Von La Sadie's zu Dir en Grey- Ein steiniger Weg von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 25: Freunde kann man wählen, Familie nicht -------------------------------------------------- Etwa ein Jahr später:   Kyo hatte sich von den Strapazen der letzten Monate ganz gut erholt und es gab zwei Dinge, die er tatsächlich daraus gelernt hatte. Mit seinen Problemen und sind sie noch so banal, würde er jetzt immer Rat bei seinen Freunden suchen. Seine Freunde, die für den Sänger eher Familie waren als seine eigentliche Familie. Bis zur nächsten anstehenden Tour blieb ihnen eine Woche Auszeit, die alle der Jungs nutzten, um Zeit mit ihren Liebsten zu verbringen. Alle bis auf Kyo. Er genoss das Alleinsein. Nicht, dass er gern mit sich allein war, doch nervte ihn der Trubel und unnütze Gespräche noch mehr. Während der letzten Proben hatte er viele Unterhaltungen mit seiner Band geführt und ihnen auch deutlich gemacht, dass er nach wie vor nicht mochte im Rampenlicht zu stehen, es sei denn er performte auf der Bühne. Das war etwas anderes. Nein, ihm kamen da anstehende Meetings und Interviews in den Sinn, denen er lieber aus dem Weg ging. Und zum Glück akzeptierten seine Freunde diesen Wunsch. Natürlich wollte er sich nicht ganz aus diesem Metier ziehen, nur eben wenn es nicht zwingend vonnöten war. Kyo fuhr sich durch die blonden, viel zu langen zotteligen Haare. Die Frisur gefiel ihm so gar nicht mehr und er beschloss, es war mal wieder Zeit für eine Veränderung. Und da er einen Friseurbesuch genauso viel mochte wie bei einem Interview Rede und Antwort zu stehen, nämlich gar nicht, legte er nun selbst Hand an. Unachtsam zog er sein Shirt aus und warf es achtlos auf den Wäschehaufen neben der Maschine. Mit einer Schere, die mehr oder minder dafür geeignete war um Haare zu schneiden, kürzte er das Deckhaar grob. Den Rest würde der Haartrimmer erledigen müssen. Seine blonde Mähne fiel neben ihm auf den gefliesten Badezimmerboden. Nun stellte er den Trimmer auf 3 Millimeter und begann fein säuberlich über seinen Kopf zu rasieren. Das Endergebnis stimmte ihn mehr als zufrieden. Mit dem Föhn blies er kleine Härchen weg, fegte alles zusammen und sprang kurz unter die Dusche. Kyo schlüpfte in eine bequeme Hose, kramte seine Zigaretten aus der Jeans von gestern und ging auf die Terrasse, um eine zu rauchen. Genüsslich zog er an dem Glimmstängel und verfolgte den Rauch, der nach oben stieg und sich schließlich in Luft auflöste. Dann schaute er an sich herab und stellte auch dieses Mal erleichtert fest, dass seine Figur wieder ihre frühere Form zurückerlangt hatte. Vielleicht noch ein bisschen muskulöser. Diese Medikamente und das Zunehmen waren für den Sänger sehr schlimm gewesen, denn sein Körper war ihm mehr als heilig. Schließlich präsentierte er sich vor aller Welt und wer wollte schon einen fetten Sänger haben, der keuchend und schnaubend auf der Bühne dahinvegetierte? Bei diesem Gedanke schüttelte er sich. Ein absolutes no-Go. Kyo mochte sich sogar wieder ein bisschen und er hatte seinen Freunden tatsächlich ein weiteres Versprechen gegeben- keine Selbstverletzung mehr. Das war er ihnen schuldig. Er überlegte, was er die nächsten Tage noch anstellen könnte. Wäsche waschen erschien ihm sinnvoll. Einkaufen konnte er auf seiner imaginären To-Do List schon abhaken. Viel benötigte er die Tage