Gnadenlos von Platypusaurus ================================================================================ Prolog: Die unglaubliche soziale Kapazität des Sam Winchester ------------------------------------------------------------- Es ist voll im Bunker geworden. Sie sind noch immer auf der Jagd nach Lucifer, Castiel ist wieder da, gelegentlich arbeiten Crowley und Rowena mit den Winchesters zusammen und dann ist da natürlich Jack. Jack, an dessen Person und Schicksal so viel hängt. Cas hat behauptet, dass durch die Existenz des Nephilim Hoffnung auf eine bessere Welt bestehe. Und es ist mehr als die Tatsache, dass Sam Cas um jeden Preis glauben möchte; es gibt noch andere Gründe, warum Jack für Sam so wichtig ist. Nachdem die Schließung der Höllentore so katastrophal schiefgegangen ist, hat er den Glauben an eine friedliche Zukunft aufgegeben. Insbesondere mit Lucifer auf freiem Fuß. Die Angst vor Lucifer begleitet Sam bei Tag und Nacht, sie lässt sich nicht abschütteln und nicht zuletzt aus diesem Grund ist er froh darüber, dass der Bunker allmählich immer belebter wird, nicht mehr nur als Unterkunft für seinen Bruder und ihn zwischen zwei Fällen dient. Aber nicht nur deshalb ist Jack Kline schützenswert; nicht nur, weil er nützlich sein könnte, Sam eine Ablenkung bietet oder das Potential zu einer Art Messias besitzt. Es ist die Tatsache, dass Sam den Jungen wirklich gern hat. Niemals hätte er gedacht, sich einem Lebewesen auf dieser Ebene verbunden zu fühlen. Und dann auch noch einem, das ihn nicht sofort umbringen will. Bisher war das eigentlich immer nur mit Monstern so, die, wie er, mit einer düsteren Macht in den Genen aufgewachsen sind. Sam kennt dieses Gefühl nur allzu gut. Von Jägern misstrauisch belauert zu werden, ob und wann das Böse in einem die Überhand nimmt. Von der eigenen Familie behandelt zu werden, als sei man eine Gefahr für sich selbst und die Zukunft der Menschheit. Zum Teil spürt er die Folgen seiner Vergangenheit noch immer: Andere Jäger meiden ihn, wenn er nicht mit Dean unterwegs ist. Seine Lebensgeschichte ist ein Stigma, er selbst ein schlechtes Omen – Sam Winchester bringt Unglück. Und wenn er Jack ansieht, in die eigentümlich schimmernden Augen, die einerseits so wissend und alt zurückschauen, andererseits so viel Unerfahrenheit und guten Glauben an die Welt widerspiegeln, fühlt Sam ein dumpfes Ziehen in seinem Inneren. Ein Ziehen von der Art, den Jungen in einer bärengleichen Umarmung an seine Brust drücken zu wollen, es gleichzeitig aber kaum in seiner Nähe aushalten zu können. Sam überspielt das, in dem er sich ins Zeug legt, dem Nephilim ein guter Mentor und Freund zu sein. Und zusammen mit Cas, der ganz in seiner Rolle als Ziehvater für Jack aufgeht, gelingt es Sam, mitunter doch auf andere Gedanken zu kommen. Und dann ist da noch Mom. Es ist erschreckend, wie leicht es ihm fällt, eine Beziehung zu der Frau aufzubauen, die er zuletzt im Alter von einem halben Jahr an der Decke über sich hat in Flammen aufgehen sehen. So absurd es auch klingt – er und Mom haben keine gemeinsame Vorgeschichte, keine richtige zumindest, die ihr Verhältnis zueinander belasten könnte. Das macht es zwischen ihnen nicht unbedingt weniger emotional, und manchmal werden Situationen wirklich seltsam. Aber die besonderen Umstände lassen viel Raum für einen Neuanfang. Für gegenseitiges Verständnis. Was Dean, beispielsweise, für ihre Mutter nicht immer aufbringen kann. Und auch Mary fällt es ihrerseits schwer, sich auf den Dean einzulassen, der, abgesehen von seiner innigen Liebe zu Apfelpasteten, absolut nichts mehr mit ihrem Vierjährigen gemeinsam hat, den sie noch im Herzen trägt. Sam ist derjenige, der neutraler von Dad sprechen kann, wenn Mary das Bedürfnis danach überkommt. Er ist in der Lage, die goldene Mitte zu finden, aus Sicht des zwar liebenden, aber bis aufs Blut rebellischen Sohnes, der seiner Mutter die Illusion des warmherzigen Vaters