Cursed or not von April_Jones ================================================================================ Kapitel 6: Verdient - Was auch immer nötig ist ---------------------------------------------- Verdient Was auch immer nötig ist "I will not let you die. I won't let any of you die. And I won't let you sacrifice yourselves. You mean too much to me. To everything." Castiel 12x09   Das dunkle Holz schien wie eine unüberwindbare Barriere, etwas das trennte und gleichzeitig schützte. Die Ziffer 11 prangte unter dem Zeichen der Männer der Schriften. Seine Hand schwebte über dem Messingknauf, einem Richterhammer gleich, der sich gewiss war fallen zu müssen. Wenn er durch diese Tür ging, würde sich alles ändern. Unangenehm schwer lag sein Herz in seinem Brustkorb. Zu wenig für Angst, zu viel für bloße Anspannung. Castiel atmete tief durch und betrat das Zimmer. Der Anblick, der sich ihm bot, versetzte ihm einen Stich irgendwo zwischen Kehle und Magen. Der Mensch saß auf der Bettkante und barg sein Gesicht in seinen Händen. Er war müde, so müde. Und es war keine Müdigkeit, die sich mit Schlaf kurieren ließ. Das Leben hatte ihn erschöpft. Sie hatten immer gewusst, dass das Jagen einen hohen Preis haben würde, aber vielleicht war der Preis diesmal zu hoch. Das Band zwischen ihnen flackerte unstet, als würde es sich auf sein baldiges Ende vorbereiten. Wie ein verlöschendes Licht dessen Kräfte schwanden. Castiel wünschte, er könnte die Last von ihm nehmen oder zumindest seine eigene Stärke auf ihn übertragen. Die Wunden auf Deans Seele waren tiefer als jemals zuvor. Wenn es einen Weg gab ihn zu heilen, würde er ihn gehen. Mit allen Konsequenzen. Was auch immer nötig ist. „Hallo, Dean.“ Dieser stand auf und wich vor ihm zurück. Er hätte es wissen müssen. Er hätte sich denken können, dass Cas ihn nicht in Ruhe lassen würde. Es überraschte ihn nicht. Auf jede potenzielle Selbstmordmission war der Engel ihm gefolgt. Aber nicht heute. Heute würde er ihm nicht folgen können. „Geh weg, ich habe mich nicht im Griff.“ Die Ablehnung tat weh, trotz allem. Castiel war stehen geblieben. Er sah seinen inneren Kampf und verstand. Vielleicht war er der Einzige, der Dean jemals wahrlich gesehen hatte. Die Erkenntnis machte ihn traurig. Du glaubst nicht, dass du es wert bist gerettet zu werden. Wo er doch sonst soziale Sprache und Zwischenmenschliches nicht deuten konnte, hatte er Dean schon bei ihrer ersten Begegnung sofort durchschaut, als könnte er in seine Seele sehen. Und das hatte dem Jäger Angst gemacht. Auch jetzt hatte Dean Angst, aber nicht vor dem Engel, sondern vor sich selbst. Wieder dieses Fieber. Dean spürte, wie es langsam aufstieg und sich in ihm unaufhaltsam ausbreitete, sich in seine Adern fraß. Seine Nerven zum Zerreißen gespannt. Seine Geduld hing am seidenen Faden. Es passierte schon wieder… Es passierte schon wieder… Es passierte schon wieder… Nein! Es durfte nie wieder geschehen! Es würde nie wieder geschehen, dafür würde er sorgen. Auch wenn es um seine Selbstbeherrschung immer schlechter stand. Aber nicht nur deswegen wünschte er, Castiel wäre nicht hier. Er ertrug seine Anwesenheit nicht, er hatte sie nicht verdient. Er verdiente ihre Sorge nicht. Er hatte es nicht einmal verdient, dass man ihn ansah. Nicht mit diesem Blick in den Augen. Aber wie sollte der Engel das auch verstehen? „Du weißt nicht wie das ist…“ Dean wollte wegsehen, doch der Engel fing seinen Blick auf. „Wie es ist einem Menschen weh zu tun, während man keine Kontrolle über sich hat? Einem Menschen, den man eigentlich beschützen sollte? Wenn die Schuld so schwer wiegt, dass man in einem Wald Bienen züchten oder sich in einem Bunker einschließen möchte?“ Betroffen wandte Dean sich ab. Das hier, das war Cas. Castiel, der nach den Seelen des Fegefeuers nicht mehr er selbst gewesen war. Castiel, der unter Naomis Kontrolle gestanden hatte. Castiel, der von Rowena mit einem Fluch belegt worden war. Castiel, der den Bunker nie wieder hatte verlassen wollte, weil er sich für gefährlich gehalten hatte. Behutsam legte Castiel eine Hand auf seine linke Schulter und drehte ihn wieder zu sich. „Ich kann verstehen, dass du keinem Menschen schaden willst, um dich am Leben zu erhalten. Aber ich bin kein Mensch.“ Die sonst so vertraute Berührung wog plötzlich so schwer. Dean schüttelte die Hand des Engels ab, als hätte sie ihn verbrannt. „Was willst du mir damit sagen, Cas?“ Sein stechend grüner Blick traf den seines Gegenübers und doch konnte er ihn nicht halten. Cas trug wilde Ozeane in seinen Augen und Dean hatte Angst davor zu schwimmen. „Wunden heilen bei mir bereits nach kurzer Zeit. Es gäbe keine bleibenden Schäden.“ Castiel sah auf den Boden. „Ich meine, du… du könntest mir nicht nachhaltig schaden.