ohnehin nicht mehr, sonst müsste er wieder essen wegwerfen und das mochte der Sänger nicht. Kyo drückte die aufgerauchte Zigarette im Ascher aus und sein Weg führte ihn in sein Musikzimmer. Dort lagen auf dem Schreibtisch ein paar neue Texte, die aus den tiefen seiner Seele entsprungen waren. Der Inhalt? Immer dasselbe. Dunkelheit, Hass und Verzweiflung. Naja, nicht nur. Auch seine Kritik an der Menschheit kam immer öfter zum Ausdruck. Das sich niemand mehr um andere kümmerte, sondern jeder um sich selbst. Man vergaß schon fast wie sich zwischenmenschliche Nähe oder Vertrauen anfühlte. Ebenso gab es immer weniger intensive Freundschaften, weil den Menschen die Zeit zur Pflege von Freundschaften fehlte. Nur noch die Arbeit und das Geld zählten. Irgendwie traurig. Aber war Kyo anders? Auch er lebte nahezu nur für seinen Job. Doch Menschen mit seiner Musik zu begeistern erschien ihm etwas anderes zu sein. Immerhin schaffte es Musik andere zu berühren. Bevor er jetzt weiter vor sich hin grübelte, schlüpfte er in seine schwarze Joggingjacke und begab sich in den Proberaum. Auch die von Hand geschriebenen Zettel sowie seinen Laptop packte er ein. Den Reisverschluss zog er bis zur Hälfte nach oben. Die letzten Proben hatten den Sänger schon fast über motiviert und er konnte es kaum erwarten wieder auf der Bühne zu stehen. Dem einzigen Ort, wo er sich wirklich traute, frei zu sein. Er selbst zu sein. Als Kyo seine Hände um das Mikrofon legte und mit singen anfing, dauert es nicht lange, bis er sich darin verlor. Lieder, die sie auf der Setlist hatten und, die er Inn und auswendig beherrschte, gab er noch den letzten Schliff. Spielte mit seiner Stimme und bastelte hier und da herum. Und auf einmal spürte er etwas, das er schon so lange nicht mehr gefühlt hatte. Die Dunkelheit schien sich langsam wieder zu zeigen. Schon fast etwas schüchtern kroch sie aus dem Innersten seiner Seele empor, als fürchtete sie sich vor ihm. Bei diesem Gedanken musste der Sänger unweigerlich grinsen. Und plötzlich traf ihn die vielleicht wichtigste Erkenntnis seines Lebens. Die Dunkelheit in ihm würde wohl immer existieren, doch anstatt sich von ihr einlullen zu lassen, könnte er auch versuchen mit ihr zu harmonieren. Und genau das tat er dann. Er ließ das kleine Ungeheuer frei und augenblicklich wurde er in einen tranceähnlichen Zustand versetzt. Doch nicht wie sonst engte ihn das ein, nein, dieses Mal verlieh ihm dieser Zustand Kraft. Noch immer war Kyo Herr seiner Sinne und das beeindruckte ihn sehr. Mehrere Mal sang er seine Stücke und vor allem Lotus tat es ihm an. Er spielte mit seiner Stimme und holte mehr aus ihr heraus, als jemals zuvor. Mit dem Handrücken wischte er sich über die leicht verschwitzte Stirn. Ein Klatschen holte in wieder zurück in die Realität. „Wow…mal was Neues“, lobte ihn sein Leader. „Meinst du meine Frisur oder den Gesang?“, witzelte Kyo. „Mh, irgendwie beides…nein ohne Scheiß, das war gerade echt beeindruckend…mehr als sonst.“ Der Sänger ließ sich in dem abgewetzten Sessel nieder, hängte seine Füße über die Lehne und zündete sich eine Zigarette an. Kaoru tat es ihm gleich. „Wie lang bist du schon hier?“ Kyo zuckte mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein, keine Ahnung…nur ist mir heute Vormittag die Decke auf den Kopf gefallen und da bin ich zum Proberaum gefahren.