nicht ganz und gar nehmen will. Der aufwändige Spagat zwischen (fast) allen Parteien das Bunkers gelingt Sam erstaunlich gut. Er pflegt seine Freundschaft zu Cas, wobei Jack sie einander noch näher bringt. Das hilft ihm etwas, darüber hinweg zu sehen, dass Dean seit Cas‘ und Moms Wiederauferstehung und Jacks Geburt … nun, launisch ist, um es nett auszudrücken. Überempfindlich, gereizt und absolut unleidlich trifft es eher. Sein Bruder misstraut Jack und es ist überdeutlich, dass er Cas am liebsten nur für sich will. Dean hat sich so in der Nichtakzeptanz seiner unausgesprochenen Gefühle für seinen besten Freund verrannt, dass ihm in dieser Sache vermutlich nur noch ein gewaltiger Schlag auf seinen Dickschädel weiterhelfen könnte. Sam ist nicht gewillt, ihm den zu geben – tatsächlich hängt er doch mehr an seinem Leben, als gedacht. Anstatt sich in die emotionale Selbstkasteiung seines Bruders einzumischen, konzentriert Sam sich lieber auf die übrigen Baustellen des Lebens im Bunker. Er tut das nicht, weil Dean ihm egal ist, im Gegenteil! Aber irgendjemand muss schließlich dafür sorgen, dass alle bei Laune bleiben. Und Dean ist in diesem Punkt leider recht einfach gestrickt: Jack ist potentiell gefährlich, weshalb es aus seiner Sicht keinen Grund gibt, ihn genug Liebe und Aufmerksamkeit erfahren zu lassen, damit der Junge einen guten, menschenfreundlichen Weg einschlagen kann. Rowena ist … Rowena und Dean betrachtet es nicht als seine Angelegenheit, dafür zu sorgen, dass sie ihre Verbündete bleibt. Mit Crowley teilt Dean eine gemeinsame Vergangenheit, über die Sam eigentlich am liebsten so wenig wie möglich wissen will. Die Erinnerungen daran scheinen Dean seinerseits zu belasten und so hält er sich leider auch bei der Zusammenarbeit mit dem Ex-König der Hölle deutlich bedeckt. Wenigstens, und das muss man ihm wirklich zugute halten, kocht Dean für die ganze Bande in erstaunlich regelmäßigen Abständen. Er tut es wortlos, mit finsterem Gesichtsausdruck, erwartet von ihnen weder Dank noch Hilfe, aber die Mahlzeiten, die er ihnen auf den Tisch mit der Weltkarte knallt, können sich nicht nur sehen lassen – sie schmecken auch hervorragend. Cas, Jack, Mom, Crowley, Rowena … Sams soziales Umfeld ist nicht nur enorm gewachsen, es hat sogar erschreckenden Bestand in seinem Leben angenommen. Dass dabei sein eigener Bruder (Selbstgewählt, wohlgemerkt!) hinter allem zurückfällt, tut ein wenig weh, aber Sam gönnt ihnen den gegenseitigen Freiraum. Beide haben sie ihre eigene Art, mit Traumata umzugehen und während Dean lieber in der Abgeschiedenheit seines Zimmers oder in der Küche vor sich hin brütet, tut es Sam selbst gut, sich in Arbeit und Gesellschaft zu stürzen. Als hätte das Universum das gehört, schickt es mehr Gesellschaft und neue Aufgaben in Form von Erzengel Gabriel zu ihm. Sam fällt es sehr schwer zu glauben, dass das Universum einmal auf seiner Seite sein sollte. Zumal es sich bei dem neuen Bewohner des Bunkers eben um Gabriel handelt. Das ist an und für sich schon ein schlechter Scherz, beinahe mieser als die Streiche des vermeintlichen Tricksters. Trotzdem kann Sam nicht verhindern, dass er sich direkt vor die Aufgabe gestellt sieht, dem aus Folter und Gefangenschaft entkommenen Erzengel zu helfen. Er ist schließlich genau so Opfer eines Traumas, wie sie alle hier. So ist es natürlich Sam, der ihm die zusammengenähten Lippen behutsam freischneidet und es ist Sam, dem es gelingt, Gabriel die ersten Worte aus dem malträtierten Mund zu entlocken. Dabei spielt es fast keine Rolle, dass es absoluter Nonsens ist, was Gabe sagt – Sam ist einfach nur erleichtert, dass seine Bemühungen ihre Wirkung nicht verfehlen. Und während sie Pläne schmieden und der Alltag allmählich Einzug in den weitläufigen Gängen des Bunkers hält, fällt es Sam ein wenig leichter, mit der Angst vor Lucifer zu leben. Zumindest bis heute.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)