“ Zumindest nicht körperlich. Aber nichts von allem, was Dean tun könnte, wäre schlimmer als ihn zu verlieren. Nichts könnte den Engel so sehr zerstören wie der Tod von diesem einen Menschen. Schleichend kroch eine Ahnung in dem Jäger hoch, die seine Eingeweide zuschnürte und ihm das Atmen schwer machte. Kurz schloss er seine Lider, um sich zu sammeln und für einen Moment die bestürzende Wirklichkeit auszuschließen. Doch so würde die Erinnerung an die junge Frau zurückkehren. Angst davor die Augen zu schließen und Angst davor sie offen zu halten. Dean schluckte schwer. So sehr hoffte er, er hätte den Mann im Trenchcoat missverstanden. „Cas…?“ Dieser hob den Kopf. Der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht ließ nichts von dem vermuten, was wohl in seinem Kopf vorging. Mit festem Blick sah Castiel ihm in die Augen. „Ich will, dass du mit mir schläfst, Dean.“ Für einen Moment war der Jäger wie paralysiert. Er starrte ihn an, seinen besten Freund. Schweigen. Kein Ton brach über seine Lippen, als müsse er die gefallenen Worte erst verarbeiten. Nur langsam sickerten sie in sein Bewusstsein. Hitze flutete in einer verheerenden Welle seinen Körper und fachte das Fieber in ihm nur noch mehr an, verstärkte diesen Drang… Castiel musste gehen. Sofort. Seine bloße Anwesenheit brachte ihn fast um den Verstand. Verzweifelt grub Dean die Fingernägel in seine Handballen, in der Hoffnung der Schmerz würde ihn ablenken. Doch es war als wären all seine Sinne nur noch auf sein Gegenüber ausgerichtet. Wie ein Raubtier, das seine Beute fixierte. Gott, nicht Cas, bitte, nicht Cas! Er durfte die Kontrolle nicht verlieren. Der Fluch durfte ihn nie wieder beherrschen. Mit allem was er hatte, mit seiner ganzen Kraft bekämpfte Dean das Feuer in sich und drängte es zurück, all das Verlangen, die Begierde und diesen Hunger. Für Cas. Nachdem Dean sich wieder gefasst hatte, kehrte seine Stimme und seine Vehemenz zurück: „Das kommt nicht in Frage!“ „Weil meine Hülle männlich ist?“ Wie sollte er jetzt auf die Schnelle einen weiblichen Körper finden? Abgesehen davon hatte er diesen hier irgendwie liebgewonnen. Es war als wäre es sein eigener. Aber für Dean würde er ihn aufgeben. „Das ist es nicht. Ich könnte dir niemals… Nein.“ Bestimmt schüttelte Dean den Kopf. Allein der Gedanke, dem Engel weh zu tun, verursachte ihm Übelkeit. Nach dem Kainsmal hatte er sich geschworen soetwas niemals wieder zu tun, um jeden Preis. „Du wirst sterben, Dean.“ Sie sahen sich in die Augen. Das Grün traf den Engel wie ein Schlag. Es ließ ihn tief in die menschliche Seele blicken, offen und verletzlich lag sie vor ihm: seine Furcht und seine Entschlossenheit, seine Trauer und seine Schuld. Das Ungesagte all der Jahre tränkte die Luft um sie herum und nahm ihnen fast den Atem. Eindringlich sahen sie einander an und erkannten so viel in den Augen ihres Gegenübers. Vieles, was nie ausgesprochen wurde und auch nie würde und doch in diesem Moment so klar war. „Ja.“ Ja, er würde sterben, seine Zeit war gekommen und er war bereit. Alles war genauso gekommen wie Dorothy es ihm prophezeit hatte. Es wird sich bald zeigen, was für ein Mensch du bist. Oh, und wie sich das gezeigt hatte. Er war ein Mensch, für den in dieser Welt kein Platz mehr war. Auch deine Zeit wird irgendwann kommen, Dean Winchester. Sie hatte recht behalten. Er wollte nicht gerettet werden, nicht diesmal. Und dennoch kam er nicht umhin dankbar zu sein, Castiel zu sehen, ein letztes Mal. Das hier war ein Abschied. Castiel wollte noch etwas sagen, doch Dean fiel ihm ins Wort: „Geh jetzt bitte. Ich möchte allein sein.“ Auffordernd blickte er sein Gegenüber an und erwartete, dass dieser seiner Bitte unverzüglich Folge leistete. Wie sehr wünschte er sich, der Engel würde das Letzte sein, das er sah. Aber das ging nicht. Darum würde er niemals bitten. Nie hatte der Jäger geglaubt, dass es so enden würde. Er hatte Angst, furchtbare Angst. Er wollte nicht allein sein, nicht allein sterben, aber noch weniger wollte er, dass ihn jemand so sah, sich krümmend unter dem Fluch. Wie hatte der Augenzeuge es beschrieben? Auf einmal fing er an zu zittern, dann ist er umgekippt auf den Boden, hat sich gewunden und geschrien, es war grauenhaft! So sehr ihn die Furcht vor dem Kommenden auch lähmte, diesen Anblick konnte er weder seinem Bruder noch seinem besten Freund antun. Er würde diesen letzten Weg gehen, allein, so schmerzhaft er auch sein mochte, er würde es erdulden. Das Wissen um die Pistole in seinem Nachtschrank war verführerisch. Eigentlich zur Verteidigung gedacht, bot sie nun einen Ausweg. Aber er würde sie nicht benutzen, egal was kommen würde, er hatte es nicht anders verdient. Vielleicht sollte er die Waffe aus seiner Reichweite schaffen, damit er nicht in Versuchung geriet, wenn die Qualen unerträglich wurden. Denn das würden sie und er hatte es verdient.   "How is it that you lost Dean? I thought the two of you were joined at the... everything." Kipling zu Castiel 14x01 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)