“ Der Leader schaute seinen Freund ein bisschen entgeistert an. „Oha…jetzt haben wir fast Abend…hast du zwischendurch was gegessen?“ Kyo verneinte die Frage. „Mh. Hast du Lust was essen zu gehen?“ „Oh ja bitte, ich sterbe vor Hunger. Aber wie wäre es, wenn wir uns was holen und hier essen? Du weißt schon, Menschen und so…“ Kaoru war einverstanden und so schlenderten die beiden zu einem Imbiss in der Nähe, holten sich einen Snack und kehrten in den Proberaum zurück. Zunächst aßen sie schweigend voreinander hin und zufriedenes Schmatzen war das einzige Geräusch im Raum. Naja, wenn man das Ticken der Uhr außer Acht ließ. Satt und zufrieden knüllte Kaoru das Papier zusammen und brachte es zum Mülleimer. Kyo tat es ihm gleich, holte sich noch eine Flasche Wasser und beschloss vor dem Proberaum eine Zigarette zu rauchen. Sein Freund folgte ihm. „Bist du gar nicht bei Zero?“, erkundigte sich der Sänger. Sein Leader schüttelte mit dem Kopf. „Nee…er ist irgendwie gerade komisch, weil wir schon wieder auf Tour gehen und ich angeblich zu wenig Zeit für ihn habe.“ „Deshalb führe ich keine Beziehung…sowas stört nur…“ Kaoru seufzte und sein Blick wanderte hinauf zu den Sternen. „Aber es kann auch schön sein…man ist füreinander da…“ Kyo schnaubte und der Leader hielt inne. „Klar…ich halt trotzdem nicht viel davon…genieße dein Glück nur verschone mich bitte mit Details…“, fuhr er den anderen jetzt sichtlich genervt an. „Tut mir leid…ich wollte dich nicht nerven…“, entschuldigte sich Kaoru. All das wurde dem Sänger schon wieder zu viel. Er kehrte zurück in den Proberaum, packte seine sieben Sachen zusammen und verabschiedete sich von seinem Freund.   Die Autotür schlug mit einem lauteren Knall als beabsichtigt hinter ihm zu und er atmete tief durch. Dann drehte er den Schlüssel rum und das Motorengeräusch ertönte. Kyo wollte nicht nach Hause fahren, denn dort würde er durchdrehen, wieder zu viel nachdenken. Doch ohne zu wissen, wohin er fahren wollte, schien ihm sein Instinkt diese Entscheidung bereits abgenommen zu haben, denn er befand sich auf der Schnellstraße aus der Stadt raus. Ab und zu blendeten ihn die Scheinwerfer des Gegenverkehrs ins Gesicht und er kniff die Augen zusammen. Sein Weg führte ihn nach Osaka und als er sein Auto vor dem Haus parkte, überlegte er, ob das wirklich so eine gute Idee war. Jetzt nur nicht kneifen, dachte er bei sich. Kyo schloss sein Fahrzeug ab und näherte sich fast wie ein Eindringling langsam dem Haus, in welchem sogar noch Licht brannte. Die Klingel hallte im Flur und es folgten schnelle Schritte. Die Tür wurde aufgerissen. „Niichan? Was machst du denn hier?“, fragte das leicht verwirrte Mädchen. „Hana…ich dachte ich komm dich besuchen…“, antwortete er seiner kleinen Schwester, die ihn noch immer etwas verdutzt anschaute und erst jetzt fiel ihm auf, dass sie vermutlich sowas wie einen Pyjama trug. Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. „Oder störe ich bei deiner Pyjamaparty?“ „Ähm…nein, eigentlich nicht…das heißt, es sind zwei Freundinnen zum Filmeabend da, aber bleib doch…“ „Nur, wenn es wirklich nicht stört.