiß, wie lang mein Glied ist, töte ich ihn! "Sie sind doch der Hammer... Das ist Stalking, das wissen Sie, echt, ich bin fassungslos. Nun, bringen wir es hinter uns, was wollen Sie?", versuche ich, mich zu beruhigen. In dem Moment wird uns der Rotwein serviert. Na toll. "Ist vielleicht unnötig zu fragen, aber... in was für einer Beziehung stehst du zu meiner... Tochter.", ich weiß, dass es nicht Chikas leiblicher Vater aka der bis heute scheinbar unentdeckte Vergewaltiger ist. Dieses Wissen lässt mich noch eine Frage fragen wollen: Was interessiert es ihn? "Ich wüsste nicht, wieso ich ihnen das verraten sollte.", antworte ich schnippisch und unterdrücke ein Grinsen. Jetzt ist er mit Empörung dran! "Willst du dich wirklich mit mir anlegen?", fragt der alte Ma-. ähm Chikas Dad und seine Augen flackern bedrohlich. Jetzt habe ich Angst. "I-ich bin ihr fester Freund, bitte schlagen Sie mich nicht!", spucke ich aus und verstecke meinen Kopf schützend vor meinen Armen. "Kein Bock, bin froh, dass du wenigstens ehrlich bist, auch wenn es dir an Respekt vor älteren Leuten fehlt.", labert der wieder in seinen Siebentagebart. "Das ist ja wohl ihre eigene Schuld, wenn Sie mich einfach ohne Vorwarnung entführen und mich mit persönlichen Infos zuballern, die ich von selbst ihnen gegenüber nie preisgegeben habe!", ist der anstrengend! "Ist auch wieder wahr. Nun, meine sogenannte Tochter scheint großen Gefallen an dir gefunden zu haben. Irgendwo musst du schließlich ein anständiger Kerl sein, auch wenn es mir ein Rätsel ist, was sie an einem Warmduscher wie dir findet...", "Langsam machen Sie mich wirklich sauer...", brumme ich und versuche, ihm meinen Rotwein nicht einfach so über den Kopf zu schütten. Denn das hätte dieser Mann wirklich verdient. Andererseits... hat das alles vielleicht sogar einen tieferen Grund? "Das sagen viele, Kleiner. Das sagen viele.", flüstert er und ich komme mit dem ganzen Stimmungs- und Höflichkeitswandel dieses Mannes so langsam an mein Ende. "Wieso haben Sie all diese Dinge getan? Wieso musste Chika ein Schuljahr wiederholen, obwohl sie die Allerbeste war? Warum haben Sie sich nie für sie eingesetzt? Wieso beobachten Sie Chika und mich, anstatt mit ihr zu reden, wie es richtige Väter tun? Haben Sie... haben Sie denn überhaupt eine Ahnung, was Chika alles durchmachen und ertragen musste, nur weil Sie nicht für Sie da waren? Wie-", "Jetzt halt mal die Luft an, Kyokei-kun, und lass mich nachdenken.", der muss erst nachdenken?! "Ich hatte auf der Arbeit keinen sonderlich guten Ruf, ich sah keinen Sinn mehr im Leben und lebte nur, um meinen Platz in dieser Welt einzunehmen. Chika war für mich nie die Tochter, die sie sein wollte, ich hatte oft zu spüren bekommen, dass Sie nicht mein Kind war. Ich war frustriert. Wütend auf alles und jeden und besonders auf mich. Das ließ ich an einem fremden Kind aus. Das war falsch von mir, das gebe ich jetzt offen zu. Dennoch habe ich damals nicht verstanden, wieso ich das tat, ich tat es einfach, es war wie ein Ventil, eine Sucht, von der ich mich nicht losreißen konnte. Ich war ein echtes Arschloch. Deshalb habe ich weggesehen, als ich den Verdacht schöpfte, Sayaka könnte meine Alibi-Tochter missbrauchen. Ich hasste mich lange Zeit dafür und tue es auch in diesem Augenblick. Dass Patricia und ich zueinanderfanden war mehr oder weniger eine Laune des Schicksals. Ich wollte etwas besonderes sein, der auffallendste Exzentriker, den die Welt jemals gesehen hatte. Deshalb änderte ich meinen Vornamen in Failman. Doch ich wurde nicht glücklich. Ich lebte nach dem Motto, wenn alle unglücklicher sind als ich, werde ich selbst vielleicht glücklicher. Doch dem ist natürlich nicht so. Ich habe letztendlich nur gelebt, um zu leben und dabei meinen Mitmenschen geschadet. Wenn du erstmal erwachsen bist, wirst du verstehen, wie sich der Schmerz der Existenz anfühlt.", beendet er seine Ansprache. "Ich... weiß es bereits.", höre ich mich krächzen. "Tatsache?", vergewissert er sich. "Tatsache.", bestätige ich. Ich kann seine Handlungen zwar noch immer nicht nachvollziehen, doch ich glaube, ich kann seine Gefühle verstehen. Kaishi kann das nur, nur er, habe ich geglaubt, doch zum ersten Mal fühle ich mich mit ihm auf einer Wellenlänge. Hoffentlich sind wir zwei noch Freunde. Hach, wahrscheinlich nicht, nach dem, was heute war, ganz bestimmt nicht mehr. "Du scheinst schlauer zu sein als du aussiehst, Junge. Wenn du das tatsächlich schon verstehen solltest, dann sonderst du dich sicherlich stark ab, nicht wahr? Du und meine Tochter, ihr seid so verschieden wie Schwarz und