“ „Kyo-chan, jetzt komm einfach rein“, gab das Mädchen schon fast genervt zurück und jeden anderen hätte Kyo tödliche Blicke zugeworfen, wenn er ihn bei diesem Namen nannte, nicht aber Hana. Sie führte ihn in ihr kleines, aber gemütliches Wohnzimmer, wo noch zwei andere Mädchen auf Matratzen auf dem Boden hockten. Überall lagen verstreut die Überreste von Süßigkeiten und inmitten der Mädels stand eine bis zum Rand gefüllte Schüssel mit Popcorn. Kyo winkte in die Runde und die beiden schauten den Sänger etwas irritiert an. „Mei, Yui…das ist mein Bruder Kyo.“ Noch immer ruhten zwei Augenpaare auf dem Sänger, doch die Lippen der an Angesprochenen blieben stumm. Deshalb setzte sich der Sänger einfach dazu und lehnte sich an der Wand an. „Was schauen wir überhaupt?“, fragte er. „Gerade haben wir überlegt, entweder das wandelnde Schloss oder Prinzessin Mononoke. Was meinst du?“ „Das wandelnde Schloss. Kenn ich tatsächlich noch nicht.“ Erst jetzt bemerkte Kyo die leeren Sektflaschen der Damen. Scheinbar hatten sie schon ihren Spaß gehabt. Hana legte den Film ein und die vier rückten ein bisschen zusammen. Das Mädchen machte es sich zwischen Kyos Beinen bequem und lehnte sich an ihn. Ob bewusst oder unbewusst fanden sich die Hände der Geschwister und Hana genoss die Nähe ihres großen Bruders. Was auch immer er in den letzten Monaten wieder getrieben hatte, irgendwie wirkte er noch abwesender als sonst. Ihre Anrufe oder Nachrichten schien er zu ignorieren oder hatte er sie abgehört? War er deshalb hier? Hana konnte sich kaum auf den Film konzentrieren, weil ihr schon wieder hunderte von Fragen im Kopf umher schwirrten. Sie liebte Kyo, keine Frage, doch es machte ihr auch zu schaffen, dass er so selten etwas von sich hören ließ. Rockstar hin oder her. Und dann das Medientheater der letzten Monate, angeblich zog sich Dir en Grey zurück, weil es Probleme gab. Doch welche Art von Problemen? Und hatten diese etwas mit ihrem Bruder zu tun? Yui schob ihr einen Zettel zu, den Kyo über ihre Schulter hinweg auch mitlas. Er grinste und wand seinen Blick dem Mädchen zu. „Ja, ich bin der Kyo. Und ja, ich bin der Sänger von Dir en Grey. Aber ich hasse es Bilder mit irgendwelchen Fangirlies zu machen.“ „Nicht mal für uns? Immerhin hocken wir hier im Pyjama.“ Kyo lachte ein bisschen und ließ sich schließlich zu einem Bild mit den Mädels breit schlagen. „Aber wehe ich finde das irgendwo im Internet“, sagte er bestimmend und die Botschaft dahinter kam an. Hana freute sich, dass ihr großer Bruder so nett zu ihren Freundinnen war. Schließlich dösten die beiden neben ihnen weg, doch von Gedanken geplagt fand Hana keinen Schlaf. Sie drehte sich um und schaute ihren Bruder an. „Geht es dir gut?“, fragte sie schließlich vorsichtig und ein sanftes Lächeln schlich sich auf sein sonst so ernstes Gesicht. „Schätze schon. Hatte schon schlimmere Tage. Wieder zögerte das Mädchen und nahm Kyos Hand, strich über die Tätowierung dort und versuchte zu entziffern, was da geschrieben stand. „Das meine ich nicht…was ist an den Geschichten dran, die vor nicht all zu langer Zeit durch die Medien kursierten?“ Ihr Bruder zuckte nur mit den Schultern. „Keine Geschichten…es ist alles wahr. Ich war ne Weile im Krankenhaus, durfte nicht reden, aber jetzt ist alles wieder okay.“ Mit einer Mischung aus Empörung und Enttäuschung schaute Hana ihren Bruder an. Sie sprang auf und er folgte ihr. „Und du denkst nicht Mal dran uns Bescheid zu sagen? Ich meine, du warst im Krankenhaus…verdammt Kyo…“, fluchte Hana und funkelte den Älteren wütend an. „Ich wollte, dass es so wenig wie möglich Leute mitbekommen. Es war schon kritisch unserem Management zu erklären, was passiert ist…und ich wollte euch da nicht mit rein ziehen…“ „Es wäre ja auch so unnormal…und ich dachte wir sind eine Familie…“ Der Sänger seufzte tief und machte sich zum Gehen bereit. „Und trotzdem kann immer noch ich entscheiden, wen ich mit meinen Problemen belaste und wen nicht!“, fauchte er zurück. „Willst du jetzt ernsthaft noch zurückfahren?“ „Ich hab halt keine Lust morgen aufzuwachen und von deinen Freundinnen wie ein Affe im Zoo begafft zu werden.“ Hana war den Tränen nahe, denn sie hatte das Gefühl ihr Bruder entglitt ihr immer mehr. „Weißt du, manchmal würde ich mir wünschen, dass es Dir en Grey nicht geben würde…vielleicht wärst du dann öfter bei uns…“ Den Kommentar, der so eben durch seinen Kopf schoss, schluckte der Sänger mit einem bitteren Beigeschmack wieder runter. „Grüß Akira von mir. Vielleicht sehen wir uns nach der Tour.“ Er umarmte seine Schwester noch und verschwand dann. Schneller als er sollte, fuhr er zurück nach Hause und bereute es, wie fast jedes Mal, seine Familie besucht zu haben. Die dunkle Nacht rauschte an ihm vorbei und als sein Tacho schon fast 200 kmh anzeigte, drosselte er das Tempo. Kyo fuhr links ran, wo ein Feldweg in ein kleines Wäldchen führte. Diesen konnte er zwar gerade nicht sehen, doch er kannte die Strecke nur zu gut. Seine Finger umklammerten das Lenkrad und sein Kopf sank dazwischen. Hana wünschte sich also, dass es seine Band nicht geben würde. Doch ohne Dir en Grey würde er niemals existieren können. Er liebte seine Band, weshalb also hegte seine kleine Schwester solche Gedanken? Immer endeten diese Begegnungen mit Drama. Drama, welches Kyo auch gut und gern gestohlen bleiben konnte. Und Hanas Worte trafen ihn zu sehr und er schaffte es nicht rechtzeitig die Zugbrücke seiner Festung einzuholen. Zu schnell prasselten die Worte und die damit verbundenen Gefühle erneut auf den Sänger ein. Seine Finger krallten sich fester ins Lenkrad und sein Herz raste vor Verzweiflung. Wie sollte er in diesem Zustand heil zu Hause ankommen? Heiße Tränen benetzten seine Wangen und er beschloss frische Luft zu schnappen. Vielleicht half das. Und eine Zigarette. Er setzte sich auf die Motorhaube und blickte erneut zu den Sternen empor. Langsam ließ er sich auf den Rücken sinken und überkreuzte seine Beine. Durch die Fahrt gab der Motor noch immer Wärme ab, die sich unter ihm ausbreitete. Immer wieder versuchte er einen Schritt in die richtige Richtung und immer scheiterte er. Wie frustrierend das langsam wurde. Genau aus diesem Grund hielt er sich von seiner Familie fern, denn wieder und wieder schafften sie es, ich zu verletzen. Für Hana und Akira war er doch nur noch gut genug, um vor ihren Freunden zu prahlen, dass sie mit dem Sänger von Dir en Grey verwandt waren. Doch Kyo wollte kein dummes Vorzeige-Idol sein, mit dem man sich brüstet. Er war doch auch noch Kyo, der eben neben der Musik existierte. Zählte das denn gar nicht mehr? Wie gerne wäre er Hana und Akira ein liebevoller großer Bruder, wenn sie ihn nur ließen. Aber für die beiden zählte nur seine Berühmtheit. Der Mensch, mit dem sie angeben konnten. Nur eine Spielfigur und Kyo wollte mehr als das sein. Wenn jemand das Recht darauf hatte, ihn als Spielfigur zu missbrauchen, dann war das immer noch er selbst. Und das in einem