Weiß, hab ich Recht? Sag, liebst du sie wirklich? In meiner Position werde ich das Recht zu dieser Antwort nicht haben, dennoch will ich tief in meinem Herzen das Beste für sie. Das ist alles, was ich noch tun kann, als Vater, der ich sowohl biologisch als auch zwischenmenschlich niemals gewesen bin.", Irgendwie fühlt es sich so an als würde Failman-san mir wirklich vertrauen. "Ich liebe sie. Noch nie in meinem Leben hat es jemanden gegeben, den ich mehr geliebt habe. Wenn ich aber ganz ehrlich bin, dann bin ich vielleicht nicht der, für den mich alle halten. Auch für Chika nicht. Ich weiß nicht, ob sie mich überhaupt jemals wiedersehen möchte.", seufze ich und sehe meinen Gegenüber nicht an. Plötzlich höre ich, wie er das Glas anhebt und anschließend fühle ich etwas Nasses und stark riechendes auf meinem Kopf. Da hat der Typ mir doch allen Ernstes seinen Rotwein über den Kopf geschüttet! Ehe ich reagieren kann, schneidet er mir das Wort ab. "Du bist es. Ich habe lange genug zugesehen, du bist der Einzige, dem meine Tochter blind vertraut. Ich sehe es an ihrem Blick. So hat sie noch nie jemandem in meiner Gegenwart angesehen. Wenn du gehst, schwebt sie eventuell in Lebensgefahr. Ich weiß, dass es egoistisch klingen mag, dennoch bitte ich dich: Wenn du Chika wirklich liebst, dann bleib bei ihr und erfülle die Aufgabe, der ich nicht nachkommen konnte. Dir liegt etwas an ihr, mich kann sie nicht ansehen. Sei ein Mann und kämpfe!", und weg ist er, geht zur Theke, fünftausend Yen, ziemlich spendabel für diesen komischen Kauz und dann verschwindet er. "Warte, Failman-san, bleiben Sie hier!", rufe ich ihm hinterher, doch der dreht sich nur um und sagt: "Ich sagte, kämpfe. Sei ein Mann und kämpfe für die, die du liebst. Selbst wenn du mich für einen Hypokriten, einen komischen Kauz halten solltest. Das sind meine wahren Gefühle. Im Ernstfall wirst du mich nicht wiedersehen. Chika ist schwach. Du musst sie mit deiner vorhandenen Kraft beschützen.", jetzt ist er wirklich weg. Komischer Kauz, denke ich und spüle entgegen meinem Willen meinen eigenen Willen den Rotwein hinunter, den mir Failman-san spendiert hat. Das ist ein ganzer Liter. Dann fällt mir ein, dass ich doch auf der Flucht bin. Ich weiß nicht, wohin ich muss, dennoch kann ich nicht zurück. Ich werde Failman-san enttäuschen! Der Typ wird mich dafür hassen. Ich bin eine Enttäuschung für die ganzen Menschen, die mich kennen! Ich muss abhauen! Sofort! Vielleicht ist mir irgendwer gefolgt! Ich verschwinde augenblicklich! Und sofort verlasse ich den Laden. Ich renne wie ein Berserker, der von einer Horde schneller The-Walking-Dead-Zombies verfolgt wird, in die Innenstadt, in der es schwerer ist, die Spur nicht zu verlieren. Ich verstecke mich in einer Ritze zwischen Häusern, um zu verschnaufen. Jetzt, wo ich weiß, in was für einer Gefahr, sozial wie physisch ich stecke, habe ich noch mehr Angst. Werde ich jemals wieder in die Schule zurückkehren? Wird Chika mich nach all den schrecklichen Dingen, die ich gesagt habe, jemals wieder ansehen? Werde ich jemals in Ordnung kommen? Ich glaube, meine Seele hat noch nie mehr geschmerzt als jetzt. Ich... ich will das nicht! Aber ich kann nicht zurück. In gehe tiefer in die Gasse, um an der anderen Stelle wieder rauszukommen und weiterzugehen. Werde ich mich umbringen? Das liegt im Bereich des Möglichen. Vielleicht will ich ja sterben. Verzeih mir, Failman-san. Ich werde deiner Bitte nicht nachkommen. Verzeih mir, Taiyo. Ich werde nicht weiterleben und dein Bruder bleiben. Verzeiht mir, Eltern. Ich werde euch ein schrecklicher Sohn sein, weil ich nicht mehr da sein werde. Verzeih mir, Katsuoka-sensei. Ich werde nicht auf mich Acht geben. Verzeih mir, Shuichiro. Du wirst meine Entschuldigung niemals annehmen. Verzeih mir, Kaishi. Dass ich nur genommen und nie gegeben habe. Verzeih mir, Akira. Dass ich so ein lausiger bester Freund war. Verzeih mir, Chika. Ich werde nicht zurückkehren. "Mister Stark, ich fühle mich nicht so gut.", flüstere ich erstickt, weil ich mich genauso schrecklich fühle, wie alle in dem Infinity War-Film, als sie durch Thanos verschwunden sind. Eine Träne rinnt mir mein Gesicht hinunter. Als ich auf der anderen Seite ankomme, höre ich erneut einen Schuss, der mich sofort durchbohrt. Mein Bein. Man hat mir direkt in den Oberschenkel geschossen. Doch ehe ich schreien kann, greift jemand nach meinem Hinterkopf, gräbt seine Finger in meine Haare und rammt meinen Kopf mit voller Wucht gegen die Straßenlaterne. Hat irgendwer das Licht ausgemacht? 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