Spiel, dessen Regeln er bestimmte. Der Sänger widerstand dem Drang seine Nägel in seine Haut krallen, denn dieses Versprechen wollte er nicht brechen. Für kein Geld der Welt wollte er die vier Menschen, die ihm alles bedeuteten ein weiteres Mal enttäuschen. Seine vier Liebsten, die ihn kannten, ihn ertrugen, ja ihn sogar tolerierten und ihn dennoch liebten. Dieser eine Gedanke in der dunklen Nacht war so wunderschön und so herzzerreißend, dass es den Sänger niederschmetterte und er sich seinen Gefühlen ergab. Und dann wusste er, was zu tun war. Er tippte in Rekordgeschwindigkeit vier Nachrichten in sein Handy, stieg wieder zurück in sein Auto und fuhr los. Konnte es kaum erwarten endlich nach Hause zu kommen. Ein verhaltenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sah, dass in seinem Haus Licht brannte. Der Sänger beeilte sich. Seine Handyuhr verriet ihm, dass es mittlerweile zwei Uhr war und doch schienen alle da zu sein. Sein Herz vollführte Freudensprünge und er stürmte ins Wohnzimmer, wo seine Freunde bereits auf ihn warteten. Etwas benommen von dem Rausch seiner Gefühle stolperte er zum Sofa, wischte sich erneut die Tränen weg und versuchte alle auf einmal zu umarmen. Kaoru holte den Sake mit den Schälchen und stellte dieses in die Mitte ihres kleinen Sitzkreises. Kyo musterte jeden seiner Jungs einzeln und versuchte dankend zu lächeln. „Ich hoffe es gibt einen guten Grund, weshalb du uns um diese Uhrzeit zu dir bestellst!“, murrte kein anderer als der Leader und reichte jedem Sake. Etwas verlegen zuckte Kyo mit den Schultern. „Den gibt es leider nicht…ich wollte euch einfach sehen, das ist alles…“, antwortete er ehrlich und etwas erstaunt musterten ihn seine Freunde. Er erhob sein Glas und prostete den Jungs zu. „Auf die besten Freunde der Welt“, sagte er wieder und alle tranken. „Du wolltest uns sehen? Einfach so? Obwohl du uns in ein paar Tagen für knapp zwei Monate an der Backe hast?“, warf Die etwas verwirrt ein. „Ich hab euch ziemlich gern um mich, auch wenn du mir manchmal tierisch auf die Nerven gehst Dai Dai.“ „Shin-chan, fühl Mal, ob Kyo Fieber hat…“, meldete sich nun auch der Bassist zu Wort und der zierliche Drummer gehorchte. Kyo schob dessen Arm jedoch beiseite. „Lass den Mist, mir geht es gut…jetzt zumindest…ich dachte, ich besuch Hana mal wieder…doch das endete nicht gut, wie immer. Meine Familie ist und bleibt beschissen…aber ich hab euch und ihr seid da, obwohl es mitten in der Nacht ist. Ihr seid echt ne ziemlich schräge Truppe.“ „Wenn unser Sänger nach uns verlangt, folgen wir seinem Ruf!“, erklärte Kaoru leicht theatralisch und nun musste Kyo lachen. „Und ihr habt gewaltig einen an der Waffel…schätze deshalb hab ich euch so gern.“ Er rauchte noch eine letzte Zigarette auf dem Balkon. Sein liebster Freund folgte ihm und legte seine Arme von hinten um den Kleineren. Ein kaum hörbares Kichern entfuhr dem Drummer. Er konnte nicht anders und drückte seinem Sänger einen Kuss auf die Wange. „Danke…“, flüsterte er. „Wofür? Dass ich euch mitten in der Nacht völlig grundlos zu mir bestelle?“ Shinya nickte. „Und dafür, dass du uns vertraust.“ „Wenn nicht euch, wem denn dann Shin-chan?“ „Oh du bist so süß Kyolein…darf ich bei dir im Bett schlafen?“ Ein Grummeln entfuhr dem Sänger, doch er verkniff sich den Kommentar.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)